Kann man drei Michelin-Sterne erben?

Michel Bras übergibt

an seinen Sohn Sébastien

 

Kann Salat etwas Besonderes sein? Bei Michel Bras ganz bestimmt. Das Gericht gleicht einem Spaziergang über Wiesen und Felder, taufrisch und duftig. Auf dem geschmacklich und optisch ausgefeilten Teller liegen in einträchtiger Harmonie: Sauerampfer, Sellerieblatt, Spargelspitze, ein Blatt Roter Amarant, schwarzes Olivenöl, Erbsen, auf einer Seite angebratene neue Kartoffeln, echter Baldrian, griechischer Baldrian, Spitzwegerich, Gerste, Kohlrabi, Blutampfer, Kapuzinerkresse, Hundszahn, Rhabarber, Dill, Blauglöckchen, ein weißes Rosenblatt vom Balkon, eine alte duftende Rose aus dem Garten, Ginster, Goldlauch, Kaplilie, Erbsensprossen, Veilchen, Mohn, Koriander, Bärlauch und Endivie. 40 bis 60 Gemüse, Kräuter, Blätter und Blumen kommen bei diesem Potpourrie namens Gargouillou zusammen. Der hochsensible Michel Bras zählt zu den besten und ungewöhnlichsten Köchen der Welt. Drei Sterne im Michelin und 19,5 Punkte im Gault Millau haben ihm einen Platz im Küchenolymp gesichert. Es fällt ihm jedoch schwer loszulassen und sein Lebenswerk abzuschließen. Sohn Sébastien arbeitet schon einige Jahre an seiner Seite und soll nun das Restaurant in Laguiole alleine weiterführen. Es entsteht dabei wahrscheinlich weniger ein Konflikt zwischen Vater und Sohn, als zwischen dem neuen Küchenchef und den alten Gästen. Der Film Entre les Bras, der jetzt in deutschen Kinos anläuft, schildert eindrücklich Abschied und Neuanfang.

 

Interview mit Michel Bras

Sie sind dafür bekannt, sehr anspruchsvoll zu sein. Im Film treten Sie manchmal so auf, als ob Sie hundertprozentig davon überzeugt wären, besser als jeder andere – sogar als Ihr Sohn – zu wissen, was in der Küche getan werden muss.

M.B.: Ich habe nicht den Eindruck, dass ich über die kulinarische Wahrheit verfüge. Ich habe einen Stil, der zumindest besteht – und dessen Stärke darin beruht, ein Leben lang an einem gegebenen Ort entstanden zu sein. Ich versuche Sébastien verständlich zu machen, dass sein kulinarischer Ausdruck die logische Konsequenz aus seinem Lebensstil sein sollte, also so eine Art Ergebnis dessen. Man muss die Kraft des Kochens verstehen, um seine Gäste bedienen zu können und ihnen zu dem Glück zu verhelfen, das sie bei uns suchen. Die Stärke des Restaurants liegt in seiner Seele. Vielleicht bin ich in dieser Hinsicht sehr anspruchsvoll.

Haben Sie sich nie gefragt, ob Ihr Sohn das Erbe, das Sie ihm überlassen, überhaupt schultern kann?

M.B.: Natürlich. Diese Frage habe ich mir stets gestellt und ich tue es immer noch. Aber das ist meine Verantwortung als Vater. Die Herausforderung ist zugegebenermaßen enorm hoch, aber das Geschäft besteht und es hat eine solide Grundlage. Als ich angefangen habe, waren wir zu dritt. Mittlerweile haben wir 65 Mitarbeiter. Und Sie müssen sich in Erinnerung rufen, dass es damals nicht einfach war, Chefkoch zu sein. In den Jahren 1978/1979 war es verdammt anstrengend, andere Gerichte als Würstchen und Aligot oder Kutteln und Eintopf anzubieten. Können Sie sich vorstellen, was es bedeutete „vom rechten Weg abzukommen“ und Makrele mit Johannisbeeren oder Himbeeren zu servieren? Ich habe mein ganzes Leben lang dafür gebraucht, dass die Leute dies akzeptieren.

Ist es deswegen für Sie so schwierig, nicht mehr vor Ort zu sein, auch wenn es notwendig erscheint?

M.B.: Ja, es ist anstrengend und hart. Als ich mein Büro verlassen habe, fühlte das sich so an, als ob jemand gestorben wäre. Ich habe ein halbes Jahr gebraucht, um darüber hinwegzukommen. Aber ich habe mich damit arrangiert, weil ich weiß, dass ich an einem Wendepunkt in meinem Leben stehe. Ich sage das nicht gerne, aber ich weiß, dass ich in der Welt der Gastronomie für etwas stehe. Nun kann ich endlich die Früchte der leidvollen Arbeit in der Vergangenheit ernten; es war nicht leicht „vom rechten Weg abzukommen“ und diese Lebensentscheidungen zu treffen. Ich ebne den Weg, ich überlasse meinem Sohn das Fundament, vielleicht sogar meine Gene, meine Art die Dinge zu tun und zu sehen … Nun ist es an ihm, das Restaurant zu übernehmen und seinen persönlichen Ausdruck zu entwickeln. Ich habe jedoch Angst vor der Reaktion einiger weniger Gäste, so nach dem Motto „Oh, ich kannte Ihren Vater sehr gut. Damals als er noch, etc.“. Über diese Dinge habe ich auch mit meinen Freunden Pierre Gagnaire und Michel Troisgros gesprochen, die einen Teil ihrer Jugend im Schatten ihrer Väter, die auch Chef-Koch waren, gestanden haben.

Aber beiden ist es gelungen voranzuschreiten, indem sie ihre Väter symbolisch „erlegt“ haben. Ist das bei Ihrem Sohn auch der Fall?

M.B.: Ehrlich gesagt weiß ich es nicht. Das müssten Sie eigentlich ihn fragen, aber ich denke eigentlich nicht. Wir haben stets versucht, die moderne Welt zu betrachten und nicht an diese veralteten Regeln, diese alten Herangehensweisen zu denken. Es stand nie zur Debatte, dass Sébastien ein Jünger oder ein spiritueller Sohn von mir sein sollte. Unsere Lebensgeschichte ist die zweier Kameraden, die unbekümmert um den ersten Platz rangeln und trotzdem eng miteinander verbunden bleiben. Darin genau liegt unsere große Stärke.

 

Interview mit Sébastien Bras

Warum nennen Sie Ihren Vater eigentlich „Michel“ und nicht „Papa“?

S.B.: Eigentlich nenne ich ihn meistens „Alter“! (Er lacht.) Das ist eine gute Frage, aber ich weiß es nicht genau, das war schon immer so.

Wir wissen, dass Sie und Ihr Vater beide sehr bescheiden sind. Ist das ein Problem, wenn man vor der Kamera steht?

S.B.: Ja, das stimmt, wir sind von Natur aus eher introvertiert. Wir öffnen uns nicht so leicht. Das war für Paul nicht unbedingt einfach, aber wir kennen uns nun schon seit zehn Jahren und sind uns wirklich sehr vertraut. Während der Dreharbeiten ist es manchmal schwierig, aus sich herauszukommen, aber da Paul ein Freund ist, versucht man schließlich seine Befürchtungen zu überwinden und sein Innerstes für ihn zu öffnen. Und irgendwann vergisst man dann auch die Kamera. Ich bin kein Schauspieler, ich bin einfach nur ich selbst.

Wer spielt eigentlich die Hauptrolle in diesem Film? Die Familie? Der Ort? Oder das Kochen?

S.B.: Wahrscheinlich alle drei zusammen. Die Geschichte der Bras’ ist die Geschichte einer Familie, eines Ortes und des Weitergebens von Generation zu Generation. Wir haben unweigerlich eine enge Beziehung zu dem Ort an dem wir leben und zu unseren Vorfahren, und ein Gefühl der Ehrfurcht, wenn wir woanders sind. Das ist wie ein in sich geschlossenes, unkompliziertes Ganzes. Ich bin mit meiner Arbeit verheiratet, weil sie eng mit meinen Kindheitserinnerungen verbunden ist. Ich habe meine Persönlichkeit mit meiner Arbeit entwickelt und bin so aufgewachsen. Ich habe diesen Weg gewählt, das ist alles. Ich hinterfrage ihn nicht wirklich.

Auch wenn das so ist, ist es nicht immer leicht, der Erbe zu sein, vor allem nicht, wenn der Vater Michel Bras ist …

S.B.: Michel ist, wer er ist. Ich werde nie er sein und ich versuche es auch nicht. Ich werde nicht sein Klon sein, weil ich meine eigenen Erfahrungen und Gefühle habe. Und sie werden es mir ermöglichen, meine Kochkunst so weiterzuentwickeln, wie ich es möchte. Ich lasse das ehrlich gesagt gar nicht erst an mich rankommen. Ich werde nicht zu mir selbst sagen: „Oh nein, Michel hat das und das zu der und der Zeit getan und ich muss denselben Weg einschlagen, etc.“. Meine Eltern und das Aubrac haben mir genügend Dinge mit auf den Weg gegeben, um meine eigene Richtung einzuschlagen. Natürlich hat man so seine Zweifel oder manchmal Angst – aber diese Fragen bringen dich voran, du schmiedest Pläne und bist hoffnungsfroh.

In dem Film gibt es eine sehr charmante Szene als Sie Ihren „Alten“ eine Ihrer Kreationen kosten lassen. Sie lächeln ihn direkt an und sagen: „Du darfst jetzt nichts sagen!“

Wenn man ein Gericht kreiert werden Gefühle, Erinnerungen und Begegnungen wachgerufen, die nur einem selbst gehören. Auch wenn Michel und ich eine sehr ähnliche Sicht der Dinge haben, heißt das nicht, dass wir aus drei Produkten dasselbe zubereiten. Kulinarische Kreationen sind etwas sehr Schwieriges und sehr Persönliches. Vielleicht habe ich deshalb diesen Satz zu Michel gesagt.

Der Film von Paul Lacoste zeigt einen der wichtigsten Abschnitte in Ihrem Leben: die Weitergabe des Restaurants vom Vater an den Sohn. Wird es in zehn Jahren einen dritten Dokumentarfilm geben?

S.B.: Mit meinen Kindern? (Er lacht.) Ich weiß nicht … Sie sind erst acht und zehn Jahre alt und ich kann jetzt schon beobachten, wie sie dieselben Dinge erleben, wie ich in ihrem Alter an der Seite meines Vaters: man kommt vom Markt zurück und hat zu Spitzenzeiten alle Hände voll zu tun… Sie wachsen in derselben Umgebung auf wie ich als kleiner Junge, aber ich setzte sie nicht unter Druck. Sie sollen aus ihrem Leben das machen, was sie wollen.

 

Die Interviews wurden von dem Journalisten und Restaurantkritiker Sébastien Demorand geführt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 




Neues Penthouse über den Dächern von Paris

Hotel-News: George V Paris, Ritz Paris, Ritz London

 

How Suite

Four Seasons Hotel George V trumpft mit XXL Zimmer auf

 

Das Four Seasons Hotel George V Paris hat neue spektakuläre Penthouse Suite eröffnet, die vom französischen Innenarchitekten Pierre-Yves Rochon gestaltet wurde. Sie bietet Gästen einen 360 Grad Ausblick auf die Stadt. Ein unvergleichliches Wohnerlebnis nennt es General Manager Christopher Norton, der bereits das Four Seasons auf Bali zu einem der weltweit besten Resorts machte. Die Penthouse Suite hat sechs Terrassen und glänzt mit Luxus auf 160 Quadratmetern. Zu den Highlights der Penthouse Suite gehört ein höchst eleganter Wintergarten, der mit einem Ausblick auf den Invalidendom, den Eiffelturm und die Amerikanische Kathedrale besticht. Die Terrasse, die in ihrer Form dem Bug eines Schiffes nachempfunden ist, bietet weitere Impressionen der Stadt: Die Dächer der Madeleine, der Oper und des Pantheons liegen dem Gast zu Füßen. Von der Terrasse führen Stufen zu einem privaten Balkon, der noch höher auf dem Dach des Gebäudes gelegen ist.

Ein weiteres Schmuckstück der Suite ist das beigefarbene Marmorbadezimmer, das an eine luxuriöse Lounge erinnert: Neben der großen Walk-in-Dusche befindet sich eine frei stehende Badewanne, die mit Massagedüsen und Farbtherapie-Lichtern ausgestattet ist. Blühend weiße Orchideen vermitteln den Eindruck eines Freilufterlebnisses mitten im Badezimmer. Das lichtdurchflutete Ankleidezimmer wurde nach Art eines französischen Boudoirs gestaltet. Die großartigen Blumengestecke entwirft der hauseigene Floraldesigner Jeff Leatham, der seinerzeit wohl für Louis XIV, den Sonnenkönig gearbeitet hätte. Eine normale Suite kostet im Four Seasons 2.350 €, den Preis für die XXL Penthouse Suite erfährt man nur auf Anfrage.

 

Ritz London wird billig

Das Hotel Ritz in London ist ein Prachtbau, zur Tea Time ist das Haus stets voll, vor allem Touristen werden schnell abgefüttert. Doch sonst muss sich das Hotel um Gäste bemühen, auch während der Olympiade. Jetzt werden sogar Lunch- und Dinner-Menüs mit drei Gängen und zwei Glas Wein für 50 Pfund (63 Euro) angeboten. Überhaupt hat das einst hochpreisige Restaurant erstaunlich bei den Preisen abgespeckt. Die gastronomische Konkurrenz wurde London in den letzten Jahren auch enorm stark, wobei sich das Ritz in seinen Leistungen nicht groß weiterentwickelt hat. Die In-Crowd findet ohnehin weit amüsantere Plätze. Das Ritz-Restaurant ist das letzte seiner Art in London, wo noch Jackett und Krawatte erwartet werden. Beim Anblick auf das ausgelatschte Schuhwerk der Mitarbeiter wirkt dies umso alberner.

 

 

Adieu Ritz Paris

Das größte Hotel-Theater der Welt hat jetzt für ganze 27 Monate seine Vorhänge geschlossen. Wo nur sollen nun die Schönen und Reichen hingehen? Und wo vor allem jene, die sich für schön und reich halten? Über 20 Millionen Euro wird die Renovierung kosten, die ja schon eher zu einer Totalsanierung wird. Außer der Fassade und der Suite Impériale wird alles neu gestaltet. Auch das famose Restaurant von Zwei Sterne-Koch Michel Roth L´Espadon (es wird jetzt mit einem beweglichen Glasdach verkuppelt) und die großartige Hemingway Bar von Colin Field. 470 Mitarbeiter sind von der Schließung betroffen, einige wurden verabschiedet, andere müssen sich arbeitslos melden und dürfen dann wieder kommen. Wir werden vor allem den großartigen Concierge Manfred Mautsch und den Weltklasse-Barchef Colin Field vermissen.

 

Fotos: George V, Ritz Paris, L. Fienhold

 

 

 

 




Trügerische Speisekarten

Wer uns beim Essen über den Tisch zieht

 

Was viele ahnen und einige wissen, bestätigt nun die Verbraucherzentrale Hamburg: Gäste werden beim Essen betrogen. Immer mehr Küchen verwenden vorgefertigte Produkte der Lebensmittelindustrie, Zusatzstoffe wie Geschmacksverstärker inklusive. Beobachter gehen von bis zu 80 Prozent der Speisen aus. Was als hausgemachte Topprodukte auf der Karte stehen, entpuppen sich immer mehr als aufgewärmte Fertigerzeugnisse und Instantware. Die „Kochkunst“ besteht dann aus dem Auftauen oder dem Öffnen einer Dose, zieht die Verbraucherzentrale Bilanz.

Die Liste der täglichen Betrügereien und Beanstandungen ist groß: Uns werden billige Garnelen statt teurer Scampi aufgetischt, aufgesprudeltes Leitungswasser statt Mineralwasser, Seelachs statt Seezunge. Die Speisekarte verspricht frische Frühkartoffeln, aber der Gast wird mit alter Ernte aus Dosen, dem Glas oder der Vakuumverpackung abgespeist. Die selbstgemachten Bratkartoffeln sind viel zu oft getrocknete Bratkartoffeln aus der Tüte oder Tiefkühlbratkartoffeln. Rührei aus frischen Eiern? Nicht selten Rührei aus Eipulver oder Flüssigeizubereitung aus dem Tetrapack. Der nicht nur beim Japaner so beliebte Wasabi kommt in den seltensten Fällen frisch von der Wurzel, sondern ist meist eine eingefärbte Mischung aus Meerrettichpulver, Senfpulver und Stärkeverbindungen als Füllstoff.

Sauce Hollandaise findet man häufig auf Speisekarten, nicht nur zur Spargelzeit. Sie wird jedoch sehr oft nicht selbst mit Butter und Eigelb zubereitet, dagegen werden billige Imitate der Lebensmittelindustrie verwendet. Das ist das Ergebnis von Testessen der Verbraucherzentrale in elf Restaurants in Hamburg und an der Niedersächsischen Spargelstraße. Die Ergebnisse: In sieben der elf Restaurants wurde Fertigsauce aufgetischt. Fünf Lokale behaupteten sogar auf Nachfrage, dass die Sauce selbstgemacht sei – darunter so bekannte Restaurantketten wie Block House und Schweinske. Nur vier Restaurants boten echte Sauce Hollandaise an. 

Um den Verbraucherschutz im Restaurant zu verbessern, sollten sich Wirte endlich an die gesetzlichen Kennzeichnungsvorgaben halten. Vorgefertigte und nicht hausgemachte Speisen müssen entsprechend deklariert werden. Wer als Gast schlechte Erfahrungen gemacht hat, kann sich auch an die Verbraucherzentrale wenden (ernaehrung@vzhh.de)

Weitere wichtige Infos:

www.vzhh.de/ernaehrung/239108/was-speisekarten-verschweigen.aspx

 




Immer noch lecker: Marbella

Tipps für Genießer

 

Von Ludwig Fienhold

 

Wer ist nicht schon alles über Marbella hergefallen – die Reichen, die Russen und jene, die Russen und Reiche ausnehmen. Was kümmert´s die Sonne, die dort fast das ganze Jahr scheint. Natürlich strahlt man nicht über alles in Marbella, nerven stellenweise oberflächlicher Protz und andere bauliche Irrtümer sowie die halbseidene Geselligkeit im Puerto Banús. Doch ist das keineswegs typisch. Marbella steht weit eher für eine ungebrochene Lust am Feiern, gutem Essen, Wein und was sonst noch zum Lebensgefühl gehört.

Tapas-Bars gibt es viele, aber kaum eine so erfolgreiche und amüsante wie La Morega im Puerto Banús. Sternekoch Dani Garcia betreibt mit seinem Calima das höchstbewertete Restaurant Marbellas, Geld verdient er aber vor allem mit seiner Tapas-Bar. Man kann nicht reservieren, weshalb die Gäste schon vor der Öffnungszeit um 20 Uhr Schlange stehen. Kaum eine halbe Stunde später ist kein Platz mehr frei, muss man Glück haben, vielleicht sind einige ja nur auf einen Happen dabei und räumen rasch wieder das Feld. Doch wer sich in den kleinen Schweinereien aus der offenen Küche erst einmal festgebissen hat, verlässt dieses beschwingte Lokal nicht so schnell. Zur guten Laune tragen außerdem der frohe Service von Amanda und die Weine zu Schmunzelpreisen bei.

Marbella Altstadt

Der Gast kann unter 50 Edel-Happen wählen – temperamentvolle, gut zubereitete und beherzt gewürzte Miniaturen, die bei jedem Bissen Lust auf den nächsten machen: Kebab mit Iberico-Schwein in orientalischer Sauce mit Raz el Hanout; Pig Burger aus Schweinebäckchen, Speck und Teriyaki-Mayonnaise; große Garnelen in frittiertem Basilikum; geräucherter Kabeljau mit Ziegenkäse und süßen Linsen; gehackte Kutteln mit Kichererbsen und Minze (pro Teller 3 bis15 Euro).

Die Altstadt von Marbella hat noch viel von ihrem Zauber erhalten können, trotz touristischer Kaschemmen und Pseudogourmetlokale, wie man sie ja in so vielen anderen attraktiven Altstädten dieser Welt sieht. Das Restaurante Buenaventura am Iglesia-Kirchplatz gehört noch zu den netteren Adressen. Schönes Ambiente, freundlicher Service, gute Weine, aber Essen im unteren Mittelmaß. In der Kirche vis-à-vis hat übrigens der Fotograf und Organist Michael Reckling in Zusammenarbeit mit örtlichen Hoteldirektoren und anderen Mäzen die denkwürdige Sonnenorgel bauen lassen, die nicht nur Musiker aus aller Welt begeistert. Trotz der himmlischen Klänge bewegt man sich kulinarisch in Marbellas Altstadt eher in Teufels Küche.

El Portalón

Ein spanisches Bilderbuchlokal, wie man es schöner kaum machen kann, ist das El Portolón gegenüber vom Marbella Club. In der behaglichen Fachwerkromantik tafelt es sich ausgesprochen lustvoll, fette Schinken hängen von der Decke, die ausgetrunkenen Flaschen in den Regalen zeugen von Geschmack, die Küche und ihr Kupfertöpfe und –pfannen sind so fotogen wie keine andere Küche in Marbella. Es ist nicht spektakulär, was auf die hübsch eingedeckten Holztische kommt, aber es schmeckt nach Flamme und nicht nach Konvektomat. Die verfeinerte Landhausküche beschert leckere Deftigkeiten, wie den Ochsenschwanz in Rotwein oder Kalbsbries vom Lamm mit Knoblauch, Petersilie und Sherry. Gut auch das Lämmchen aus dem mit Holz befeuerten Ofen und das galizische Filetsteak mit Wildpilzen, Portweinsauce und Trüffeljus.

Die erstklassige Weinkarte trumpft mit großen Namen wie Vega-Sicilia Único oder Pingus, das aber teilweise zu erstaunlich günstigen Preisen. Der Vega-Sicilia Único 2000 kostet 235 Euro, der Jahrgang 1989 ist für 325 Euro zu haben, und der großartige1995er erscheint für 280 € geradezu menschenfreundlich. Cava, außerhalb Spaniens viel zu lange der kleine und kaum beachtete Bruder aller Schaumweine, findet in diesem Restaurant seinen gebührenden Platz und kann mit feinperliger Delikatesse und dezenter Frucht begeistern. Beim Gran Juve y Camps erzeugt jedes Glas Verlangen auf das nächste, wobei seine trockne Art dabei sehr hilft.

Champagne Room

Vor und nach dem Essen gibt es kaum einen besseren Platz als den neuen herausgeputzten und munteren Champagne Room im Marbella Club. Das in den 50er Jahren von Prinz Alfonso von Hohenlohe gegründete Hotel war viele Jahre der Hot Spot der High Society, versank aber auch nach seinem Tod trotz mangelnder Glamourpräsenz nie ganz in der Versenkung. Allein die faunisch archaische Gartenanlage scheint dem Hotel auf ewig Schutz zu bieten. Der einstige Hoteldirektor, Graf Rudi von Schönberg, von allen kurz Conde Rudi genannt, hält dort seit Jahrzehnten Hof. Jetzt am liebsten im neuen Champagne Room, der etwas vom alten Flair zurückbringt. Nicht nur die optisch raffiniert mit Elementen von Art Deco und Jugendstil gestaltete Bar versetzt in perlende Laune, auch die Auswahl an Champagner – Vintage-Linien, berühmte und auch kleine Kellereien, und vor allem viele Champagner glasweise. 65 Kellereien sind vertreten. Daneben werden gute bis exzellente Cava offeriert, etwa der famose Gramosa Imperial, serviert in großen Zwiesel-Gläsern. Bemerkenswert ist der Rolls-Royce unter den Servierwagen der Welt, ein Trolley von Krug aus Edelholz mit eisgekühlten Gläsern.

Champagne Room

Zum Champagner serviert die Küche gratis feine Häppchen, etwa Garnelen-Tatar mit Avocado-Mousse, Hummer-Sashimi, Mini-Hamburger. Die jungen Barkeeper sind gutartig, doch manches Überbleibsel aus ganz alten Tagen meint offensichtlich, nur ein ernstes Gesicht bewahre vor Lachfalten. Leider trinken solche Herrschaften keinen oder zu wenig Champagner, sonst hätten sie genau so gute Laune wie ihre Gäste. Diese scheinen ein schönes Credo zu haben: Lebenshunger hat man nie satt.

 

 

 

 

La Moraga, Marbella, Puerto Banús, Ramón Areces 1, (0034) 952 815652. www.lamoraga.com

El Portolón, Marbella, Carretera Cádiz Km 178, Tel. (0034) 952 777104.

Champagne Room, Marbella Club Hotel, Golf Resort & Spa, Bulevar Principe Alfonso von Hohenlohe, Tel. (00 34) 952 822211, täglich von 17 bis 1 Uhr geöffnet. www.marbellaclub.com

 

 

 

 

 

 

 

 

 

El Portalón

 

 

 




Spanien für Entspannte

Blühende und essbare Hotellandschaften

 

Der Marbella Club ist die Diva unter den Hotels in Marbella, doch das Kempinski die zuverlässige Frau, die man auf Dauer an seiner Seite haben möchte. Beide Häuser zeichnen prachtvolle Gärten aus, das Kempinski besitzt den schönsten Sonnenliegenpark an der Costa del Sol und überrascht noch mit anderen Qualitäten.

Durch die Palmen weht ein laues Lüftchen, die gegrillten Langostinos im Wintergartenlokal La Cabaña del Mar werden mit Meerblick garniert. Dazu ein hauchzart nach Aprikosen und Pfirsichen duftender, trocken-würziger Albariño von Pazo de Señorans – und man ist mit der Welt versöhnt. Fangfrischer Fisch und Meeresfrüchte sind die Spezialität in diesem Lokal. Steinbutt, Seeteufel oder Dorade werden vor der offenen Küche präsentiert, der Gast bekommt sie à la minute zubereitet, in schöner Schlichtheit, ohne schwere Saucen und mit mediterranem Gemüse. Das erhält die Strandfigur und auch die Lust auf das nächste Essen. Der Zackenbarsch mit kanarisch-würziger Mojo-Sauce, der saftige Wolfsbarsch, die Miesmuscheln im aromatischen Sud, der Fisch in der Salzkruste sind Highlights. Vieles ist hausgemacht, wie der leckere Mandelkuchen mit Pistazien-Eis

Die blühende Hotellandschaft wird nicht nur von elf Gärtnern bewirtschaftet, sondern auch von der Küche behütet. Die bezieht daraus über 50 Sorten Gemüse, Gewürze und Kräuter sowie Obst: Mangold, Avocado, Kürbis, Kaktusfeige, Quitte, Zitrone, Limette, Mango, Zuckerapfel, Minze, Sakura-Kresse und und und. Wo vor 14 Jahren das Hotel eröffnet wurde, stand eine Avocado-Plantage. Ein besonders schöner Platz für private Diners: Auf dem Hügel am illuminierten maurischen Almenara Turm von 1575.

Im Restaurante La Brisa oberhalb der Pool- und Parkanlage kocht man kreativer, aber auf dem Boden spanischer Regionalklassik. Allein die einfach klingende kräuterige Malaga-Suppe mit Sherry und Minze ist köstlich und taugt obendrein wie der Klassikdrink Bullshot gegen einen Kater. Großartig und sonst selten zu bekommen ist das Secreto Iberico, saftiges Schweinefilet in der Salzkruste mit schöner, aus dem Saft gezogener Fleisch-Sauce mit Kapern. Schon beim Salat zeigt sich, dass Küchenchef Larry und sein Team weit mehr als das Herkömmliche wollen, der Salat wird mit bestem Olivenöl, kandiertem Spanferkel und verschiedenen Apfeltexturen zubereitet. Es sind viele gute Weine zu haben, etwa eine Reserva 2005 Coleccion 125 von Chivite aus Navarra oder der vorzügliche Verdejo von Jose Pariente sowie der spannende Cava Kripta in der ungewöhnlichen Amphorenflasche. Sommelier Romello und seine Kollegen sind den Gästen gute Berater.

Fischlokal Cabana del Mar

Das einst vom Frankfurter Unternehmer Wilfried Hoedt betriebene Hotel Las Dunas, das inzwischen leider nur noch als private Residenz geführt wird, hatte mit den bayerischen Spitzenköchen Frank Oehler und Peter Knogl die beste Küche an der Sonnenküste. Wenn auch das Kempinski nicht mit solchen Namen auftrumpfen kann, so ragen die Küchenleistungen von Executive Chef Jordi Bataller und seiner Brigade doch weit aus dem Meer der Mittelmäßigkeit heraus.

Das Kempinski-Hotel bietet neben kulinarischen auch viele optische Raffinessen, überall trifft man auf die Gestaltungen des Künstlers Stefan Szczesny, der moderne Bilder im traditionellen andalusischen Azulejo-Mosaik-Fliesen-Stil entworfen hat oder bemalte riesige Amphoren in den Garten setzte.  Zu den Delikatessen fürs Auge gehört im Grunde das ganze Panorama, der Ausblick von allen Restaurants inklusive Frühstücksterrasse richtet sich auf das Meer oder den Park mit seinen drei Pools. Vor den in warmen Erdtönen exquisit gestalteten Zimmern und Suiten breiten sich der weitläufige subtropische Garten und das Meer aus, alle haben Balkon oder eine große Terrasse. Die zweigeschossige Royal Suite beeindruckt durch eine hoch gelegene verglaste Sky Lounge mit eigener Bar und DJ-Station, auf der Terrasse steht ein sündhaft teures Teleskop für den Weitblick. Die teilweise mit maritimen Antiquitäten ausgestattete Suite del Mar wiederum hat auf der großen Sonnenterrasse noch Platz für einen Whirlpool.

Jordi Bataller (l.) & Küchenteam

Am 300 Meter langen Strand ist Sonnentanken bevorzugt, wobei das Programm mit Tauchen und Jetski erweitert wurde. Diese Maschinen können nerven, wurden hier aber mit geräuscharmen Eco-Motoren ausgerüstet. Die Poollandschaft ist generös und einzigartig an der Costa del Sol. Das Spa mit eigenem Innenpool wird noch vergrößert, der Fitnessraum hat  inzwischen die neusten Geräte sowie TV erhalten, man kann dabei gleich seinen Kalorienverbrauch checken. Außerdem haben einige Geräte Internetzugang – Googeln auf dem Laufband, YouTube-Filme beim Radfahren.

Keine Frage, die Strände an der Costa del Sol können mit denen in der Karibik nicht annährend mithalten. Aber deshalb müssen sich Hotels wie das Kempinski auf andere Qualitäten besinnen: Wohltuendes Ambiente, gute Gastronomie, schöne Zimmer, freundlichen Service. Diese Kernkompetenz war im Kempinski in Estepona bei Marbella nicht immer so ausgeprägt wie heute. Schwankende Leistungen brachten das Hotel einige Zeit in Misskredit. Seit vor drei Jahren Rüdiger Hollweg die Direktion übernahm, hat sich enorm viel verbessert und ist vor allem Kontinuität bei der Qualität eingezogen.

Das Fünf-Sterne-Hotel Kempinski beschäftigt 200 Mitarbeiter, was an den 132 Zimmern und 15 Suiten gemessen eine gute Relation ist. Viele Stammgäste schaffen eine zuverlässige Basis, die meisten kommen aus Deutschland, Spanien und England. Das Durchschnittsalter liegt bei 40 Jahren, im Sommer ist das Publikum jünger als im Winter. Geschätzt wird von allen die angenehm entspannte Atmosphäre, kommode Zimmer mit Stil und die gut aufgestellte Abteilung Food & Beverage – in Spanien beileibe keine Selbstverständlichkeit. Im Hotel geht es salopp zu, man will ja schließlich Urlaub machen, auch von Zwängen und Dresscodes. Einzige schrullige Ausnahme: In der Zigarren-Lounge sind Jacketts gerne gesehen – wer sie vergessen hat, kann unter grünen Samtjacketts in verschiedenen Größen wählen.

LF

 

Kempinski Hotel Bahia, Marbella-Estepona, Carretera de Cádiz Km. 159, Tel. (0034) 952 809 500. www.kempinski.com/estepona

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 




Top-Köche & Karl Lagerfeld

Flanieren und probieren

 

Kunst, Genuss und guter Geschmack – so präsentiert sich vom 14. bis 23. September 2012 die  XXVI. Biennale des Antiquaires im berühmten Grand Palais in Paris. Modeschöpfer, Designer und Fotograf Karl Lagerfeld wird die Räume für 119 Aussteller aus aller Welt auf 5.150m² Fläche nach dem Vorbild der Pariser Flaniermeilen des 19. Jahrhunderts gestalten und in Szene setzen. Zehn Grands Chefs von Relais & Châteaux bilden mit ihrer Kochkunst den kulinarischen Rahmen. Für die kostbaren Antiquitäten, Juwelen, Möbel und Kunstwerke wird auch der restaurierte Salon d’Honneur nach mehr als siebzig Jahren erstmals wieder seine Pforten für die erwarteten 100.000 Besucher öffnen.

Das kulinarische Herzstück bildet ein Pop-up-Restaurant, in dem jeden Tag ein Grand Chef Relais & Châteaux sowohl mittags als auch abends ein wechselndes neues, exklusives Menü anbieten wird, das in Zusammenarbeit mit dem Pariser Event-Catering-Unternehmen Potel et Chabot zubereitet wird. Insgesamt sind auf diese Weise 21 Michelin-Sterne zu erleben.

Ein von Michel Guérard (Les Prés d’Eugénie Michel Guérard in  Eugénie-les-Bains) komponiertes Gala-Diner eröffnet am 12. September den kulinarischen Reigen mit den Chefs: Michel Roth vom Ritz Paris; Jean-André Charial (Oustau de Baumanière, Les Baux-de-Provence) ; Jacques Chibois (La Bastide Saint-Antoine, Grasse) ; Jean-Michel Lorain (La Côte Saint Jacques & Spa, Joigny); Patrick Henriroux (La Pyramide, Vienne); Guy Martin (Le Grand Véfour, Paris) ; Michel Rostang (Michel Rostang Restaurant, Paris) ; Davy Tissot (Villa Florentine, Lyon) ; César Troisgros (Maison Troisgros, Roanne) ; das Finale bildet Édouard Loubet (Bastide de Capelongue, Bonnieux en Provence).

Tischreservierungen ab sofort unter der Telefonnummer  +33 (0)1 53 23 15 25. Weitere Informationen zu den Grand Chefs Relais & Châteaux im Internet unter http://www.relaischateaux.com/de/grandschefs/ und zur XXVI. Biennale des Anitquaires unter http://www.sna-france.com.

Bild oben rechts: Michel Guérard

 

 




Beim Zeus! Griechenland ist noch nicht gegessen

Rettet die Griechen

Und geht griechisch essen

 

Beim Zeus! Griechenland steht nicht nur für Euro-Schulden und Fußball. Auch die Küche hat ihren Wert. Nicht immer und überall, aber an bestimmten Stellen. Etwa im Parthenon in Frankfurt, wo gezeigt wird, wie frisch und gut griechische Küche sein kann.

Das griechische Lokal Parthenon ist weder Taverne noch Tempel. Gutbürgerlich, hieß Derartiges früher, bevor dieser Begriff ins Schwammige entgleitete. Abseits spröder Spießigkeit erlebt man hier eine eher muntere Atmosphäre, was nicht zuletzt an Stelios Kokkinoplitis liegt, der in seinem Olymp mit dionysischer Lebensfreude herrscht. Es gibt gewiss schönere Lokale, auch wirkt mancher im Service so gelangweilt, als müsste man mit ihm erst einen Fiskalpakt schließen. Doch beim Essen offenbart sich das Besondere. Unter den Backwaren fällt das Gerstenbrötchen „Paximadi“ aus Kreta auf. Es wurde aus Gerstenvollkornmehl, Olivenöl, Sauerteig, Hefe, Salz und Wasser nach alter Sitte geknetet und im Ofen steinhart getrocknet. Auf diese Weise ist es ein Jahr haltbar und wird erst durch ein wenig Wasser und Olivenöl zu neuem Leben erweckt. Gemeinsam mit Tomaten, Oliven, Kapern oder Käse schmeckt dieses Urbrot anders- und einzigartig. Es sind solch authentische Regionalrelikte, die einem Lokal Identität geben. Dazu zählen auch die vielen Vorspeisen, die für gute kulinarische Unterhaltung sorgen. Etwa feinwürziges Fawa-Erbsenpüree, Zucchinischeiben mit schwarzer Olivenpaste, frittierte Sardinen und köstlich derbe Gigantes – dicke Bohnen aus Kastoria. Die hausgemachte Fischroggencreme Tarama leuchtet zwar in fiesem Pink, ist aber lecker. Auch der obligatorische Tsatsiki ist hier besser angerührt als vielfach andernorts und eignet sich in seiner leichten und erfrischenden Art als Puffer zwischen Vorspeisen und Hauptgericht.

Stelios

In der griechischen Küche spielt weit weniger die Phantasie bei der Zubereitung eine Rolle, sondern viel mehr die Frische und Qualität der Zutaten. Gutes Olivenöl und ein paar Spritzer Zitronensaft statt schwerer Saucen mag mancher als zu einfaches Küchenwerk verstehen, entspricht aber der griechischen Essphilosophie und dem Hang zu Schlichtheit und Natürlichkeit. Fisch wird nur gebacken oder gegrillt, doch im Parthenon bringt er den Duft des Mittelmeeres an die Tische. Der Oktopus hat keine ihn glättende Schönheits-OP hinter sich bringen müssen und wird noch mit Saugnäpfen serviert, wobei er von saftiger Geschmeidigkeit ist. Auffällig gut gerät auch der Stockfisch mit Kartoffel-Knoblauch-Mousseline. Ob Fisch, Meeresfrüchte, würziges Hackfleisch oder klassische Kalbsleber, die Küche belässt den Produkten ihren Charakter und weiß deren Geschmack mit gut balancierter Würze hervorzuheben. Zicklein aus dem Ofen und wunderbar aromatischer Stifado-Eintopf sind Spezialitäten, die nicht immer zu haben sind, aber auch vorbestellt werden können. Ganz wichtig sind die in Olivenöl leicht frittierten Kartoffelscheiben aus jungen Zypern-Kartoffeln, die man sich am liebsten zu jedem Gericht wünscht, vor allem aber zu

Lammkoteletts und geschmortes Lamm. Stelios steht zwar nicht selbst am Herd, ist aber kreativer Koch der Küche und geht für sein Restaurant noch selbst auf den Märkten einkaufen. Sein Qualitätsbewusstsein beschert den Gästen von der Tomate bis zum Fisch beste Ware. Ob Salat, Sardellen, Hackfleisch-Biftéki oder Okra, hier ist alles von Geschmack und Frische. Es gibt auch mehr als den üblichen Feta, man probiere einmal den leicht geräucherten Dorfkäse aus Metzovo.

Parthenon ohne Stelios

Nicht nur im Winter, gibt es kaum etwas Schöneres als Schmorgerichte, die im Parthenon besonders gut gelingen. Die marinierten und lange in Rotwein gegarten Fleischgerichte sind von großer Delikatesse. Das Rindfleisch ist zart und wird gut gewürzt, wobei meist eine Prise Zimt die Pointe setzt. Die traditionellen Kokkinisto-Eintopf-Gerichte können mit Huhn, Lamm, Schwein, Rind und auch Kaninchen sein. Dazu passen  die genannten speziellen griechischen Pommes frites oder Kritharáki, wie Risotto wirkenden „Reis“-Nudeln. Mehr als nur Beilagencharakter haben zudem die sehr leckeren, an Kartoffelpuffer erinnernden Zucchini-Fladen, die von Köchin Ecaterina Trufu zubereitet werden. Hausherr Stelios kann sich auf einige altgediente Mitarbeiter/innen stützen. Dazu gehört auch Jelka, der man nicht ansieht, dass sie schon 30 Jahre dabei ist. Es gibt nur wenige Griechen in Deutschland und auch im Heimatland selbst, die einen solchen guten Standard erreicht haben, wie das Lokal Parthenon in Frankfurt. Ebenfalls gut ist das Restaurant Dorade in Frankfurt, das Stelios Bruder Georgios Kokkinoplitis führt.

Berufsenthusiast Stelios, der um die Ecke auch ein Geschäft mit Wein und Olivenöl betreibt, ist ein Qualitätssucher. Das merkt man schon beim Ouzo Plomari, einem hochwertigen Erzeugnis von der Insel Lesbos, beim Olivenöl (z.B. Mylopotamos und Nemea) und den Weinen. Unter vielen empfehlenswerten Weißweinen überzeugt ein leichter und duftiger Tropfen aus der autochthonen Rebsorte Assyrtiko von der Domaine Evharis aus den Gerania-Bergen bei Athen. Der Name setzt sich aus den Weingutsbesitzern Haris Antoniou und Eva Boehme zusammen, die aus einer Winzerfamilie in Rheinhessen stammt.

Wer erinnert sich noch an die Drachme?

Ungewöhnlich auch der nach exotischen Früchten duftende Sigalas sowie der rauchige Gaia Thalassitis von der Vulkan-Insel Santorin. Gut auch der Syrah von Christos Kokkalis und der Nemea von der Halbinsel Peloponnes. Der Dyo Elies vom Weingut Kir-Yianni aus dem Jahr 2005 beschert mit seiner Cuvée aus Syrah, Merlot und der autochthonen griechischen Rebsorte  Xynomavro einen kraftvollen, nach roten Beeren, Leder und Tabak duftenden Roten, der wunderbar zu den Grillgerichten des Lokals passt. Einen Kelch sollte man bei einem Besuch im Parthenon auch nicht an sich vorübergehen lassen: Der elegante und wildbeerige Cabernet Sauvignon Trilogia aus der Nähe von Olympia gehört zum Besten, was Griechenland derzeit zu bieten hat. Erzeugt wird er vom Mönchengladbacher Apotheker Christos Kokkalis, der damit für eine ganz besondere Medizin sorgt.

Ludwig Fienhold

 

Parthenon, Frankfurt, Kennedyallee 34, Tel. 069 63 54 19. Geöffnet von Montag bis Sonntag 12 – 15 und 18 – 24 Uhr, sonntags durchgehend. Sommerterrasse.

 

 

 




Allgaiers eröffnet im Westend

 

Am 1. August will das Allgaiers im Frankfurter Westend eröffnen. Nach sechs Monaten des Umbauens kann Stefan Allgeier für sein neues Restaurant grünes Licht geben (siehe auch Biss-Artikel vom März Allgaiers statt Gargantua). Er und sein Küchenchef Max Traue wollen neben einem Lunch-Menü und einem Wein-Menü mittags und abends Gerichte à la Carte anbieten, die bereits im Lokal Zum Grünen Wald in Kronberg Anklang fanden. Hummer mit Kalbsbries in Krustentierschaum, Gänseleberterrine, Wiener Schnitzel, Lamm oder US-Beef werden auf der Karte stehen. Bei den Weinen zeigt sich Allgaier wieder ambitioniert, über 400 Positionen sind verzeichnet. Schwerpunkt bilden Deutschland und Frankreich, auch Österreich, Italien und Spanien sind vertreten, die Neue Weinwelt dagegen nur stellenweise. Es sollen dabei 15 offene Weine zu haben sein (0,1 und 0,2l, 4 – 9 €).  Die Küchenzeiten werden von Montags bis Freitag zwischen 12-15 und von 18.30 – 23 Uhr liegen, an den Wochenenden ist geschlossen.

 

Wer war eigentlich Mirko Reeh? Inzwischen wissen wir jedenfalls, dass er mehr Gläubiger als Gäste hatte. Er ist pleite und schuldet Handwerkern und Mitarbeitern noch Geld. Sein einstiges Reehstaurant in Frankfurt-Bornheim floppte schnell, wobei bis heute Handwerkerrechnungen unbezahlt blieben. Starkoch nennen ihn einige Journalisten, denen das nachdenken schwer fällt. Nur, weil Reeh hin und wieder in einigen belanglosen TV-Shows auftritt. Witzigmann ist Jahrhundertkoch, Ducase der am höchsten bewertete Gastronom der Welt, und nur Wolfgang Puck könnte sich Starkoch nennen, weil er stets die wirklichen Stars in Hollywood bekocht. Doch dieser Begriff wäre ihm viel zu abgeschmackt.

 

Börn Zimmer, der neue Sommelier bei Zarges auf der Frankfurter Freßgass, verkauft gut und gerne Wein. Der Umsatz hat deutlich zugenommen, weil mit ihm jemand am Tisch ist, der mit Freude und Kompetenz berät. Zimmer ist flotter und lockerer als viele Sommeliers, die oft durch auswendig gelernte Besserwisserei auffallen. Die Weinkarte bei Zarges, die ohnehin zu den besten der Stadt gehört, wird weiter ausgebaut, wobei Deutschland im Mittelpunkt steht.

 

 

 




In Memoriam Davide Demarchi

Markenzeichen: Breites Lachen. Damit konnte er jeden Gast gewinnen. Und damit konnte er jeden kritischen Gast bezwingen. Das musste er kaum, denn handwerklich war der Barkeeper Davide Demarchi erstklassig. Der Mailänder Charakterkopf versah seine Arbeit mit einer Mischung aus heiligem Ernst und bedächtiger Gastfreundschaft. Davide war von Haus aus zwar Biologe, aber trotzdem einer der wenigen echten Barkeeper in Frankfurt, weil er kein Blender war, sondern seinen Drinks Seele einzuhauchen verstand. Sein Basequito aus Vodka, Basilikum, Limone und Soda war von reintöniger Klarheit und geschmacksicher Harmonie. Eigenschaften, die irgendwo auch auf ihn zutrafen.

Davide Demarchi startete in der Biancalani Bar in Frankfurt Sachsenhausen und wechselte dann in die Bar der Kameha Suite. Vor zwei Jahren kam er wieder in das Biancalani am Mainufer zurück und war als Betriebsleiter für das Italien-Trio aus zwei Lokalen und einer Bar verantwortlich. Nach schwerer Krankheit ist er jetzt mit 41 Jahren viel zu jung gestorben.




Reiche Würstchen: Der Imbiss boomt

Neues Lokal Hans Wurzt am Frankfurter Paulsplatz

 

Und andere Adressen für den schnellen Happen

 

Die Sternerestaurants müssen um Gäste kämpfen, vor den Wurstständen stehen sie Schlange. Bei Schreiber in der Frankfurter Kleinmarkthalle ist das jeden Mittag so, aber auch auf der Freßgass, wo man bei Schlemmermeyer Rauchzipfel ergattern kann. Jetzt hat am Paulsplatz in bester Touristenlage ein neues und überraschend schickes Wurst-Lokal eröffnet: Hans Wurtz. Außerdem gibt es im Caricatura-Museum eine Ausstellung zum Thema mit amüsanten Bildern von Nikolaus Heidelbach. In Frankfurt geht es mehr denn je um die Wurst.

Imbiss Hans Wurzt am Paulsplatz

Eigentlich sollte das neue Lokal Hans Wurst heißen, doch gab es urheberrechtliche Probleme. Es ist die schönste Imbissbude der Stadt, mit zwei Etagen und Blick auf die Paulskirche und den belebten Platz. Bei der Inneneinrichtung hat man mit großen Holztischen, großformatigen Bildern und wuchtigen Lampen viel Witz hinbekommen. Das Angebot will sich etwas abheben, was in Berlin schon seit Jahrzehnten funktioniert, soll auch in Frankfurt Liebhaber finden: Curry-Wurst und Champagner. Unter dem Namen „Champions League“ gibt es Kalbsbratwurst mit Pommes frites und ein Glas Moet Chandon (für 14,80 €). Wer „Eigentor“ bestellt bekommt eine Tofowurst. Sonst trifft man die guten alten Bekannten: Bratwurst, Thüringer, Currywurst, Kalbsbratwurst, Rindswurst (2,40 – 5,20 €). Das alles ist im Grunde gut und schön, die Grundprodukte sind auch keineswegs schlecht, doch die Zubereitung stimmt leider (noch) nicht. Auch so etwas Einfaches wie Würstchen oder Grillen will gelernt sein. Die Würste bei Hans Wurzt sehen schon optisch zu clean und nach Plastik aus, wobei deren Haut dann auch tatsächlich fast künstlich wirkt. Die Würste werden nur an der Oberfläche angegrillt und sind in der Mitte von der Temperatur her eher lau. Es fehlen ihnen jedenfalls alle wichtigen Geschmacksmerkmale einer guten Grillwurst: Röst-Aromen, Hitze, Knackigkeit, Saftigkeit. Besonders wichtig bei Grillwürsten sind ihr Duft, der oft schon von Weitem lockt. Bei Hans Wurzt riecht man gar nichts.  Da hilft nur eins: Sofort den Grill wechseln. Betreiber des neuen Wurst-Lokals ist Lior Ehrlich (Bar 54, Gorky Park, Amici, Pizza Pasta Factory), der noch weitere Imbiss-Stationen dieser Art plant.

Hans Wurzt

Von wegen armes Würstchen. Wir lieben es doch heiß und innig in all seinen Erscheinungsformen: als Curry- und Bratwurst, als Thüringer und natürlich als Frankfurter. Doch die Qualitätsunterschiede sind von Zipfel zu Zipfel enorm.   Die Deutschen sind so wurstverrückt, wie die Queen Hütchen- und Handtaschen-crazy ist. Dennoch hat gerade sie kein Verständnis für unsere ausgeprägte Liebhaberei und meinte mahnend, wir würden viel zu viele Würste verputzen und dadurch Schaden nehmen. Ihr Gemahl, Prinz Philip, nennt sie aber immerhin „Sausage“ und krönt sie damit zum Würstchen. Nun denn, gerade wir Frankfurter haben ein intensives Wurstverhältnis, wie übrigens auch unser vielessender Großdichter Goethe. Bei uns steht die Wiege der legendären Frankfurter Würstchen und just hier waren zwischen Dom und Römerberg jene Schirne genannten Metzgerstände zuhause, die für Victor Hugo „heitere Gefräßigkeit“ offenbarten.

Wien hat eine sehr lebendige Wurstkultur, die auch noch in der Nacht Debreziner, Krainer, Bosner und Wiener beschert. In Weimar bekommt man an jeder Ecke Thüringer. Und in Berlin gibt es mit „Konnopkes“ eine der interessantesten Wurstbuden der Welt – dort soll auch Ex-Kanzler Schröder seinen gelegentlich aufkommenden Currywurst-Heißhunger gestillt haben. Frankfurt hat zwar kein Worschtquartier mehr, doch existieren immerhin noch einige gute Adressen, wo man das Glück am Zipfel packen kann. Dazu gehört die kleine Grillstation der Metzgerei Schlemmermeyer auf der Freßgass´, an dessen Theke man die leckeren Rauchzipfel bekommt. In der Kleinmarkthalle packen bei Schreiber flinke Damenhände beste Fleisch- und Gelbwurst in Zeitungspapier.  Die Fleischwurst ist klasse, man kann sie auch mit Knoblauch haben.

Eine Imbissbude von hohem Unterhaltungswert ist der Snack Point am Grüneburgweg. Blaumann und  Nadelstreifen mampfen friedlich vereint, die Wurst wird zum Verbindungskabel. Der Familienbetrieb hat sich vor allem durch seine immerwährende Freundlichkeit einen guten Ruf gemacht und gönnt uns eine der letzten echten Currywurstbuden der Stadt. Bei Gref-Völsing auf der Hanauer Landstraße kann es zu Stoßzeiten schon mal etwas ruppiger zugehen. Auch hier bringt die Gästemischung einen Schuss Würze mit, die laschen Frankfurter können es vertragen. Die Rindswurst ist nach wie vor das Aushängeschild.

Die Frankfurter Würstchen mutierten wahrscheinlich erst Mitte des 19. Jahrhunderts von der Brat- zur Siedewurst, weshalb Goethe wohl nicht die echte kennengelernt haben dürfte. Einer alten Rezeptur nach, wurde sie einst sogar mit einem Schuss Rotwein verfeinert, was heute nicht mehr geschieht. Doch ihre leichte Räuchernote sowie alle anderen wesentlichen Ingredienzien sind geblieben: Schweinefleisch, Salz, Pfeffer, Koriander, Muskatblüte. Es gibt nicht einmal mehr eine Handvoll Produzenten, die „original“ Frankfurter Würstchen herstellen. So darf man sie nur nennen, wenn sie im so genannten Wirtschaftsgebiet Frankfurt erzeugt werden, das zudem Neu-Isenburg und Dreieich umfasst. Der Begriff „echt“ hingegen besagt nur „nach Art“ der Frankfurter Würstchen, was vor allem Traditionalisten im Magen liegen könnte. Aber Qualität lässt sich messen, beispielsweise am Fettgehalt. Und man kann sie auch schmecken.

Das Unternehmen G.A. Müller in Neu-Isenburg fertigt seit 1860 original Frankfurter Würstchen und ist damit der älteste Hersteller dieser Spezies. Ihnen gebührt die goldene Wurstzipfelmütze, weil sie fleischig, prall und saftig sind, durch ihre zart-feste Haut Biss haben und mit einer feinen Räuchernote angenehm würzig schmecken. Man bekommt sie unter anderem in der Frankfurter Kleinmarkthalle.

Frankfurts lustigste Wurstbude steht nahe am Rathaus auf dem Römerberg und nennt sich wie das dazugehörige Lokal ganz der historischen Adresse entsprechend „Alten Limpurg“. Dort isst man die Worscht aus der Hand im Stehen an alten Weinfässern, gemeinsam mit Besuchern aus Taipeh, Tallahassee, Tutzing und dem Rest der Welt. Uns gefällt dort die Bockwurst am besten. Der Blick auf den Römerberg und den Dom ist gratis.

Unsere Lieblingsbratwurst hört auf den Namen 11te Generation und kommt aus der kulinarischen Werkstatt der Consortium Gastronomie in Wiesbaden, die der ehemalige Sternekoch Egbert Engelhardt mit einem talentierten Team führt.  Man schmeckt die Qualität,  das gute Ausgangsprodukt. Die Wurst ist saftig und wird durch  Gartenkräuter und frisch gemahlene Gewürze zum Leckerbissen. Außerdem ist sie gluten- und lactosefrei und wird ohne künstliche Zusatzmittel und Geschmacksverstärker hergestellt. Man kann sie auch zur Currywurst machen, die ebenfalls anders als gewohnt ausfällt. Sie wird aus Strauchtomaten, einem Hauch Ingwer, Apfelsinen, Apfelmus und Meersalz erzeugt.

Muss eigentlich noch erwähnt werden, dass auch die beste Bulette der Welt zur 11ten Generation gehört? Kaum, doch wir wiederholen es einfach zu gerne: Die Gourmet-Frikadelle aus regionalem Fleisch und frischen Zutaten ist wie keine andere und würde sich sogar mit schwarzem Trüffel vertragen.  Die Edelimbiss-Produkte der 11ten Generation gibt es in den Rheingauer Lokalen von Egbert Engelhardt, dem Gutsausschank Baiken und dem Anleger 511 in Eltville. Und jetzt auch beim pfiffigen Scheck-in-Center in Frankfurt, wo man während der Fußball-EM eine Grillstation vor der Tür aufgebaut hat.

Ludwig Fienhold

 

Caricatura Museum, Frankfurt, Weckmarkt 17, Tel. 069 212 30161. www.caricatura-museum.de  Die „Wurst-Ausstellung geht bis 29. Juli.

Photo Credit: Caricatura Museum,  Barbara Fienhold