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Die kulinarischen Peinlichkeiten des Jahres

Was 2012 am meisten nervte

 

Und was wir nie wieder sehen, hören, riechen und schmecken wollen


 

Seitenbacher Müsli: Diese ätzende Werbe-Figur muss der Leibhaftige gezeugt haben. Dotterweiches Hirn, gefüllt mit schwäbischem Schwefel. Seitenbacher Müsli und Seitenbacher Öle sind  sprachlich und inhaltlich die unangenehmsten Werbungen, die es je in der Medienwelt gegeben hat. Wenn einem etwas das Frühstück versaut, dann sind es diese Fernseh- und Radiowerbungen, die als akustisches Waterboarding  zur fiesen Foltermethode taugt. Selbst bei Menschen, die kein Deutsch beziehungsweise Schwäbisch können, erzeugt allein die Phonetik Grauen und Magensausen.

Willi Pfannenschwarz ist „Der Seitenbacher“

und synchronisiert sich selbst

 

 

 

Restaurantkritiker, die innerhalb eines kurzen Artikels 6 x den Begriff „Akkord“ verwenden. Und Redakteure, die das zulassen.

Restaurantkritiker, die ihre einzige Legitimation nur aus der Vorstellung heraus begründen, weil sie gerne Essen gehen. Wobei selbst das zu bezweifeln ist.

Restaurantkritiker, die so ahnungslos sind, dass sie alles loben, weil negative Kritik schwerer zu begründen ist. Und die deshalb nur PR-Souffleure und keine Journalisten sind.

TV-Hoteltester, die mit Gummihandschuhen in den Betten und auf den Toiletten primitiver spanischer Herbergen nach Bakterien suchen und diese natürlich auch finden, weil in solchen Absteigen kaum etwas anderes zu erwarten ist. Weit Besorgnis erregender ist die geistige Reinlichkeit und saubere Sachkenntnis solcher Tests und der Medien, die solchen Spam senden.

Hoteltester, die ihre Bewertung nach der Tiefe der Verbeugung der Direktion und den Kniefällen des Personals ausrichten.

Parfümierte Weinjournalisten. Parfümiertes Servicepersonal. Parfümierte Restaurantgäste.

Feige Gastronomen und Köche, die so viel Angst vor Kritiken haben, dass sie Restaurantkritiker mit Hausverbot belegen.

Köche, die bereits ein Hühnerei für Regionalküche halten.

Gäste, die reservieren und nicht absagen. No-Shows richten mehr Schaden an, als ihnen bewusst ist. Mitunter sind solche No-Shows aber auch ein Instrument der Konkurrenz, die absichtlich Schaden anrichten will.

Alle Gerichte, die mit einem Schäumchen daherkommen, das wie Schaum vorm Pferdemaul aussieht.

Algen

Gedeckpreis

Püreestriche und reine Dekorationstupfer auf dem Teller

Speisekarten, auf denen nur der Begriff Trüffel, nicht aber deren Herkunft steht.

Gestärkte Servietten, die so hart sind, dass man sie als Waffe benutzen könnte.

Servicemitarbeiter, die Gäste beim Tischgespräch unterbrechen. Wenn die Gäste miteinander reden, wollen sie nicht gestört werden, auch nicht durch Erklärungen zu Brotkorb, Amuse Gueule oder dem Zauberstab des Küchenchefs.

Die Anrede „Mein Herr“ und „Meine Dame“ stört nicht weiter bei einem Empfang im Buckingham Palace, wirkt aber gerade in rustikalen Lokalen wie der fadenscheinige Beleg für die guten Manieren der Mitarbeiter, die außer dieser Floskel aber sonst nichts gelernt haben.

Leichenbitterminen-Service, bei dem man sich wie auf der eigenen Beerdigung fühlt. Wenn Restaurants zu Friedhöfen werden, bestatten sie ihre Gäste, was zu Zahlungsschwierigkeiten führen könnte.

Weinflaschen, die zu lange offen gestanden haben und dann beim Menü glasweise entsorgt werden.

Wasabi aus der Tube, Glutamat, Chili, falsche Trüffel, Jakobsmuscheln, Glühwein.

 

 

 




3-Sterne-Koch Alléno verlässt das Meurice

Und geht ins Cheval Blanc nach Courchevel

 

Das Pariser Luxushotel Le Meurice, bekannt auch als Stammhaus von Dalì, wird sich nach einem neuen Küchenchef umsehen müssen. Yannick Alléno zieht es nach zehn Jahren am Pariser Herd nach Courchevel ins Luxushotel Cheval Blanc. Dort freilich berät er schon ein Restaurant, nun wird er persönlich dort kochen.

In der französischen Hauptstadt war Alléno nicht nur für sein Konzept des Terroir Parisien bekannt, also neue Interpretationen alter Pariser Gerichte wie Makrele in Weißwein oder Pot-au-feu. Eine Zeit lang schrieb er als Lebensgefährte von Patricia Kaas Schlagzeilen. Der 41 Jahre alte Koch wurde mit drei Sternen im Michelin und 19 Punkten im Gourmet Guide Gault Millau ausgezeichnet.  2008 wurde Alléno zudem vom Gault Millau zum „Koch des Jahres“ gekürt.  Letztes Jahr eröffnete er das Restaurant Stay by Yannick Alléno  im Hotel One & Only in Dubai.

Yannick Alléno

François Simon, dem Kritiker des Figaro, erklärte er, dass es Schwierigkeiten („contraintes“) in der Infrastruktur des Meurice gebe. Zusammen mit 230 Mitarbeitern würde er pro Jahr 195.000 Gäste bewirten. In Paris kocht jetzt die Gerüchteküche: Das Cheval-Blanc gehört Frankreichs Luxus-Zaren Bernard Arnault, der auch Louis Vuitton, Celine, Berluti, Marc Jacobs, die Champagner Krug und Ruinart, die Weingüter Château d’Yquem und Cheval Blanc und etliche große Marken mehr besitzt.

Die Marke Cheval Blanc, ursprünglich ein Weingut in Saint-Emilion bei Bordeaux, will er zum Synonym für Hotels der Extraklasse aufbauen, die übliche Fünf-Sterne-Standards weit in den Schatten stellen. Auch in Paris soll in den Räumen des ehemaligen Kaufhauses La Samaritaine in den kommenden beiden Jahren ein Cheval-Blanc-Hotel entstehen. Kurzum: Milliardär Arnault ist der richtige Finanzier für einen Koch, der hoch hinaus will.

Wer Yannick Alléno im Meurice ersetzen soll, steht noch nicht fest. Das Hotel hat 160 Zimmer, die im Stil von Louis XVI. gestaltet sind. Vor fünf Jahren wurde das traditionsreiche Haus von Designer Philippe Starck in den öffentlichen Bereichen im Design aufgefrischt.

Salvador Dalí verschenkte im Meurice an Weihnachten  stets handsignierte Lithografien an die Mitarbeiter.

JZ