Fack ju No-Show
Der Alptraum der Gastronomie
Kritische und selbst nervige Gäste sind keineswegs der Alptraum von Köchen und Gastronomen: Gar keine Gäste sind das wahre Übel, vor allem, wenn sie reserviert haben und ohne Abzusagen nicht kommen. Seit vielen Jahren grassiert diese mit reiner Gedankenlosigkeit und schlechten Manieren nicht mehr zu bewertende Bösartigkeit. Der Zuwachs an solchen Geistergästen ist enorm, wobei an Weihnachten und Silvester der Spuk oft auf die Höhe getrieben wird.
Die sogenannten No-Shows sind virtuelle Gäste, die Geld kosten und den Ablauf in einem Lokal stören. Jeder hat mit ihnen schon zu tun gehabt, ob als Gasthauswirt oder Sterne-Koch. Während der Messen wird gerne in gleich mehreren Restaurants reserviert, damit sich die Gäste des Einladenden zwischen italienischer, französischer oder deutscher Küche entscheiden können. Obwohl gleich in mehreren Lokalen gebucht wurde, bleibt eine Stornierung aus. Meist sind es Menschen mit fehlender sozialer Kompetenz, die zu derartigen Handlungen fähig sind. Mitunter steckt aber auch die Konkurrenz dahinter, die den Mitbewerbern schaden will. Egal wer, der No-Show ist zu einer fatalen festen Größe im Gastgewerbe geworden. Zu einem Schädling.
Schauen wir uns einmal ein deutsches Spitzenrestaurant mit maximal zehn Tischen und 34 Gästen an. Im Fall von Christian Bau und seinem mit drei Sternen im Michelin und 19 Punkten im Gault Millau bewerteten Victor´s auf Schloss Berg in Perl sind für diese insgesamt 18 Mitarbeiter im Einsatz (Küche & Service). Gerade an solchen Feiertagen wie Weihnachten und Silvester sind die Tische mittags und abends Wochen im Voraus ausgebucht. Die Waren wurden eingekauft, teilweise mit Feiertagszuschlag. Viele fleißige Hände haben das das Haus aufwendig dekoriert. Am 25. Und am 26. Dezember sowie an Silvester öffnet das Restaurant für seine Gäste.
Christian Bau musste jedoch gerade an Weihnachten und Silvester besonders schlechte Erfahrungen machen: „Drei Personen sagen um 11 Uhr des gleichen Tages das Mittagessen ab, weil es der Oma nicht gut geht. Um 11.45 Uhr erreicht uns eine E-Mail. Inhalt: noch eine Stornierung, aus persönlichen Gründen (zwei Personen), ebenfalls zum Mittagessen. Ein Fünf-Personen-Tisch kommt nur zu viert. Ein weiterer Fünfer-Tisch zusätzlich mit zwei kleinen Kindern (natürlich nicht vorher angemeldet). Zum Abendservice wird ein Tisch (zwei Personen, storniert um 17.45 Uhr) wegen kurzfristiger Übelkeit freibleiben, sowie nochmals ein Vierer-Tisch nur mit der Hälfte der Gäste kommen („da die andere Hälfte unterwegs verloren“). Unter den Gästen, die das Restaurant aufgesucht haben, waren: Zwei Doppelesser vom Vortag, daher komplett anderes Menu-, Amuse Gueule und Süßigkeiten-Programm; ein strenger Vegetarier (ohne tierische Produkte); zwei gemäßigte Vegetarier (mit Fisch); zwei Laktose-Unverträglichkeiten (natürlich an getrennten Tischen); zwei ohne Meeresfrüchte; zwei komplett „Nichts aus dem Wasser“ (trotz fisch- und meeresfrüchtelastiger Speisekarte); zwei kein Fisch, kein Wild & Lamm und kein Geflügel; acht Personen tranken keinerlei Alkohol (dafür aber Mineralwasser).“ Mehr als die Hälfte dieser Gäste hat nichts über ihre Allergien, Sonderwünsche oder Unverträglichkeiten mitgeteilt, obwohl dies bereits bei der Reservierung abgefragt wurde. Ohne Angaben von Gründen sagten dann auch noch ein Zweiertisch und ein Vierertisch mit reservierten Junior-Suiten für den Silvesterabend ab. In die bittere Abrechnung von Christian Bau passt auch noch das Fernbleiben jeglicher Großzügigkeit, die an Festtagen im Grunde besonders ausgeprägt und kalkulierbar sein sollte: Zwei Tische gaben weniger als fünf Euro Trinkgeld, zwei Tische sogar gar keins. Hoffentlich hat Christian Bau künftig weniger mit No-Shows zu kämpfen. Diese Plagegeister schaden außerdem nicht nur den Gastronomen, sondern auch anderen Gästen, die gerne ihren Platz eingenommen hätten, aber abgewiesen werden mussten.
Die Plage macht vor keinem Lokal halt. Verständlich, dass einige Gastronomen an Weihnachten und Silvester schließen. Einzusehen, dass manche Reservierungen nur noch schriftlich mit Kreditkartennummer akzeptieren. Und einleuchtend, wenn Restaurants bei der schriftlichen Reservierungsbestätigung darauf hinweisen, dass Stornierungen nur fünf Tage vor dem Termin kostenfrei abgesagt werden können und ansonsten pro Gast 50 Euro berechnet würden. Das alles schützt nur in geringem Maße vor No-Shows, denn letztlich müssen die Gastronomen ihrem Geld hinterherjagen.
Gäste, die mit der Reservierung eine Vereinbarung getroffen haben, begehen bei Nichteinhaltung einen Vertragsbruch (juristisch handelt es sich um den Abschluss eines Vorvertrags). Diese verbindliche Reservierung liegt vor, wenn Gast und Gastronom zu einem festgelegten Zeitpunkt und einem bestimmten Preis handelseinig geworden sind, etwa bei Hochzeitstafeln, aber auch bei Weihnachts- und Silvesterfeiern. Der Gastronom darf jedenfalls durch eine Absage keinen finanziellen Nachteil haben.
Das Landgericht Kiel billigte einem Lokal einen Schadensersatzanspruch – culpa in contrahendo – in Höhe des Vertrauensschadens zu, weil die Reservierung nicht in Anspruch genommen wurde. Wenn der Wirt mit Rücksicht auf die Reservierung mit dem Erscheinen der Gäste rechnen konnte und eventuell sogar Vorbereitungen traf, wird dem Wirt der Ersatz des Schadens zugebilligt, der ihm dadurch entstanden ist, dass er auf das Erscheinen der Gäste vertraute und deshalb für eine angemessene Zeit den Tisch reserviert hat. Wahrscheinlich helfen nur solche juristischen Denkzettel gegen die dumme Dreistigkeit der No-Shows.
LF