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Cava: Perlen, die Lust machen

Nie war spanischer Schaumwein besser

 

Von Ludwig Fienhold

 

Natürlich trinken wir gerne Champagner, selbstredend gibt es guten deutsche Sekt, französischen Crémant und italienischen Prosecco.  Doch kein anderer Schaumwein hat eine solche Entwicklung in der Qualität genommen wie der spanische Cava. Industrielle Supermarkt-Erzeugnisse à la Freixenet prägen mit Masse das matte Image, es gibt aber längst viele individuelle und handwerklich gemachte Schaumweine dieser Spezies, die mit Topchampagner mithalten können. Wir möchten mit einer Auswahl Lust darauf machen.

Cava Kripta

In Spanien bringt Cava-Trinken besonders großen Spaß, weil einem das Vergnügen leicht gemacht wird. Man bekommt dort in den Lokalen allenthalben eine stattliche Auswahl zu sehr moderaten Preisen. Selbst in Nobelhotels wie dem Marbella Club, wo es mit dem Champagne Room eine schöne Art-Deco-Bar für Feintrinker gibt. Der famose Gramona Imperial wird in großen Zwiesel-Gläsern serviert. Darin entfaltet er sich prächtig, fließt die cremige Perle zart moussierend über die Zunge. Der golden schimmernde Gran Juvé y Camps, eine Topcuvée aus den Rebsorten Macabeo, Xarello, Parellada und Chardonnay, gehört mit seinem opulenten reifen Charakter und gleichzeitiger Frische zu unseren großen Favoriten. Solche Harmonie der Aromen und heitere Spitzfindigkeit ist man eher von erstklassigem Champagner gewohnt, bei diesem Cava macht jedes Glas Lust auf das nächste. Im Hotel Kempinski in Marbella bekommt man nicht nur den wegen seiner Amphoren-Flasche bemerkenswerten Kripta Brut von Torelló. Er gehört mit 45 € Einkaufspreis zu den teuersten spanischen Schaumweinen, in den Restaurants vom Kempinski wird er für angenehme 75 € offeriert.

Wenn auch Spanien bei den Deutschen als Urlaubsland besonders beliebt ist, so sind bei uns spanische Restaurants eher dünn gesät, in der Spitzenklasse nicht einmal hauchdünn. Sieht man vom Drei-Sterne-Restaurant Juan Amador in Mannheim ab, wo Gäste sehr guten Cava (Juvé y Camps, Emendis, Raventos, U Mes U Fans Tres, Kripta) bekommen können, existiert nichts auf Topniveau, wobei man Amador trotz seiner spanischen Wurzeln auch nicht wirklich zur Gattung Spanienrestaurant rechnen kann. Es wird einem sehr schwer gemacht, in Deutschland in den Restaurants einen Spitzencava zu finden. Immerhin kann man im Handel fündig werden. La Vineria in Frankfurt ist die erste Adresse für spanische Weine im Rhein-Main-Gebiet, wobei dort schon immer ausgezeichneter Cava offeriert wurde. Die Hausmarke ist Roger Goulart. Vergleiche mit Champagner erscheinen zwar etwas konstruiert, doch hat man es hier in jedem Fall mit einer Topqualität zu tun, wie sie bei den Franzosen ganz gewiss nicht für 12,60 € zu bekommen ist. Die Brut Reserva ist ein gehaltvoller, geschmeidiger und chevaleresker Schaumwein erster Güte, mit elegantem Hefeton und weiniger Tiefe. Man merkt die 18 Monate Hefelager, doch dabei präsentiert sich der Cava bei feiner Perlage ausgesprochen frisch und animierend. Seriös auch der Brut Rosé von Roger Goulart, mit einem Ausbau von 24 Monaten auf der Hefe. Saftig, trockene Frucht, schöne Aromatik mit einem Hauch von Turiga-Erdbeeren.

Cava-Keller von 1+1=3

Recaredo gehört zu den besten Cava-Produzenten und gönnt den Weinen eine lange Reifezeit. Die Kellerei besitzt 50 Hektar eigene Weinberge in den besten Lagen im Penedès, die alle ökologisch bewirtschaftet werden. Manuelle Weinlese und die Herstellung der Cavas in der eigenen Bodega sind weitere Qualitätsparameter. Alle Flaschen erfahren 30 bis 36 Monate Flaschengärung und werden manuell in traditionellen Rüttelpulten geklärt. Fünf Prozent des Weins wird elf Monate in Barriques ausgebaut. Auf jeder Cava-Flasche von Recaredo sind Jahrgang, Dauer des Ausbaus und das Degorgierdatum angegeben. Die Gran Reserva Brut Nature ist eine wunderbar schmelzige, feingliedrige und geschliffene Perle mit Temperament. Dem Glas entströmen süperbe Düfte von Hefe und Heu, Grapefruit und Zitrus. Recaredo lässt Poesie perlen. Zart, duftig, sinnlich. Beim ersten Schluck mag der Cava eine gewisse puristische Intellektualität ausstrahlen, die sich jedoch nach und nach zu einem komplexen Geschmacksbild entwickelt. So auch beim Cava Subtil aus der gleichen Kellerei. Er beflügelt mit Butterbrioche und Röstaromen, die durch Mineralität, Limettenzeste und Apfelduft harmonisch aufgefrischt werden.

Gegen die Masse schwimmen will auch der neue Verband „Leading Cavas“, den der Katalane Ramon Olivella zur Förderung von Qualitätskellereien und deren Premium-Produkten gegründet hat. Die Flaschen kommen aus kleineren Manufakturen und Familienbetrieben und tragen ein eigenes Gütesiegel. Die „Leading Cavas“ stehen für eine neue Generation von Winzern, deren Erzeugnisse von eigenen Weinbergen stammen und die mit kleineren Reberträgen, Handlese und einer langen Reifezeit zu mehr Qualität finden wollen. In den Elite-Club kommen nur Jahrgangs-Cavas mit einem Hefelager von mindestens 15 Monaten (Reservas, Gran Reservas). „Wir möchten die Finesse spanischer Schaumweine zeigen und sie vom Makel der Minderwertigkeit befreien“, meint Ramon Olivellas.

Im neuen Sterne-Restaurant Weinsinn in Frankfurt konnten das Konsortium Leading Cavas und seine handwerklich erzeugten Schaumweine einen sehr guten Eindruck hinterlassen:

Emendis Brut 2007: Frisch, fein, schlank, anregend, ein Hauch von Zitrus und Wiesenblumen. Perfekter Aperitif. Macht Lust auf viele Gläser. Gibt es etwas Besseres für 15 Euro?

U Mes U Fans Tres (1+1=3), Brut Nature Especial 2006: Rebsorten Xarello, Pinot Noir, 48 Monate Hefelager, Jahresproduktion 5000 Flaschen: Champagner-like, zart, elegant, trocken.

U Mes U Fans Tres (1+1=3), Brut Nature Pinot Noir 2008: Nur 1,5 g/l Restsüße, Jahresproduktion 7.700 Flaschen: Himbeeren aus Opas Garten, gereifte Beerenfrucht, dabei sehr trocken, wunderbar gelassene Stilistik, dunkler maskuliner Rosé.

U Mes U Fans Tres (1+1=3) Ecologic Cygnus Brut Nature 2008: Mindestens 40 Monate Hefelager, 11,5 % Alkohol: Sehr reife Töne, gehaltvoll und doch schlank. Ein Hauch von Lindenblüte und Nektarine, aber keineswegs blumig, sondern knackig trocken.

Gran Torelló, Brut Nature, Gran Reserva 2007: Von über 40 Jahre alten Reben, 46 Monate Hefelager: Sehr gute Statur, etwas zu viel Hefelager, spürbare oxydative Alterstöne, Cognac-Sherry-Noten, ungewöhnlich.

Rexach Baqués, Brut Nature, Gran Reserva 2007: Aus den autochthonen Rebsorten Parellada, Macabeo, Xarello. Restsüße nur 0,3 g/l, 48 Monate Hefelager: Der beste Champagner, der ein Cava ist. Brioche, Röstaromen, Apfelfrische. Hervorragend.

Diese Cavas sind keine billigen Knallkörper für den schnellen Silvesterrausch, sondern feine Perlen mit Statur, die das ganze Jahr über Bestand haben.

 

Informationen

Gute spanische Cavas haben viele Vorteile: Moderate Preise, keine störende Säure, relativ niedriger Alkoholgehalt. Die Flaschen werden nach der Methode Champenoise hergestellt, die in Spanien Método Traditional heißt. Meist bestehen die Cuvées aus den Rebsorten Xarello, Macabeo und Parellada. Inzwischen gibt es aber auch immer mehr Cavas mit Chardonnay oder Pinot Noir. Von den rund 250 Millionen Flaschen, die in acht spanischen Provinzen produziert werden, bleibt knapp die Hälfte im eigenen Land, 40 Millionen Flaschen werden nach Deutschland exportiert. Die Großkellereien Codorniu und Freixenet beherrschen mit gut 70 % den Markt. Daneben existieren 250 kleine Kellereien.

Händler

www.leadingcavas.com

www.lavineria.de

www.vinaturel.de

www.vinogusta.com

 

 

 

 

 

 

 

 




Die Gastro-Highlights des Jahres

Das hat uns 2012 besonders gut in Deutschland gefallen

 

Und wird auch im neuen Jahr Freude machen

 

Hotel Adlon in Berlin: Der mit Abstand beste und schönste Platz im Hotel ist das Restaurant Lorenz Adlon Esszimmer. Erstklassiges Essen (Zander mit Kalbsfuß-Lorbeer-Extrakt) hervorragender Service, vor allem Sommelier Shahab Jalali berät mit animierender Freude und sensibler Individualität. Mit Sicherheit ist das Esszimmer ein Kandidat auf Höchstbewertungen in allen Restaurantführern.

 

Hotel A-Rosa Sylt: Die phantasievollen und optisch hinreißend präsentierten Desserts von Chef-Pâtissier Christian Hümbs im Restaurant La Mer sind Weltklasse. Solch präzise und spannende Kombinationen, die wölkchenleicht und vor allem nicht zu süß ausfallen, kann man kaum sonst irgendwo erleben.

 

Dessert Restaurant La Mer im Hotel A-Rosa Sylt

Manne Pahl Sylt: Wunderbar turbulente Atmosphäre, tolle Weine, gutes und unkompliziertes Essen. So etwas braucht man ganz oft.

 

Hotel Bareiss in Baiersbronn:Das Hotel ist ein kulinarisches Gesamtkunstwerk, vom famosen Frühstück bis zum erstklassigen Gourmet-Restaurant. Wir schätzen die Dorfstuben mit ihrer allerbesten Gasthausküche und den umwerfenden Rouladen ebenso, wie die Haute Cuisine von Claus-Peter Lumpp mit Gänseleber-Variationen, vollendetem Service und punktgenauen Wein-Empfehlungen.

Gänseleber im Bareiss

 

Breidenbacher Hof in Düsseldorf: Das Hotel verbindet Klassik mit modernem Auftritt, die Capella Bar ist unser Lieblingsplatz. Ewald Stromer zählt zu den besten Barkeepern des Landes, das Cocktail-Menü ist besonders zu empfehlen. Jetzt gibt es auch einen eigenen Whisky: Uerige Single Malt.

 

Brenners Park-Hotel Baden-Baden: Das Hotel gehört zu den schönsten Häusern im Lande, wozu besonders der zauberhafte Park und das aufgefrischte Spa beitragen. Wellness vermittelt auch die von Erwin Biezen engagiert geführte Oleander-Bar. Er war einer der ersten, der die Qualität von Deutschlands Extraklasse-Gin Monkey 47 erkannte.

 

Brenners Bar

Hotel Lindenberg in Frankfurt: Kunstvolles und Kindliches finden zu einer fabelhaften Symbiose, die ein amüsant entspanntes Wohlbefinden und Hotelleben schafft. In diesem neuen, in jedem Winkel den Kopf und das Gemüt belebenden Boutique-Hotel, werden Gäste zu Familienmitgliedern, die gemeinsam kochen und frühstücken. Wenn sie denn wollen. Externe Gäste sind beim langen und guten „Frühstücksmittagessen“ am Sonntag in der Küche ebenso willkommen, wie in der einzigartigen Kino-Bar.

 

Hotel Nassauer Hof in Wiesbaden: Die „Ente“ ist zum Überflieger geworden, Küchenchef Michael Kammermeier arbeitet mit seinem Team auf Topniveau. Das Gänseleber-Mango-Krokant-Sandwich möchten wir das nächste Mal nicht nur als Amuse, sondern gerne als Hauptgang. Gut auch, dass es solche, hierzulande vernachlässigten Fleischstücke wie das Onglet gibt. Dazu noch in großartig satter Beef-Reduktion. Der pfiffige Sommelier Sebastian Mac Lachlan Müller ist kein Souffleur des Weinhandels, sondern trifft eine sehr persönliche Auswahl. Beispielsweise mit einem blitzsauberen Riesling Klassisch Franken von May oder superknackfrischen Grünen Veltliner Pfederspiel Steinriegel Riesling von Prager.

 

Kempinski Falkenstein: Die (Ver)Wandlung vom Restaurant Siesmayer mit guter Küche, aber eher beliebigem Konzept, zum Restaurant Landgut war mutig, konsequent und richtig. Das Landgut ist jetzt optisch und geschmacklich besser aufgestellt. Wildgerichte, Rouladen und anderes, was zu einem Landgut passt, werden ausgezeichnet umgesetzt.

Villa Rothschild

 

Villa Rothschild in Königstein: Die märchenhafte historische Residenz der Rothschilds und ihr prächtiger Park streicheln die Seele. Die Küche von Christoph Rainer kitzelt die Sinne mit kulinarischen Pretiosen, die sehr feinfühlig und detailbewusst kombiniert werden. Emphatische Gerichte, wie Iberico-Schwein mit geröstetem Oktopus mit Sauce Bouillabaisse, gefallen uns besonders gut.

 

 

Lohninger in Frankfurt: Mario Lohninger hat mit seinen Restaurants Silk und Micro im Cocoon Club Frankfurt gerockt, die abseitige Lage und die Verbindung mit einem Musikclub erwiesen sich als zunehmend problematisch – beide Lokale sind Geschichte. In seinem eigenen Restaurant, das nur den Familiennamen trägt, kann er sich nun auf seine Kernkompetenz konzentrieren: Allerbeste Österreichküche mit Wiener Schnitzel und Ochsenbackengulasch, gepaart mit Highlights der Haute Cuisine: Black Cod mit geräucherter Consommé.

 

Restaurant Lohninger

Schaumahl in Offenbach: Frankfurts ungeliebter Nachbar gilt dort als verbotene Stadt. Trotz einer ewig währenden Fehde sausen nun ausgerechnet die Frankfurter nach Offenbach, weil sich in dieser Diaspora doch tatsächlich ein sehr gutes Restaurant etabliert hat (das von den Einheimischen nicht leben könnte). Küchenchef Christoph Kubenz bringt ganz entschleunigte und intelligent pointierte Gerichte auf den Tisch: Kaninchen in feiner Kakaosauce; Schweinebacke mit Ingwer-Sauerkraut in Dunkelbiersauce; Entenstopfleber mit Thymiankrokant. Sommelier Pit Punda serviert dazu sehr behände handverlesene Weine.

 

 

Amador in Mannheim: Probleme &Insolvenz haben Juan Amador nicht Kraft & Kreativität rauben können. Ganz im Gegenteil, er kocht wahrscheinlich besser denn je. Königskrabben in duftiger Tomaten-Essenz mit Joselito-Schinken und fermentiertem Knoblauch sind von klarer Eleganz, die Mieral-Taube mit Purple Curry bleibt der Hausklassiker. Das Service-Team ist so gut aufgelegt wie lange nicht mehr. In jeder Krise steckt eine Chance.

Ludwig Fienhold

 

Bild oben rechts: Esszimmer Lorenz Adlon im Hotel Adlon mit Blick aufs Brandenburger Tor




Paris: Große Küche, kleine Preise

Schonkost für das Portemonnaie

BISS zeigt gute Pariser

Adressen mit günstigen Preisen

Tipps & Trends

 

Von Frankreich-Korrespondent Jörg Zipprick

Grande Cuisine für Feiertage und große Anlässe, Bistroküche für den Alltag. So speist man in Paris seit rund 200 Jahren. Doch die Zeiten, als französische Küche für befrackte Maitres, steife Tischdecken und ein Arsenal von Tafelsilber standen, sind wohl endgültig vorbei. Junge Köche in bescheidenen Lokalen werden allgemein als große Profis anerkannt, der Vorsprung der vermeintlichen Top-Klasse mit ihren Sternen schmilzt. Signifikante Preisunterschiede wirken sich eher auf Interieur und Service als auf kulinarische Qualitäten aus. Das hat einen ganz einfachen Grund: Gerade in Paris drängen viele gut ausgebildete Köche auf einen schon überfüllten Markt. Wer hier Erfolg haben will, muss etwas bieten. Oder zumindest so tun als ob.

Großartige Trends werden in Paris momentan nicht geschaffen, aber Tendenzen gibt es schon: Food Trucks, mobile Restaurants auf Rädern wie in New York, sowie gutes Essen in lockerer Atmosphäre wie in New York oder London, das gibt es jetzt auch in Paris.

Astier

Zu den entbehrlichen Tendenzen, die hoffentlich bald wieder verschwinden gehört das verbale Veredeln einfachster, günstiger Zutaten, der (hoffentlich vorübergehende) Sieg von Ästhetik und aufwendiger Präsentation über den guten Geschmack sowie Köche, die sich gleich nach Eröffnung für Superstars halten und dreistellige Beträge für Carte Blanche-Menüs verlangen. Dabei serviert der Koch was er will und nicht unbedingt, was dem Gast schmeckt. Mal ist das Resultat interessant, mal ein gutes Geschäft für den Koch. Und, mal ehrlich: Würden Sie dem Supermarkt 160 Euro für einen „Überraschungskorb“ in die Hand drücken? Dem Buchhändler? Dem Bäcker? Dem Metzger? Und was sagen Sie, wenn der Metzger das kostbare Paket nur mit einer kunstvoll drapierten Schweineschnauze über einem Zungenstück füllt? Im Falle von Reklamationen heißt es, man sei schließlich Künstler. Ein Gast, der Gegenwert für sein Geld möchte, gehört folglich zu den Kleingeistern und verweigert sich obendrein der Kunstförderung.

Beschleunigt hat sich der Trend zum hemmungslosen Kopieren: Was anderswo in der Stadt läuft, auf Foodblogs oder in Kochbüchern auftaucht, übernehmen Köche gern und oft. Häufig gesichtet werden bunte Potpourris aus Rohkost, die entfernt an Jackson Pollock erinnern, glatt gezogene Salatblätter als Tellerdeko, spontane Saucenspritzer, wahllos gestreute Krümel als „Knusperelement“ sowie Schokokugeln oder Halbkugeln, die – Oh Wunder – beim Übergießen mit einer heißen Flüssigkeit wegschmelzen. Und davor ist man, zugegeben, auch in unserer Auswahl nicht immer sicher. Doch zum Ausgleich setzen unsere Adressen das Portemonnaie nicht auf Radikaldiät.

Wichtig: Viele Lokale sind nur mittags günstig. Wir haben das im Text vermerkt. Doch Menüpreise und Öffnungszeiten können sich ändern, fragen Sie bei der Reservierung ruhig, ob es das günstige Menü noch gibt.

Lokal L´Ami Jean mit Küchenchef Jégo

Vorwahl von Frankreich: 0033

F – Freunde und Familie

B – Business

P – Partner/in (und all die, die es noch werden sollen)

M° steht für die jeweiligen Haltestation der Metro

 

Abri                         F

Das ungewöhnlichste Konzept von Paris: Montags und samstags gibt es hier feine Sandwiches, sonst Menüs mit viel Fisch und Gemüse sowie dem Geschmack nach mehr. Sechs Gänge für 38,50 Euro, serviert von Chefkoch Katsuaki Okiyama. Der hat im Taillevent und bei Robuchon gelernt, seine Speisefolgen wechseln täglich. Achtung: Viel größer als ein Taschentuch ist dieses Lokal nicht.

92, rue du Faubourg-Poissonnière, Tel. : 01 83 97 00 00, So geschlossen.

Menü 22 und 38, 50 Euro

M° Poissonnière

 

L´Ami Jean

L´Ami Jean

L’Ami Jean                 F

Laut ist es hier, besonders wenn die Rugbyfreunde des Patrons zu Gast sind. Düster wirkt das Lokal, denn renoviert wird selten. Doch die Küche mit baskischem Zungenschlag kann sich schmecken lassen. Stéphane Jégo gehörte lange zu den Preisbrechern der Hauptstadt. Inzwischen erlaubt er sich auch (kostspieligere) Freiheiten wie Überraschungsmenüs und Themenmenüs rund um Foie Gras, Wild oder Kaisergranat. Mittagsmenü: 42 Euro.

27, rue Malar, Tel.: 01 47 05 86 89, So, Mo geschlossen.

www.lamijean.fr

 

M° Invalides

L´Assiette

L’Assiette                          F, P

Mitterrand war hier früher jeden Samstag zu Gast. Der junge David Rathgeber serviert rustikale Bistrogerichte wie Kalbskopf oder Blutwurst unter Kartoffelbrei. Ein Ort zum Wohlfühlen, erschwinglich dank dem Mittagsmenü zu 23 Euro.

181, rue du Château, Tel. 01 43 22 64 86, Mo, Di geschlossen.

www.restaurant-lassiette.com

M° Pernety

 

Astier                       P, F

Frankreich wie im Bilderbuch, vom Interieur bis zur Karte.

Gekocht wird rustikal, nach Traditionsrezepten. Käseplatte und Weinkarte  sind recht üppig.

44, rue Jean-Pierre Timbaud, Tel. 01 43 57 16 35

Sa, So geschlossen., Menü 39 Euro

www.restaurant-astier.com

M° Parmentier

 

Aux Lyonnais                    P, F

Wurst aus Lyon, Zanderklöße in Sauce Nantua und Milchreis – das bietet das Mittagsmenü dieses Traditionsbistros für 30 Euro. Alain Ducasse hat dieses Lokal liebevoll restauriert, wie im Bistro üblich speist man auf Tuchfühlung mit dem Nachbartisch.

32, rue St-Marc, Tel. 01 42 96 65 04; Sa Mittag, So, Mo geschlossen

www.auxlyonnais.com

M° Grands Boulevards

 

Le Bar a Huitres

Le Bar à huîtres                           B, P

Fischlokal mit Leuchtreklame à la Las Vegas und etwas neureichem Interieur: Für 26 Euro bekommt man mittags unter der Woche sechs Austern und Kalamares à la plancha. Für einen seltenen Bärenkrebs muss man freilich 99 Euro auf den Tisch des Hauses legen. Und die Meeresfrüchteplatten schlagen mit 49 bis 999 (!) Euro aufs Portemonnaie. Doch von den guten Lieferanten und den Premium-Produkten profitieren auch die kleinen Menüs. Außerdem könnte dieses XXL-„Plateau“ mit 100 Austern, 4 Hummern, 4 Langusten, drei Riesenkrabben und vielem mehr wohl auch eine Schulklasse verpflegen

112, bd du Montparnasse, Tel. 01 43 20 71 01; täglich geöffnet

www.lebarahuitres.com

M° Vavin

 

Frenchie

Le Bar à vins du Frenchie                      F

In dieser Weinbar wird durchaus gut gekocht: Steinpilze erhalten Frische durch Äpfel und Kokosnuss, Makrelen vertragen sich unerwartet gut mit Joghurt und die Wange vom Wagyu-Rind wird durch Karotten und Senf richtig deftig.

6 rue du Nil, Tel. 01 40 39 96 19, ca 35 €, Sa + So und mittags geschl.

www.frenchie-restaurant.com

M° Sentier

Benoît                    P, F

Günstig ist bei Benoit nur das Mittagsmenü für 36 Euro mit Ochsenschwanzterrine, Filet vom Lengfisch mit Karotten und weißen Rübchen oder Schwein aus dem Schmortopf sowie allerlei hausgemachten Kuchen und Torten. Zu diesem Preis darf man sich das Bilderbuch-Bistro im Hallenviertel nicht entgehen lassen, denn dieser Laden wirkt wirklich so, als hätte Walt Disney ein Pariser Lokal gezeichnet.

20, rue Saint-Martin, Tel. 01 42 72 25 76; täglich geöffnet.

www.benoit-paris.com

M° Châtelet

 

Bistro & Cie                                B

Aperitif, drei Gänge, 1 Flasche Wein für zwei  sowie ein Kaffe – das alles für 42 Euro. So lautet das Erfolgskonzept der Restaurantkette Bistro & Cie. Keine versteckten Nebenkosten, jeder weiß sofort, was am Ende des Abends auf der Rechnung steht. Empfehlenswert sind vor allem Klassiker wie Burgunder Schnecken, gebratene Seezunge oder Crêpes Suzette. Gekocht wird verblüffend solide, auch wenn hier niemand die Sterne vom Himmel holen will.

Le Grand Bistro Muette, 10, chaussée de la Muette, Tel. 01 45 03 14 84, täglich geöffnet

www.bistrocie.fr

M° La Muette

 

Bones

Nie ist es ganz ungefährlich, Vorschusslorbeeren zu vergeben:

Wenn der Australier James Henry so gut kocht wie zuvor im „Au Passage“, dann kann aber eigentlich nichts schief gehen. Henry möchte sogar seinen eigenen Essig herstellen und wenn möglich selbst räuchern. Die Eröffnung ist für Dezember geplant.  Die Menüs sollen zwischen 35 und 50 Euro kosten.

43, rue Godefroy-Cavaignac, 75011 Paris.

 

Le Comptoir  du Relais               F

Hier kocht Yves Camdeborde, Vater der « Bistronomie ». Einst arbeitete er im noblen Hotel de Crillon, dann bot er in „La Régalade“ Feines zum kleinen Preis. Hier, in Saint-Germain, ist er abends Monate im Voraus ausgebucht. Nur dann gibt es das berühmte Menü des Tages, z.B. mit Jakobsmuscheln in der Schale oder Hase „königliche Art“. Mittags lässt Yves kleine Gerichte und manchmal auch Convenience Food servieren.

9, carrefour de l’Odéon, Tel.: 01 44 27 07 97, mittags zirka 30 Euro, abends etwa 55 Euro.

www.hotel-paris-relais-saint-germain.com

M° Odéon

 

Le Coq Rico

Le Coq Rico                              F

Antoine Westermann war im Straßburger Buerehiesel ein berühmter Koch. In Paris unterhält er gleich mehrere Lokale diverser Preisklassen. Clever gemacht ist diese Rotisserie. Nicht nur, weil allerlei Federvieh hier am Spieß gebraten wird, sondern weil man auch Geflügel für 2-4 Personen wählen kann und die Karte zudem Ringeltaube und Perlhuhn bietet. Für 15 Euro bekommt man ein  eher bescheidenes Tagesgericht

98, rue Lepic, Tel. : 01 42 59 82 89, Karte 20-40 €, täglich,

www.lecoqrico.com

M° Blanche

 

Garance                             B

Guillaume Muller, ein Sommelier aus dem Arpège, hat dieses neue Lokal eröffnet. Mittagsmenüs – mit z.B.  geräuchertem Seeteufel – gibt es derzeit noch für 34 Euro. Die Preise durften zügig steigen, denn Muller und sein Küchenchef Guillaume Iskandar, der ebenfalls bei Passard im Arpège lernte, wollen schmeckbar hoch hinaus. Offene Küche, puristisches Interieur, gute, auch glasweise servierte Weinauswahl, Blick auf den Weinkeller.

Mittagsmenü zu 34 Euro.
34, rue Saint Dominique
Tel. : 01 45 55 27 56, Sa, So geschl.

www.garance-saintdominique.fr

M° Invalides

 

Le grand Pan                     F

Schweinskotelett, Rinderkotelett und Kalbskotelett heißen die drei Stars der Karte. Sie stammen von renommierten Lieferanten und werden nur für zwei oder mehr Personen serviert, in einer üppigen Portion zu etwa 50 Euro. Dazu gibt es in diesem engen Bistro gut gemachte, kleine Gerichte zu verblüffend günstigen Preisen.

20, rue Rosenwald, 75015 Paris, Tel. 01 42 50 02 50, Samstagmittag und Sonntag geschlossen.

M° Plaisance

 

La Régalade                                F

Hier wurde die „Gut und Günstig“-Bewegung Anfang der 90er Jahre geboren. Damals bewarben sich jeden Samstagabend bis zu 300 Menschen um die Tische.  Gründer Yves Camdeborde kocht jetzt im Comptoir, hier wirkt inzwischen Bruno Doucet. Der schreibt zwar weniger Schlagzeilen, führt Camdebordes Erfolgskonzept jedoch entschlossen fort, angefangen mit der rustikalen Terrine, die „à volonté“ (also so viel man will) serviert wird. Beliebt sind die rustikalen Gerichte wie Schweinsbrust mit Linsen. Wegen der großen Nachfrage hat Doucet eine zweite Régalade im Stadtzentrum eröffnet

La Régalade, 49, avenue Jean Moulin, 75014 Paris, Tel.: 01 45 45 68 58, Sa, So geschlossen. M° Alésia

La Régalade 2, 123 rue Saint-Honoré, Tel. : 01 42 21 92 40, M° Louvre.

Menü 35 Euro.

 

Jeanne A                                     F

Rotisserie mit Einkaufsmöglichkeiten. Am Eingang werden kleine Gerichte zum Mitnehmen verkauft, hinten gibt es verblüffend gut gemachte Gerichte. Das Hummersandwich macht süchtig. Schöner „table d’hôte“ (langer Tisch für viele Gäste) hinten im Saal.  Bald eröffnet eine Jeanne B. in Montmartre.

42, rue Jean-Pierre Timbaud, M° Pernety, zirka 30 Euro. Tel. 01 43 55 09 49. Di und Mi geschlossen.

 

La Gazetta

Gazzetta                                  F, P

Hinter dem Aligre-Markt kocht der Schwede Petter Nilsson hier nicht etwa „nordisch“, sondern recht eklektisch mit schmeckbarem mediterranem Einschlag. Bei Hochbetrieb gerät die Küche abends manchmal aus dem Rhythmus, dann müssen die Gäste mit Wartezeiten leben.

29, rue de Cotte, Tel. 01 43 47 47 05. So Abend, Mo geschlossen. Menüs : 17 Euro (nur mittags), 39 Euro

www.lagazzetta.fr

M° Ledru-Rollin

Louvre Bouteille                          F, P

Cyril Rouquet kochte sich in einem Talentwettbewerb im französischen Fernsehen zu Ruhm. Seine Karte ist ebenso knapp wie günstig. Empfehlenswert sind die Salate, der blaue Kaisergranat auf Daikon und die Scheiben der kalt servierten Frikadelle. Die ehrliche, simple Küche wird zu Preisen serviert, die in diesem Viertel konkurrenzlos sind. Mittags kann jeder Gast zum Sparpreis von der großen Karte wählen. Gelegentlich leidet die Küche unter Formschwankungen, die freilich gibt es fast überall.

159, rue Saint Honoré, Tel. 01 73 54 44 44. Sa, So geschlossen, Menüs 17,50 (mittags) bis 36 Euro

www.louvrebouteille.fr

M°Louvre

 

Louvre Bouteille

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Rech                        B

Drei mal Ducasse in der günstigen Auswahl? Ja, weil Produktqualität und Zubereitung stimmen und die Mittagsmenüs nach Pariser Maßstäben preiswert sind: Warme Rotbarbe mit Lauch, Seeteufel Burgunder Art und Quittentarte für 32 Euro – wer bietet weniger. Tipp: Im Obergeschoss reservieren, da gibt es mehr Platz bei Tisch.

62 Avenue des Ternes, Tel. 01 45 72 29 47.

www.restaurant-rech.fr

M° Ternes

 

Saturne                              F

Saturne gehört zu den Restaurants über die man spricht. Entsprechend gibt es unter Pariser Gourmets viel Lob, jedoch auch viel Kritik. Mit zirka 38 Euro ist das Mittagsmenü erschwinglich. Dafür gibt es höchst puristisches Interieur und, wenn man viel Glück hat, über Weinreben geräucherte Taube. Die Küche ist offen, der Service flott. Leider kann es hier auch recht laut werden.

17, Rue Notre-Dame des Victoires , Tel. 01 42 60 31 90, Mittagsmenus : 37,55 – 69 Euro, Sa, So geschlossen.

www.saturne-paris.fr.

M° Bourse

 

Semilla                    F

Gerade mal 23 Euro für 3 kleine Vorspeisen und einen Gang? Und die auch noch serviert von einem leibhaftigen „meilleur ouvrier de France“, einem Koch mit dem Titel „bester Handwerker Frankreichs“? Das gibt es nur hier. Die Küche reicht von Klassikern wie Kalbskopf über Mediterranes zu Exotischem wie Ceviche. Luxus sucht man zu diesem Preis natürlich vergebens: Das Lokal ist schlicht, mit offener Küche und kleinen Tischen.

54, rue de Seine, Tel. 01 43 54 34 50, täglich geöffnet.

M° Saint-Germain-des-Près

Brasserie Thoumieux

Thoumieux                                 F

Thoumieux = Tout mieux? Der Name ist ein französisches Wortspiel für „alles besser“.  Darüber kann man streiten: In der Brasserie ist es laut, die Qualität des Service hängt vom Gästeaufkommen ab. In typisch Pariser Interieur mit winzigen Tischen, grünen Lampen und einer „Reling aus Messing“ wird Kalmar wie Spaghetti Carbonara serviert, es gibt Terrine von Hühnerlebern oder Seezungenstreifen mit Sauce Tartare. Besonders die Hauptgerichte erlebten in letzter Zeit einen Preisaufschlag, zwei Gänge kosten 35-45 Euro. Oben in der Beletage wartet das (wirklich gute) Luxuslokal von Jean-Francois Piège.

79, rue Saint Dominique, Tel. 01 47 05 49 75, täglich geöffnet.

www.thoumieux.fr

M° Invalides

 

Youpi et voilà                             F

Wo gibt es das noch, dass sich ein Herr am Herd als „philanthropischen Koch » bezeichnet – und die Menüs tatsächlich zum Freundschaftspreis fakturiert? Für gerade einmal 25 Euro bringt Patrice Gelbart Tatar vom Milchkalb, Bonito mit Entenreis sowie rote Rüben als Milchreis auf den Tisch. Die Menüs wechseln täglich. Und Samstagmittag tischt Patrice Brathuhn mit Fritten auf. Natürlich zum Freundschaftspreis von 16 Euro.

8 rue Vicq d’Azir, Tel. 01 83 89 12 63, So, Mo geschlossen.

M° Colonel Fabien

 

Bild oben rechts: L´Ami Jean

 

Siehe auch Artikel: Fast Food in Paris

 

 

 

 

 

 

 




Die kulinarischen Peinlichkeiten des Jahres

Was 2012 am meisten nervte

 

Und was wir nie wieder sehen, hören, riechen und schmecken wollen


 

Seitenbacher Müsli: Diese ätzende Werbe-Figur muss der Leibhaftige gezeugt haben. Dotterweiches Hirn, gefüllt mit schwäbischem Schwefel. Seitenbacher Müsli und Seitenbacher Öle sind  sprachlich und inhaltlich die unangenehmsten Werbungen, die es je in der Medienwelt gegeben hat. Wenn einem etwas das Frühstück versaut, dann sind es diese Fernseh- und Radiowerbungen, die als akustisches Waterboarding  zur fiesen Foltermethode taugt. Selbst bei Menschen, die kein Deutsch beziehungsweise Schwäbisch können, erzeugt allein die Phonetik Grauen und Magensausen.

Willi Pfannenschwarz ist „Der Seitenbacher“

und synchronisiert sich selbst

 

 

 

Restaurantkritiker, die innerhalb eines kurzen Artikels 6 x den Begriff „Akkord“ verwenden. Und Redakteure, die das zulassen.

Restaurantkritiker, die ihre einzige Legitimation nur aus der Vorstellung heraus begründen, weil sie gerne Essen gehen. Wobei selbst das zu bezweifeln ist.

Restaurantkritiker, die so ahnungslos sind, dass sie alles loben, weil negative Kritik schwerer zu begründen ist. Und die deshalb nur PR-Souffleure und keine Journalisten sind.

TV-Hoteltester, die mit Gummihandschuhen in den Betten und auf den Toiletten primitiver spanischer Herbergen nach Bakterien suchen und diese natürlich auch finden, weil in solchen Absteigen kaum etwas anderes zu erwarten ist. Weit Besorgnis erregender ist die geistige Reinlichkeit und saubere Sachkenntnis solcher Tests und der Medien, die solchen Spam senden.

Hoteltester, die ihre Bewertung nach der Tiefe der Verbeugung der Direktion und den Kniefällen des Personals ausrichten.

Parfümierte Weinjournalisten. Parfümiertes Servicepersonal. Parfümierte Restaurantgäste.

Feige Gastronomen und Köche, die so viel Angst vor Kritiken haben, dass sie Restaurantkritiker mit Hausverbot belegen.

Köche, die bereits ein Hühnerei für Regionalküche halten.

Gäste, die reservieren und nicht absagen. No-Shows richten mehr Schaden an, als ihnen bewusst ist. Mitunter sind solche No-Shows aber auch ein Instrument der Konkurrenz, die absichtlich Schaden anrichten will.

Alle Gerichte, die mit einem Schäumchen daherkommen, das wie Schaum vorm Pferdemaul aussieht.

Algen

Gedeckpreis

Püreestriche und reine Dekorationstupfer auf dem Teller

Speisekarten, auf denen nur der Begriff Trüffel, nicht aber deren Herkunft steht.

Gestärkte Servietten, die so hart sind, dass man sie als Waffe benutzen könnte.

Servicemitarbeiter, die Gäste beim Tischgespräch unterbrechen. Wenn die Gäste miteinander reden, wollen sie nicht gestört werden, auch nicht durch Erklärungen zu Brotkorb, Amuse Gueule oder dem Zauberstab des Küchenchefs.

Die Anrede „Mein Herr“ und „Meine Dame“ stört nicht weiter bei einem Empfang im Buckingham Palace, wirkt aber gerade in rustikalen Lokalen wie der fadenscheinige Beleg für die guten Manieren der Mitarbeiter, die außer dieser Floskel aber sonst nichts gelernt haben.

Leichenbitterminen-Service, bei dem man sich wie auf der eigenen Beerdigung fühlt. Wenn Restaurants zu Friedhöfen werden, bestatten sie ihre Gäste, was zu Zahlungsschwierigkeiten führen könnte.

Weinflaschen, die zu lange offen gestanden haben und dann beim Menü glasweise entsorgt werden.

Wasabi aus der Tube, Glutamat, Chili, falsche Trüffel, Jakobsmuscheln, Glühwein.

 

 

 




Wunderbar statt Molekular: Restaurant-Kritik Juan Amador

Amador goes Classic

 

Von Ludwig Fienhold

Es ist vielleicht kein Zufall, dass Juan Amador in wirtschaftlich schwacher Zeit besonders stark in der Küche ist. Er hat seinen Stil spürbar geändert und kocht jetzt vitaler und ausdrucksvoller. Kein Nebel mehr am Tisch, kein Kampf der Texturen. Nicht Dynamit führt zu Geschmacksexplosionen – eine Gänsefeder kitzelt die Sinne. Kurzum: Juan Amador hat den Hexenkessel verlassen und kocht wieder mit Wasser.

Der juvenile Schabernack ist passé, die Küche ist erwachsener geworden. Das zeigen bereits die Appetithappen, bei Amador leger „Tapas & Snacks“ genannt: Mannheimer Schweinsbraten, Himmel & Erde und Caesar Salad sind mit viel Empfinden für Optik entworfene delikate Miniaturen. Der Taschenkrebs mit Erbsen-Gazpacho, Ziegenkäse und Olivenkrokant ist ebenso von Raffinesse, wie der Blumenkohl mit kühler weißer Schokolade, Imperial-Kaviar und Arganöl. Die feinfühlige Kombination aus Entenlebermousse,  Räucheraal, Grünem Apfel und Holzkohleöl sieht ihre Aufgabe weniger darin, einen Akkord zu erzeugen, sondern schmeckt einfach saugut. Ein energetisches Gericht, das auch auf dem Rezeptzettel von Medizinmännern stehen könnte, ist das leicht asiatisch gewürzte Weiderind mit einer im Sake-Becher servierten mitreißenden Emulsion aus Beef-Tea, Limettensaft, Ingwer und altem Balsamico. Einen solchen Trunk möchte man sich für zu Hause in Flaschen abfüllen lassen und pur trinken oder über alles gießen, was in der Küche steht.

Laubfrosch

Nach diesem Auftakt an Maulbelustigern könnte man als Gast bereits glücklich, zufrieden und gesättigt sein. Alles andere ist jetzt Völlerei, aber eine ganz herrliche. Die pralle Seezunge mit feiner Grillnote, Röstzwiebel, Rindermark und deutlich reduzierter Safran-Jus ist im Vergleich zum früheren Amador schon klassisch zu nennen. Bei einer so wunderbaren und in buddhistischer Balance schwebenden „Herbstschnee“-Essenz aus intensiv duftigen Tomaten sowie zarten Königskrabben, hauchdünnem Joselito-Schinken und fermentiertem Knoblauch setzt ein alle Sinne belebender Effekt ein, der ziemlich sexy wirkt. Dazu gibt es eine Bisque aus Krustentierkarkassen, die mit ordentlich Butter hochgezogen wurde, und im Grunde schon ein Gericht für sich ist. Carabinieros, bei Juan Amador schon immer von bester Machart, finden auf der aktuellen Karte zu einer deutsch-spanischen Freundschaft. Die Riesengarnelen werden mit iberischem Speck und Zuckerrüben zubereitet und baden in einer Nage aus Sauerkraut, die dem Gericht eine schöne und erfrischende Säurestruktur verleiht.

Der Teller namens „Laubfrosch“ ist wirklich unglaublich grün und springt einem geradezu an – erst ins Auge und dann auf die Zunge. Es existieren dabei keine Komparsen, jeder ist ein Hauptdarsteller und führt in der Gemeinsamkeit zu einem guten Stück: Jacobsmuscheln, Kalbsbries, Petersilie, Spinat. Die Muscheln sind von allererster Güte und auf den Punkt gegart, wären aber ohne die packende Aromen-Aussage von Petersilie und Spinat auf Beurre Blanc Basis weniger spannend. Längst ist die Mieral-Taube bei Juan Amador zum Evergreen geworden, niemand will und sollte darauf verzichten. Mieral ist keineswegs eine Rasse, sondern basiert auf dem Namen des Elite-Züchters Jean-Claude Mieral aus dem burgundischen Geflügelparadies, der Bresse. Das makellose zartrosa Fleisch wird bei Amador von einer saftigen Schicht von Purple Curry eingehüllt, die aus Zimtblüten, Ingwer, Gewürznelken, Kreuzkümmel, Hibiskusblüten und vielem mehr besteht. Mango- und Kokos-Applikationen setzen dezente Pointen. Juan Amador kann sich auf seine rechte Hand, Moses Ceylan, und ein junges Küchenteam stützen.

Dry Aged Beef & Rote Bete Jus

Dry Aged ist keine neue Bezeichnung für Senioren, sondern das sehr trendige Gütesiegel für perfekt und lange gereiftes Fleisch. Das neueste Gericht bei Juan Amador nimmt dieses Thema auf und setzt es mustergültig um. Das saftig-geschmeidige Rinderfilet mit Rote-Bete-Jus und Meerrettich-Kick hat ein Format, wie es nur noch in den letzten Tempeln der Haute Cuisine zu erleben ist. „Brick in the Wall“ nennt sich ein ebenfalls häufiger bei Amador zu erlebendes Dessert aus Gewürzmilch, Himbeere, Joghurt und Roter Bete. Es ist, wie die ganze Küche, von ausgeprägtem Charakter und beinahe schon stürmischem Aroma.  Bei der Patisserie kann dennoch nachgebessert werden, vielleicht auch in dem Sinne, dass nicht jeder Nachtisch süß zu sein hat. In der kulinarischen Bilanz haben wir es mit einem anderen Juan Amador als in Langen zu tun. Die Küche hat mehr Tiefgang erreicht und konnte sich von der neckischen „Ich-will-ja-nur-Spielen-Attitüde“ befreien.

Herbstschnee

Im besten Sinne gut aufgelegt und engagiert zeigt sich die gesamte Servicemannschaft aus sehr jugendlichen weiblichen und männlichen Mitarbeitern. Restaurantleiter Martin Berg und Sommelier Ivan Monreal Herrera besitzen jenen Humor, der die Gäste vom Formellen herkömmlicher Luxusrestaurants befreit. Diese Lockerheit trägt auch entscheidend zur Atmosphäre bei, nie zuvor konnte man so viele lachende Gäste und Mitarbeiter wie jetzt bei Amador erleben. Die Weinkarte setzt voll und ganz auf Deutschland und Spanien, auch zu relativ angenehmen Einstiegspreisen (Flaschen ab 30 €). Es finden sich empfehlenswerte Weingüter wie Wagner-Stempel aus Rheinhessen oder Grandioses von Vega Sicilia aus Ribera del Duero, aber die Weinkarte könnte insgesamt mehr Gesicht zeigen und auch Newcomern und Entdeckungen Platz geben. Es gibt vorzügliche Champagner, doch die spanischen Cava haben längst eine ganz große Qualität erreicht, die man bei Amador entdecken kann.

Blumenkohl unartig

Das Restaurant gleicht einem Kunstraum, Stalagmiten ragen wie rot lackierte Finger aus dem Boden und schrauben sich in einen puristisch-weißen Raum von ruhiggestellter Eleganz. So angenehm weit voneinander platzierte Tische erlebt man nur selten in Restaurants, was Zweisamkeit oder auch Truppenstärke am Platz in Befreiung ermöglicht. Die Tischkultur ist fabelhaft, die Gläser sind so leicht, dass sie zu schweben scheinen. Auf der abgeschlossenen und luftdichten Galerie dürfen Raucher in stilvollem Ambiente mit Blick aufs Restaurant qualmend pausieren. Das Haus erscheint wie eine Kunstgalerie und wird auch entsprechend genutzt. Backsteinfassade und Pool im Grünen signalisieren den Hauch Extravaganz eines individuellen Industrie-Designs, das von fader Metro-Langweile umzingelt ist (aber für ausreichend Parkplätze sorgt). Dazu passt die schwere Eingangstür des Restaurants, die in einer sonderbaren Mischung aus Kunst und Knast Einlass und Sperre zugleich ist.

Mieral-Taube

Restaurant Amador, Mannheim, Floßwörthstr. 28, Tel. 0621 85 47 496 (Reservierungen 12-18 Uhr)

Geöffnet Dienstag – Samstag ab 19 Uhr

www.restaurant-amador.de


 

 

 

 

 

 

Photo Credit: Barbara Fienhold

 




Juan Amador: Die Insolvenz soll reinen Tisch machen

Mit neuem Konzept

ins Jahr 2013

 

Von Ludwig Fienhold

Das mit drei Michelin-Sternen ausgezeichnete und zu den besten Adressen Deutschlands zählende Restaurant Amador in Mannheim hat Insolvenz angemeldet. Die bislang aus vier Partnern bestehende Amador AG wird aufgelöst. Ziel ist eine Bereinigung und Weiterführung des Unternehmens. Das Restaurant hat weiterhin uneingeschränkt geöffnet und will mit den bisherigen 16 Mitarbeitern den Betrieb aufrechterhalten. In einem ausführlichen Gespräch mit der BISS-Zeitung erklärt Juan Amador, wie er es jetzt mit einem neuen Konzept schaffen möchte.

Das Amtsgericht Mannheim hat über das Vermögen der Amador AG in Mannheim ein vorläufiges Insolvenzverfahren angeordnet. Rechtsanwältin Annette Kollmar von der Kanzlei Rochade Anwälte wurde zur vorläufigen Insolvenzverwalterin ernannt. Eine Betriebsversammlung für die 16 Mitarbeiter hat bereits stattgefunden. Mit der Bundesagentur für Arbeit werden unmittelbar erste Gespräche zur Durchführung einer Vorfinanzierung des Insolvenzgelds und damit einer zeitnahen Auszahlung der Löhne und Gehälter an die Mitarbeiter geführt. Die Kommunikation mit den Geschäftspartnern, Banken und Lieferanten, steht zur Aufrechterhaltung der Lieferbeziehungen aktuell im Fokus der vorläufigen Insolvenzverwalterin. Es wird an einem Konzept zur langfristigen Sicherung des Fortbestands des Restaurants an dem Standort Mannheim gearbeitet. Um das Restaurant auf diesem Niveau fortzuführen ist die Einbindung des 3-Sterne-Kochs Juan Amador unabdingbar. Er legte bereits sein Fortführungskonzept vor.

Erste Gespräche wegen der Übernahme des Restaurants zum 1.Januar 2013 durch Juan Amador selbst wurden geführt, um den Betrieb auch mittel- und langfristig außerhalb des Insolvenzverfahrens erhalten zu können. Als Gründe für den Insolvenzantrag sieht der Sterne-Koch bereits die Wahl der Rechtsform Aktiengesellschaft, welche das Fundament für eine Expansion unter Beteiligung von Investoren sein sollte, letztlich aber zu viele außerhalb des Restaurantbetriebs liegende Kosten produzierte. Zudem waren die übernommenen Verbindlichkeiten aus den vorherigen Standorten und Gesellschaften insgesamt zu hoch und durch den Restaurantbetrieb nicht finanzierbar.

Juan Amador: „Als einziger Drei-Sterne-Koch in Deutschland bin ich als Unternehmer komplett unabhängig, hinter mir steht kein Hotel oder sonst irgendein Unternehmen, das sich einen Sternekoch leisten kann und den Restaurantbetrieb intern bezuschusst. Insofern musste ich schon immer mehr auf die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen achten. Die Insolvenz gibt mir die Chance mich wieder auf das Wesentliche, die Kochkunst und den Restaurantbetrieb zu konzentrieren, die ich mit aller Macht nutzen möchte. Dann bin ich auch wieder in der Lage das Restaurant wirtschaftlich erfolgreich zu führen.“

Die Altlasten aus dem nicht mehr rentablen Restaurant Amador in Langen bei Frankfurt waren doch zu hoch und bereiteten ein löchriges Fundament für den Neuanfang in Mannheim. Das Küchenstudio mit zwei Wohn-Suiten in Frankfurt-Fechenheim war trotz bester Ausstattung auch eher eine Belastung als eine Bereicherung, vor allem wirtschaftlich. Die ausländischen Engagements Amadors in Moskau und Bukarest verliefen unglücklich. Es gab jedenfalls mehr Steine im Weg als Sterne am Himmel. Niemand zweifelt am Talent Amadors als Koch, viele an seinen kaufmännischen Fähigkeiten. Dabei wird Schwaben der Rechenschieber in die Wiege gelegt. Fehlte Juan Amador die Weitsicht? Ganz gewiss war er anfangs zu gutgläubig, hatte er nicht jenen misstrauischen Blick, der ihn inzwischen begleitet.

Die große Grundsatzfrage an Juan Amador: Was will er tun, damit solche Krisen wie bisher nicht mehr vorkommen? Sieht man einmal davon ab, dass derzeit eine Kostenkontrolle des Insolvenzverwalters greift, wird es nach Aussage von Amador auch ein schärferes Controlling durch ihn selbst geben, weil er früheren Mitarbeitern offenbar zu viel Spielraum einräumte. Das soll aber keinesfalls auf Kosten der Qualität gehen. Der Einkauf muss nach seinen Worten vor allem so limitiert werden, dass nicht zu viel an Waren bestellt wird. Der Wareneinsatz wird sich künftig auf gut 35 Prozent belaufen, mit dem auch andere Spitzenköche wie Tim Raue in Berlin klarkommen.

Zudem möchte sich Amador von der Kapitalbindung eines kostspieligen Weinkellers befreien und Weine nur noch auf Kommission einholen. Das schafft erheblich Luft: „Der Wein wird erst bezahlt, wenn er getrunken ist.“ Amador möchte außerdem lukrative Partnerschaften forcieren, wie die bereits bestehende mit „Liz“, der Design-Marke der Hassia-Gruppe. Sein Drang zu Beraterverträgen kennt nach wie vor keine Grenzen, New York, Tokio und Singapur sind greifbar. Abgeschlossen ist dagegen Bangkok mit dem Restaurant Water Library Thonglor. Dort hat Amdor eigene Köche im Einsatz, die Küche arbeitet nach seinen Worten auf dem Niveau von einem Michelin-Stern. Auch die Weinkarte ist ungewöhnlich gut, gerade für Asien. Trotz hohen Anspruchs geht es leger zu.

Das Restaurant Amador in Mannheim wird künftig vor allem bei der Preispolitik anders positioniert als bisher. Das enorm aufwendige Menü für 230 Euro bleibt als Basis, erfährt aber verschiedene Varianten. Geplant sind zwei bis drei Signature Dishes, also Highlights der Küche, die mit einigen Tapas ergänzt angeboten werden. Und das zu kleineren Preisen. „Nicht jeder hat gerade unter der Woche Zeit vier Stunden lang viele Gänge zu essen“, meint Juan Amador. Weil lange Restaurantbesuche Körper, Geist und Seele belasten, soll künftig ohne jede Hektik auch ein eher schnelles Ende des Restaurantbesuchs einzuplanen sein. „Um 22 Uhr muss die Messe gesungen sein“, meint Amador. Soll heißen, dann ist der Hauptgang durch. Das Restaurant Amador in Mannheim verändert sich durch die neue Situation in keiner Weise. Die sieben Tische und 25 Plätze bleiben wie sie sind. Das puristisch-moderne Ambiente ebenso.

Juan de la Cruz Amador Perez, 1968 geborener Schwabe spanischer Abstammung, gehört zur europäischen Avantgarde und zählt zu den am höchsten dekorierten Köchen weltweit. Bereits im Jahr 1997 erkochte Juan Amador seinen ersten Michelin-Stern, fünf Jahre später folgte der zweite Stern. Im Februar 2004 eröffnete er sein eigenes Restaurant „Amador“ in Langen und erhielt bereits vier Jahre später die höchste Bewertung des Guide Michelin: Drei Sterne. Im August 2011 zog das Amador nach Mannheim um und wurde 2012 wiederum mit drei Michelin-Sternen und 18 Punkten im Gault Millau ausgezeichnet.



Restaurant Amador, Floßwörthstraße 38, 68199 Mannheim. Tel. 0621/8547496

www.restaurant-amador.de

 

Photo Credit: Barbara Fienhold

 




Die finale Digestion für Gold-Esel

Wie man aus Scheiße

Geld macht

 

In den USA kursieren jetzt wieder goldene Kapseln, nach deren Einnahme aus jedem banalen Exkrement ein goldenes Ei entstehen soll. So kann die Besteigung des Throns zum funkelnden Ereignis werden. Wer auf diese Weise 425 Dollar verdauen möchte, kann sich den Gold Glitter Poop im Internet bei Neatorama bestellen. Die 20 mm Kapseln sind mit 24-Karat Goldblättern gefüllt. Recycling für Neureiche.

 

 

Originelle Food Präsente

Die Hamburger Food Cooperative Deli Garage hat sich auf lustige Lebensmittel in origineller Verpackung spezialisiert. Manche mögen das für überflüssig halten, es ist aber ein netter Spaß, auch als Geschenk. Die Schokocreme wird als „Spachtelmasse“ angeboten, wozu auch wirklich ein Spachtel gehört. Einen „Ölwechsel“ versprechen drei verschiedene Olivenöle in ansprechenden Fläschchen. Zu den Produkten gibt es ausführliche Informationen, in diesem Fall erfährt man sehr genau wie das Öl in Katalonien erzeugt wird. Neugierig macht auch der Bienenkleber in der klassischen Klebeflasche. Den Honig gibt es in den Geschmacksrichtungen Kakao-Minze, Bourbon-Vanille und Ceylon-Zimt. Ziemlich schräg ist der (geschmacksneutrale) Esslack aus der Sprühflasche, mit dem man jedes Lebensmittel vergolden und versilbern sowie rot oder blau erstrahlen lassen kann. Verchromte Forelle und goldene Bratkartoffeln versprechen Aufsehen. Und vielleicht gute Bewertungen bei Restaurantkritikern, die das für den Trend nach der Molekularküche halten.

www.the-deli-garage.de

 

LF

 

 

 

 

 

 




3-Sterne-Koch Alléno verlässt das Meurice

Und geht ins Cheval Blanc nach Courchevel

 

Das Pariser Luxushotel Le Meurice, bekannt auch als Stammhaus von Dalì, wird sich nach einem neuen Küchenchef umsehen müssen. Yannick Alléno zieht es nach zehn Jahren am Pariser Herd nach Courchevel ins Luxushotel Cheval Blanc. Dort freilich berät er schon ein Restaurant, nun wird er persönlich dort kochen.

In der französischen Hauptstadt war Alléno nicht nur für sein Konzept des Terroir Parisien bekannt, also neue Interpretationen alter Pariser Gerichte wie Makrele in Weißwein oder Pot-au-feu. Eine Zeit lang schrieb er als Lebensgefährte von Patricia Kaas Schlagzeilen. Der 41 Jahre alte Koch wurde mit drei Sternen im Michelin und 19 Punkten im Gourmet Guide Gault Millau ausgezeichnet.  2008 wurde Alléno zudem vom Gault Millau zum „Koch des Jahres“ gekürt.  Letztes Jahr eröffnete er das Restaurant Stay by Yannick Alléno  im Hotel One & Only in Dubai.

Yannick Alléno

François Simon, dem Kritiker des Figaro, erklärte er, dass es Schwierigkeiten („contraintes“) in der Infrastruktur des Meurice gebe. Zusammen mit 230 Mitarbeitern würde er pro Jahr 195.000 Gäste bewirten. In Paris kocht jetzt die Gerüchteküche: Das Cheval-Blanc gehört Frankreichs Luxus-Zaren Bernard Arnault, der auch Louis Vuitton, Celine, Berluti, Marc Jacobs, die Champagner Krug und Ruinart, die Weingüter Château d’Yquem und Cheval Blanc und etliche große Marken mehr besitzt.

Die Marke Cheval Blanc, ursprünglich ein Weingut in Saint-Emilion bei Bordeaux, will er zum Synonym für Hotels der Extraklasse aufbauen, die übliche Fünf-Sterne-Standards weit in den Schatten stellen. Auch in Paris soll in den Räumen des ehemaligen Kaufhauses La Samaritaine in den kommenden beiden Jahren ein Cheval-Blanc-Hotel entstehen. Kurzum: Milliardär Arnault ist der richtige Finanzier für einen Koch, der hoch hinaus will.

Wer Yannick Alléno im Meurice ersetzen soll, steht noch nicht fest. Das Hotel hat 160 Zimmer, die im Stil von Louis XVI. gestaltet sind. Vor fünf Jahren wurde das traditionsreiche Haus von Designer Philippe Starck in den öffentlichen Bereichen im Design aufgefrischt.

Salvador Dalí verschenkte im Meurice an Weihnachten  stets handsignierte Lithografien an die Mitarbeiter.

JZ

 

 




Kann das Biest eine Schöne werden?

Neue Hoffnung für

Frankfurts Ausgehrevier

 

Alt-Sachsenhausen, einst das schönste Ausgehquartier Frankfurts, ist schon lange nur noch eine Krawallschachtel. Am Wochenende nisten sich dort Sauf- und Raufbolde ein und machen das Viertel unsicher. Noch überwiegen Ballermannkneipen und Kaschemmen, regiert der Schmuddel. Es gibt jedoch einige neue Lokale und Projekte die vorsichtig Hoffnung machen.

Hugo

Die Old Fashioned Bar in der Klappergasse will optisch und musikalisch die 20er Jahre des letzten Jahrhunderts aufleben lassen. Swing und Jazz waren ja einst weit mehr in Alt-Sachsenhausen zu Hause und gaben den Ton an. Nur einige Meter weiter hat das Lokal Hugo eröffnet, das Cocktails, Weine und Speisen anbietet. Kilian Bumiller, dem das Lokal gehört, hat mehrere Häuser im Revier gekauft (z.B. den wunderlichen Gorjel Schwenker) und möchte mit seinen Ideen das Viertel mitgestalten. Die beiden neuen Adressen sind jedenfalls nichts für Komasauftouristen. Immerhin existieren auch noch einige ordentliche Adressen alter Prägung, wie die 3 Steuber oder das Lorsbacher Thal, das seit 1803 in Familienbesitz ist.

Wenn das Mischverhältniss in Alt-Sachsenhausen stimmen soll, müssen auch Kunst und Kultur Einzug halten, das Theater von Michael Quast im Paradieshof wird hoffentlich mit seiner Eröffnung 2014 ein anderes Publikum anlocken. Die Architektin Marie Therese Deutsch, die in Frankfurt sogar Toiletten in attraktive Bars verwandelte, hält grundsätzlich eine Zukunft als Künstlerviertel für möglich. Wo einst das Irish Pub stand, dessen abgefackelte Überreste mehr als ein Jahrzehnt in den Augen brannten, soll ein neues Ensemble entstehen. Projektentwickler Steen Rothenberger, der mit dem Hotel Lindenberg und dem Seven Swans in Frankfurt Sinn für künstlerische Gestaltung und Qualität zeigt, steht auch hinter diesem interessanten Projekt in der Kleinen Rittergasse.

Die Idee des Architekten Bernhard Franken, mit High Tech das historische Fachwerk in die Fassade zu projizieren, soll dabei der richtige Weg sein.  Wohnen und Arbeiten kommen wieder an einem Ort zusammen. Dabei entsteht in der Kleinen Rittergasse ein Fotografenkollektiv mit dem Frankfurter Bildermacher Oliver Tamagnini und dem Fotografen Boris Löffert. Im Haus sollen ein Atelier und ein Austellungscafé betrieben werden, die Fotografen wollen dort arbeiten und wohnen. Künstler und kunstnahe Berufe sollen das Viertel nach vorne bringen. Bei diesem Projekt können sich Bürger mit Hoffnung auf Rendite und sozialem Engagement bereits mit kleinen Summen ab 250 Euro einbringen, zum ersten Mal wird ein sogenanntes Crowdfunding in Deutschland gestartet (mehr dazu unter www.kapitalfreunde.de). Gerade im Zusammenhang mit Alt-Sachsenhausen wäre die Schreibweise Kraut-Fun-Ding sicher die originellere gewesen, aber man soll ja nicht zu viel Phantasie von Immobilien-Fachleuten erwarten. Es lohnt jedenfalls, sich mit dieser Idee und dem Viertel Alt-Sachsenhausen auseinanderzusetzen, denn erstmalig seit über zwei Jahrzehnten besteht endlich wieder einmal die Chance auf eine Erneuerung.

Frankfurt-Buffet im Seven Swans

Es gab einige öffentliche Diskussionsabende zum Thema Alt-Sachsenhausen. Auch im Seven Swans in Frankfurt am anderen Mainufer. Aus der zu blassen,  theoretischen und teilweise frankfurtfremden Diskussion, streuselten die Erkenntnisse nur hin und wieder über den neuen Kuchen. Der beste Beitrag zum Thema kam von Kimberley Unser und ihrer Küche, die zeigte, wie man auch Einfaches großartig machen kann. Jeder Happen war auf Alt-Sachsenhausen ausgerichtet, wo man viel öfter als Gast wäre, wenn es eine solche Küche dort geben würde. Im Seven Swans wurde ein beispielhaftes Frankfurter-Buffet angerichtet: Tolle Sauerkraut-Kartoffelsuppe, sehr gutes Brot von Huck mit saftiger Leberwurst sowie Blutwurst, allerbester fast schon cremiger Minihandkäs auf Brot, Hessischer Apfelkuchen im Glas mit Zimt, Sahne und Apfelschnapstortenboden. Dazu gab´s keinen Allerweltsapfelwein, sondern süffigen vom Fotografen und Micro-Kelterer Boris Löffert.

Ohne die Initiative von privaten Mäzen und Investoren würde die Stadtentwicklung in Frankfurt nur schlapp vorangehen. Und mit Stadtentwicklung ist nicht die endlose Bebauung von leeren Flächen gemeint, sondern die Entwicklung einer Stadt als gestaltete optische Seele, deren Individualität Gemeinschaftssinn erzeugen vermag.

Die Stadt drangsaliert Bürger und Gastronomen bei jeder Gelegenheit, hetzt Ordnungshüter hinter ihnen her, wenn sie ihren Wagen falsch platzieren oder die Terrasse um zwei Zentimeter zu groß ausfallen lassen. Nur bei anderen weit wichtigeren Belangen, die das ganze Stadtbild prägen, ist man auf nachlässige Weise großzügig, darf sich jeder Hausbesitzer fragwürdiger Mieter/Gastronomen annehmen, deren Haltung sich bereits in fiesen Reklameschildern, vollen Aschenbechern und lauter Dumpfbackenmusik ausdrückt. Diese Haltung offenbart keineswegs Toleranz, sondern zeugt nur von bloßer Ignoranz und der Verweigerung des Weiterdenkens. Denn dort, wo Müll zu Hause ist, kommt noch mehr Müll dazu.  Diese Kette des Unwohlseins gilt es zu durchbrechen.

Neues Ensemble Kleine Rittergasse

Die Freßgass ist ein Beispiel städtischer Ignoranz, die Schweizer Straße längst auch. Die übelste Vernachlässigung eines ganzen im Grunde wunderbaren Stadtviertels aber bleibt Alt-Sachsenhausen. Alt-Sachsenhausen ist ein einziges Denkmal des schönen alten Frankfurt, es hätte sogar Grundlagen genug gehabt, als Weltkulturerbe anerkannt zu werden. Ein Denkmalschutzamt hat dies nie erkannt, wobei man sich meist fragt, ob ein solches überhaupt existiert. Bei einem verscheußelten stalinistischen Bau mit dem dazu passenden Namen Bundesrechnungshof engagiert man sich vehement für den Erhalt bis die Abrissbirne platzt. Aber den Archäologischen Garten vor dem Dom baut die Stadt mit einem irrelevanten Stadthaus zu und versperrt obendrein den Blick auf das wichtigste Bauwerk Frankfurts, den Kaiserdom. Die Stadt entwickelt jedenfalls selbst viel zu wenig Ideen, und wenn, dann auch noch die falschen. Man ist also auf Initiativen angewiesen, wie die von Steeen Rothenberger – oder die von Ardi Goldman und Tom Bock, wobei der eine für die Hanauer Landstraße, der andere für das Florentinische Viertel in Sachsenhausen steht.

Alt-Sachsenhausen hat immer noch das Potential das schönste Viertel Frankfurts zu werden. Die neuen privaten Investoren allein werden es nicht dazu machen können. Viele der Hausbesitzer, die dort meist gar nicht wohnen, müssen den Wert dieses einmaligen Viertels verstehen und von einer Sanierung und Neuvermietung überzeugt werden. Es sollten Nachbarschaften entstehen, die ein Nebeneinander von Champagner und Apfelwein zulassen. Jetzt ist Alt-Sachsenhausen weder Fisch noch Fleisch, sondern mehr Kraut und Rüben. Mit dem neuen Ensemble in der Kleinen Rittergasse wächst nun zumindest ein Gänseblümchen heran, das dem Viertel zu etwas mehr Blüte verhelfen könnte.

Ludwig Fienhold




Besuch beim feigsten Gastronomen

Restaurant-Kritik

Die neue Brasserie

Mon Amie Maxi

 

Kann man ein Lokal mit einem Namen wie Mon Ami Maxi überhaupt ernst nehmen? Wir springen über den  Schatten des Betreibers Christian Mook und versuchen die Sonnenseiten zu entdecken.

Das Lokal ist günstig an der Bockenheimer Landstraße gelegen, just in dem ehemaligen schönen Postamt in der Villa May, in das der Suhrkamp Verlag stets seine Briefe und Päckchen hinbrachte (nur Margarete und Alexander Mitscherlich erhielten alles mit einem Boten, denn sie wohnten ja nicht weit). An diesem historischen Ort ist nun also ein Lokal eingezogen, das sich guter Meeresfrüchte rühmt. Beim ersten Besuch erlebten wir eisige Kälte und kühle Berechnung. Die Plat de Fruits de Mer Royal mit Meeresschnecken, Taschenkrebsscheren, Nordseekrabben, Crevetten, Austern und etwas Kaisergarant war derart frostig, dass sie jeden Geschmack betäubte. Die mit einer merkwürdigen Masse umschleimten Schnecken waren für uns gar nicht genießbar. Alles in allem für gierige 79 € überteuert.

Wir wagten einen weiteren Besuch. Es ist in diesem Lokal ja nicht alles kalt. Zumindest beim Service des charmanten Maître Sebastion Bonnier (ehemals Micro und Roomers) fühlt man sich ein wenig wie in Frankreich, wobei einige Mitarbeiter/innen sonst eher durch Ahnungslosigkeit auffallen. Das Lokal wurde massiv wie ein Themenpark inszeniert und täuscht Authentizität vor. Die Weinkarte ist ebenso berechnend. Die Suche nach guten oder gar preislich stimmigen Flaschen zieht sich in die Länge. Unter 50 € ist nichts zu entdecken. Zu Fisch und Meeresfrüchten wurde uns ein 99er Montrachet angeboten, für schlanke 299 €. Wir begnügten uns mit einem Cremant Rosé, dessen Herkunft ungefähr so nachhaltig ist wie sein Geschmack.

Die Kalbsnieren mit Kartoffelpüree wurden gerade einmal lauwarm aufgetischt und waren nach dem dritten Bissen bereits kalt. 40 Minuten nach der Essensbestellung wurde das Blech mit dem dampfenden und am Stück gebratenen Seeteufel angekarrt. Ein intensiverer Geruch bahnte sich dazu seinen Weg an unseren Tisch. Die Knoblauchfahne wurde intensiver, ebenso der Anblick des völlig überladenen Bleches mit Seeteufel deutlicher:

Ein einziges Triefen in Öl, Butter und Gemüse, eine überbackene Kruste, die etwa 4 cm hoch war und aus Leipziger Allerlei bestand. Der alte, stinkende Knoblauch legte sich über alles und zerstörte jegliches andere Aroma und den zarten Fisch sowieso. Küchenchef Alexander Roisch hat nach eigenem Bekunden über vier Jahre bei Hans Haas im Münchner Tantris gearbeitet – und dann ein solcher Faux Pas? Oje! Die geschmorten Lammschultern gerieten immerhin tadellos und wurden nicht von altem Knoblauch beherrscht.

Das Lokal will sehr französisch sein, setzt aber ganz unreflektiert internationale Weine ein, oft sehr schwache. Das vor allem zu Preisen jenseits des Akzeptablen, aber das kennen wir ja schon von den Wichtigtuern-Lokalen Ivory Club und Zenzakan von der Mook-Gruppe. Christian Mook ist übrigens der einzige Gastronom in Frankfurt, der eine solche Angst vor Kritiken hat, dass er unbequeme Journalisten nicht bewirtet. Aber es gibt zum Glück mehr unbequeme Kritiker als feige Gastronomen.

Peter Lunas

 

Mon Amie Maxi, Frankfurt, Bockenheimer Landstr. 31, Tel. 069 71 40 21 21.