Hotel-News Westin Grand Frankfurt im Test

Ohne Charme & Charakter

Aber die Bar überzeugte

Ohne Charme und Charakter, beurteilt das führende Branchenjournal Tophotel das Westin Grand in Frankfurt als Fazit eines Testbesuchs. Der Hoteltester beanstandet die mangelnde Professionalität an der Rezeption, fehlenden Serviceeinsatz, den optischen Auftritt, die Location und das Essen. Einzig das Frühstücksbuffet und vor allem die Bar von Fatih Akerdem schneiden bei dem anonymen Testbesuch mit den Noten gut und ausgezeichnet ab. Die Tee-Bar von Jing, die beim Frühstück und in der Bar eingesetzt wird, erntet großes Lob. Mit diesem Unternehmen arbeiten auch die Spitzenköche Pierre Gagnaire, Joël Robuchon, Heston Blumenthal und Gordon Ramsay sowie eine einige Häuser der Luxushotelgruppen Mandarin Oriental, Ritz-Carlton und Rocco Forte. Das ­Tee-Angebot vermittele Qualitätsstreben und Individualität, wie sie sonst viel zu wenig im Westin Grand Frankfurt anzutreffen sei, urteilt der Hoteltester. Den ganzen sehr detaillierten Bericht findet man unter http://www.tophotel.de/20-news/234-ohne-charme-und-charakter.html

Open-Air

Ritz Paris bekommt neues Coupé-Restaurant

Das Hotel Ritz in Paris schließt jetzt im Sommer für ganze 27 Monate und unterzieht sich einer Komplettrenovierung, die 140 Millionen Euro kosten wird. Ziel ist es, mehr Suiten zu bekommen, den Komfort zu erhöhen und die Technik auf den neusten Stand zu bringen. Außerdem soll das Zwei-Sterne-Restaurant L´Espadon künftig nicht allein als gastronomisches Aushängeschild dienen. Das Ritz plant zusätzlich ein sommerliches Lokal mit verschiebbarem Glasdach.

Zuschlag für die aufwendige Renovierung erhielt das französische Bauunternehmen Bouygues, das unter anderem auch das Four Seasons George V in Paris und das Hermitage in Monaco renovierte. Die Kunst wird es dabei sein, trotz aller Modernisierungen die Würde und die Seele der Hotellegende zu bewahren, wie auch der Architekt Didier Beautemps (Atelier Cos) und der Interieur-Designer Thierry Despont betonten. Bis zu 600 Mitarbeiter und Spezialisten werden an der Verschönerung arbeiten, mehr als das Ritz Mitarbeiter hat. Die 450 Hotelangestellten werden für die Zeit der Bauarbeiten freigestellt, müssen sich arbeitslos melden oder nach einer anderen Stelle umsehen.

Der Konkurrenzdruck in Paris wird immer stärker, nachdem die beiden asiatischen Luxushäuser Mandarin Oriental und Shangri-La auf den Markt drängten, gegen die sich auch die Traditionshotels Plaza Atheneé und George V behaupten müssen. Die Elite der Pariser Herbergen nimmt zwischen 500 und 800 Euro für ein Standardzimmer, wofür die Gäste auch Wi-Fi-Technologie und moderne Badezimmer erwarten.

 

Preis für JFK´s Bar

 

Krischan Knoll mit Barteam und Playboy Playmates

Die JFK‘s Bar im Rocco Forte Hotel Villa Kennedy in Frankfurt ist mit dem „Glenfiddich Award für Barkultur 2011“ ausgezeichnet worden. Der Preis geht an das Team um Bar-Manager Krischan Knoll. Ein Highlight der Barkarte ist die Kategorie „Dualism“, in der verschollene Klassiker neuen Interpretationen gegenübergestellt werden. Die JFK´s Bar hatte teilweise gute Mitbewerber, darunter Roomers in Frankfurt und Schumann’s in München. Eine Jury, der neben anderen Jens Hasenbein vom Mixology-Magazin und Thomas Altenberger von der Berliner Bar Lebensstern angehören, bewertet jeweils die Kriterien Bartyp und -konzept, Philosophie, Kreativität, Angebot und Service. Der Gewinner erhält neben der Auszeichnung ein Porträt im aktuellen Playboy-Heft. Die Auszeichnung erhielten bereits: Vox Bar Berlin, Shepheard Bar Köln, Biancalani Bar Frankfurt, Victoria Bar Berlin, Kameha Suite, Frankfurt Capella Bar, Düsseldorf, Bar Lebensstern Berlin. Mithin durchweg würdige Preisträger.

 




Foodblogger: Die neue Fress-Klasse

Eine unappetitliche Entwicklung

 

Sie wollen gutes Geld verdienen? Vielleicht, ohne sich dabei halb tot zu arbeiten? Dann werden sie doch Foodblogger. Zumindest in Frankreich wäre diese Rechnung fast aufgegangen.

Der 6. März war vielleicht kein guter Tag für den Foodblogger Bruno Verjus. Im Nebensatz eines Beitrages zum „Guide Michelin“ breitete die renommierte Tageszeitung „Le Monde“ sein neues „Geschäftsmodell“ aus. Köche und Wirte könnten ihm 2.400 Euro plus Mwst. zahlen, um inklusive Foto im „Wegbereiter eines neuen Guides“ zu erscheinen. Verjus fühlt sich indes missverstanden, man hätte seine Pläne nicht genügend detailliert, in der Summe sei eine Art Last-Minute-Reservierungsservice inbegriffen und überhaupt würde er das Projekt nicht weiter verfolgen. Kurioserweise verzichtete er bislang  auf eine Stellungnahme in seinem Medium, dem eigenen Blog.

Die Idee war simpel, aber bislang verpönt: Köche und Wirte sollen einen ihrer Kritiker, denn als solcher agiert Verjus gern und oft, direkt mit eigenem Geld bezahlen, mit satten 2400 Euro pro Haus. Und weil ein normal konstituierter Mensch zweimal pro Tag essen kann, lässt sich Verjus potenzieller Verdienst leicht errechnen.

Es gibt gierige Foodblogger

Andere Foodblogger – nicht etwa Journalisten oder Restaurantkritiker – wurden zuerst auf Verjus aufmerksam. Wie konnte dieser Mann ein- bis drei Mal pro Woche aus den besten Restaurants der Welt posten, hunderte Kilometer reisen und Rechnungen bezahlen? Gerüchte tauchten auf, Verjus würde einen  Food-Industriellen in Sachen Internet-Kommunikation beraten. Entsprechend reagierte die französische Blogger-Szene nach dem Beitrag in Le Monde empört, aber nicht wirklich erstaunt.

Verjus ist eine Ausnahme, aber er ist nicht allein. Aus Frankreich erreichen den Autor dieses Beitrags zuweilen Anfragen der etwas anderen Art von den Presseabteilungen der neuen Superhotels asiatischer Ketten. „Ein Blogger aus Deutschland hat bei uns um Gratiszimmer und Diner gebeten“ heißt es dann. Wenn man den Pressesprecher ein wenig kennt fallen auch andere Worte: Der Antragsteller hätte deutlich darauf hingewiesen, dass er „Juror für die „San Pellegrino 50 Best Restaurants“ sei“, also bei der jährlichen Rangliste des britischen „Restaurant Magazine“ mitstimmen darf. Ob diese Information zutreffend ist, kann der Hotelier nicht leicht überprüfen: Die jeweils aktuelle Jury wird erst nach der Preisverleihung bekannt gegeben.

In einem Fall wagten die Franzosen es, das Ersuchen um eine Einladung für ein 770-Euro-Zimmer nebst Abendessen abzulehnen. Eine Entscheidung, die der deutsche Foodblogger bereits antizipiert hatte. Parallel lief da schon seine Anfrage bei einer britischen Agentur. Die „50 Best“ sind im Vereinigten Königreich besser angesehen als in Frankreich, der Mann wurde in Ehren, Prunk und Pomp eingeladen.

Blogging ist inzwischen keine Subkultur mehr, sondern ein reifes Medium. Die meisten Foodblogger arbeiten seriös und mit viel Enthusiasmus. Doch genau wie es Restaurantkritiker gibt, die lautstark Einladungen einfordern und beim ersten Schatten einer Rechnung die Flucht ergreifen, existieren jetzt halt schnorrende Blogger (das österreichische Magazin „Profil“ hat dazu einen lesenswerten Beitrag veröffentlicht: www.profil.at/articles/1110/560/291269/schummelnde-spitzenkoeche-kritiker-allianzen-industrie. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis beide Spezies sich nach Kräften vermehren.

Jörg Zipprick

 

 

 

 




Schuhbeck würzt jetzt in Frankfurt

Neues Geschäft mit tausend Küchenartikeln

 

Gerade ist Schuhbecks Lokal Check-inn in Egelsbach in die Insolvenz gegangen, schon hat er einen neuen riesigen Gewürzladen in der Frankfurter Innenstadt eröffnet, pikanter weise neben dem Würzriesen Maggi und gegenüber vom Tee- und Gewürzhaus Schnorr. In dem Geschäft in der Neuen Kräme gibt es 1001 Artikel: Gewürze aller Art zum Selbstabfüllen, Öle, Senf, Konfitüren und andere Küchenprodukte sowie Schuhbecks Kochbücher und Filme.

Also nicht nur Gewürzgeschäft, sondern auch so etwas wie ein Devotionalien-Laden. In den ersten Tagen tingelten auffällig viele aufgerüschte Hausfrauen dorthin, die „den Schuhbeck aus dem Fernsehen kennen“. Auch wenn er nicht selbst präsent ist, so möchte man sich beim Eintritt in die heilige Halle doch nett angezogen zeigen, zumal der Laden auch ganz schick eingerichtet ist.

Die Würzmischungen sind teilweise abenteuerlich. Neben Bratkartoffel- und Apfelkuchengewürz, gibt es auch ein Sexgewürz: Aus Chili, Ingwer, Zimt, Vanille und anderem. Beschrieben als warm, sinnlich, leicht orientalisch. Wird zu Hühnchen und Risotto empfohlen. Eis ist hier so ziemlich als einziges Schuhbeck-Produkt nicht zu finden. Das wird aber noch an anderer Stelle kommen. Inzwischen gibt es in Deutschland auch schon vier Gewürzläden (München, Rosenheim, Hamburg, Frankfurt).

Schuhbecks Check-inn soll dem Vernehmen nach mit einem noch zu findenden weiter betrieben werden, aber ohne Alfons Schuhbeck, der schon vor einigen Wochen aus der Geschäftsführung ausschied. Wenn das Lokal schon nicht mit dem zugkräftigen Namen gut lief, wie soll es dann erst ohne ihn funktionieren? Erst im letzten Jahr im April wurde von der Check-inn GmbH ein gleichnamiges Lokal am Golfsplatz in Büttelborn eröffnet, das ebenfalls schon wieder geschlossen ist. Schuhbeck hat den Betrieben zwar den Namen gegeben und auch das Konzept und die Küche mit entworfen, aber bis auf die Eröffnungsfeier vor zehn Jahren in Egelsbach nie dort oder in Büttelborn selbst am Herd gestanden.

 

Schuhbecks Gewürze, Frankfurt, Neue Kräme 25, Tel. 069 13387986. Montag – Freitag 10 -19 Uhr, Samstag 10 – 18 Uhr.

PL




Braufactum: Bier für Weintrinker

Spannende Aromen

Delikater Schaum

 

Überschäumende Freude: Mit den Spitzenbieren von Braufactum können sich sogar passionierte Weintrinker anfreunden, weil sie vielschichtig, spannend und ungewöhnlich gut ausfallen. Inzwischen gibt es 44 Biere in der Kollektion, selbst gebraute und handverlesene aus aller Welt. Geschmack und Preis signalisieren: Das hier ist nicht unbedingt etwas für Willy und sein Schöppchen. Die Idee, anspruchsvolle Biere und gutes Essen zusammenzuführen, wurde noch nie zuvor so durchdacht und mit Qualitätsanspruch umgesetzt, wie mit der Gründung der Manufaktur Braufactum. Es gibt immer mehr Restaurants, die mit den Spitzenbieren zusammen abgestimmte Menüs anbieten.

Braufactum-Chef Marc Rauschmann

Die Biere von Braufactum schmecken ganz unterschiedlich nach gebrannten Mandeln, Karamell, Vanille, Schokolade, Whisky, Tabak, Quitte, Banane, Mango, Zitronengras, Sattelleder, Ingwer oder Kardamom. Keineswegs gewaltig und meist nur hauchzart, wobei selbstredend Malz und Hopfen je nach Sorte immer zu spüren sind. Manche Biere reifen mehrere Jahre im Holzfass und werden mit besonderen wilden Hefen und speziellen Hefen erzeugt, die den Terroir-Gedanken aufgreifen. Beim obergärigen Bitterbier Colonia von Braufactum wird zur Hopfung ausschließlich die seltene Hallertauer Hopfensorte Saphir eingesetzt. Andere Biere, wie das Isaac aus Italien, entstehen in Flaschengärung nach der Machart von Champagner. Oude Geuze aus Belgien reift bis zu drei Jahren teilweise in Riesling-Fässern und moussiert in brillanter Feinperligkeit. Das Spektrum ist gewaltig, sensorisch sehr aufregend und gerade für Köche anregend

Supernase und Zirkusgastronom Hans-Peter Wodarz konnte sich für die neue Bier-Generation ebenso begeistern, wie Sterne-Koch André Großfeld vom gleichnamigen Restaurant im hessischen Friedberg. Die Orangerie im Hotel Nassauer Hof in Wiesbaden war eines der ersten Restaurants, das Braufactum entdeckt hatte. Zum feinen Rauchweizen-Bier Roog gab es trocken gereiften und über Torf gegrillten Ochsenrücken mit Speckbohnen, Orangenlinsen und Lauchrösti. Das Rauchweizen-Bier von Braufactum fällt deutlich eleganter als die herkömmlichen aus, ohne an Charakter zu verlieren, und ist ein kongenialer Begleiter zu einem solchen Gericht.  Auf der Vorstandsetage im Frankfurter Opernturm, in fast 170 Metern Höhe, servierte jetzt Braufactum ausgesuchte Biere zu exquisiten Happen, die perfekt harmonierten. Zur gebackenen Ciabatte-Garnele mit Serranoschinken gab es Progusta von Braufactum, dessen Zartbitterton hervorragend zur delikaten Räuchernote der Schinken-Garnele passte. Zum Tuna Sashimi mit Sezuanpfeffer und Pomelosalat kann man sich manche Weine vorstellen, doch das frisch und crispy ausfallende Brooklyn Sorachi Ace paart sich mit exotischen Aromen und milder Würze ebenso gut wie ein knackig-duftiger Riesling.

Garrett Oliver

Eines der besten Biere von Braufactum ist Marzus – man erlebt Karamellmalz und dunkle Schokolade in besonders delikater Form. Eine gratinierte Taubenbrust mit Schwarzbrot und roter Zwiebelmarmelade, wie im Opernturm serviert, macht daraus eine umwerfend gute Kombination. Verantwortlich für die Küche waren Daniel Schmitt und Egbert Engelhardts Consortium  – Engelhardt betreibt das Lunchrestaurant im Opernturm, die beiden lustvollen Rheingau-Lokale Im Baiken und Anleger 511 und hat die Spitzenprodukte (Bratwurst, Frikadelle etc.) der 11. Generation entwickelt.

Winzer gibt es viele bekannte in der Welt, aber Braumeister? Garrett Oliver ist einer der ganz wenigen, die mit diesem Beruf zu einem ungewöhnlich hohen Bekanntheitsgrad gelangt sind, ein amerikanischer Bier-Experte mit Talk-Show-Erfahrung, der seine Sache eloquent vertritt. Oliver tourte durch Deutschland und tischte seine Biere im Vau in Berlin und anderen guten Restaurants auf. Marc Rauschmann, der Initiator und Leiter von Braufactum in Frankfurt, reist als Bier- Scout um die Welt und entdeckt neue Produkte oder spezielle Hopfensorten. Basis seiner Arbeit waren alte deutsche Rezepturen, die er ausgrub und modifizierte.

Die Spitzenbiere werden nicht aus Humpen oder normalen Biergläsern getrunken, sondern aus einem eigens entworfenen Glas, das einem Weinglas ähnelt. Marc Rauschmann, der im Bereich Brauereitechnologie über „Ultrafiltration“ promovierte und zudem Wirtschaftsingenieur ist, richtet sich mit seinen Produkten an anspruchsvolle Genusstrinker, die zudem vielleicht eher zu Weinen tendieren, mit solchen Bieren aber wieder zurückgewonnen werden können. Vom süffigen amerikanischen Aperitif-Bier Sorachi Ace von der Brooklyn Brewery bis zum gehaltvollen italienischen Dessert-Bier Xyauyù von Baladin bietet das Braufactum-Sortiment eine tiefgreifende und vielseitige Palette, die Anlass zu einer eigenen Bierkarte geben könnte. Das Drei-Sterne-Restaurant Eleven Madison Park in New York hat nicht nur eine gigantische Weinkarte, sondern bietet zudem über 100 verschiedene Biere an. So etwas wünscht sich Marc Rauschmann von Braufactum auch für die übrige Welt.

Ludwig Fienhold

 

 

Die nächsten Events mit Braufactum

 

24. April, 19 Uhr: Scheck-in-Center, Frankfurt, Ferdinand-Happ-Str. 59, Tel. 069 94 94 76 30. Menü (Tapas, Schweinekrustenbraten, Dessert) inklusive Biere und Wasser 25 €. Kartenverkauf an der Infokasse des Marktes. www.scheck-in-center.de

17. Mai, 19 Uhr: Orangerie, Wiesbaden, Tel. 0611 1330, 4 Gänge-Menü mit begleitenden Bieren 59 €. www.nassauer-hof.de

Die Biere von Braufactum kosten zwischen 2,99 und 35 €.  www.braufactum.de

 

 

 Bilder: Andreas von Grabowiecki




Neues Lokal: Allgaiers statt Gargantua

Klassische Küche

großer Weinkeller

im feinen Westend

 

Zwei Jahre stand das ehemalige Restaurant Gargantua in der Liebigstraße im Frankfurter Westend leer, jetzt soll dort ab 1. Juli  wieder Leben einziehen. Allgaiers wird das neue Lokal heißen, nach dem Namen von Stefan Allgaier, der in Kronberg den Grünen Wald und die Grüne Gans betreibt. Außer dem Platzhirsch Erno´s Bistro existiert hier kein anspruchsvolles Lokal in dieser exponierten Lage.

Stefan Allgaier

Die Küche soll nach den Worten von Stefan Allgaier deutsch-französisch ausgerichtet sein, verantwortlich ist Max Traue. Der 24 Jahre alte Frankfurter arbeitet derzeit noch im Grünen Wald in Kronberg und hat sich dort mit klassisch fundierter Küche profiliert (etwa gefülltem Ochsenschwanz in Spätburgunderjus). Auch für Frankfurt wird eine frische, unkomplizierte und herzhafte Küche im mittleren Preissegment angestrebt. Neben Speisen à la carte offeriert das neue Allgaiers zwei Weinmenüs. Eine täglich wechselnde Mittagskarte mit Gerichten zwischen 10 und 15 Euro soll die Lunchgemeinde in dieser Gegend einfangen. Abends werden sich die Preise zwischen 8 und 15 Euro (Vorspeisen) sowie 17 und 25 Euro (Hauptgerichte) bewegen. Statur will man mit einer Weinkarte von 300 Positionen sowie einem großen Angebot an offenen Flaschen zeigen. Stefan Allgaier offenbart schon über viele Jahre im Grünen Wald seinen ausgeprägten Hang zur Weinwelt, in Frankfurt wird er als Sommelier den Service im neuen Restaurant gemeinsam mit Achim Subtil führen. Stefan Allgaier war auf das leerstehende Lokal durch einen Artikel in der Biss-Zeitung vom Juli letzten Jahres aufmerksam geworden und konnte sich schnell für diese noble Adresse begeistern. Seinen Grünen Wald wird er verkaufen, die Grüne Gans in Kronberg weiter betreiben.

Das neue Lokal Allgaiers in der Liebigstraße Nr. 47 will nicht formell im Auftritt sein und ohne Tischwäsche auskommen. Dazu passen auch die Parkettböden aus getoasteter Eiche. Das Lokal soll eine Ausstattung bekommen, die moderne und antike Ausstattung verbindet. Dabei werden schöne alte Schränke eingesetzt, wie man sie im Grünen Wald in Kronberg sehen konnte. Auch silbernes Besteck aus den Zeiten des Sonnenhofs in Königstein (heute Villa Rothschild), den die Familie Allgaier ja viele Jahre betrieb. Das neue Restaurant Allgaiers in Frankfurt wird 45 Plätze haben, plus 25 auf der efeuumrankten Terrasse, die jedoch eventuell um weitere 20 Sitze erweitert werden kann.

Ludwig Fienhold

 

Die Geschichte des Hauses

 

Zuvor residierte in der Liebigstraße 47 der inzwischen verstorbene Klaus Trebes mit seinem Gargantua. Der schöne Stilaltbau wurde im Jahr 1880 in der Tradition des Spätklassizismus erbaut. Er bietet Wohnfläche auf 4 Etagen sowie einen Restaurantbereich im Erdgeschoss. Zum 130 qm großen Restaurant gehört eine Terrasse (38 qm) mit üppig überwachsener Pergola. Der Lagerkeller ist 49 qm groß. Derzeit wird das Haus noch saniert und durch einen Anbau erweitert.

Das Haus in der Liebigstraße hat gastronomisch immer wieder von sich reden gemacht. Mitte der 80er Jahre zunächst schlecht als Restaurant Le Medi, in dem ein japanischer Koch vergeblich sein Glück suchte. Das Lokal floppte, dann zog 1986 Wilfried Abels dort ein, damals ein stadtbekannter Kreativer. Bis dahin war er Werber, Maler, Fotograf und Buchautor, dann wurde er auch noch Gastronom. Wie es seiner Art entsprach, gestaltete Abels das Restaurant leicht exzentrisch – so gab es beispielsweise Spiegel auf Kopfhöhe in den hohen Stuhllehnen. Sonst machte das Lokal mit dem teuersten Frühstück der Stadt auf sich aufmerksam, über dessen 70 Deutsche Mark wir heute lächeln dürfen. Der kulinarische Start war holprig, bis Abels den japanischen Koch gegen ein junges Talent einwechselte: Samy Elzein. Der konnte kochen, zudem gab es ein fulminantes Käsesortiment von über 60 Sorten. 1994 zog dann schließlich Klaus Trebes in die Liebigstraße. Küchenchef Samy Elzein, inzwischen Mohamed Elzein, machte sich in Wiesbaden mit seinem Estragon selbständig und kocht heute noch teilweise in der Orangerie in Darmstadt. Wilfried Abels alias W.A. de Bolgherese lebt nach vielen Jahren in Spanien als Maler und Fotograf in der Toskana und in Groß-Umstadt im Odenwald in der Nähe von Frankfurt.

LF

 

 




Schöner Spuk
Warum das Grand Hotel
Heiligendamm gespenstisch
bleiben wird

Von Ludwig Fienhold

Vor dem kniehohen Zaun am Hotel-Ensemble stehen Gaffer, die wie Touristen aus einer Haderer-Karikatur gekleidet sind: „Da wohnen die Reichen“, meinen sie abschätzig und weit mehr abgrenzend als es der Gartenzwergzaun sein könnte. Das Grand Hotel Heiligendamm wird besichtigt, als würde dort Ex-Bundespräsident Wulff residieren. Es stehen zwar keine Protestler mit Tröten davor, doch der Argwohn vieler Beobachter ist offensichtlich. Ähnlich wie Schloss Bellevue hat auch das Hotel Heiligendamm gelitten, das nicht nur um Gäste, sondern auch um die Akzeptanz des Umfelds ringen muss. Die Schwierigkeiten der exklusiven Hotelanlage liegen am falschen Konzept und seiner speziellen Location – genau genommen ist das Grand Hotel Heiligendamm der weiße Elefant in einer grauen Welt.

Es konnte nicht gut gehen, dass ein solches Luxushotel in einer Gegend errichtet wurde, die eher bescheiden bis ärmlich erscheint und einfach nicht mitwachsen will. Die Gäste selbst können sich so nicht wohlfühlen und erleben ihre Situation wie in einem Ghetto. Das Nobelhotel wirkt wie ein Schloss in Berlin-Marzahn, aber wer will schon als Prinz zwischen Plattenbauten leben? Durch den jetzigen Konkurs wird Heiligendamm vielleicht endgültig zum Spukschloss.

Das Grand Hotel Heiligendamm an der Ostsee wird es auch weiterhin mehr als schwer haben und kann mit dem jetzigen Konzept und Umfeld nicht gewinnen. Die Ostsee hat als Destination kein gutes Image, schon gar nicht bei dem Publikum, das mit dem Grand Hotel Heiligendamm angesprochen wird.  Dieser Teil der Republik muss nach wie vor gegen einen schlechten Ruf ankämpfen, denn er steht eher für spröde und billig als für charmant und luxuriös. In einer solchen Region ist es doppelt schwer, Flair entstehen zu lassen und mit Weltklassehotellerie zu werben. Wer reist, will etwas zu erzählen haben. Man kann von der Karibik oder den Malediven schwärmen, selbst noch vom längst gesellschaftsfähigen Sylt. Doch man vermag nicht unbedingt beim Gedanken an die Ostsee ins Schwärmen zu geraten.

Das Grand Hotel Heiligendamm liegt isoliert und ist mühsam zu erreichen, da hilft auch der Shuttle-Service zwischen Rostock und Bad Doberan wenig. An der Uferpromenade stehen noch immer zu viele Ruinen, die das Bild trüben. Der ganze Auftritt ist problematisch. Das Haus gibt sich wie ein edles Stadthotel, müsste aber ein nonchalantes Urlaubsdomizil sein. Das Formelle kommt auch in den steifen Uniformen des Personals und deren Habitus zum Ausdruck – Feriengefühl erfordert aber eine saloppe Grundstimmung und Gangart. Personal und damit auch die Gäste wirken nicht entspannt. Der häufige Direktorenwechsel belegt die nervöse Stimmung. Kempinski stieg 2009 als Managementgesellschaft aus, weil sie mit dem Betreiber in Person von Anno August Jagdfeld keine gemeinsame Strategie entwickeln konnte. Manko waren bislang auch zu viele junge, unerfahrene und nicht optimal geschulte Mitarbeiter in allen Bereichen. Die von Anfang an instabile Lage motivierte die 300 Mitarbeiter keineswegs ausreichend, die ständig um ihre Jobs bangen mussten.

Der G8-Gipfel im Jahre 2007 machte das Hotel weltberühmt und brachte kurzfristig Aufmerksamkeit. Dann verschwand Heiligendamm wieder für viele aus dem Blick. Die Jahresauslastung erreichte nie die 60 Prozent, sondern lediglich 44 bis 50 Prozent, im Winter kamen stets nur wenige Gäste. Jetzt fehlen rund 30 Millionen Euro, man hofft auf neue Investoren, der Betrieb läuft weiter. Der noch amtierende Geschäftsführer Anno August Jagdfeld macht der Kommune schwere Vorwürfe, weil sie die Hotelanlage mit der Eröffnung im Jahre 2003 zum öffentlichen Gelände erklärt habe und damit Scharen von Spaziergängern und Radfahrern den Weg ebnete. Die geringfügige Umzäunung hat dies kaum eindämmen können, hält aber ein wenig auf Distanz. Dennoch stoßen hier zwei Welten aufeinander, die eigentlich nichts miteinander zu tun haben möchten.

Dabei hat das blütenweiße Ensemble am Meer einiges zu bieten. Die erhabene Gelassenheit der Architektur und das aufbrausende Meer gehen eine ungewöhnlich schöne Verbindung ein. Attraktive Zimmer, gutes und vor allem langes Frühstück, ein Spitzenrestaurant und eine angenehm kultivierte Zigarren-Bar in der Burg Hohenzollern sind erhebliche Pluspunkte. In den windgeschützten Strandkörben perlt der Champagner, auf der großen Freiterrasse kommt man leicht in Feierstimmung.

Küchenchef Ronny Siewert

Im Gourmet-Restaurant Friedrich Franz herrscht zwar mitunter Flüsteratmosphäre, doch die Küche von Ronny Siewert macht gute Laune: Haute Cuisine mit regionalen Kicks. Die gebratene Gänsestopfleber ist ein Musterbeispiel an Produktqualität und Handwerklichkeit. Die perfekt zubereitete Leber zeigt extrem sauberem Anschnitt und ist prall und fest. Die ausdrucksvolle orientalische Gewürzjus begleitet nicht nur so nebenbei, sondern hebt sie. Petersilienwurzelmousse und leicht marmeladiger Granatapfel setzen zusätzlich Akzente. Die lauwarmen Krebse mit fruchtigen Gurken und essbaren Landschaften sind von einer heiteren Duftfülle, wobei jedes Detail prononciert ineinandergreift. Die als „Essbare Landschaften“ bekannten Wildkräuter und Blüten sind auch der Firmenname von Koch Ralf Hiener aus dem Schwarzwald und dem Gärtner Olaf Schnelle aus Thüringen, die sich als Lieferanten für kreative Restaurants einen Namen gemacht haben. Als hoch verfeinertes Regionalgericht haben wir den geräucherten Ostsee-Aal in guter Erinnerung, mit luftigem Lachskaviar-Rührei, Meerrettichschaum und einem Boden aus glasierten, dünnen Apfelfilets vom Granny Smith. Die imponierende Bresse-Taubenbrust mit einer Reduktion und wunderbar konzentriertem Trüffelgeschmack – sowie Rotkohlmousseline und Schaum von gebräunter Molke – offenbart große Klassik. Der Michelin quittierts mit einem Stern, der Gault Millau vergibt 17 Punkte.

Die vielen gute Leistungen im Bereich Food & Beverage und die spannende Optik werden das Grand Hotel kaum überleben lassen, die Chancen bleiben gering. Vielleicht droht das gleiche Schicksal wie den legendären Schweizer Stuben in Wertheim, vielleicht wird eine Senioren-Residenz daraus. Trotz seiner geradezu unwirklichen Schönheit wirkt „Die weiße Stadt am Meer“ gespenstisch – als hätte es hier nie Leben gegeben.

 

Grand Hotel Heiligendamm, Prof.-Dr.-Vogel-Straße 6, Bad Doberan – Heiligendamm, Tel. 038203 740-0. Zimmer ab 190 €, Menü mit 4 Gängen 105 €, mit 6 Gängen 145 €.  www.grandhotel-heiligendamm.de




Restaurant Rochaden

Daniel Michael Cornelius tritt im April die Nachfolge von Jan Cornelius Maier im Biancalani in Frankfurt an, das zu den besten italienischen Restaurants in Frankfurt zählt. Der 36 Jahre alte Koch hat eine ziemlich interessante Laufbahn genommen: Medizin- und Pharmaziestudium, Ausbildung zum Koch, Erfahrung in der Sternewelt, Chef de Cuisine und Geschäftsführer in guten Häusern. Stationen: Falconera, Bodensee (17 Punkte Gault Millau, 1 Stern Michelin); Alte Schule Fürstenhagen (15 Punkte Gault Millau, 1 Michelin-Stern); Privatkoch für Weltwirtschaftsforumsteilnehmer in Davos; Monkeys, Düsseldorf (16 Punkte Gault Millau, Anwärter auf einen Stern im Michelin). Jan Cornelius Maier, der fünf Jahre lang sehr gute Arbeit im Biancalani und danach in dem neuen Schwesterrestaurant A Casa di Tomilaia leistete, zieht es in die USA. An der generellen italienisch geprägten Ausrichtung der beiden Lokale wird sich nach den Worten von Spiritus rector Tom Bock nichts ändern.

Farrokh Okhovat-Esfehani ist am 1. April als Küchenchef von der Osteria Enoteca in Frankfurt Rödelheim in die Villa Philippe nach Kronberg in den Taunus gewechselt, wo er bereits zuvor schon am Herd stand. Er will dort eine mediterrane Küche mit orientalischen Anklängen etablieren, wie er sie von seiner persischen Mutter erlebt hat. Die neue Speisekarte wird ab 10. April präsentiert, daneben existiert noch eine weitere mit Klassikern à la Forellenfilet und Wiener Schnitzel. Die Osteria Enoteca von Roland Brzezinksi, in der Farrokh nach dem Abgang von Carmelo Greco Küchenchef war, schließt nach 18 Jahren.

Elena Weber wird neue Restaurantleiterin im Frankfurter Restaurant Micro von Spitzenkoch Mario Lohninger. Dort arbeitete sie bereits, zuletzt aber im Design-Hotel Roomers in Frankfurt. Die bisherige Chefin Barbara Berger geht als Restaurantleiterin ins Fährhaus Munkmarsch nach Sylt.

Björn Zimmer heißt ab Juni der neue Sommelier vom Restaurant Zarges auf der Frankfurter Freßgass. Dort wird ja nicht nur gegessen, sondern auch gut getrunken. Zumindest bei Zarges, wo es eine der besten Weinkarten der Stadt gibt. Der 31 Jahre alte Weinspezialist Björn Zimmer arbeitete unter anderem bislang im Lido und im Dado in Düsseldorf.

 

 




Neue Chefin beim Gault Millau

Patricia Bröhm löst

Manfred Kohnke ab

 

Der Chefredakteur des Gault & Millau Deutschland, Manfred Kohnke, der den Guide seit 1983 entscheidend geprägt hat, übergibt die Leitung des Restaurantführers an Patricia Bröhm. Mit ihr tritt eine kenntnisreiche Journalistin an die Spitze des Guides, die als Autorin unter anderem für die Süddeutsche Zeitung arbeitet und seit vielen Jahren mit der deutschen und internationalen Spitzengastronomie vertraut ist. Manfred Kohnke bleibt dem Gault & Millau weiterhin sehr eng verbunden. Er zeichnet künftig als Herausgeber und unterstützt die Chefredaktion und den Verlag.

Clemens Hahn, Programmleiter Gault & Millau im Münchner Christian Verlag: „Wir danken Herrn Kohnke für das einzigartige Engagement, mit dem er den Gault & Millau zum originellsten, kritischsten und darum meistzitierten Restaurantführer in Deutschland gemacht hat.“ In der Chefredaktion des Gault & Millau WeinGuide Deutschland gibt es keine Veränderungen, sie liegt weiter in den Händen von Joel B. Payne.

Patricia Bröhm

Patricia Bröhm studierte Romanistik in Genf und Anglistik in Exeter. Schon als Leiterin des Reiseressorts der Zeitschrift Marie Claire nutzte sie Dienstreisen vor allem zu Ausflügen in die kulinarischen Metropolen dieser Welt von Paris über Hongkong und Tokio bis Sydney. Seit 2000 schreibt sie als freie Autorin (nicht nur) über Kulinarik für die Süddeutsche Zeitung, den Feinschmecker, die Schweizer Sonntagszeitung und andere Titel im In- und Ausland. Die Küchen von Harald Wohlfahrt in Baiersbronn, Anne-Sophie Pic in Valence und René Redzepi im Kopenhagener Noma sind ihr ebenso vertraut wie Japans Kaiseki-Tradition, Londons moderne Inder und Madrids Tapas-Bars. Patricia Bröhm lebt mit ihrer Familie in München.

30 Jahre Gastronomie-Kritik und 20 Jahre Wein-Expertise: Der Gault & Millau feiert in Deutschland 2012 gleich zwei Jubiläen. Die im November erscheinenden Ausgaben wollen mit frischer Optik und mit noch mehr Nutzwert ihr Gourmet- und Weinwissen präsentieren.

Die Marke Gault & Millau geht auf die Journalisten Henri Gault und Christian Millau zurück, die 1969 in Frankreich ihren ersten Restaurantführer durch die feine Küche herausbrachten. Neben Frankreich und Deutschland erscheint der Gault & Millau auch in Österreich, der Schweiz sowie in Belgien. In Deutschland werden die Standardwerke für anspruchsvolle Gourmets und Weinliebhaber vom Münchner Christian Verlag herausgebracht.

Manfred Kohnke

Seit 2010 sind beide Gault & Millau Guides nicht nur als Buchausgaben erhältlich, sondern auch als Apps für iPhone und iPad. Neben praktischen Suchfunktionen und Kartenansichten bieten die Apps die Möglichkeit, interessante Websites zu besuchen, direkt Restaurant- oder Hotelbuchungen vorzunehmen sowie sich ausführlich über die Restaurants, Weine und Weingüter informieren.

Peter Lunas

 

 

 

 

 

 




Der neue 3-Sterne-Star aus Frankreich

Alpen-Koch Emmanuel Renaut aus Megève

 

Von Jörg Zipprick

Der neue Michelin krönt den Alpenkoch Emmanuel Renaut vom Restaurant Flocons de Sel in Megève mit dem dritten Stern. Das geht in Ordnung. Sonst darf man beim Guide Rouge auch wegen der neuen Preispolitik wirklich Rot sehen.  

Frankreich hat ein neues Drei-Sterne Haus: Flocons de Sel heißt es, also Salzflocken, und liegt in Megeve, sein Küchenchef ist Emmanuel Renaut. Megève, der Skiort, wo einst Marc Veyrat für Furore sorgte, wirkt wie eine winterliche Version von Saint-Tropez. Wer da unten eine Yacht hat, sollte hier oben ein Chalet besitzen. Mindestens. Megève, das ist eine Postkartenlandschaft im Schnee, mehr oder minder im Schatten des Montblanc.

Restaurant Flocons de Sel

Als der dritte Stern kam, sagt Renaut, da hätte er zunächst mal weinen müssen. Und dann wäre er zu einem langen Spaziergang aufgebrochen. Ein wahrer Tränenstrom sollte es nicht gewesen sein, schließlich galt er seit dem vergangenen Jahr als Favorit, eine bedeutende Wochenzeitung hatte seine neue Michelin-Wertung schon vor 14 Tagen vorher gesagt und überhaupt waren einige Resultate, wie die zwei Sterne für das Shangri La, das Mandarin Oriental und das Mirazur des jungen Kochs Mauro Colagreco schon vor Tagen durchgesickert.

Der heute 44 Jahre alte Emmanuel Renaut lernte bei Marc Veyrat. Es ist sein Verdienst, dessen molekularen Nonsens wieder in den Apothekenschrank verbannt zu haben, um sich den Zutaten der Region zuzuwenden. Seine Küche lernte ich vor gut zehn Jahren erstmals kennen, damals war Flocons de Sel  noch ein bescheidenes Haus im Zentrum mit einem Namenszug in Kinderschrift über der Tür. Damals servierte er Topinambur mit Artischockenbouillon, Gewürznelken und Trüffeln oder die Flusskrebse in Maisjus mit Koriander. Das getrocknete Rindfleisch stammte vom Bauern Joseph Socquet, einem Nachbarn. „Und weil ich immer weniger Meeresfische auf die Karte setze, kommen Forellen und Felchen und Hechte von einem Flussfischer aus Lugnin. Eric Jaquier mit seinem winzigen Boot beliefert mich regelmäßig mit Gutem aus unseren Gewässern.“ Renaut war der Senkrechtstarter von Megève, in Sachen Küche schon ganz weit oben. Ein paar Jahre später wurde auch sein Lokal größer, schöner, prächtiger. „Hier in Megève muss man den Leuten etwas bieten“ meinte er damals schüchtern lächelnd.

Auch heute noch ist Renaut immer dann am Besten, wenn er die Schönheit in der Schlichtheit sucht, etwa bei den gebratenen Jakobsmuscheln mit Butternut-Kürbis, Piemont-Haselnüssen und Lauch oder beim Kalbsbries mit grauen Schalotten, Waldpilzen und „Gratin Savoyard“. Der Fisch aus dem Genfer See von Jacquier ziert nach wie vor die Karte.

Kurz: Ich mag Renauts Küche. Gerade dieser Koch hätte sich in den nächsten Jahren noch bedeutend steigern können. Darauf werden die Genießer jetzt wohl verzichten müssen: In Frankreich bildet der dritte Stern des Michelin traditionell das Totenglöckchen für jede Art von Kreativität; der Herr am Herd widmet sich fortan der Besitzstandswahrung und neuen Werbeverträgen.  Nun denn, es sei ihm gegönnt.

Abseits der Spitzenklasse ergoss sich ein wahrer Sternenregen über Frankreich. Zehn neue „Zwei Sterner“, 58 neue Sternelokale! Wer da als Koch keinen abbekommen hat, der muss eigentlich selbst schuld sein: Das Cordeillan Bages bei Bordeaux, verlassen von seinem Küchenchef Thierry Marx? Es behält seine zwei Sterne. Das neue Lokal von Thierry Marx in Paris? Bekommt auch zwei Sterne. (Die alte Frage, ob die Sterne nun dem Koch oder dem Restaurant gehören durfte damit zur Freude beider gelöst sein.)

Flocons de Sel, ein Restaurant mit Betten

Gerade Thierry Marx war in Paris bei allen seriösen Chronisten von „Le Monde“ bis „L’Express“ durchgefallen. Gespottet wurde zunächst  über den Namen des Restaurants: „Sur mesure“ heißt „nach Maß“, doch Maßarbeit sucht man vergebens, ein Menü für alle heißt die Devise. „Bei diesen Preisen erwartet man, dass er den Mond vom Himmel holt“ schrieb Francois-Regis Gaudry vom L’Express „doch wir mussten uns mit einem gemächlichen Tiefflug begnügen.“ Auch Gerichte wie die falschen Erbsen, ein paar echte Gemüse, gemixt mit Zusatzstoff-Bällchen mit Erbsenaroma, sorgten in der Hauptstadt eher für Lacher.

Mit einer aufwendigen Image-Kampagne und vielen, vielen Einladungen rettete die Mandarin Oriental-Gruppe den Ruf von  Marx zumindest in der ausländischen Presse. Pariser hingegen wissen, dass für diese Preise anderswo Besseres geboten wird, etwa im „Shangri La“, wo der bewährte Philippe Labbé für seine Gäste gelegentlich sogar echten Wildlachs auftreibt. Die Wahl zwischen Wildlachs und „Tzatziki-Sphären“ fällt mir persönlich nicht schwer.

Les Crayères

Die anderen, neuen zwei Sterne Restaurants wie Les Crayères in Reims, Tartarin in Le Havre, Mirazur in Menton oder das Strato in Courchevel sind seit jeher vollkommen zu Recht Lieblinge der französischen Gastronomiepresse, der Michelin hinkt hier der herrschenden Meinung hinterher. In der „Ein-Sterne-Klasse“ dominiert eine Welle von Comebacks: Das Bacon in Cap d’Antibes, das Rendez-Vous de Chasse in Colmar, die Ferme Saint-Siméon in Honfleur und viele andere, sie alle fanden ihre Sterne wieder. Gerade in der Hauptstadt Paris wollte der rundlich behäbige Bibendum (das Reifenmännchen) sich nicht mehr von anderen Guides die Butter vom Brot nehmen lassen. Sterne gab es für gerade erst eröffnete  Lokale wie Kei, das umstrittene Akrame und das Cobéa. Während bei Kei souverän aufgekocht wird, hätte es ein Viertelsternchen für die anderen beiden auch getan.

Abschließend schlug die Stunde des Eigenlobes: „In 10 Jahren“ so hieß es „habe die Zahl der Sterne um 16% zugenommen“. „Qualität und Freude am Geschmack seien im Aufwind“. Frankreich-Reisende werden das, besonders in den teuren Sternerestaurants, zuweilen anders empfinden. Rein subjektiv erscheint mir der vermeintliche Aufschwung in Sachen Qualität mehr wie ein laues Lüftchen.

Alain Chapel

Im Februar 2012 etwa meldete das einst legendäre Restaurants Alain Chapel in Mionnay, bewertet mit zwei Sternen im Guide Michelin, Konkurs an. Zuletzt arbeiteten hier Philippe Jousse, ein langjähriger Mitarbeiter des Meisters, sowie Chapels Söhne. Die Küche war über die Jahre erstklassig geblieben. Der Konkurs dieser Institution zeigt nicht nur, dass Qualität sich nicht  immer auszahlt, sondern auch, dass Genießer eben nicht mehr kilometerweit den Sternen nachreisen. Im Falle des „Alain Chapel“ motivierten die zwei Sterne des großen roten Guides nicht einmal die zahlungskräftigen Genießer aus dem 23 Kilometer entfernten Lyon.

Kurz: Nicht die Qualität hat sich gesteigert, der Michelin hat seine Kriterien revidiert. In einer Zeit, wo Köche mit „Koch-Philosophien“ hausieren gehen wird die Qualität der Zutaten zweitrangig. Da muss niemand mehr so genau hinschmecken. Hauptsache, die Tellerchen sehen schön aus.

 

Der Michelin bittet zur Kasse

 

Vielleicht hat der Sternenregen jedoch auch mit dem neuen Geschäftsmodell des Führers aller Führer zu tun: In Kürze werden Köche an den Michelin France mit 69 Euro pro Monat, also 828 Euro pro Jahr, zahlen dürfen. Offiziell sollen sie damit ihre „Sichtbarkeit auf dem Internet verbessern.“ Diese Neuerung wurde von der Direktion des Guide den Köchen und Restaurantbesitzern Dominique Loiseau, Anne-Sophie Pic, Alain Ducasse, Joel Robuchon, Marc Haeberlin und Christian Têtedoie im Januar 12 bei einem Meeting im Pariser Hotel Plaza-Athénée vorgestellt.

Bei 4.457 Hotels und 4.289 Restaurants im Guide France kommt so ein hübsches Sümmchen zusammen. Ein Geldsegen, der bitter nötig erscheint: Schließlich ist die verkaufte Auflage laut Livre Hebdo, dem französischen Fachmagazin für den Buchhandel, auf 107.000 Exemplare gefallen. Vor zehn Jahren, als es 15% weniger Sterne gab, die aber in vielen Fällen noch für Qualität standen, sollen es 500.000 Exemplare gewesen sein.

Damit nicht genug: Auch vom Michelin nicht ausgewählte Restaurants dürfen künftig ihre Sichtbarkeit verbessern und die Jahresgebühr an Bibendum überweisen. Nutzer der Website können, wie schon heute, ihre Kommentare und Wertungen hinterlassen.

Kein Wunder, dass die befragten Spitzenköche ein Amalgam zwischen der Michelin-Auswahl und erkaufter Werbung befürchten. Die Fachzeitung „L’hôtellerie“ druckte den Kommentar von Joel Robuchon. „Wenn das schief geht, ist es für Euch vorbei und für uns vorbei.“

Anlass zur Freude war das neue Geschäftsmodell jedoch bei spezialisierten Agenturen, deren Mitarbeiter hauptberuflich derzeit Bewertungsportale  wie Tripadvisor manipulieren. Diese Werber bieten in Paris bereits „positiven Buzz durch Follow-up gegenüber einflussreichen Bloggern“, demnächst dürfen auch die freundlichen Kommentare auf dem Michelin-Portal angeboten werden.

Die betroffenen Köche können also ruhig schlafen und künftig ihren Monatsbeitrag an Michelin überweisen. Sie wissen: Wer zahlt, der hat das Sagen. Und das gilt immer öfter auch für die Medienbranche.

 

 

 

 

 

 




Margarete hat eröffnet

Das neue Lokal in der Frankfurter Altstadt

 

Endlich ist Margarate da. Das neue Lokal in der Braubachstraße will die gastronomisch träge Altstadt beleben. Margarete ist glamourfrei und gefällt durch große Natürlichkeit. Viel Holz und blanke Tische geben einen lässigen Ton an, Zwanglosigkeit soll ein Grundmotiv sein. Raumhöhe, freie Deckenrohre und große Fensterfronten vermitteln Loft-Charakter. Nur mit der blitzenden Kupferfront beim Thekenbereich und Küchenpass hat man sich ein wenig Schick geleistet. Das Lokal ist eher spartanisch und dezent rustikal, wegen der direkten räumlichen Verbindung zum literarischen Salon daneben und dem Sitz des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels im Haus könnte man auch von einer Kulturkantine sprechen. Die als Vorlage für den Namen dienende Innenarchitektin Margarete Schütte-Lihotzky ist die Erfinderin der sogenannten Frankfurter Küche, die in den Zwanziger Jahren als Mutter der Einbauküche entwickelt wurde und Handlungsabläufe optimieren sollte.

Was bieten Küche & Keller? Die Karte ist mittags und abends sehr schlank gehalten, was gerade in der Aufbauphase richtig ist und der Küche Luft verschafft. Ein Stil wird sich noch entwickeln, derzeit passt alles unter das Dach der neuen deutschen Küche, mit traditionellen Deftigkeiten und verfeinerter Bodenständigkeit. Es gibt eine Handvoll Gerichte, derzeit zwischen 7.50 und 18 Euro (mittags) sowie 18 bis 36 Euro (abends). Suppen und Eintöpfe passen gut zum Ambiente und können flink serviert werden. Im Angebot stehen einfache und ordentliche Tellergerichte, etwa samtige Sauerkrautsuppe, dicke Gulaschsuppe mit Crème fraîche und der heiter beschwipste Hühnchenklassiker Coq au Vin mit Risotto und Zitrone. Das zarte Lamm mit Topinambur, Grapefruit und Liebstöckel zeigt schon mehr die Qualität der Küche, die ganz bedächtig beginnen möchte und noch Kapriolen meidet. Besonders gut haben uns die Desserts gefallen, Apfel-Crumble mit Zimtblüte und die geräucherten Hutzelfrüchte mit Milchschaum, Pekanuss, Parmaschinken und Käse. Die Küche wird von Ronny Bolz und Luka Spaniol Simunelic geleitet, die zuvor beide in Spitzenrestaurants gearbeitet haben. Ronny Bolz wurde vom Gourmet Guide Gault Millau wegen seiner erstklassigen Desserts zum Patissier des Jahres 2010 gekrönt, als er in der Villa Rothschild in Königstein arbeitete. Danach avancierte der 26 Jahre alte Süßspeisen-Spezialist zum Souschef im Spitzenrestaurant Bean & Beluga in seiner Heimatstadt Dresden. Kompagnon Luka Spaniol Simunelic arbeitete zuvor in den Frankfurter Toprestaurants Cyrano, Tigerpalast und Villa Merton.

Simon Horn

Auf der Getränkekarte zeigt man ebenfalls eine persönliche Note. Das beginnt schon bei den Softdrinks und dem leckeren Biokräuteraufguss Lemoncrazy, der von einem taufrischen jungen Frankfurter Unternehmen aus Nanaminze, Zitronengras, Limettenblättern, Zitronenthymian und Zitronenmelisse hergestellt wird. Beim Apfelwein setzt man auf die Kelterei Uhl aus Rodenbach und deren knackfrischen Schoppen, Biertrinker stoßen auf den bewährten Schlappeseppel aus Großostheim. Das Weinsortiment darf ruhig noch wachsen, bietet aber einige gute Tropfen. Der Rheingauer Riesling Eins Zwei Dry von Leitz ist ein saftig-frischer Frühlingsbote. Sympathisch, dass fast alle Weine glasweise zu haben sind (0,1 l und 0,2 l mit Preisangabe). Die Rum- und Whisky-Auswahl ist gut, doch vor allem die herausragenden Destillate der Edelobstbrennerei Stählemühle in Eigeltingen in der Nähe vom Bodensee sind ein Erlebnis. 33 Erzeugnisse stehen parat, darunter Schnapsbirne im Kastanienfass, Maiwipfelgeist von frischen Fichtensprossen und Konstantinopler Apfelquitte. Christoph Keller, der in Frankfurt einst einen Kunstbuchverlag betrieb und seit fünf Jahren alle wichtigen Preise der Branche abräumt, ist auch bekannt für seinen Monkey 47 – für uns der beste Gin der Welt.  

Apfel-Crumble mit Zimtblüte

Das Lokal Margarete ist von 7.30 Uhr bis in den späten Abend geöffnet, die Küche will sich bis 23 Uhr bereithalten, wobei auch danach noch Kleinigkeiten zu haben sein werden. Das lebhafte Restaurant bietet mittags keine zweite Trautsamkeit, die Gäste sitzen an langen Holztischen, ähnlich wie in den bekannten Frankfurter Apfelweinkneipen. Das trägt gründlich zur saloppen Stimmung bei, formelle Lokale gibt es ja schon genügend. Singles werden vielleicht einen der sechs Barhocker bevorzugen, unmittelbar an der Schiebeluke zur Küche. 80 Gäste haben im Lokal Platz, ebenso viel auf der Innenhofterrasse, an der noch gearbeitet wird. Im vorderen Teil des Lokals an der Braubachstraße kann man sich auf einen Kaffee (2,70 €) oder Cappuccino (3 €) freuen, der von der kleinen feinen Rösterei Phoenix aus Dresden kommt und angenehm kräftig ausfällt. Eine Lounge-Ecke lädt zum Lümmeln ein, die Stehtische sind für die Eiligen. An der Theke kann man sich auch interessant belegte Sandwichs holen, confierten Zitronen-Pulpo findet man sonst nicht auf Ciabattabrötchen.

Der Service unter der Betriebsleiterin und gelernten Köchin Nicole Blumenthal tritt munter und freundlich auf, man fühlt sich gut umsorgt. Das 300 Quadratmeter große Lokal Margarete wird von Simon Horn (Jahrgang 1983) und Raffaela Schöbel (Jahrgang 1984) geleitet. Horn hat sich durch seine Lokale Blumen und Seven Swans bekannt gemacht, Schöbel ist ebenfalls in Frankfurt geboren und studierte unter anderem Kulturanthropologie. Es ist vorteilhaft, dass die aparte Gastronomin die Rezeption führt – wer auf ein solch schönes Lächeln trifft, wird das Lokal milde gestimmt betreten und auch wieder verlassen.

 Ludwig Fienhold

Margarete, Frankfurt, Braubachstraße 18 – 22, Tel. 069 13 06 65 00. Café & Bar, Montag – Freitag ab 7.30 Uhr, Samstag und Sonntag ab 10 Uhr. Restaurant Montag – Samstag 12 – 14.30 Uhr, abends ab 18 Uhr. Sonntag ab 10 Uhr geöffnet. www.margarete.eu