Literatur & Tafelfreuden

Küchenkunst und Wortgenuss beim Festival Wort-Menü

 

In diesem Frühjahr steht die Bodenseestadt Überlingen wieder ganz im Zeichen des literarisch-kulinarischen Festivals WortMenue. Vom 16. bis 30. April präsentieren sich – inzwischen bereits zum achten Mal – mehr als zwanzig Autorinnen und Autoren, die sich in ihren Romanen und kulturgeschichtlichen Beiträgen mit dem Thema „Essen und Trinken“ im weitesten Sinne auseinandergesetzt haben. Mit dabei sind Angelika Overath, Wladimir Kaminer, Veit Heinichen, Susanne Kippenberger, Jakob Hein und viele weitere Autoren. Nahezu alle Lesungen finden in Überlinger Restaurants und Landgasthöfen statt – stets begleitet von thematisch passenden Speisen und Getränken.

Schriftsteller Wladimir Kaminer

Schriftsteller Wladimir Kaminer

„Es ist eine gute Geschichte, köstlich wie eingemachte Ananas oder wie frischer Kaviar oder wie Trüffel in Burgunder…“ – so verlockend brachte Heinrich Heine vor gut 180 Jahren Literatur und Tafelfreuden zusammen. Doch auch die Schriftsteller unserer Tage sind durchaus keine Kostverächter, vielmehr oft selbst ambitionierte Köche oder zumindest – leidenschaftliche Esser. Küchenkunst und Wortgenuss: Das lässt sich in diesem Frühjahr auch beim literarisch-kulinarischen Festival WortMenue in Überlingen wieder aufs Angenehmste verbinden. Bereits zum achten Mal stellen vom 16. bis 30. April zwei Dutzend Autorinnen und Autoren ihre Romane und kulturgeschichtlichen Beiträge rund um das Thema „Essen und Trinken“ in Restaurants und Landgasthöfen der Bodenseestadt vor. Mal kulinarisch präzise und kenntnisreich, oft abgründig und ironisch augenzwinkernd – auf jeden Fall stets begleitet von passenden Speisen und Getränken. Veranstalter des Festivals ist die Stadt Überlingen, die Schirmherrschaft hat die Gastronomische Akademie Deutschlands inne.

Das achte WortMenue zeigt sich ganz international. Zu erleben sind Autoren, Texte und Spezialitäten aus Russland und Israel, aus der Bretagne, dem Engadin und der Mongolei, aus Barcelona, Wien und Triest. „Aufgetischt“ wird von Schriftstellern wie Wladimir Kaminer, Angelika Overath, Manfred Koch und Jakob Hein. Mit dabei aber auch literarische Entdeckungen wie Robert Scheer, Patrick Tschan oder Stevan Paul mit seinen vielgelobten Kochgeschichten. Der Kulturwissenschaftler Thomas Knubben begibt sich auf eine winterliche Fußreise auf Hölderlins Spuren von Tübingen nach Bordeaux und der Journalist Christian Seiler lädt mit seiner „Reise zum Geschmack“ an die Originalschauplätze berühmter Speisen. Dass gerade in Krimis gern und reichlich gegessen wird, beweisen Frank Göhre und die Schauspielerin Barbara Stoll mit ihrer Hommage an den spanischen Schriftsteller Manuel Vàzquez Montalban, einen der Väter des kulinarischen Kriminalromans. Mit Gerhard Loibelsberger und seinen „Naschmarktmorden“ geht es ins Wien der Jugendstilzeit, Veit Heinichen führt auf den Spuren seines Commissario Proteo Laurenti durch die Küchen Triests und Hörbuchsprecher Gerd Wameling präsentiert den Überraschungs-Bestseller „Bretonische Verhältnisse“. Kulinarisch eher deftige Kost serviert Harry Kämmerer mit seinen kultverdächtigen München-Krimis.

Landgasthof Adler

Landgasthof Adler

Einen eigenen Schwerpunkt bilden wieder kulturgeschichtliche Veranstaltungen: So erzählt die Wiener Filmemacherin Helene Maimann rund ums Kochen und Essen vom jüdischen Leben, Susanne Kippenberger porträtiert die „kulinarische Bohème“ und Claudia Lanfranconi stellt legendäre Gastgeberinnen und ihre glamourösen Feste vor. Dominik Flammer erkundet in seiner grandiosen Kulturgeschichte das „kulinarische Erbe der Alpen“, während die Ethnologin Amélie Schenk in die Kochtöpfe der Mongolei blickt. Valentin Thurn, der mit seinem Film „Taste the Waste“ über die Vernichtung von Nahrungsmitteln schon über 100.000 Kinobesucher erreichte, macht mit „Rezepten und Ideen für Essensretter“ Mut zum kulinarischen Widerstand. Und Georg Schweisfurth, dessen Vater einst mit „Herta“ den größten fleischverarbeitenden Konzern Europas leitete, erzählt in seiner Lebensgeschichte, wie die Familie bereits in den achtziger Jahren in die ökologische Landwirtschaft einstieg, als viele „Bio“ einfach nur für eine Spinnerei hielten.

Info: Kur- und Touristik Überlingen GmbH, Landungsplatz 5, 88662 Überlingen,
T. 07551/9471522, eMail: touristik@ueberlingen.de, www.wortmenue-ueberlingen.de

Die Karten sind stets schnell vergriffen, eine sehr zeitige Buchung ist ratsam.
Online-Ticketverkauf ab Samstagmorgen, 16. März.

 




Der Pate vom Opernplatz Mario Saravini sagt Ciao

Abgesang eines gastronomischen Tenors

 

Von Ludwig Fienhold

Er war der Pate vom Opernplatz: Über 20 Jahre prägte Mario Saravini die Gastronomie an Frankfurts beliebten Treffpunkt, jetzt sagte er Ciao. Im Charlot war er zwar zu Hause, doch regierte er auch in nahezu allen Lokalen der lebhaften Zeile mit: dem Operncafé, der Trattoria Più Allegro und der Cigar Bar.

Mario selbst sagt nur, er habe alles an seinen einstigen Partner Siggi Schneider übergeben. Er habe lange genug dort gearbeitet, jetzt sei es an der Zeit gewesen aufzuhören. Das klingt nach geordnetem Rückzug, doch sieht die Wirklichkeit wohl etwas anders aus. Man hörte schon länger, dass es zwischen den Geschäftspartnern Saravini und Schneider knirschte, von Zoff war die Rede und unüberbrückbaren Gegensätzen. Sicher ist: Mario hat sein Leben am Opernplatz aufgegeben und wird dort nicht mehr in den Chor der Eitlen mit einstimmen.

Opernplatz - Titel2Unvergessen Marios Fehde mit Michel Friedmann, dem er keine Sonderwünsche erfüllte und einen Stammplatz in seinem Charlot verweigerte. Lange im Gedächtnis, wie auf der Terrasse Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki ins Steak schnitt, als läge Martin Walser auf dem Teller. Immer noch in Erinnerung, wie Mario einem Gast sagte, dass das lockige Haar in der Pasta nicht von ihm sein konnte, weil er ja obenherum blank sei. Mario war deshalb so beliebt, weil er unverstellt und sehr klartönend sein konnte. Er wirkte oft etwas verschlafen und mürrisch, aber geistig irgendwie doch wach. Mario verstand sich nicht mit allen Reichen und Schönen, auch wenn diese gerne bei ihm zu Gast waren. Im Grunde waren seine Gäste auch mehr jene, die glaubten, reich und schön zu sein. Mario verstand sich am besten mit Charakteren, die ebenso unverbogen wie er waren. Sogar mit Kritikern seiner Küche. Die Preise lagen im Niveau deutlich höher als die Küchenleistungen. Wegen des Essens ging auch kaum jemand dorthin, Mario genoss einen Sympathiebonus. Den hat er sich auch damit verdient, weil er einem notleidenden Künstler wie Peter „Hamlet“ Kuper immer einen Teller Pasta spendierte. Das schreibende und malende Stadtoriginal hatte ein wunderschönes Bild vom Charlot hinterlassen, das leider nicht im Lokal hängt und einem Raub zum Opfer fiel.

Opernplatz-Gastronom Mario Saravini

Gastrotenor Mario Savarini

Mario Savarini wurde 1946 in der Marmor-Provinz Massa Carrara in der Toskana geboren und ist gelernter Steinmetz. 23 Jahre stand er im Charlot am Herd, nach Frankfurt kam er aus Italien im Jahr 1969. Er kellnerte zunächst im Hotel Intercontinental, wechselte ins Firenze an der Berger Straße, machte sich mit dem Da Franco an der Fürstenberger Straße erstmals selbständig. Mario Saravini ist kein gelernter Koch und wurde erst an den Herd gezogen, als sein Küchenchef flüchtete.

Gründer und Gestalter des Operncafés und der ganzen damit verbundenen Gastronomiezeile war Hartmut „Gnom“ Schimann, der 1980 das Potential des Standortes neben der im Zweiten Weltkrieg stark zerstörten Alten Oper erkannte, die 1981 wiedereröffnet wurde. Schimann verwandelte eine frühere Bücherei ins jetzige Operncafé. Inzwischen zieht er dem Opernplatz, Frankfurts schönster Sonnenbank, die echten Sonnenstrahlen in Miami vor. 2005 übernahmen Gastronom Mario Saravini und der Unternehmer Siggi Schneider das Lokal gemeinsam mit den benachbarten Restaurants Charlot und Più Allegro sowie der Cigar Smokers Lounge. Marmor-Mann Mario Saravini meißelt nicht groß an seiner eigenen Zukunft und möchte nur noch ein Lokal für seine beiden Töchter aufbauen. Am liebsten im Westend. Er hat derzeit verschiedene Angebote. Selbst am Herd stehen möchte er künftig nicht mehr, nur zeitweise, um das Lokal der Familie aufzubauen. Die Arien am Opernplatz sind verklungen.

Opernplatz - 05

 

 

 

 

 

 




Von Kaschemmen & Nobelherbergen

Die schönen alten Seiten und Zeiten von Frankfurt

 

Wir warten auf die wenigsten Bücher, dieses hier aber heißen wir herzlich willkommen: Der Band über die die geschichtlich spannende, mitreißend lebendige und optisch famose Hotellerie und Gastronomie im alten Frankfurt bietet ebenso informative wie unterhaltsame Geschichten, die es so in dieser Form bislang nicht gab. Frankfurt hatte bereits im Mittelalter mehr Hotels und Restaurants zu bieten als die meisten Städte in Deutschland. Der Philosoph Arthur Schopenhauer schätzte Frankfurt wegen seiner guten Cafés, der französischer Schriftsteller Victor Hugo liebte die Metzger-Schirne zwischen Dom und Römer als den „gefräßigen Bauch“ der Stadt.  

Die Gaststätte Heyland auf dem Römerberg zählte zu den bekanntesten Lokalen Frankfurts

Die Gaststätte Heyland auf dem Römerberg zählte zu den bekanntesten Lokalen Frankfurt

Einen in jeder Hinsicht illustren Ausflug in die Gastronomiegeschichte der Mainmetropole unternimmt Helmut Nordmeyer, Leiter der Abteilung Sammlungen des Instituts für Stadtgeschichte in Frankfurt am Main, mit seinem Buch über die Kaschemmen & Nobelherbergen der Stadt. Er gibt anhand von 252 sachkundig kommentierten Bildern aus den Beständen des Instituts einen vielseitigen Einblick in die Gastronomieszene vom 18. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts. Die bereits im Mittelalter viel besuchte Messe- und Krönungsstadt gehörte in dieser Zeit zu den deutschen Städten mit der größten Dichte an Hotels und Gaststätten. Diese erlebt der Leser bei einem faszinierenden Bummel durch die verwinkelte Altstadt mit ihren vielen Speisehäusern und kleinen Weinwirtschaften, beim Besuch der eleganten Hotels am Roßmarkt oder am Hauptbahnhof, in den Apfelweinwirtschaften in Sachsenhausen, Bornheim oder Seckbach. Dieser Bildband erscheint begleitend zur gleichnamigen Ausstellung im Karmeliterkloster und unternimmt nicht nur einen Ausflug in die Gastronomiegeschichte Frankfurts, sondern auch einen spannenden Spaziergang durch die alte, noch unzerstörte Stadt.

 

Das Café an der Hauptwache ist heute noch so wiederzuerkennen

Das Café an der Hauptwache ist heute noch so wiederzuerkennen

Der Rundgang durch die Alt-Frankfurter Gastronomieszene beginnt am Mainufer, wo attraktiv gelegene Gaststätten wie die „Mainterrassen“ oder das Restaurantschiff „Elsa“ einheimische Ausflügler und Touristen empfingen. Beim Bummel durch die verwinkelten Gässchen der Altstadt kommt der Leser vorbei an der „Binger Weinstube“, wirft einen Blick auf das „Roseneck“ oder stärkt sich im Grilllokal „Zum Katharinenpförtchen“. Auf dem Römerberg besucht er die Apfelweinwirtschaft „Heyland“ und kehrt in die bekannte Restauration „Schwarzer Stern“ ein. Im Bahnhofsviertel erwarteten den Leser mondäne Hotels wie das „Bristol“ oder das „Carlton“. Das vielfältige Gaststättengewerbe in der Innenstadt und im Anlagenring dokumentieren Aufnahmen des „Café Hauptwache“ oder des „Englischen Hofs“ am Roßmarkt. In Wirtschaften wie dem „Kaiserkeller“ oder den „Drei Hasen“ verbrachten die Frankfurter manch beschwingten Abend. Das Palmengartengesellschaftshaus im Westend öffnete seine Türen für Konzerte oder fröhliche Tanzabende. In Sachsenhausen luden die Apfelweinwirtschaften „Zur Wanne“, „Zum Rieweloch“ oder das „Lorsbacher Thal“ zum geselligen Zusammensein ein. In den Vororten kümmerten sich Restaurationen wie die „Weiße Lilie“ in Bornheim oder das Wein-Café „Stadt Bockenheim“ um das leibliche Wohl der Einheimischen und Besucher.

 

 

 

Der Kristallpalast in der Großen Gallusstraße 12 war ein Varieté mit Vergnügungssaal

Der Kristallpalast in der Großen Gallusstraße 12 war ein Varieté mit Vergnügungssaal

Der Autor: Helmut Nordmeyer arbeitet seit 1988 am Institut für Stadtgeschichte im Karmeliterkloster. Seit 2004 leitet er dort die Abteilung Sammlungen. Als Autor und Co-Autor zeichnete er in den vergangenen zwanzig Jahren für zahlreiche Bildbände und Ausstellungen mit historischen Fotos von Frankfurt verantwortlich. Aus seiner Feder stammen darüber hinaus etliche Publikationen zu stadtgeschichtlichen Themen. Nordmeyer ist Mitglied der Gesellschaft für Frankfurter Geschichte. Das Institut für Stadtgeschichte gehört zu den bedeutendsten deutschen Kommunalarchiven. Seine Bestände reichen zurück bis ins 9. Jahrhundert und übertreffen an Umfang und Bedeutung die der meisten kommunalen Archive in Deutschland.

Im Café Rumpelmayer im Fürstenhof an der Gallusanlage trafen sich viele Schauspieler und Theaterkritiker

Im Café Rumpelmayer im Fürstenhof an der Gallusanlage trafen sich viele Schauspieler und Theaterkritiker

Die Ausstellung „Von Kaschemmen & Nobelherbergen“ ist bis 23. Juni, montags bis freitags von 10 bis 18 Uhr und am Wochenende von 11 bis 18 Uhr, in der Münzgasse 9 zu sehen. Die parallel zur Ausstellung im Sutton-Verlag (ISBN 978-3-95400-125-5) erschiene, gleichnamige 160-seitige Publikation mit 252 Abbildungen ist im Karmeliterkloster oder im Buchhandel für 24,95 Euro erhältlich. Weitere Informationen unter www.stadtgeschichte-frankfurt.de

 

 

Apfelweinrevier Alt-Sachsenhauen mit Gaststätte Rieweloch

Apfelweinrevier Alt-Sachsenhauen mit Gaststätte Rieweloch

 

 




Gastro News Frankfurt: Die Stellas ziehen in die Osteria Enoteca

Und das neue Lokal Wolfgangs versucht sein Glück an der Freßgass

 

Das Restaurant Stella in der Galerie Freßgass in Frankfurt existiert nicht mehr, Heidi & Giorgio Stella wollen Ende März in Rödelheim mit ihrem Rosso di Serra weitermachen. Das neue Lokal Abendrot soll eine „Weinbar mit Küche“ werden. Sechs Jahre hatten die Stellas unter der problematischen Käseglocke der Galerie ausgehalten, die von viel Glas umgeben zwar vor Regen schützt, aber bei warmen Temperaturen einfach kein Sommergefühl aufkommen lässt und eher stickig wirkt. Vom guten Lauf der Freßgass, der einzig wirklichen Flaniermeile der Stadt, bekommt man in dieser Randlage jedenfalls nicht viel zu spüren. Ihre beste Zeit hatten die Stellas ohnehin in der Fürstenberger Straße mit ihrer Trattoria (1995 – 2007). Das neue Domizil der Stellas in der Arnoldshainer Straße 2 in Rödelheim ist eine altbekannte Adresse: Just dort betrieben 18 Jahre lang Carmelo Greco und Roland Brzezinski mit der Osteria Enoteca das beste italienische Restaurant der Stadt (1 Stern, 17 P. Gault Millau).  Roland Brzezinski versuchte später ohne seinen Partner Carmelo Greco noch zwei Jahre nach dessen Ausstieg ohne Erfolg sein Glück. Die Lage in Rödelheim gilt als höchst problematisch.

Auch WolfgangsAn die Stelle der Stellas rückt das Lokal Auch Wolfgang´s vor, das Ende März eröffnen will. Seite Anfang Februar wird dort gewerkelt, vom alten Ambiente soll nicht mehr viel übrig bleiben. Die Musiker Greg de Neufville und Trülay Sanlav betreiben seit 16 Monaten ihr Wolfgang´s am Prüfling in Bornheim und sind dort mit ihrem Konzept aus orientalisch-hessischer Küche mit Live-Musik recht erfolgreich. Der zunächst stutzig machende Name erklärt sich aus der Liebhaberei der Betreiber und deren Bewunderung für Mozart. Das zweite Wolfgang´s soll aber keine Dependance werden, sondern mit einem anderen Konzept auf innerstädtische Bedürfbisse zielen. Es wird nicht so szenemäßig und handgestrickt erscheinen wie das Lokal am Prüfling, sondern etwas edler ausfallen. Dabei setzt man auch weniger auf neue Interpretationen von Handkäs mit Musik, sondern Steaks und Salate.

Bild oben rechts (L. Fienhold): Aus dem Mondscheinlokal Osteria Enoteca wird jetzt die Weinbar Abendrot

LF

 

Das Westend hat sein Le Café wieder

 

Le Cafe innen Das kleine Lokal Le Café am Grüneburgweg ist seit über 38 Jahren eine feste Größe im gerade gastronomisch wechselhaften Westend. Seit November letzten Jahres hatte das Café nicht mehr alle Tassen im Schrank, ein Wasserschaden sorgte für eine mehrmonatige Zwangspause. Nun kann wieder jeder am individuellen Charme des Cafés von Dorit Fischer-Schmid teilhaben, sich Frühstück, Suppen, Quiches, Gratins sowie hausgemachte Kuchen und Tartes servieren lassen. Auch nach der Renovierung hat das Café nichts von seinem leicht französischen Flair verloren. Es hat etwas Beruhigendes, dass trotz einer Übermacht an Lounges und gesichtsneutralen Gastronomiebetrieben solche persönlichen Adressen überleben.

PL

Le Café, Grüneburgweg 88/Ecke Oberlindau, Tel. 069 597 15 09. Öffnungszeiten: Mo- Fr 8 – 20 Uhr, Sa und So 9 – 18 Uhr. Photo Credit: Le Café.

 

 

Top Lounge im Westin Grand

TOP-Lounge im Hotel Westin Grand FrankfurtKontaktbörse, Network Community, Chat Lounge, Vanity Fair, Klatschmarkt. Sehr viel „Was guckst Du“, manchmal auch ein „Jetzt besser wegkucken“. Die Top Lounge ist eine ganz große Plaudertasche, aus der man sich viel Gesprächsstoff ziehen kann. Der kunterbunte Event des Frankfurter Top Magazins fand zum 45. Mal statt, diesmal im Hotel Westin Grand an der Konstablerwache. Die riesige Lobby schluckte spielend die mehr als 400 Gäste und lies auch noch Platz zum Tanzen. Mit Sushi, Hotel-Fingerfood, frisch aufgeschnittenem Kotelett sowie Riesling und Cocktails konnte man sich für einen langen Abend stärkend einstimmen.

BF

 Photo Credit: Top Magazin Frankfurt

 




Neuer Küchenchef für die Margarete

Im Frankfurter Trendlokal besinnt man sich

wieder auf Traditionelles

 

Das Küchenduo Ronny Bolz & Luka Spaniol Simunelic hat nach nur zehn Monaten überraschend den Chefposten im Restaurant Margarete in der Frankfurter Braubachstraße aufgegeben. Zum Nachfolger wurde Martin Räntzsch, der zuvor Küchenchef im Lokal Blumen war, das wie die Margarete ebenfalls von Simon Horn betrieben wird. Das Restaurant Margarete hat sich inzwischen kulinarisch neu aufgestellt, die erste neue Speisekarte wird bereits gefahren.

Margarete Der neue Mann für Margarete, Martin Räntzsch, hat zuvor im Miniaturlokal  Blumen im Nordend mit 20 Plätzen gearbeitet, kennt aber auch durch seine Zeit im Frankfurter InterConti, was es heißt, weit mehr Teller über den Pass zu schicken. Er möchte Regionales und Traditionelles neu interpretieren, ohne dabei aber kreative Kapriolen wie seine Vorgänger zu schlagen. Von „griffigen, handwerklich soliden und eher unkomplizierten Gerichten“, spricht Hausherr Simon Horn, der weiter auf eine „entspannte Küche“ in ebensolcher Atmosphäre setzt. Mittags gibt es wechselnde Gerichte, etwa ein saftiges Côte de Boeuf oder einen feinen Adlerfisch. Die Preise haben insgesamt abgespeckt, das Profil ist klarer geworden und mäandert nicht mehr so heftig zwischen klassisch und trendig. Bei Preisen von 5 bis 12,50 Euro beim Lunch bleibt der Bereich à la Carte gastfreundlich kalkuliert. Eine tolle neue Idee sind die Frankfurt-Tapas, die zwischen 12 und 23 Uhr serviert werden und lustfördernd wirken: Handkäs-Tatar mit hausgebackenem Brot (4,20); Tafelspitzsalat mit Kerbelvinaigrette (5,50); würziger Linsensalat mit Pulpo (6,80); Schweinebauch mit Spitzkohlsalat, Kümmel und Taggiasca-Olive (6,80); Warmes Roastbeef-Sandwich mit Meerrettich, Paris-Butter, Gurke,  Radieschen (9,80); Ceasar Salad mit Schmorhuhn (12,50); Espresso-Rosmarin Crème Brûlée (6,20); Apfel Crumble nebst weißer Mousse (6,50).

Simon Horn

Simon Horn

Abends geht es etwas anspruchsvoller und aufwendiger zu. Es gibt Simmentaler Rinderfilet, Foie Gras, Risotto oder Seeteufel, wobei sich die meisten Hauptgerichte deutlich unter 20 Euro bewegen. Die anfänglich sehr magere und wenig anregende Weinkarte hat sich in den letzten Wochen deutlich verbessert, vor allem bei Flaschen aus Deutschland und Österreich zeigt man weit mehr Profil. Die Veränderungen in der nicht einmal ein Jahr alten Margarete sind somit vorerst eher positiv zu registrieren, wobei der Qualitätsbeweis noch erstellt werden muss. Erste Tapas-Proben gerieten schon mal gut.

Über den mit großer Finesse arbeitenden Koch und Patissier Ronny Bolz heißt es, dass er künftig als Chocolatier arbeiten möchte, selbstständig und nicht mehr in der Gastronomie. Sein als unzertrennlicher Kollege geltende Partner Luka Spaniol Simunelic soll nach Berlin mit unbekanntem Ziel wechseln.

Die Gründe für den Abschied der beiden jungen Küchenchefs Ronny Bolz und Luka Spaniol Simunelic vom Restaurant Margarete sind vielseitig. Dass beide Talente sind, haben sie auch in einigen Stationen zuvor bewiesen (Villa Rothschild, Cyrano, Bean & Beluga etc.), doch konnten sie im Restaurant Margarete nur stellenweise zeigen, was in ihnen steckt. An manchen Tagen tafelte man sehr gut und spannend, an anderen nur überstrapaziert kreativ und handwerklich eher kryptisch. Die meisten Gäste bestellten sich eher die normalen Gerichte und vernachlässigten die Kapriolen. Jedenfalls fehlte die Kontinuität, den Preisen mangelte es stellenweise an Nachvollziehbarkeit. Jetzt erlebt man als Gast viel eher so etwas wie eine Struktur. Einem jungen Lokal mit originellen Köpfen sollte man ohnehin auch etwas mehr Spielraum gönnen. Die Margarete ist auf einem guten Weg.

Ludwig Fienhold

Margarete - Titel

Margarete, Frankfurt, Braubachstraße 18 – 22, Tel. (069) 13 06 65 00. Restaurant, Café & Bar, Montag – Freitag ab 7.30 Uhr, Samstag und Sonntag ab 10 Uhr. Restaurant Montag – Samstag 12 –14.30 Uhr, abends ab 18 Uhr. Sonntag ab 10 Uhr geöffnet. www.margarete.eu

 

 

 

 

 




Frühstück für Ausgeschlafene

Hier darf es etwas länger sein

 

Wer sagt eigentlich, dass Frühstück immer früh sein muss. Es kann auch ein Spätstück sein, gerade sonntags, wenn man mal nicht den Kaffee herunterkippen muss und mit Croissant zwischen den Zähnen aus der Tür eilt. Die beste und individuellste Adresse dafür in Frankfurt ist das neue Hotel Lindenberg, wo man zwischen 11 und 16 das Frühstücksmittagessen genießen kann. Für 22 Euro gibt es jeden Sonntag ein Buffet, das dem Motto Qualität statt Quantität gehorcht. Dazu kocht in der heimeligen Wohnküche Kimberley Unser oder ein anderer Mitarbeiter aus ihrem jungen Team vom Seven Swans unterschiedliche Gerichte, etwa Strammen Max, Eier mit Grüner Soße, Reibekuchen mit Apfelmus oder Erbsensuppe.

Lindenberg FrühstückDas Hotel Lindenberg bietet schon optisch viel Delikatesse. Es ist, als hätte uns eine künstlerisch talentierte Pippi Langstrumpf ihren leicht erwachsenen und doch noch ungestümen Traum von einer Villa Kunterbunt hinterlassen. Die Augen schwelgen in so heiteren Dimensionen, dass der Tag nur gut werden kann. Man sieht dem kleinen und feinen Buffet bereits an, wie es schmeckt. Die handverlesenen Aufschnitte, Schinken und Würste sind einfach gut, der Käse ausgesucht, die Brot/Brötchenauswahl wird durch Croissants und Laugengebäck aufgewertet.

Das Frühstück im Hotel Lindenberg ist nicht inklusive der Getränke. Rhabarber-Schorle, frisch gepresster Orangensaft, Cappuccino, Anno 1308 Keller Bier, Riesling oder Loire-Sekt gibt es gegen fairen Aufpreis (Cappuccino beispielsweise 2,50 €, eine Flasche Riesling 17 €). Die Speise/Getränkekarte mit Preisen wird gleich beim Entree vorgelegt, was Missverständnisse vermeidet. Zum Frühstücks-Programm gehört im Lindenberg ein Besuch der Kino-Bar um 16 Uhr im Haus, wo Filme für Kinder und Erwachsene gezeigt werden. Kinder zieht es meist ab 12 Uhr ins kleine Lichtspielhaus, was den Eltern und vielleicht auch anderen Gästen Ruhe gönnt.

Lindenberg Brunch - 4

Sonntag ist der schönste  Tag, an dem Externe und Hotelgäste aufeinandertreffen.  Man sollte sich für das Frühstück besser anmelden, denn die 30 Plätze können schnell besetzt sein. Für uns gibt es keinen schöneren Platz zum späten Frühstück als das Hotel Lindenberg. Es bietet im Grunde weder Frühstück noch Brunch, sondern eher einen Sonntag ohne Limit. Niemand wird hier zu einer bestimmten Zeit ausgewiesen, das Buffet steht lange bereit. Man lässt sich als Gast nicht nur bedienen, sondern läuft umher und gabelt mit jedem Bissen vielleicht auch ein nettes Gespräch oder eine neue Bekanntschaft auf.

 


(*Anzeige von www.das-lindenberg.de)
 

Im Mainkai-Café in der Nähe des Doms kann man jetzt täglich frühstücken, während der ganzen Öffnungszeit von 10 bis 20.30 Uhr. In dem ehemaligen Waschsalon liegt viel Zeitungslektüre aus. Morgens bietet sich das „Jogger“-Frühstück an, bei dem man guten Gewissens den Läufern am Mainufer zusehen kann. Beim „Sektgeflüster“ sind zwei Gläser Prosecco enthalten, beim „Südländer“ Mozzarella und Basilikumfrischkäse. Der Gast kann aber auch nur ein Croissant, Eier mit Speck oder Müsli mit frischem Obst bestellen. Die Kuchen sind ebenfalls gut, das Tiramisu wird hausgemacht. Was immer am Buffet zu sehen ist, wirkt appetitlich. In der Küche werden täglich frisch Salate, belegte Brötchen und verschiedene Sandwichs zubereitet. Aktuelles wird auf einer Schiefertafel annonciert. Besonders gut ist die hausgemachte, passierte und bestens gewürzte Linsensuppe mit Sucuk, türkischer Knoblauch-Kräuter-Wurst. Die saftig-pikante Wurst schmeckt auch zum Eierfrühstück. Der marokkanische Minzetee wird mit frischen Blättern im großen Glas serviert, erfrischend gut außerdem das leicht salzige türkische Joghurtgetränk Ayran. Betrieben wird dieses liebenswerte Lokal von Dilek und Ugur Cura, deren Familie aus dem türkischen Ansichtskartenstädtchen Altinoluk am Golf von Edremit stammt. Das Lokal fungiert daneben als „Vertical Gallery“ und ermöglicht jungen Künstlern einen alternativen Auftritt zur Galerieszene. Recht kunstsinnig ist bereits der Ausblick auf die gegenüberliegende Dreikönigskirche, die sich in würdevoller Gelassenheit über dem Main erhebt

 

Margarete FrühstückIn der Margarete kann man immerhin bis 14 Uhr frühstücken. Das immer noch als neu geltende Restaurant mit Café zählt wie die vorgenannten zu den besonders angenehmen, entspannten und lebendigen Adressen der Stadt. Mit gutem Croissant, Butter und Marmelade kann man schon sehr zufrieden sein. Manchmal darf es etwas mehr sein. Die frischen Eier vom Oköbetrieb Harvesterhof in Linter/Limburg werden mit Baguette und gesalzener Butter serviert, doch sollte man unbedingt noch den wunderbar krossen Alblinger Bauchspeck dazu bestellen. Der Kaffee/Cappuccino in der Margarete gehört zu den besten der Stadt, er kommt von der kleinen feinen Rösterei Pheonix aus Dresden: Kräftiges harmonisches Aroma, korrekte Temperierung, perfekte Crema, Milchschaum mit Stand.

LF

 

Lindenberg Brunch - 1

Lindenberg

Lindenberg, Frankfurt, Rückertstrasse 47, Tel. 069 430 591 530. www.das-lindenberg.de

Margarte, Frankfurt, Braubachstraße 18 – 22, Tel. 069 13 06 65 00. Café & Bar, Frühstück:  Samstag und Sonntag 10 – 14 Uhr. www.margarete.eu

Mainkai Café, Frankfurt, Mainkai 15, Telefon (069) 260 975 65. Durchgehend Frühstück. Geöffnet Montag bis Sonntag zwischen 10 und 20.30 Uhr, Samstag 9 – 20.30 Uhr www.mainkaicafe.de

 

 

Photo Credit: Barbara Fienhold (4x Lindenberg), Peter Unsinn (1x Margarete)

 

 

 




Schlaraffia am Morgen

Erstklassige Frühstücksadressen

 

Goethe genehmigte sich zum Frühstück bereits Champagner, Theodor W. Adorno genoss Omelett mit Toast und Mozart löffelte morgens gerne Suppe. Wenngleich sich viele für das Frühstück zu Hause gar keine oder zu wenig Zeit nehmen, so ist die Ausdauer beim Frühstück in Urlaubshotels enorm.

Im Hotel Bareiss in Baiersbronn wartet auf die Gäste ein Schlaraffia aus Rostbratwürstchen, Weißwürsten mit süßem Senf, geschmälzten Fleischküchle, à la minute zubereiteten Eierspeisen mit Speck, frischen Kräutern, Shrimps oder Lachs. Aus der Charcuterie kommen beste Salami, Mettwurst, Tiroler Bauernspeck, hausgemachte Leberwurst, Schwarzwälder Schinken, rosa Roastbeef, Parma- und Serranoschinken und einiges mehr. Die knackigen Nordmeerkrabben fallen ebenso gut aus wie die Wildsülze und das viele frische Obst. Eine solch Brot- und Brötchenauswahl wie hier, lässt den Gast wie in einer Bäckerei fühlen. Frischgepresste Obstsäfte und ein animierendes Tee-Sortiment sowie verschiedene Kaffeespezialitäten vergrößern nicht nur das Angebot, sondern vertiefen es. Da man bis mindestens 11.30 Uhr tafeln kann, wird auch der Riesling-Sekt häufiger aus dem Kühler geholt. Gleichwertiges hat sich in Deutschland nur in der Nachbarschaft entwickelt, in der Traube Tonbach, wo nicht nur die Vielfalt, sondern vor allem die enorme Qualität Lichtjahre von vielen anderen Hotelbuffets entfernt ist.  Hier gibt es hervorragenden Parmaschinken mit Melone, feinstes Tatar und verschiedene Delikatessen im Gläschen, die wegen ihrer Leichtigkeit und Finesse gerade am Morgen als Amuse gueules sehr willkommen sind. Vom Brot- und Brötchensortiment bis zur Teeauswahl bewegt sich alles auf höchstem Niveau. Ein besseres Frühstücksbuffet wird man in Deutschland nicht finden.

Traube Tonbach

Traube Tonbach

In der Villa Rothschild in Königstein können die Gäste in der ehemaligen Küche der Familie Rothschild frühstücken. Es gibt im Lande des Frankfurter Würstchens bayerische Weißwürste und Nürnberger Rostbratwürste sowie verschiedene Eiergerichte à la carte. Das mit Sauce Hollandaise pochierte Ei mit Rahmspinat und gekochtem Schinken auf knusprigem Toast fällt hervorragend aus. Eine ausgezeichnete eigene Kreation ist das Cesaren-Ei, welches im Ofen gegart und mit geschmortem Romanasalat, Cesarendressing und Parmesankäse im Gläschen serviert wird. Am Buffet holt man sich angenehm portionierte Shrimps in wölkchenleichtem Dressing, frisches Obst, gutes Brot und Brötchen, Aufschnitt und mehr.

In der Residenz von Heinz Winkler in Aschau gibt es neben der fabelhaften hausgemachten Mohnmousse viele regionale Schmankerl und individuelle Speisen, im Promi-Hotel Stanglwirt in Going bei Kitzbühl wird frisches Gebirgsquellwasser aus der eigenen Kaiser-Quelle sowie frische Kuhmilch, Alm-Butter, Wurst und Käse aus eigener Landwirtschaft in Bio-Qualität angeboten. Im Sacher in Wien darf man zu Walzermusik schon am frühen Morgen die berühmte Torte essen, wobei der Gewürzgugelhupf weit besser schmeckt.

Atlantis

Atlantis

Viele sehen im Atlantis in Dubai ein Micky Mouse Hotel, doch die Frühstückswelt dort ist erstaunlich. Über 20 Köche arbeiten an verschiedenen Live Cooking Stations und servieren Gerichte aus Singapore, Japan, China und Indien sowie Europa. Es herrscht Jahrmarkttrubel. Highlights: Chinesische Dim Sum, köstliches frisch zubereitetes indisches Nan Bread, ausgezeichnete arabischen Mezzeh, kleine feine und würzige Vorspeisen, ein Dutzend hervorragender Brotsorten, vom Weißbrot bis zum Körnerbrot. Plus diversen Brötchen, verschiedenen Toasts, Brioche,  erstklassigem  Baguette.  Die ausgezeichneten Croissants kommen frisch dampfend aus dem Ofen. Erstaunlich gut sortiert ist auch die Obstabteilung, in der reife und gute Früchte warten, darunter Ananas und Papaya. Erstklassig fallen zudem die verschiedenen Obstkompotte aus, die mit Zimt und anderen Gewürzen aufgepeppt wurden.  An einer Saftbar werden in Karaffen und Weinkaraffen verschiedene frische Säfte attraktiv präsentiert: Mango, Ananas, Karotte, Wassermelone, Apfel.

Ludwig Fienhold

Bild oben rechts: Hotel Bareiss

 

 

 




Besser als jede Diät: Wie man aus der Genussfalle kommt

Der Kau-Trainer vom Wörthersee

 

Für viele Tage wird der Kautrainer mein ständiger Begleiter. Der harte Bursche sorgt dafür, dass ich meine Zähne bewege, 30 bis 50 Mal, bis er weich genug ist und ich ihn zu Brei gemacht habe. Kein Tag jedenfalls ohne diesen Dinkelfladen im medizinischen Wellness-Hotel Viva am Wörthersee, wo man die alte Mayr-Kur gehörig modernisiert hat, ohne die bewährten Grundwerte zu vergessen.

Natürlich, die ersten Tage hadert und grummelt man gehörig. Nicht, dass man Champagner und Kaviar erwartet hätte, aber doch ein wenig mehr Lustbarkeiten, vielleicht auch so etwas wie ein Wiener Schnitzel light. Man muss sogar einiges vergessen, was man bislang als gesund und unentbehrlich empfand: Obst, Salat, Müsli. Der Morgen beginnt indes mit einem Dinkelfladen und bestenfalls mit einem als Zulage gedachten Schafsquark – ärger trifft es die, welche nur ein basisches Süppchen dazu löffeln dürfen.

Viva Mayr Kur Hotel am Wörthersee

Viva Mayr Zentrum rechts im Vordergrund

Wer zu den großen Hungerleidern gehört und wer etwas mehr genießen darf, darüber entscheidet der Arzt nach einer gründlichen Untersuchung. Danach können die so genannten Zulagen schon appetitlicher ausfallen: fein geräucherter Bachsaibling, Forellenfilets, Putenbrust, Avocado oder Büffel-Mozzarella. Es geht grundsätzlich streng zu, den wenigsten wird auch nur ein Salzstreuer gegönnt. Die Servicemitarbeiter, die wie alle im Haus selbst einmal im Jahr für vier Wochen eine Mayr-Kur absolvieren und sich bestens auskennen, wachen mit freundlicher Entschiedenheit über die Einhaltung des Speiseplans, der morgens und mittags noch relativ großzügig ausfallen kann, abends aber die volle Härte spüren lässt. Cholesterin, Bluthochdruck, Allergien und Speckbauch wollen nun mal bekämpft sein.

Viva Mayr KüchenchefinHarald Schmidt ist ein bekennender Mayr-Kurgänger, die Spice Girls waren schon höchstselbst am Wörthersee und auch Madonna schickt ihre Gurus dorthin, um mehr über die segensreichen Wirkungen zu erfahren. Crash-Börsianer, Pleite-Bankiers, verlassene Ehefrauen und Ehemänner, kurzum sehr viele, denen etwas gehörig auf den Magen geschlagen hat, gehören ebenso zu den Gästen, wie Models, Balletttänzerinnen und Showstars aus aller Welt. Nicht so sehr wegen eines ausgeprägten Figurbewusstseins, sondern weil die mit der Kur einsetzende Entsäuerung des Körpers auch eine schöne Haut und mehr Elastizität verspricht. Hauptziel ist die Entgiftung und Entschlackung, wozu auch eine kulinarische Katharsis gehört. Deshalb sollten sich gerade Gourmets angesprochen fühlen, deren Hedonismus nur so lange gut gehen kann, wie sie ihre Vitalität behalten. Im Sinne des altgriechischen Philosophen Aristipp ist Genussfähigkeit das höchste Glück des Menschen, die jedoch wahrhaftig und dauerhaft nur dem Weisen beschieden sein kann, der seinem Lustempfinden nicht blindlings folgt, sondern über es zu herrschen vermag. Dies bedeutet den kompletten Ausstieg aus dem bisherigen Genussleben und die Hinwendung zu einer ungewohnten Askese. Am besten für einige Wochen.

Viva Mayr KurZu Hause, wo der gut gefüllte Kühlschrank in Griffnähe ist und viele Lokale locken, setzt man sich unnötig einem Martyrium aus, wobei das tief greifende heilende Fasten ohnedies besser unter medizinischer Anleitung und Aufsicht geschehen sollte. Direkt am beschaulichen Wörthersee gibt es mit dem „Viva-Mayr“ eine Mischung aus Wellness-Hotel und Kurklinik. Mit Schwimmbad, Fitnesscenter, aber auch einer Liegewiese zum Faulenzen. Massagen aller Art und medizinische Checks gehören zum Tagesprogramm, das man individuell abstimmen kann. Dr. Stossier ist eine Kapazität auf seinem Gebiet, er hat die traditionelle Mayr-Kur, in der es wochenlang kaum mehr als Semmeln und Milch gab,  angenehm und sinnvoll modifiziert. Mit Küchenchefin Emanuela Fischer konnte er eine kongeniale Partnerin finden, die über profunde Produkt- und Ernährungskenntnisse verfügt, die allen Köchen zueigen sein sollten. Sie sorgt dafür, dass man schonend zubereitete Gemüse als Leckerbissen empfinden kann, sich diebisch auf Meeresfrüchte im Reisblatt freut und Kartoffelblinis mit geschmortem Fenchel und Zucchini für außergewöhnlich hält. Denn diese Highlights sind keineswegs eine Selbstverständlichkeit, da ansonsten basische Suppen und Dinkelfladen eine entscheidende Rolle spielen. Die aus hochwertigem Schwabenkorn-Dinkelmehl, Wasser, Salz, Weinstein, Koriander und Fenchel hergestellten Flachbrötchen werden täglich frisch im Ofen gebacken, erfüllen aber auch noch nach Tagen in trockenem Zustand ihren Zweck. Sie schmecken durchaus gut, sollen aber in erster Linie zum bewussten Kauen anregen, damit man wieder ganz Wesentliches lernt, denn der Mensch isst zu schnell, zu viel, zu häufig, zu schwer und zu spät.

Viva Winter 2011Dass bei einer solchen, auf jeden einzelnen Gast abgestimmten Diät die Pfunde purzeln (bei mir in einem Monat fünf Kilo) ist nicht das eigentliche Ziel und geschieht so nebenbei. Der Sinn liegt in der Erholung und Heilung des Verdauungssystems sowie der Reinigung, Entschlackung und Entsäuerung, wobei salinisches Wasser und ein Dutzend Kräutertees helfen. Die modischen Begriffe „Detox“ und „Dinner-Cancelling“ werden am Wörthersee schon lange gelebt, wobei hier die letzte kleine Mahlzeit am frühen Abend zwischen 18 und 19 Uhr serviert wird. Obst, Rohkost und Salat dürfen dabei nicht mehr den Magen belasten, da sie in der Nacht zu gärenden Ungeheuern mutieren, die giftig wirken, weshalb die Mediziner dafür den schönen Begriff „Horror autotoxikus“ verwenden.

Viva Mayr Hotel am WörtherseeKüchenchefin Fischer setzt bevorzugt den Magen stärkende Gewürze wie Ingwer, Koriander, Wacholder, Zimt und Nelke sowie hochwertige Lein-, Nuss-, Hanf- und Dotteröle ein. Wenn es ausnahmsweise Fleisch gibt, dann Poularde, Kalb und Lamm aus Bio-Haltung, was sich höchstens als 100-Gramm-Portion auf dem Teller wieder findet. Steinbutt und Bachsaibling entstammen nicht den Zuchtfarmen und sind Wildfang. Frittieren und braten ist verpönt, es wird gedämpft, pochiert und im eigenen Saft geschmort. Die täglichen drei Mahlzeiten dürfen nicht mit Zwischendurch-Knabbereien aufgepeppt werden, da sie störend in den Digestionsrhythmus eingreifen. Mikronährstoffe, Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente oder Enzyme gehören dagegen zur Nahrungsergänzung. Ernährungsberatungen und Kochkurse sind Teil des Viva-Mayr-Programms, denn man soll nach dieser Kur ja nicht im alten Trott weitermachen, sondern die gewonnenen Erkenntnisse das ganze Jahr über so weit es geht in den Tagesablauf einbauen. Hilfreiche Anregungen und Rezepte bietet das im Leopold Stocker Verlag erschienene Viva-Mayr-Kochbuch Gesundheit, die schmeckt.

VivaMag der innere Schweinehund auch anfangs nach Gänseleber und Frikadellen schreien, mit jedem Tag und Bissen kommt man mehr und mehr auf den Geschmack der Mayr-Methodik. Man fühlt sich so leicht und entspannt, dass man glaubt, über den Wörthersee wandeln zu können. Später kommt ein großer Energieschub hinzu und das gute Gefühl des inneren Aufgeräumtseins. Für den Höhepunkt nach den bedächtig langsam ausklingenden vier Wochen sollte man sich etwas Gutes gönnen, denn die Sensorik ist so geschliffen, dass man das erste normale Essen und den ersten Schluck Wein so unglaublich intensiv und nuancenreich wahrnimmt, als wäre man bei Dionysos persönlich zu Gast. Allein für dieses Gefühl hat sich der ganze Einsatz gelohnt, was den tieferen Sinn des Fastens nur erhöht.

Ludwig Fienhold

 

Viva, Das Zentrum für Moderne Mayr Medizin, A-9082 Maria Wörth, Seepromenade 11, Tel. 0043

4273 31117. www.viva-mayr.com

Dres Stossier

Dres. Christine & Harald Stossier

 

 




Michelin demaskiert?

Der französische Restaurantführer hat Probleme

 

In Frankreich gerät der Michelin unter Druck. Neben schwindenden Auflagenzahlen steht nun die Seriosität des Restaurantführers im Blickfeld. Laut französischen Pressestimmen ist die kritisch distanzierte Balance von Michelin und Köchen in Gefahr, weil es verstärkt geschäftliche Bindungen zwischen beiden gäbe. Der ehemalige Michelin-Direktor Jean-Luc Naret, der acht Jahre die Geschicke des Guide Rouge bestimmte, soll dabei eine maßgebliche Rolle gespielt haben. Naret war bis August 2010 Direktor des Michelin in Frankreich.

BISS-Mitarbeiter Jörg Zipprick berichtete zusammen mit Co-Autor François-Régis Gaudry im L’Express, einem der wichtigsten Wochenmagazine Frankreichs, über den Auflagenschwund des Guides, das Dossier Loiseau, die kulinarische Beratungsagentur der Lebensgefährtin von Jean-Luc Naret sowie über nicht gerade „anonyme“ Inspektoren und die Tatsache, dass der Michelin den Platz auf seiner Website von Gastronomen bezahlen lässt. Hinter vorgehaltener Hand sprechen einige Spitzenköche von der „Michelin-Steuer“ oder der „Michelin-Zwangsabgabe“. Mit dem gleichen Thema befasst sich ein Artikel von Laurent Seminel und Jörg Zipprick im französischen Gastronomie Magazin gMag (siehe Links dazu weiter unten).

Nachfolgend ein Interview von Peter Lunas mit Jörg Zipprick über merkwürdige Vorgänge beim Guide Michelin in Frankreich

Joel Robuchon

Joel Robuchon

PL: Glauben sie an die Urteile des „Michelin France“?

JZ: In Frankreich scheinen einige der Drei-Sterne-Köche unter „Artenschutz“ zu stehen. Eine Auszeichnung für vergangene Leistungen um die französische Küche wäre sicher gerechtfertigt. Was der Gast aufgetischt bekommt, ist nicht immer Top-Qualität. Ich selbst orientiere mich eher an Mundpropaganda.

 

PL: Zu den großen Köchen Frankreichs gehörte auch Bernard Loiseau, der im Jahr 2003 Selbstmord beging. Im Jahr 2003 sagte der Pressesprecher des Michelin, man hätte nie an Loiseau gezweifelt. Steht das so im Dossier, dass der „L’Express“ druckt?

JZ: Derek Brown (ehemaliger Michelin-Direktor) attestiert Loiseau eine „seelenlose Küche“, der es an Charakter mangelt sowie „Unregelmäßigkeiten.“ Wenn dies die Art des Michelin ist, nicht zu zweifeln, wie klingt es dann, wenn der Direktor einen Stern einziehen will?

Zwei, die sich offenbar gut verstehen: Jean Luc Naret (l.) und Juliane Caspar, Chefredakteurin des Michelin in Frankreich

Zwei, die sich offenbar gut verstehen: Jean Luc Naret (l.) und Juliane Caspar, Chefredakteurin des Michelin in Frankreich

PL: Loiseau war in Frankreich ein besonders beliebter Koch, aber der Fall ist jetzt zehn Jahre her. Was haben ihre Co-Autoren und sie denn aktuell zum Guide zu sagen?

JZ: In den letzten acht Jahren hat der Michelin eine Wendung vollzogen. War es Wirten und Köchen früher verboten, mit Michelin-Auszeichnungen zu werben, können sie nun „Sterne zum Anschrauben“ und Michelin-Plaketten kaufen. Einige Inspektoren bewerten frühere Arbeitgeber bzw. deren Freunde und Konkurrenten. Die Lebensgefährtin des ehemaligen Direktors Jean-Luc Naret eröffnete während seiner Amtszeit einer Beratungsagentur für Köche. Ihr prominentester Kunde heißt Joel Robuchon. Akut in Gefahr sind zwei wesentliche Pfeiler der „Michelin-Legende“: Die Anonymität der Inspektoren sowie die finanzielle Unabhängigkeit von Köchen und Restaurateuren.

 

 

PL: Naret war Michelin-Direktor und seine Lebensgefährtin berät Köche? Ist sie vielleicht vom Fach?

JZ: Nein. Colette Poupon arbeitete als Model. Nachdem sie Naret kennen lernte, bot sie Köchen an, sie beim ihrem „kreativen Prozess zu begleiten“. Robuchon ließ sich wegen seiner Website beraten.

PL: Hat Robuchon jetzt gemogelt?

JZ: Ich glaube nicht, dass er das nötig hat. Nun wandern solche Beratungshonorare natürlich in die Haushaltskasse des Paares Naret-Poupon. Ich denke, dass steht in Widerspruch zur Unabhängigkeit, die Michelin stets für sich in Anspruch nimmt. 

PL: Wie beschafft man sich als Koch die Namen der anonymen Tester?

JZ: In dem er andere Köche fragt. Tester verfügen über eine Art „Dienstausweis“ mit ihrem richtigen Namen. Den zeigen sie nach einer Visite vor. Ein Blick ins Reservierungsbuch reicht dann, um auch das Pseudonym und oft die Handynummer des Testers zu kennen. Koch-Kollegen tauschen sich diesbezüglich gerne aus. Die besten französischen Köche verfügen über Listen der Tester. In  Fleißarbeit wurden darin so gut wie alle Tester der letzten dreißig Jahre erfasst.

 

ChefListeMichelin neuPL: Der Koch will seine Bewertung und sein Investment schützen, das ist doch verständlich.

JZ: Genau so sehe ich es auch. Wollte Michelin jedoch anonym testen, könnte der Tester einfach ins Lokal gehen und am Schluss die Rechnung begleichen. Der Dienstausweis baut gewissermaßen Druck auf.

 

PL: Wieso ist die finanzielle Unabhängigkeit des Guides von den Köchen gefährdet?

JZ: Mal abgesehen vom Fall Naret: Michelin France verkauft mehr und mehr an Köche und Wirte: Blechsterne, Plaketten zum Beispiel. Für die „Wonderbox Michelin“, eine Art Geschenkgutschein, verzichtet der Wirt auf etwa 30% vom Umsatz. Dazu wird niemand gezwungen. Aber mit der Marke „Michelin“ lässt sich vieles verkaufen. Jean-Claude Vrinat, der ehemaliger Eigner des Pariser Lokals „Taillevent“, hat das Unbehagen seiner Branche auf den Punkt gebracht: „Was wird die Reaktion der Inspektoren gegenüber all denen sein, die ihr freundliches Angebot nicht angenommen haben?“ schrieb er an die Direktion.

In der neuen Website „Michelin Restaurants“ kann jeder Inhaber eines Restaurants außerdem seinen Platz kaufen. Für 69 Euro im Monat stellt Michelin dann die Fotos, Speisekarte oder Kurzbeschreibung des Wirtes herein. Das Angebot richtet sich ausdrücklich auch an Köche, die nicht von der Michelin-Redaktion ausgewählt oder getestet wurden. 

Colette Poupon, Freundin von Naret, Modell, Gastronomie-Beraterin

Colette Poupon, Freundin von Naret, Model, Gastronomie-Beraterin

PL: Worin sehen sie den Unterschied zwischen der Michelin-Website und dem bezahlten Einstellen von Fotos in anderen Guides?

JZ: Bezahlte Fotos werden meist Restaurants angeboten, die es in die redaktionelle Auswahl eines Führers geschafft haben. Auf „Michelin Restaurants“ kann auch ein wirklich schlechtes Restaurant selbst darstellen, immer vorausgesetzt, es fließt Geld.

 

PL: Was ist die Gefahr bei solchen Praktiken?

JZ: Dadurch gelangen Lokale ganz ohne Test auf die Michelin-Website. Gerade Michelin hat jedoch in seiner Eigenwerbung immer wieder die Unabhängigkeit betont.

Der Michelin greift inzwischen in die Geldbörsen der Köche. Ein Kunde hat jedoch – vollkommen zu Recht – andere Rechte und Erwartungen als ein simples „Testobjekt“. Der Koch wird momentan zum wichtigsten Kunden des Guide Michelin

 

PL: Sie berichten aus Frankreich über den „Michelin France“. Wie sieht es in Deutschland aus?

JZ: Michelin ist ein französisches, zentralistisch strukturiertes Unternehmen. Wichtige Entscheidungen fallen in Paris oder neuerdings in Boulogne-Billancourt. Die „bezahlte Website“ gibt es inzwischen auch in Deutschland. Der Preis ist identisch, nur heißt das französische „pack visibilité“ („Sichtbarkeitspaket“) hierzulande „Premium Paket“.

 

Bild 2

 

 

 

 

 

 

Die Originalbeiträge aus Frankreich

http://www.lexpress.fr/styles/saveurs/restaurant/les-sept-casseroles-du-guide-michelin_1212498.html

http://www.lexpress.fr/styles/saveurs/restaurant/la-verite-sur-le-suicide-du-chef-bernard-loiseau_1212381.html

http://www.lexpress.fr/styles/saveurs/restaurant/affaire-bernard-loiseau-le-guide-michelin-a-toujours-nie-son-coup-de-semonce_1213258.html

http://www.gmag.fr/

 




Der große Schoko-Schwindel

In den Tiefen des

Kakao-Dschungels

 

Verbraucher werden getäuscht

 

Kopfschüttelnd legt Oliver Coppeneur eine Tafel Schokolade auf den Tisch. Auf ihr prangt ein berühmter Name: „Arriba, Superieur Edelcacao aus Ecuador“. Doch so vielversprechend das auch klingt, wie viele Schokoladentafeln und Sticks, die in Supermärkten und bei Discountern angeboten werden, hält auch diese nicht, was sie verspricht. Oliver Coppeneur ärgert das:

„Der Name „Arriba“ war zweifellos über viele Jahrzehnte hinweg eine Garantie für einzigartige Qualität“, sagt der Chef der international bekannten Schokoladenmanufaktur Confiserie Coppeneur et Compagnon aus dem Rheinland. „Doch seit zehn Jahren hat der Kakao mit diesem Namen immer weniger mit dem zu tun, wofür er einmal stand. Heute steckt in ihm wahrscheinlich kein einziges Gramm des traditionellen Arriba-Kakaos, sondern eine neue Sorte von geringerer Qualität, die zudem auch noch weniger sorgfältig hergestellt wurde.“

Oliver Coppeneur

Oliver Coppeneur

Coppeneur weiß, wovon er redet. Vor zwanzig Jahre startete der gelernte Confiseur zusammen mit seinem damaligen Kompagnon Georg Bernardini, einem gelernten Konditor, in der kleinen Stadt Bad Honnef im Siebengebirge bei Bonn mit der Herstellung von Pralinen. 2004 folgte dann die Produktion von Schokoladen. Aber inzwischen gilt er in dem kleinen internationalen Zirkel echter Chocolatiers, die noch selber handwerklich von der Kakaobohne ab edelste Schokoladen herstellen, als „The German Guy“. Seine Pralinen und Schokoladen der Marke Coppeneur vertreibt er hauptsächlich über Fachgeschäfte. Der gesamte Herstellungsprozess von der Röstung der Bohne bis zur fertigen Tafel befindet sich unter einem Dach. Heute sind einhundert Mitarbeiter in der Confisserie Coppeneur tätig. Als typischer Mittelständler redet er aber nicht gern über Umsatz- und Gewinnzahlen. Am meisten redet er über gute Schokolade und über sein Credo dafür:

„Schokolade ist kein Grundnahrungsmittel, aber sie hat etwas Mystisches. Der Genuss edler Schokolade erzeugt Gefühle, die weitaus länger erhalten bleiben als die Erinnerung an den Geschmack. Schokolade ist Lebensfreude. Schokolade kann Gefühle erzeugen, an die der Mensch sich weitaus tiefer erinnert als an Ereignisse oder an Namen.“

Auf der Innenseite seiner Verpackungen erzählt Coppeneur Geschichten von der Herkunft seiner Bohnen und der Entstehung seiner Produkte. So schafft er für den Konsumenten Transparenz. Er soll sich mit seinen Schokoladen identifizieren können. Der Unternehmer hadert mit dem aktuellen Etikettenschwindel auf vielen Tafeln. Georg Bernardini, bis 2010 noch Mitgesellschafter von Coppeneur, hat in seinem gerade erschienenen Buch „Der Schokoladentester“ (ein geradezu grandioses Werk) nachgewiesen, dass die Berliner Schokoladenfirma Rausch mehrfach falsch Herkunfts- und Sortenangaben auf ihren Schokoladen angegeben hatte. Inzwischen musste Rausch dies auch eingestehen. Eigentlich ist dies in der Nahrungsmittelproduktion nichts Neues, denn Massenproduktion verleitet immer wieder auch zur Täuschung des Konsumenten.

In den letzten Jahren hat Coppeneur mehrfach die wichtigsten Kakaoanbaugebiete in Südamerika, aber auch in Afrika, bereist. Von einzelnen Plantagen in Ecuador bezieht er immer noch einige seiner besten Kakaosorten. Allerdings konnte er dort auch besonders drastisch den Verfall der Kakaoqualität beobachten. „Anfang des letzten Jahrhunderts stieg in den USA und in Europa der Appetit auf hochwertige Schokoladen stark an“, berichtet Coppeneur. In allen Anbauländern suchten die Einkäufer von Kakao nach Produzenten mit sehr guten Kakaobohnen. In einer abgelegenen Region Ecuadors um die Stadt Vinces in der Region Los Ríos wurden sie fündig. Hier gab es Hunderte von Kakaobauern, die auf kleinen Parzellen exzellente Bohnen produzieren. Traditionell setzten sie dafür die Bohnensorte „Nacional“ ein, welche nur in Ecuador vorkommt. Bis heute sind sich die Wissenschaftler nicht einig, ob es sich hierbei um einen besonders außergewöhnlich hochwertigen Abkömmling der ertragreichen Sorte „Forrastero“ handelt, die als Massenkakao gilt. Oder, ob es eine Verwandtschaft zu den edleren Sorten „Trinitario“ und „Criollo“ gibt. Oder, ob diese auch eine völlig eigenständige Sorte darstellt. Jedenfalls kommt nirgendwo auf der Welt ein Kakao vor, der dem typisch nussigen Aroma der „Nacional“ nahekommt. Welcher Kakaobohnengattung die„Nacional“ auch immer zugeschrieben wird, ihre Qualität ist herausragend. Diese wurde noch gesteigert, indem vor Ort die noch frischen Bohnen einem Fermentierungsprozess unterzogen wurden, wodurch die in den Bohnen enthaltenen Bitterstoffe in Aroma tragende Substanzen umwandelten. Da sich der Begriff „Nacional“ für eine weltweite Vermarktung wenig eignete, übernahmen die Händler in Vinces einfach einen regionalen Ausdruck. Die Bohnen aus dem Gebiet flussaufwärts waren von einer besseren Qualität, als die von flussabwärts. Sie erhielten so den Namen „Arriba“ (spanisch sinngemäß „von oben“). So kam der Edelkakao „Arriba“ in die Welt. Die Verbraucher gewöhnten sich an diesen Namen, und die Produzenten konnten mit ihm bessere Preise erzielen als mit dem üblichen Konsumkakao. Die Sorte „Nacional“ ist jedoch eine sehr sensible Frucht und fordert den Kakaobauern ein hohes Engagement ab. Sie braucht bis zur ersten Ernte fünf Jahre, zudem ist sie nur durchschnittlich ertragreich und wenn es infolge des periodisch auftretenden „El iño“ Phänomens tagelang im tropischen Urwald regnet, wird die Blüte so stark ausgewaschen, dass sogar eine gesamte Ernte ausfallen kann, wie etwa im Frühjahr letzten Jahres.

Schokoladen-BohnenViele Jahre arbeitete der einheimische Biologe und Pflanzenzüchter Castro Hormero in Naranjal an der Lösung dieser Probleme, bis er einen neuen Klon gezüchtet hatte, der mit einem Schlag die Nachteile der „Nacional“ überwand. Dieser wächst schneller, ist ertragreicher und resistenter gegenüber Wetterschwankungen. Er nannte ihn nach den Initialen CCN 51. Diese Bezeichnung kennen aber nur Experten, denn auf dem Markt wurde dieser neue Kakao weiterhin unter dem klingenden Namen „Arriba“ angeboten. Auf den meisten Plantagen in Ecuador wurden die alten Kakaobäume gerodet und der neue Klon angebaut. Die Bauern ernteten ein Vielfaches des bisherigen Ertrages. Exportierte Ecuador vor fünfzehn Jahren 100.000 Tonnen, so sind es heute fast 200.000 Tonnen. Die Bauern freuten sich über ihre gestiegenen Einnahmen, die Schokoladenproduzenten verkauften mehr Edel-Schokoladen als jemals zuvor, und die Verbraucher erhielten ihre „Arriba“ zu moderaten Preisen. Alle waren zufrieden. Allerdings war damit ein Nachteil verbunden, an dessen Publikmachung weder die Bauern, noch die Händler und auch nicht die Produzenten ein Interesse hatten. Dieser Klon verfügt nicht mehr über das unverwechselbar brillante Aromenspektrum der traditionellen „Nacional“. Es ist immer noch guter Kakao, aber kein überragend guter mehr. Auch noch durch eine andere Entwicklung verloren die Kakaobohnen zusätzlich an Qualität. Inzwischen wird ein Großteil der Kakaoernte in Ecuador nicht mehr fermentiert, sondern nach der Ernte einfach direkt getrocknet. Damit wird ein Produktionsschritt übersprungen – und so der Bedarf der großen Kakaokonzerne nach „Edel-Kakao“ noch schneller befriedigt. Der Wechsel der Sorte und das Einsparen von Veredelungsschritten sind für einen Verlust an Kakaoqualität verantwortlich und damit auch an ecuadorianischem Kulturgut

Schokoladen PowerHeute hat die „Arriba“ gar nichts mehr mit der „Arriba“ vor zehn Jahren zu tun. Zwar gehören nur etwa fünf Prozent des gesamten deutschen Kakaoimportes in die Kategorie des Edelkakaos, aber davon wiederum kommen über 50 Prozent aus Ecuador. Die damit verbundenen Gefahren – beispielsweise bei einer Medienkampagne durch Verbraucherschützer-Organisationen – führte zu einem Umdenken in der deutschen Industrie. Ganz im Stillen haben deshalb vor gut einem Jahr einige Produzenten zusammen mit Wissenschaftlern begonnen, mit Hilfe eines Forschungsprojektes  Kriterien herauszufinden, nach denen die ursprüngliche „Arriba“-Bohne von ihrem Klon unterschieden werden kann. Dazu heißt es in dem Forschungsprojekt:

„Dadurch kann die hohe Qualität deutscher Edelkakaoprodukte sichergestellt und gegen die Konkurrenz ausländischer Billigkakaoprodukte geschützt werden.“

In wenigen Monaten sollen dafür die ersten Ergebnisse vorliegen. Allerdings wird dabei der Blickwinkel viel zu sehr eingeengt, denn „Arriba“ aus Ecuador ist nur ein Beispiel für fehlgeleitete Marktmechanismen. Auch in anderen Ländern haben die Anstrengungen für größere Produktionsmengen und die internationalen Preismechanismen zum Betrug am Konsumenten geführt. Wenn die Nachfrage nach einem Nahrungsmittel wie dem Kakao steigt, werden auch Wege zur Produktionssteigerung gefunden, häufig auf Kosten der Qualität. Da die Händler jedoch am längeren Hebel sitzen, können sie die Einkaufspreise gerade wegen höherer Erntemengen gegenüber den Bauern senken. Die Bauern produzieren dann noch mehr, um den Preisverfall auszugleichen, oder um sich in Zeiten steigender Preise ein finanzielles Polster zu verschaffen. Die Hersteller können ihrerseits die gestiegene Nachfrage zu günstigen Preisen befriedigen. Aber die Konsumenten werden nicht über die damit verbundene geringere Qualität informiert. Wenigstens für Ecuador könnte dieser verhängnisvolle Mechanismus bald unterbrochen werden. Jedoch geht es auch in Deutschland nicht ohne einen üblen Beigeschmack ab. Die entsprechenden Forschungsarbeiten dafür, fast 300. 000 €, zahlt nämlich nicht die Industrie sondern das Bundesministerium für Wirtschaft. Erst verkaufen große Produzenten und Handel dem Konsumenten ein falsches Produkt. Und nachdem der Schwindel offenkundig geworden ist, bezahlt der Konsument über seine Steuern auch noch die Korrektur.

Klaus  Leciejewski