Ein Jahr mit BISS

Als wir vor genau einem Jahr die Genuss-Zeitung BISS ins Internetleben riefen, hatten viele Printmedien zu kauen. Das Medium Internet ist einfach schneller und kann doch sehr gründlich sein.

Mit der BISS-Zeitung wollten wir ein Korrektiv zu den oft zahnlosen kulinarischen Periodika und Berichten der Branche sein. Wir sind al dente, wir sind kritisch und emotional, unbeirrbar unabhängig, subjektiv und individuell.

Die Reise geht längst ins Internet, jeder ist dort unterwegs – wer beispielsweise schaut heute noch auf den Gelben Seiten nach den richtigen Adressen. Wer mag außerdem lange in Allerweltszeitungen mit Gemischtwarenangebot blättern, bis er genau die Themen findet, die ihn interessieren. Eine Genuss-Zeitung spricht nicht jeden an, aber eine klar definierte Zielgruppe. Auch die Anzeigenwirtschaft hat dies erkannt.

Unsere Zeitung trägt den Untertitel „Frankfurt, Rhein-Main und die Welt“. Wir berichten rund um den Globus, doch steht unsere Region im Mittelpunkt, zumal sie von anderen Zeitschriften und Zeitungen oft vernachlässigt wird, weil man dort noch nicht verstanden hat, dass sich Frankfurt und seine Umgebung kulinarisch mehr als andere Gebiete in Deutschland entwickelt haben.

Mit unserer Zeitung macht man keine flüchtige Bekanntschaft, wir sind nichts für schnelle Klicks, wir haben richtige Leser und eine immer größer werdenden Fangemeinde. Eine Ausnahme-Erscheinung im hektischen Internet.

Wir sind jedenfalls mit der Entwicklung zufrieden und mussten keine Kredite aufnehmen, weder bei Banken, noch bei Freunden

Wir wünschen Ihnen ein gesundes & genussvolles Jahr 2012 mit Biss.

Ludwig Fienhold

(Herausgeber & Chefredakteur)




Gegen Erkältung In Kamillentee pochierte Bachforelle

Ein heiterer Koch vertreibt trübe Gedanken

 

Nein, nicht schon wieder ein Kochbuch, sondern ein kulinarischer Schmöker in Bio-Qualität. So nennt den Band der frech fabulierende Feinschmecker Tobias Sudhoff, den man getrost ein Multitalent nennen darf. Der 36 Jahre alte Westfale arbeitet als Musiker, Kabarettist, Komponist, Autor, Moderator und Koch. Sudhoff ist es gewohnt, locker zu bleiben und im lässigen Plauderton Wissenswertes zu vermitteln. Auch beim Schreiben versucht er erst keine gespreizte Diktion, sondern spricht ganz einfach mit dem Leser.

Er ist ein Küchenkumpel, kein prolliger wie Tim Mälzer oder Jamie Oliver. Er ist ein kluger Küchenkumpel. Kein Besserwisser, aber jemand, der weiß, wo der Barthel seinen Most holt. Beim Lesen des Buchs wird man schnell ins Geschehen hineingezogen, sammelt mit Sudhoff Pilze, sucht nach dem besten Gemüse, kauft beim Metzger ein und steht mit ihm am Herd in der Küche bei einem Glas Wein, als würde man ihn schon länger kennen. Genau das hat auch Tim Raue angesprochen. „Es gibt Tage, an denen ich mich freuen würde, mit den Jungs, die dieses Buch realisiert haben, am Herd zu stehen und zu kochen – ohne den Druck der absoluten Perfektion zu spüren, geprägt zu sein von Emotionen, Spaß“, schreibt der Berliner Sternekoch im Vorwort. 

Tobias Sudhoff

Tobias Sudhoff hat Spaß an seiner Arbeit und genau dieser springt einen an und macht Lust vieles nachzukochen. Etwa Mufflon im Heumantel an mediterranem Gemüse und Pumpernickel oder Bambi im Gewürzteig mit zweierlei Schoko-Trüffelsaucen. Thymiansandwich mit Erbsenmousse und Geflügelpâté will auch probiert sein und Makrelenterrine mit Marzipan sowieso. Wenn Sudhoff über die Inflationsware Sushi reflektiert, dann auch wieder anders: Steirisches Sushi – mein Fisch jodelt!

Ein Lob auch den sehr natürlichen Live-Fotografien von Maryatta Wegerif, die nicht wichtigtuerisch foodstylistisch arbeitete, sondern dem Autoren und seinen Produkten gefühlvoll auf die Pelle rückte.

Das Buch trägt den Haupttitel „Das unverschämt geile Kochbuch“, weil man vielleicht befürchtete, mit einem bedächtigeren Titel weniger Aufmerksamkeit zu erzielen. Es ist auch nicht einfach aus dem Meer der Bücher dieser Spezies ins Visier der Perlentaucher zu geraten.

 

 

Betriebsanleitung für in Kamillentee pochierte Bachforelle

 

Sehr schnell zubereitet, sehr lecker und optisch sehr effektvoll: Die heimische Forelle versteht sich bestens mit allen möglichen Kräutern, die am Bachrand wachsen. Und mit diesem Gericht holt man sich gerade im Winter endlich wieder den Frühling auf den Tisch …

Man braucht:

Forelle, Kamillentee, Bouquet garni, Karotten, Fenchel, Porree etc. als Suppengemüse

Sauce: Sahne, Fischfond, Salz, Lavendelblüten, Lavendelhonig, Vanille, Muskat, Piment

Fisch pochieren: Reichlich Kamillenteebeutel – und gerne nach Gusto noch andere Kräutertees – in kochendes Wasser geben. Die Brühe sollte so stark schmecken, dass man den Tee so gerade nicht mehr trinken mag … Kräftig salzen, Suppengemüse und Bouquet garni mit dazugeben und drei Minuten kochen lassen. Dann stelle ich die Flamme so ein, dass die Wassertemperatur zwischen 60 und 65 Grad Celsius reguliert bleibt – am besten mit einem Küchenthermometer kontrollieren. – An dieser Stelle gebe ich mit gerümpfter Nase zu, dass ein Induktionsherd ganz schick sein kann …

In dieses pochierwarme Kamillenwasser wird nun die ganze Forelle gelegt. Den Fisch lasse ich je nach Größe darin 10 bis 20 Minuten pochieren und bereite währenddessen die Lavendelsauce vor: Sahne, Fischfond, etwas Butter und reichlich Lavendel (bevorzugt die Blüten!) sehr stark reduzieren – es sollte eine cremeartige Konsistenz bekommen – und mit Salz, Lavendelhonig, etwas Vanille und vielleicht einem Hauch Muskat und Piment abschmecken, weiter seiern lassen und immer wieder etwas Sahne nachfüllen.

Den Fisch filetiere ich, sobald sein Fleisch sich von den Gräten lösen lässt – Fingerprobe: Lässt sich die Rückenflosse mühelos herausziehen? Die Filets gebe ich auf den vorgewärmten Teller. Ein Tipp für den weniger Geübten beim Filetieren: Je heißer die Teller, desto länger hat man Zeit bis zum Servieren, hihi … Lavendelcreme auf den Fisch nappieren und den Teller mit allerlei Blüten aus dem Garten verzieren.

Ach ja, und welche Blüten sind essbar? Ehrlich gesagt, orientiere ich mich dabei daran, ob eine Pflanze als giftig gilt: Darum lass ich die Finger von Fingerhut, Akelei, Goldregen, Christrose, Eisenhut, Maiglöckchen, Oleander, Schierling und dergleichen. Ansonsten kommt so ziemlich alles Blühende bei mir auf den Teller – als passionierter Orchideensammler liegt da auch schon mal eine Phalaenopsis oder Dendrobium dazwischen … Wer auf den blumigen Geschmack der Blüten besonderen Wert legt: Die Blütenblätter am besten frühmorgens ernten und gleich ins Null-Grad-Fach, morgens schmecken sie nämlich am intensivsten.

Tobias Sudhoff, Schürzensänger

 

Das unverschämt geile Kochbuch, Kettler Verlag, ISBN 978-3-86206-124-2, EUR 29,90. www.das-unverschaemt-geile-kochbuch.de

 

 




Aufgegabelt

 

Kentucky und der Killerscheich

Chalid Scheich Mohammed, der Hauptplaner der Anschläge von 9/11, liebte amerikanisches Fast Food, vor allem Kentucky Fried Chicken. Der Tierschutzorganisation Peta, die einen Feldzug gegen das amerikanische Großunternehmen führt, könnte das neue Nahrung für Attacken geben, nach der Formel „Böse Menschen essen Böses“. Doch was können die Weißwürste dafür, dass sie von Adolf Hitler geschätzt wurden?

 

Volle Pulle

Weintrinker sind keine bösen Menschen? Wir kennen eigentlich nur nette Weinfreunde, doch offenbar gibt es auch andere. Ein 53 Jahre alter Mann aus Baden-Württemberg erschlug seine Freundin mit gleich zwei 1,5-Liter- und einer 3-Liter-Flasche. Und die Lehre daraus: Man sollte die Weinflaschen lieber austrinken als mit vollen anderen zu schaden. 

 

Schlachtfest

Die originellste kulinarische Nachricht seit Jahren: In Rumänien wurde ein Mann von seinem eigenen Schwein getötet, als er es gerade schlachten wollte. Im Dorf Calimanesti in den Vorkarparten hatte sich der Mann dem Tier mit einem Messer genähert. Als er zustechen wollte, trat das Tier gegen seine Hand, in der sich das Messer befand. Dabei rammte sich der Mann die Spitze selbst in den Hals. Es ist  nicht bekannt, ob das Schwein durch eine andere Hand gemeuchelt oder wegen Notwehr freigesprochen wurde.

 

 




Wie gut wird Margarete?

Das neue Restaurant im Frankfurter Galerien-Viertel

 

Gastronomisch ist das Zentrum Frankfurts zwischen Dom und Römer unauffällig bis ärgerlich. Das könnte sich mit dem neuen Restaurant Margarete in der Braubachstraße ändern. Dort zieht jetzt voraussichtlich Ende Februar 2012 Simon Horn ein, der sich mit den Lokalen Seven Swans und Blumen einen Namen gemacht hat. Während er im Hintergrund Regie führt, werden zwei gleichberechtigte Küchenchefs am Herd stehen: Ronny Bolz und Luka Spaniol Simunelic, die zuvor beide in Spitzenrestaurants gearbeitet haben.

Ronny Bolz wurde vom Gourmet Guide Gault Millau zum Patissier des Jahres 2010 gekrönt, als er in der Villa Rothschild in Königstein die wahrscheinlich geistvollsten Desserts im Rhein-Main-Gebiet auf den Teller brachte. Danach avancierte der 26 Jahre alte Süßspeisen-Spezialist zum Souschef im Top-Restaurant Bean & Beluga in seiner Heimatstadt Dresden. Man hätte darauf wetten können, dass er diese Position in einem solchen Restaurant nicht so schnell verlassen würde, zumal er hier ein Heimspiel hatte. Doch die Verlockung an der Spitze eines jungen Teams in Frankfurt zu stehen, war wohl größer. Unvergessen blieben jedenfalls sein Apfelstrudel in Texturen und ein essbarer Drink namens Whisky-Sour von der Aprikose, der schlicht klang und großartig schmeckte. Solch differenzierte und eigenwillige Kreationen wird man hoffentlich auch im neuen Restaurant Margarete in der Frankfurter Braubachstraße erleben können. Der Kompagnon von Ronny Bolz, Luka Spaniol Simunelic, arbeitete zuvor in den Frankfurter Restaurants Cyrano, Tigerpalast und Villa Merton. All das gibt Anlass zur Hoffnung.

Bolz (r.) und Simunelic

In der Braubachstraße gibt es zwar mit dem urdeutschen Steinernen Haus, dem Japaner Imori und dem Italiener Triangolo im Museum für Moderne Kunst ganz nette Lokale, aber keines für Anspruchsvolle. Dabei ist die Location sehr gut. Das Museum für Moderne Kunst und sehr viele Galerien befinden sich in unmittelbarer Umgebung. Die attraktiven Touristenziele Dom und Römer sind in Schrittnähe. Und demnächst soll just hier eine aufgemöbelte Altstadt für große Wirkung sorgen.

Wie der neue Betreiber, Simon Horn, in einem Gespräch mit dieser Zeitung erklärte, forciert man eine hochwertige Küche ohne Chichi. Es soll moderne Gerichte mit regionalem Bezug geben. Wer das Mini-Lokal Blumen (18 Sitzplätze) in der Rotlintstraße kennt, kann sich ein besseres Bild von der künftigen Küche machen, die im Restaurant Margarete jedoch modifiziert und weiterentwickelt werden soll. Mit Lehrlingen wird die Küche 10 Mitarbeiter haben, wobei im Service die gleiche Anzahl arbeitet. Bis gestern sah alles noch nach Baustelle aus, doch es wird schon seit Wochen hinter den Kulissen geprobt. Hauptgerichte sollen im Schnitt 20 Euro kosten. Das Lokal wird bereits morgens geöffnet sein, mittags sitzen die Gäste an blanken Tischen, abends wird eingedeckt. Interessant, gerade für Singles, sind die Plätze an der fast offenen Küche. Das Gesamtkonzept sieht Restaurant, Café und Bar vor, zudem einen Bankettbereich. Es wird nicht einfach zu meistern sein, da das Lokal auch die Veranstaltungen des Börsenvereins zu bespielen hat.

Die ohnehin hohen Räume werden durch bodentiefe Fenster noch nach Außen vergrößert. Holzdielenboden, schlicht-schöne Frankfurter Holzstühle und ein „keineswegs überstrapaziertes“ Ambiente sollen für eine entspannte Atmosphäre sorgen. Das Restaurant Margarete wird eine Innenhof-Terrasse und eine Boulevard-Terrasse direkt an der Braubachstraße bekommen. Das 300 Quadratmeter große Lokal verfügt über 80 Plätze und ebenso viele Terrassensitze. Es ist Teil des neuen Domizils des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels und soll deshalb auch „literarische Impulse“ aufnehmen, die bislang indes nur als Worthülse existieren. Immerhin werden sich dem Buchhandwerk entsprechend Materialien wie Leinen, Papier und Kupfer im Lokal wiederfinden.

Simon Horn

Ein Lokal ganz unsexy Margarete zu nennen, hat einen historischen Hintergrund. Die Innenarchitektin Margarete Schütte-Lihotzky ist die Erfinderin der sogenannten Frankfurter Küche, die in den Zwanziger Jahren als Mutter der Einbauküche galt und mitsamt einer Badewanne entwickelt wurde, in der man das Geschirr spülte. In Frankfurt existiert bereits mit der Emma Metzler eine ähnlich altbacken benanntes Restaurant, das aber sehr modern im Auftritt ist.

LF

 

 




Cheers Jimmy´s Die Bar im Hessischen Hof wird 60

Klassik mit Schuss

Großes Fest & viele Highlights

 

Jimmy´s Bar im Hotel Hessischer Hof in Frankfurt besteht seit 60 Jahren und darf  jetzt einen Toast auf sich selbst aussprechen. Chefbarkeeper Andrès Amador arbeitet dort seit 35 Jahren. Grund genug einmal etwas tiefer ins Glas zu schauen, um zu sehen, was am Boden der Tatsachen zu finden ist.

Nirgendwo knarzen die Ledersessel so melodisch. Bevor man Platz nehmen kann, muss man jedoch klingeln, worauf sich nicht gleich die Tür öffnet, sondern eine Luke zur Gesichtskontrolle. Nicht etwa, dass lässige Kleidung Probleme bereiten würde, doch man möchte man einfach sicher gehen, dass keine finsteren Typen hereinkommen. Es geht gesittet zu, aber keineswegs so, dass es langweilig wird. Der Hessische Hof ist bei vielen Ü-60-Einheimischen wegen seiner preiswerten Lunch- und Dinner-Offerten beliebt. Doch genau diese, durchaus typische Klientel, trifft man eher selten in der Hausbar. Zwei Drittel der Barbesucher sind indes Stammgäste, es soll noch den einen oder anderen geben, der Jimmy´s seit der Eröffnung im Jahre 1951 die Treue hält.  Die Bar hat zwar jetzt am 26. Dezember Geburtstag, doch liegt der Termin sehr ungünstig zwischen Weihnachten und Silvester. Da viele Stammgäste und andere Freunde des Hauses nicht dabei sein könnten, wurde die Jubelfeier auf April im neuen Jahr verlegt. Barchef Andrès „André“ Amador hofft dann auf gutes Wetter und möchte auch vor der Tür mit den Gästen anstoßen. Um sicher zu gehen, soll ein Zelt bei jedem Wetter Schutz bieten.

Annett Louisan

Zwei Highlights zum Jubiläum muss  man aber gleich notieren: Annett Louisan wird am 24. Februar 2012 ein privatimes Akkustikkonzert in Jimmy´s geben (49 € inkl. Welcome Drink, 20 Uhr). „The Leading Barkeeper of the World“ nennt sich eine lange Nacht der Meister-Shaker und ihren Signature Drinks am 2. März (ab 20 Uhr bis Open End, Eintritt frei), bei der neben Isaac Andrès Amador vier weitere mit von der Partie sind: Daniel Soares (Bar BA im Bairro Alto Hotel in Lissabon); David Sinclair (The Bar im Gleneagles Hotel im schottischen Auchterarder); Jan Schäfer (Falk´s Bar im Bayerischen Hof in München); Franz Höckner (Gault Millau Barkeeper 2011, Adlon Bar im Adlon Kempinski in Berlin). Jede dieser Bars ist mehr als bekannt und hat Geschichte geschrieben, im Gleneagles Hotel etwa  fand 2005 der G8-Gipfel statt – Auchterarder schottisch-gälisch Uachdar Ardair.

Es gibt ausreichend Whisky, Wein und Cocktails, aber mindestens so wichtig wie die Mixturen ist die Gästemischung. Und es kommen tatsächlich alle, vom Teenager bis zum Greis. Bei anderen Bars gibt es einfachere Strukturen, herrschen Cliquen vor, existieren einseitige soziale und geriatrische Verhältnisse. Beliebt ist die Bar nicht nur bei den üblichen Nachtschwärmern, sondern gerade bei Gastronomen und anderen beruflichen Spätheimkehrern, die sich nach Betriebsschluss noch einen Schluck Entspanntheit gönnen wollen. Die Nähe zur Messe wirkt sich günstig aus, vor allem zu Zeiten der Buchmesse trifft sich in Jimmy´s Bar die halbe Welt. Und das so selbstverständlich und unkompliziert, wie an keinem Ort sonst.

André Amador, Katrin Riede, Martin Mack, Giovanna Scarciglia (v.l.n.r.)

Die Barkeeper Andrès Amador und Martin Mack arbeiten mit Gelassenheit und jener Diskretion, die zwingend notwendig für diesen ziemlich sensiblen Beruf ist. Die beiden jungen Mitarbeiterinnen Katrin Riede und Giovanna Scarciglia frischen die Männerwirtschaft mit Charme auf. Cocktails und andere Drinks werden versiert und präzise zubereitet, die jahrelang flaue Weinauswahl hat sich inzwischen etwas verbessert. Es werden gerne die Weine des Hausherren, dem Prinz von Hessen, offeriert, doch kann man sich bei Flaschen auch der großen Weinkarte des Restaurant Sèvres bedienen.  Der 57 Jahre alte Amador (nicht verwandt mit Sternekoch Juan Amador) arbeitet seit nunmehr 35 Jahren in Jimmy´s Bar und ist hier ebenso wenig wegzudenken, wie das schwere Ledermobiliar.

Bei Jimmy´s geht es nicht laut und eher dezent familiär zu, die Gespräche werden stets von solider Klaviermusik begleitet, was ja „live“ bei vielen Lokalen leider dem Sparprogramm zum Opfer fiel. Großes Kommunikationszentrum ist die rund geschwungene Bar. Auch ein solches Stück Barleben ist keine Selbstverständlichkeit, denn die normalen modernen Bars sind von einem Lounge-Gedanken weichgespült und gleichgestellt, der nicht mehr darüber nachdenken lässt, warum eigentlich Menschen in eine Bar gehen. Die Antwort ist einfach, wird aber ignoriert: Man geht in eine Bar, um eine besondere Stimmung zu erleben, die man gerne mit interessanten Menschen teilt, wobei es gar nicht so entscheidend ist, ob man mit diesen ins Gespräch kommt oder sie als nette Kulisse wahrnimmt. Dazu möchte man ein gutes Glas Wein oder einen ordentlichen Drink haben. Klingt einfach, ist aber eher selten so zu bekommen. Dass man in Jimmy´s rauchen darf, ist für sehr viele Gäste wichtig. Man hat den Schwund gemerkt, als dies für kurze Zeit nicht der Fall war. Jetzt geben vor allem wieder Zigarren Rauchzeichen.

Jimmy´s ist das Wohnzimmer vieler Frankfurter, aber auch das zu Hause zahlreicher Prominenter. Udo Lindenberg durfte seinen Hut aufbehalten, Boris Becker aber nicht seine Sportschuhe. Helmut Schmidt konnte nach Herzenslust paffen, ohne eine Anzeige zu riskieren. Und die Rolling Stones benahmen sich ganz zivil.

Jimmy´s ist keine moderne Bar, sie mag für manche schrecklich altmodisch sein, hat aber die Statur der Zeitlosigkeit. An keiner Bar geht jeglicher Trend so gründlich vorbei wie an Jimmy´s. Das macht sie noch klassischer.

LF

Jimmy´s Bar im Hessischen Hof, Frankfurt, Friedrich-Ebert-Anlage 40, Tel. (069) 75 40 29 61. Täglich geöffnet von 20 bis 4 Uhr, Live Piano Musik täglich 22 – 3 Uhr, warme Küche bis 3 Uhr. www.hessischer-hof.de

 

 

 




Der Popstar unter den Champagner

Armand de Brignac ist nouveau und rich

 

Und mit 400 Euro der teuerste Champagner der Welt

 

Von Ludwig Fienhold

 

 

Er glitzert in goldener und silberner Robe, als müsste er gleich eine Show-Treppe hinunterlaufen. Der Armand de Brignac ist der Pop-Star unter den Champagner, sein Preis ist entsprechend extravagant. Bislang kannte man ihn kaum, doch seit einer spektakulären Blindverkostung ist er so teuer wie kein anderer. Wie gut ist diese Glamour-Perle aber tatsächlich? Mehr Schein als Sein oder fast jeden Geldschein wert? Die Preise liegen zwischen 320 und 400 Euro pro Flasche. Sehr eindrucksvoll, wenn man bedenkt, dass die etablierten und weltberühmten Spitzen bei 150 Euro liegen.

Dieser Champagner gehört auf den ersten Blick unbedingt nach Las Vegas, Dubai, Monte-Carlo oder Moskau, warum aber sollte sich die weniger glamouröse Welt mit ihm beschäftigen? Der Champagner mit dem viel zu komplizierten und langen Namen – schon wieder vergessen, bitteschön: Armand de Brignac – erregte bei einer Fachverkostung Aufsehen. Bei einem Geschmackstest mit Weinkritikern und Sommeliers in New York wurde er blindlings zur Nr. 1 gekürt und lies so legendäre Marken wie Dom Pérignon hinter sich. Man mag dies kaum glauben und fragt sich vielleicht ganz spontan, ob hier nicht Bestechlichkeit und Geschmackstaubheit das Regiment führten.  Wenn man dann noch hört, dass Rapper Jay-Z und Goldkehlchen Beyonce oder Espresso-Trinker George Clooney nicht ganz zufällig Brignac-trinkend fotografiert wurden – wenngleich sie ja im Grunde jeden Blubberlutsch trinken – hält man diesen vermeintlichen Big Bubble Champagner noch mehr für eine reine Luftblase.

Armand de Brignac haut nicht nur mit schrillen Verpackungen auf die Pauke, sondern auch mit Flaschen in Übergrößen – in Las Vegas wurden 100 000 Dollar für die so gut wie nie vorkommende Melchisedech-Bottle von 30 Litern bezahlt. In Rapper-Kreisen, wo alles immer protziger und großmäuliger ausfällt, gehört dieser Champagner jedenfalls längst zum Wichtigtuer-Ton. Neben den USA sind Russland und China die wichtigsten Absatzmärkte, wobei offiziell bislang nicht mehr als 50 000 Flaschen im Jahr produziert werden. Nun will man aber auch in Deutschland Land gewinnen und die Reichen und Schönen für sich gewinnen. Geld ist ja genügend vorhanden, und wenn nicht, hat man hier ja gute Freunde, die großzügig Kredite vergeben.

Stefan Fabinger, Exclusiv-Importeur von Armand de Brignac

Bei einem Champagner-Dinner im Hotel Breidenbacher Hof in Düsseldorf kam man diesem Champagner sehr viel näher. Dort konnten alle Varianten verkostet werden: Gold-Cuvée, Rosé, Blanc de Blancs sowie der normale Brut. Machen wir es kurz: Die Champagner sind keineswegs schlecht und entsprechen dem weltweit kompatiblen Mainstream, sind aber mit 400 Euro sehr phantasievoll kalkuliert. Die eigentliche Sensation dabei ist der umso erstaunlichere Preis für den nach unserem Geschmack weitaus Besten unter den Sorten – der schlicht etikettierte Cattier Brut kostet nette 25 Euro und ist viel knackiger und individueller als seine teuren Brüder. Diesen sehr natürlichen, frischen, seidig strukturierten und cremigen Champagner trinkt man gerne, sein Preis ist an der Qualität gemessen eher bescheiden. Gold und Silber Brut moussieren ebenso feinperlig im Glas und verströmen gefällige florale Töne, lassen aber Tiefe und geschmackliche Prägnanz vermissen. Gold: 40%  Chardonnay, 40 % Pinot Noir, 20 % Petit Meunier. Der Silber Brut ist ein Blanc de Blancs aus entsprechend 100 % Chardonnay. Er besitzt ein angenehmes Aroma aus Zitrus und Apfel. Der Rosé präsentiert sich als anständiger lachsfarbener Champagner mit einem Bouquet aus roten Früchten und deutlicher Schwarzer Johannisbeere. Im Grunde ist aber vor allem sein Preis aufregend, was er mit den Brüdern in Gold und Silber gemein hat.

Wer steckt hinter dieser trotz allem Marketinggetöse vor allem in Deutschland eher noch unbekannten Marke? Das Label Armand de Brignac existiert erst seit 2006, doch die Winzerfamilie Cattier betreibt schon seit 1918 Weinbau. Jean-Jacques Cattier und sein Sohn Alexandre stehen mit ihrer schlichten Art im krassen Gegensatz zur lauten Welt derer, in der ihre Flaschen kreisen wie Satelliten um unbewohnte Planeten. Bis zur großen Landung auf dem Weltmarkt, erzeugten sie aus den eigenen 30 Hektar umfassenden Weinbergen vor allem gute Champagner der bezahlbaren Mittelklasse. Ihre Lagen gehören zur Kategorie Grand Cru (wie Avize und Oger) oder Premier Cru. Die Cuveés sind eine Mischung aus drei unterschiedlichen Jahrgängen, die aktuelle ist eine Kombination der Jahre 2002, 2003 und 2005. Die Flaschen altern bei niedriger und konstanter Temperatur 30 Meter unter der Erde in Kellern, die zu den tiefsten in der Champagne gehören und ein langsames Altern fördern. Insgesamt sind am Entstehungsprozess von Hand acht Kräfte beteiligt. Im Grunde ist der Armand de Brignac ein durchaus seriöser Tenor im exaltierten Glam-Rock-Kostüm, der sich seinen ungewöhnlichen Auftritt und die Hyperbel um ihn hemmungslos honorieren lässt. Unser Vertrauen aber gehört dem Cattier Brut und seinen leisen Tönen.  

 

Sélection Prestige, Berlin

www.selection-prestige.de

Champagnerkellerei Cattier, Chigny les Roses

www.cattier.com

 

Fotos: Manfred Lebeau, Armand de Brignac

 




Gastro News Kurswechsel im Sternelokal
Schiffchen

Franzose wird Italiener

 

Jean-Claude Bourgueil, der Französischste aller Franzosen in Deutschland, ist Italiener geworden. Zwar nur teilweise, aber auch das überrascht bei einem solchen Mann, der statt eines Hemds eine Tricolore trägt. Das Gourmet-Restaurant Im Schiffchen in Düsseldorf ist unverändert, doch im ehemaligen Bistro hat trotz gleichbleibender Optik gerade einen deutlichen Wechsel zur italienischen Küche stattgefunden. Die Speisekarte bietet auf den ersten Blick vertraute Langweilerteller, wie Vitello Tonnato und Jakobsmuscheln mit weißem Speck. Doch bei näherem Hinschmecken wird der Unterschied zur obligaten Italo-Küche sehr deutlich, Bourgueil & sein Team können auch ausgezeichnet italienisch. Die geschmeidigen Ravioli von der gut geschmorten Rehschulter mit Pilzen und Norcia-Trüffeln schmecken erstklassig und werden ausdrucksvoll von einer tiefdunklen Reduktion begleitet. Die zart-knackigen Jacobsmuscheln sind von Lardo Colonnata ummantelt, wobei eine feine Passionsfruchtsauce dem Gericht Profil gibt. Auch beim Vitello Tonnato bestechen hervorragende Produktqualität und präzise Zubereitung. Das Fleisch kommt vom Piemonteser Milchkalb und thront auf einer hauchdünnen knusprigen Brotscheibe. Als Amuse gab es ein schönes Süppchen, zum Espresso wurden leckere Petit Fours gereicht. Für den Aufwand und die Qualität sind die Preise alles andere als abgehoben (16 – 26 €).

Die Einrichtung ist maritim geblieben, auch der Name Jean-Claude bleibt unverändert, sonst aber ist alles italienisch eingefärbt. Auch die Weine. Der Service tritt etwas holprig auf und könnte weit aufmerksamer sein. Das Restaurant Im Schiffchen im Düsseldorfer Stadtteil Kaiserwerth existiert seit 1977 und erhielt zwei Jahre nach der Eröffnung seinen ersten Stern im Michelin. 1987 wurden daraus drei, inzwischen sind es zwei Michelin-Sterne für das Gourmet und einer fürs Jean-Claude. Der Gault Millau vergibt 17 Punkte, erwähnt das ehemalige Bistro aber mit keinem Wort. Überhaupt steht der Gourmet Guide dem Restaurant recht kritisch gegenüber.

BF

Restaurant Jean-Claude (Im Schiffchen), Düsseldorf, Kaiserwerther Markt 9, Tel. 0211 40 36 67. Gerichte 16 – 26 €. www.im-schiffchen.com

 

Siebeck lobt Lumpps Mut

 

Claus-Peter Lumpp (l.) und Wolfram Siebeck

Festakt für Claus-Peter Lumpp: Der Küchenchef vom Restaurant Bareiss in Baiersbronn gehört zu den bescheidenen Größen seiner Zunft, doch diesmal musste er sich einfach feiern lassen, denn es gab gleich mehrere Gründe: Erneut wurde er mit dem 3. Michelin-Stern ausgezeichnet, zudem veröffentlichte Lumpp ein fulminantes zweibändiges Kochbuch mit großartigen Bildern, aber ohne Rezepte. Und schließlich wurde er mit dem Internationalen Eckart-Witzigmann-Preis ausgezeichnet. In einer Feierstunde auf dem zum Hotel Bareiss gehörenden historischen Morlokhof würdigte Hermann Bareiss seinen langjährigen Mitarbeiter und Partner für die Konstanz seines Arbeitens und Wirkens. Der Elder Statesman der Restaurantkritik, Wolfram Siebeck, meinte zu Lumpps Fotoband, dass es bisher kein anderer Koch gewagt habe, ein Kochbuch ohne Rezepte herauszugeben. Und das auf gleich 448 Seiten.

PL

 




Schaumgeboren
Champagner Tipps für 2012

Champagner-Winzer und andere unbekannte Größen

 

Der Präsident der Grande Nation trinkt angeblich keinen Alkohol und schon gar keinen Champagner, obwohl er doch mitunter einen recht beschwipsten Eindruck macht. Champagner ist aber auch in seiner Qualität ein sehr schwankendes Produkt. Wenngleich er per se für Luxus und Lebensfreude steht, fällt seine Qualität wie bei jedem anderen Wein auch sehr unterschiedlich aus. Mal ist er Edelperle, mal nur Ballermann. Grundsätzlich gilt: So wenig wie es einen Porsche zum VW-Preis gibt, so wenig wird man einen anspruchsvollen Billigschampus erstehen können. Ein Kilo Trauben in der Champagne kostet fünf Euro, in weniger exklusiven Gebieten 50 Cent. Für eine Flasche Champagner braucht man 1,5 Kilo Trauben. Ein Hektar in guter Lage hat einen Wert von über einer Million Euro.

Krug ist unsere große Leidenschaft, weil er ungemein lustvoll und faunisch aus dem Glas springt. Roederer Cristal und Dom Pérignon sind oft großartig, aber nicht grundsätzlich in jedem Jahr. Ganz entscheidend ist es herauszufinden, welcher Champagner am besten zum eigenen Temperament passt. Die einen mögen die seidige Frische eines zitrushaften Blanc de Blancs von Ruinart oder Pierre Gimonnet, die anderen suchen das majestätisch Voluminöse von Bollinger. Wer Körperbetontes schätzt, mag die pralle  Prestige-Cuvée Grande Sendree von Drappier, wer Erfischung auf gutem Niveau braucht, erfreut sich am schlanken Gosset Brut Excellence. Lebendig und wunderbar nach Leichtsinn schmeckt der Rosé von Billecart-Salmon, während Deutz ganz nach alter Champagner-Schule stets zuverlässig den Grandseigneur unter den schäumenden Weinen vertritt. Erprobte Champagnernasen begeistert Jacquesson Cuvée 735, die von einer glasklaren Strahlkraft ist und ultrapuristisch rappeltrocken ausfällt.

Einer der ganz Großen kleinen Champagner-Winzer ist der Mystiker Anselme Selosse, der die Grundweine in neuen Eichenholzfässern ausbaut. Seine Erzeugnisse entfachen Düfte aus Vanille, Zimt, Haselnuss und geröstetem Weißbrot. Gerade Biowinzer wie Selosse genießen das Vertrauen vieler Champagnerfreunde. Die Champagner von Franck Pascal, Francoise Bedel und Jérôme Prevost sind erstklassig und fair im Preis. Der Vin Secret der Winzerin Francoise Bedel ist cremig und entfaltet Düfte von Vanille und Karamell. Die Weine der kleinen Domaine von Prevost reifen in alten Eichenholzfässern in einem tiefen Luftschutzkeller aus dem 1. Weltkrieg. Die Champagner geraten authentisch und betörend intensiv, man muss sich stets schnell eine der raren 13.000 Flaschen sichern. Der Champagner La Closerie „Les Bèguines“ aus Pinot Meunier ist ungewöhnlich und ungewöhnlich gut. Die Reben werden spät gelesen, wobei der hohe Reifegrad deutlich zu erleben ist. Im satt gold schimmernden Glas entfachen sich ein köstliches Birnenaroma und ein Extrakt aus Trockenfrüchten, Nüssen und Brioche. Die geschmeidige Cremigkeit lässt den Champagner sanft über die Zunge perlen.

Wer das Außergewöhnliche beim Champagner sucht, wird sich auch beim ersten Schluck in die expressive Art von Laherte Frères und deren Les Clos verlieben: Karibische Früchte, Pina Colada, Rum, Vanille, Sherry purzeln aber nicht nur so durcheinander, sondern fügen sich zu einem großen geschlossenen Bild zusammen. Gefördert wird das reiche Aromenspektrum durch eine dichte und pumpende Perlage. Dieser Champagner ist extraordinär komponiert, aus gleich sieben bekannten und unbekannten Rebsorten: Arbanne, Fromenteau, Chardonnay, Pinot Noir, Pinot Blanc, Pinot Meunier, Petit Meslier.

Auch unter den Öko-Winzern gibt es starke Unterschiede. Der Extra-Brut von Larmandier-Bernier, der delikat nach Vanille, Mandeln und Hefe duftet, eignet sich geschmacklich und preislich bestens für Einsteiger. Die herausragenden Erzeugnisse von De Sousa lassen mit ihrer kernigen Frische die kalkhaltigen und mineralischen Böden der Champagne spüren und sind eher etwas für Kenner. Eine der großen Entdeckungen ist Egly-Ouriet aus der Grand Cru Lage Ambonnay. Michel Egly betreibt biodynamischen Anbau, baut dezent in Eichenfässern aus und setzt wie Anselme Selosse auf ungefilterte Weine. Das Ergebnis sind vitale und vielschichtige Champagner mit zarter Perlage, die von einem feinen Vanilleton begleitet werden.

Champagner-Winzer werden immer beliebter, was nicht nur am Preis liegt, sondern auch an der Individualität ihrer Produkte. Sie haben zudem den Vorteil mit Weinen aus eigenem Anbau zu arbeiten und nichts hinzukaufen zu müssen. Cédric Bouchard besitzt nur 2,5 Hektar und erzeugt mit seinem Roses de Jeanne „Les Ursules“, Blanc de Noirs brut 2009, einen stark limitierten Champagner von lediglich einigen tausend Flaschen. Der eigenwillige weiß gekelterte Pinot noir spricht durch eine kräuterige Kaminwürze und einen Hauch von Erdbeeren mit Pfeffer Kenner an. Der Gonnet „Roy Soleil“ Blanc de Blancs Grand Cru Brut aus der berühmten Gemeinde Le Mesnil ist durch seine knackig-trockene Mineralität ebenfalls eher Fortgeschrittene an. Bei der Familie Fourny aus Vertus beeindruckt der feine und cremige Rosé Brut 1er Cru, welcher auf hochwertigen Grundweinen basiert. Mit dem Brut Blanc de Blancs Milléseme 1996 kommt ein fabelhafter Champagner aus der Kellerei von Yannick Doyard, nur 3500 Flaschen gibt es davon. Sie lagerten nicht etwa drei Jahre, sondern gleich ganze 144 Monate auf der Hefe, was zu einer großen Reintönigkeit und allerfeinster Perlage führt.

Die Domaine Bonnet-Gilmert bewirtschaftet 4 Hektar Grand Cru Lagen in Oger, wobei die Jahresproduktion gerade einmal 25 000 Flaschen beträgt. Der Blanc de Blancs Brut Millésime 2006 ist ein wonnig gereifter Champagner mit barocker Statur. Er schmeckt nach einem Maul voll Reben, etwas Karamell und einem verwehten Hauch Sherry. Dieser voluminöse Tropfen braucht viel Luft und ein großes Champagnerglas, das schon ausladend burgundisch gerundet sein sollte. Überhaupt werden Champagner oft schon gleich nach dem Öffnen getrunken, obwohl sie wie jeder Wein etwas Luft benötigen. Nicht wenige Champagner entfalten sich außerdem weit besser in einem großen Glas. Beim exzellenten und im Holzfass ausgebauten Champagner von Vilmart & Cie. sind Burgunder-Gläser zwingend.

Ein Edeltrunk von beinahe unwirklicher Finesse und feinstem Mousseux ist der Moutard, welcher in kleinster Edition aus der heute vergessenen und kaum noch vorhandenen Rebsorte Arbanne erzeugt wird. Für eine solch exzellente Spezialität sind knapp 50 Euro keineswegs zuviel. Auch sonst kommen von Moutard sehr gelungene und auch preiswertere Champagner, die es nicht im Discounter, sondern beim spürnasigen Fachhandel zu bekommen sind (Adressen siehe unten). Zu Aubry et Fils greifen Insider, die keinen Allerweltsschaumwein, sondern exquisite Ware wollen. Die mit Künstleretikett ausgestattete und sehr duftige Cuvée Nicolas Francois Aubry reift 60 Monate auf der Hefe und wird nur in außergewöhnlich guten Jahren in limitierter Auflage erzeugt. Kräftiger, da in kleinen Eichenholzfässern ausgebaut, präsentiert sich der Brut Tradition, wogegen sich die Prestige-Cuvée des Hauses, Aubry de Humbert, als Primus fühlen darf. Zudem können die Brüder Aubry mit weiteren in kleinsten Mengen abgefüllten Flaschen glänzen, von denen unter dem Namen Le Nombre d´Or nur etwas 1000 bis 2000 Flaschen auf dem Markt sind. Dieser wunderbare charakterstarke Champagner wurde aus den alten und seltenen Rebsorten Arbanne, Petit Meslier, Enfumé und Fromenteau erzeugt. Ebenso aus dem Schaumweinmeer ragen die Champagner von J. De Telmont heraus. Der Couronnement entstammt selektionierten Chardonnay-Trauben bester Crus der Côte des Blancs. Er verführt durch delikaten Schmelz sowie Butter-, Hefe- und Zitrus-Aromen.

Ein großes Missverständnis ist der Glaube, dass Champagner zu allem passt. Gänseleber ist eine klassische Mesalliance, Schokolade erweist sich als wahrer Champagner-Killer. Und es muss wahrlich auch nicht immer Kaviar sein, zumal gerade dieser mit nur ganz ausgesuchten Edelperlen korrespondiert, die sich durch Körper und eine gewisse Süße hervorheben. Ausgezeichnet harmonieren jene regionalen Gerichte, wie sie die Winzer in der Champagne selbst bevorzugen: gefüllter Gänsehals, Schweinskopfsülze oder Potee champenoise – ein Pot au feu aus Kartoffeln, weißen Bohnen und Wurst oder Schweinefleisch. Manche schwören auf Leberwurstbrot mit Senf, Schalotten und Essiggurken zum Champagner, andere wissen, dass sich fruchtiger Champagner wunderbar mit der leicht süßlichen Sauce der Currywurst verträgt. Eigentlich ist ein guter Champagner aber so gehaltvoll und inspirierend, dass man ihn gleichsam essen und trinken kann und jede Begleitung nur stört.

Ludwig Fienhold

youtu.be/2uUDBCtNmnQ

Gute Champagner-Lieferanten

 

Vinaturel, Berg, Schatzgasse 30, Tel. 08151 908428. www.vinaturel.de

Cercle des Connaisseurs, Frankfurt, Tel. 069 620548. www.cercle-connaisseurs.com

Cave du Connaisseur, Berlin, Zabel-Krüger-Damm 61a, Tel. 030 49 89 35 43. www.caduco.de

Wein-Art, Geisenheim im Rheingau, Tel. 06722 710 80. www.weinart.de

Champagner & Genuss, Kelkheim, In den Padenwiesen 30, Tel. 0700 1000 7710. www.champagner-genuss.de

Weinhalle, Nürnberg, Nordostpark 78, Tel. 0911 52 51 53. www.weinhalle.de

Extraprima, Mannheim, Friedrichsplatz 16, Tel. 0621 28652. www.extraprima.com

 

 

 

 

 




Hilton: Das Raumschiff ist gelandet

Zwei neue Hotels eröffnen jetzt am Frankfurter Flughafen

 

Über vier Jahre und damit fast doppelt so lange wie geplant dauerte es, bis der gigantische Riesenbau fertig werden konnte, nun eröffnet am  20. Dezember das Hilton seine beiden Hotels am Frankfurter Flughafen: Hilton Frankfurt Airport und Hilton Garden Inn. Mit 334 Gästezimmern ist das Garden Inn das zweitgrößte Haus der Marke weltweit – nur das Hilton Garden Inn Times Square in New York bietet Platz für noch mehr Gäste. Auch der Rahmen für das neue Hotel ist ungewöhnlich. Das 660 Meter lange Gebäude The Squaire ist eines der spektakulärsten Neubauprojekte Europas – und so groß, dass ihm sogar eine eigene Postleitzahl zugeteilt wurde (60600). Zeitgleich mit dem Hilton Garden Inn eröffnet in dem futuristischen Komplex das Hilton Frankfurt Airport mit 248 Zimmern. The Squaire ist 660 Meter lang, 65 Meter breit und beschäftigt mit den darin liegenden Büros 7000 Mitarbeiter, wovon 200 für Hilton arbeiten.  Die beiden Hilton Häuser werden von dem 42 Jahre alten Holländer Charles Muller geleitet.

General Manager Charles Muller

Das Garden Inn bietet Restaurant mit Showküche, Lobby mit Kamin und Pavilion Pantry Minimarkt. Zimmer mit eigenem Kühlschrank, Kaffee- und Teekocher sowie kostenfreier Internetzugang und Mobile Printing vom Zimmer aus gehören zum Standard. Darüber hinaus können die Gäste rund um die Uhr einen Fitness- und Wellnessbereich nutzen. Ob Produktpräsentation, Pressekonferenz oder Meetings: Die Veranstaltungskapazitäten basieren auf 1.450 Quadratmetern und bieten über zehn Tagungs- und Banketträume. Zu den Highlights des Hilton Frankfurt Airport gehört der Ballsaal Globe, der für Veranstaltungen bis zu 570 Personen Platz bietet. Zahlreiche Swarovski-Kristalle in der über sechs Meter hohen Decke des Ballsaales geben dem Raum ein ungewöhnliches Ambiente. Das angrenzende Foyer mit Blick auf den Frankfurter Stadtwald kann für Ausstellungen und Empfänge genutzt werden.

Von den Hotels aus erreicht man über einen Skywalk direkt den Terminal 1 des Flughafens, Regionalbahnhof und ICE Fernbahnhof befinden sich ebenfalls in Laufnähe.

Hilton Frankfurt Flughafen, The Squaire, Garden Inn, Tel. 069 4500 2500, Airport Hotel,  Tel. 069 2601 2000.

 

 

 




Hideaway in den Weinbergen

Die Burg Schwarzenstein im Rheingau

Für Hochzeiten gibt es zwei Topadressen: Die Villa Rothschild in Königstein im Taunus und die Burg Schwarzenstein in Johannisberg im Rheingau. Beide sind nahezu das ganze Jahr über an den Wochenenden mit Feiergästen belegt, denn kaum sonst wo verbinden sich Genuss, Romantik, Stil, und emotionale Atmosphäre so eindrucksvoll. Die Burg Schwarzenstein thront in den Weinbergen von Johannisberg und hat die schönste Terrasse im ganzen Rheingau. Aber auch sonst lässt es sich dort ganz wunderbar schwelgen.

Wenn man sich bei Geisenheim vom Rheinufer in die Weinberge schraubt, sieht man den alten Turm der ehemaligen Burg Schwarzenstein langsam näherkommen. Doch im Gegensatz zu vielen rein touristischen und qualitativ belanglosen Hotel-Burgen, ist diese hier eine Bastion der gehobenen Gastlichkeit. Das 1872 erbaute Domizil der Wein- und Sekt-Familie Mumm von Schwarzenstein hält einige Turmzimmer bereit, wurde aber längst durch einen stattlichen Hotelneubau ergänzt, der sich äußerlich bescheiden ins Dickicht der Bäume duckt, innen aber mit exquisiter Einrichtung glänzt. Die Zimmer der modernen Parkresidenz sind nicht bloß luxuriös, sondern auch sehr individuell und geschmackvoll ausgestattet. Die großen bodentiefen Glasfenster vergrößern die Räume nach außen, wobei manche Blick auf den abends stimmungsvoll illuminierten Wehrturm haben. Eine iPod-Station und W-Lan sind Standard, die Minibar ist inklusive. Der große Flatscreen wurde in die Wand eingearbeitet und wirkt wie ein gerahmtes Bild. Der Ausblick auf das Burggelände aber ist weit wichtiger. Wer mag, kann seinem Partner auch im Bad zusehen, denn dieses wurde zeitgeistgemäß verglast. Doch kann man sich dagegen mit einem Knopfdruck wehren und Jalousien herunterfahren lassen. Kosmetika von Hermès und flauschige Handtücher zeigen selbst im Detail Qualität.

Die Parkresidenz verfügt über 20 Zimmer, 7 Juniorsuiten und 1 Suite, manche mit Balkon, die mit Blick auf die Burg sind zu bevorzugen. Im Haupthaus gibt es 6 aparte Zimmer und 1 Suite, wobei die beiden mit Panoramablick über die Weinberge unschlagbar sind. Die Zimmerpreise sind an der hohen Qualität gemessen eher moderat. Ein Wellnessbereich soll jetzt noch dazukommen, hinter der Parkresidenz ist noch ausreichend Platz. Für Tagungen und Konferenzen ist mit bis zu 200 Personen gerüstet. Die im Jahre 2005 als Hotel mit Restaurant hoch über dem Rhein eröffnete und zwei Jahre später erweiterte Burg Schwarzenstein wird von der Weinbergslage Johannisberger Schwarzenstein und einem zwei Hektar großen mediterranen Park umgeben. Die Lage ist einmalig.  Klar, dass dort besonders viele Hochzeiten und andere Feste stattfinden. Auch das Frühstück wird im Burgrestaurant mit Blick über die Weinberge eingenommen.

Das Gourmetrestaurant ist ein eher unscheinbarer Glasbau mit glasklarem Innenleben und einer schönen Sommerterrasse am Gipfel des Weinbergs (innen und außen jeweils 40 Plätze). Die Burg Schwarzenstein hat von Anfang an auf ein hochwertiges gastronomisches Konzept gesetzt und sogleich Spitzenköche engagiert. Mit Sven Messerschmidt ist wieder ein ambitionierter Chef am Werk, der hochwertige Produkte einsetzt und mit einer kompromisslos kompakten Speisekarte überzeugt (1 Michelin-Stern, 17 Punkte im Gault Millau). Bei den Weinen sollten die aus dem Rheingau selbstverständlich sein. Was die Damen anbelangt, ist der Service charmant, nur Restaurantleiter Dirk Rocholz könnte einmal seine formelle Zwangsjacke verlassen und etwas Rouge und Mimik auflegen. Mit gutem Beispiel gehen der Burgherr Michael Teigelkamp und seine Frau Stéphanie voran, die stets forsch und frohgemut auftreten.

Die Burg Schwarzenstein ist auch für ihre kulinarischen Events bekannt, es lohnt sich das Jahresprogramm anzusehen. Gerade gab es wieder das internationale Gourmet-Wochenende. Patrick Bertron vom befreundeten Relais & Châteaux Hotel Le Relais Bernard Loiseau (3 Sterne) aus dem Burgund war an einem Abend als Gastkoch löffelführend, darauf gleich mehrere deutsche Spitzenköche. Die Burg Schwarzenstein wollte den ganz großen Wurf und holte sich Sven Elferfeld (3 Sterne), Juan Amador (3), Klaus Erfort (3), Christoph Rainer (2) und Alexander Dressel (1) ins Haus, die gemeinsam mit Sven Messerschmidt (1) vom Restaurant Schwarzenstein am Herd standen. Steigert es den Reiz oder gar den Genuss, wenn gleich mehrere Meisterköche ein Menü entwerfen? Oder kommen sich solche Alpha-Köche eher ins Gehege? Rein rechnerisch brachten es 6 Köche mit 13 Sternen auf sechs Gänge. Schmecken 13 Sterne besser als 3? Natürlich kann man dies nicht wirklich steigern, aber es ist ganz gewiss für viele Gäste sehr anregend, gleich so viele große Köche auf einmal erleben zu können. Mag es auch sein, dass sich das Dinner im Schnitt auf einem guten Sterne-Niveau bewegte, so muss man die enorme Leistung für den Preis bedenken: Für 250 Euro bekam jeder Gast: Champagner zum Empfang, sechs Gänge, sechs begleitende Weine (darunter großartige wie den trockenen Silvaner von Wittmann aus Rheinhessen oder die Riesling Auslese Rüdesheimer Burg Roseneck 2007 von August Kesseler), Petit Fours, Mineralwasser, Kaffee und Tee, Digestif. Die Burg Schwarzenstein lohnt eine Reise und jeden Umweg, das ganze Jahr über.

LF

Burg Schwarzenstein, Rheingau, Geisenheim (Ortsteil Johannisberg), Tel. 0 67 22 99 50 0.

www.burg-schwarzenstein.de

Menüpreise 95 – 120 €.  Zimmerpreise: Historisches Burggebäude 140 – 280, Parkresidenz 170 – 280, Juniorsuite 300 – 380, Panoramasuite 500 – 580 €. Minibar inklusive, Frühstück 25 €.