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Kann das Biest eine Schöne werden?

Neue Hoffnung für

Frankfurts Ausgehrevier

 

Alt-Sachsenhausen, einst das schönste Ausgehquartier Frankfurts, ist schon lange nur noch eine Krawallschachtel. Am Wochenende nisten sich dort Sauf- und Raufbolde ein und machen das Viertel unsicher. Noch überwiegen Ballermannkneipen und Kaschemmen, regiert der Schmuddel. Es gibt jedoch einige neue Lokale und Projekte die vorsichtig Hoffnung machen.

Hugo

Die Old Fashioned Bar in der Klappergasse will optisch und musikalisch die 20er Jahre des letzten Jahrhunderts aufleben lassen. Swing und Jazz waren ja einst weit mehr in Alt-Sachsenhausen zu Hause und gaben den Ton an. Nur einige Meter weiter hat das Lokal Hugo eröffnet, das Cocktails, Weine und Speisen anbietet. Kilian Bumiller, dem das Lokal gehört, hat mehrere Häuser im Revier gekauft (z.B. den wunderlichen Gorjel Schwenker) und möchte mit seinen Ideen das Viertel mitgestalten. Die beiden neuen Adressen sind jedenfalls nichts für Komasauftouristen. Immerhin existieren auch noch einige ordentliche Adressen alter Prägung, wie die 3 Steuber oder das Lorsbacher Thal, das seit 1803 in Familienbesitz ist.

Wenn das Mischverhältniss in Alt-Sachsenhausen stimmen soll, müssen auch Kunst und Kultur Einzug halten, das Theater von Michael Quast im Paradieshof wird hoffentlich mit seiner Eröffnung 2014 ein anderes Publikum anlocken. Die Architektin Marie Therese Deutsch, die in Frankfurt sogar Toiletten in attraktive Bars verwandelte, hält grundsätzlich eine Zukunft als Künstlerviertel für möglich. Wo einst das Irish Pub stand, dessen abgefackelte Überreste mehr als ein Jahrzehnt in den Augen brannten, soll ein neues Ensemble entstehen. Projektentwickler Steen Rothenberger, der mit dem Hotel Lindenberg und dem Seven Swans in Frankfurt Sinn für künstlerische Gestaltung und Qualität zeigt, steht auch hinter diesem interessanten Projekt in der Kleinen Rittergasse.

Die Idee des Architekten Bernhard Franken, mit High Tech das historische Fachwerk in die Fassade zu projizieren, soll dabei der richtige Weg sein.  Wohnen und Arbeiten kommen wieder an einem Ort zusammen. Dabei entsteht in der Kleinen Rittergasse ein Fotografenkollektiv mit dem Frankfurter Bildermacher Oliver Tamagnini und dem Fotografen Boris Löffert. Im Haus sollen ein Atelier und ein Austellungscafé betrieben werden, die Fotografen wollen dort arbeiten und wohnen. Künstler und kunstnahe Berufe sollen das Viertel nach vorne bringen. Bei diesem Projekt können sich Bürger mit Hoffnung auf Rendite und sozialem Engagement bereits mit kleinen Summen ab 250 Euro einbringen, zum ersten Mal wird ein sogenanntes Crowdfunding in Deutschland gestartet (mehr dazu unter www.kapitalfreunde.de). Gerade im Zusammenhang mit Alt-Sachsenhausen wäre die Schreibweise Kraut-Fun-Ding sicher die originellere gewesen, aber man soll ja nicht zu viel Phantasie von Immobilien-Fachleuten erwarten. Es lohnt jedenfalls, sich mit dieser Idee und dem Viertel Alt-Sachsenhausen auseinanderzusetzen, denn erstmalig seit über zwei Jahrzehnten besteht endlich wieder einmal die Chance auf eine Erneuerung.

Frankfurt-Buffet im Seven Swans

Es gab einige öffentliche Diskussionsabende zum Thema Alt-Sachsenhausen. Auch im Seven Swans in Frankfurt am anderen Mainufer. Aus der zu blassen,  theoretischen und teilweise frankfurtfremden Diskussion, streuselten die Erkenntnisse nur hin und wieder über den neuen Kuchen. Der beste Beitrag zum Thema kam von Kimberley Unser und ihrer Küche, die zeigte, wie man auch Einfaches großartig machen kann. Jeder Happen war auf Alt-Sachsenhausen ausgerichtet, wo man viel öfter als Gast wäre, wenn es eine solche Küche dort geben würde. Im Seven Swans wurde ein beispielhaftes Frankfurter-Buffet angerichtet: Tolle Sauerkraut-Kartoffelsuppe, sehr gutes Brot von Huck mit saftiger Leberwurst sowie Blutwurst, allerbester fast schon cremiger Minihandkäs auf Brot, Hessischer Apfelkuchen im Glas mit Zimt, Sahne und Apfelschnapstortenboden. Dazu gab´s keinen Allerweltsapfelwein, sondern süffigen vom Fotografen und Micro-Kelterer Boris Löffert.

Ohne die Initiative von privaten Mäzen und Investoren würde die Stadtentwicklung in Frankfurt nur schlapp vorangehen. Und mit Stadtentwicklung ist nicht die endlose Bebauung von leeren Flächen gemeint, sondern die Entwicklung einer Stadt als gestaltete optische Seele, deren Individualität Gemeinschaftssinn erzeugen vermag.

Die Stadt drangsaliert Bürger und Gastronomen bei jeder Gelegenheit, hetzt Ordnungshüter hinter ihnen her, wenn sie ihren Wagen falsch platzieren oder die Terrasse um zwei Zentimeter zu groß ausfallen lassen. Nur bei anderen weit wichtigeren Belangen, die das ganze Stadtbild prägen, ist man auf nachlässige Weise großzügig, darf sich jeder Hausbesitzer fragwürdiger Mieter/Gastronomen annehmen, deren Haltung sich bereits in fiesen Reklameschildern, vollen Aschenbechern und lauter Dumpfbackenmusik ausdrückt. Diese Haltung offenbart keineswegs Toleranz, sondern zeugt nur von bloßer Ignoranz und der Verweigerung des Weiterdenkens. Denn dort, wo Müll zu Hause ist, kommt noch mehr Müll dazu.  Diese Kette des Unwohlseins gilt es zu durchbrechen.

Neues Ensemble Kleine Rittergasse

Die Freßgass ist ein Beispiel städtischer Ignoranz, die Schweizer Straße längst auch. Die übelste Vernachlässigung eines ganzen im Grunde wunderbaren Stadtviertels aber bleibt Alt-Sachsenhausen. Alt-Sachsenhausen ist ein einziges Denkmal des schönen alten Frankfurt, es hätte sogar Grundlagen genug gehabt, als Weltkulturerbe anerkannt zu werden. Ein Denkmalschutzamt hat dies nie erkannt, wobei man sich meist fragt, ob ein solches überhaupt existiert. Bei einem verscheußelten stalinistischen Bau mit dem dazu passenden Namen Bundesrechnungshof engagiert man sich vehement für den Erhalt bis die Abrissbirne platzt. Aber den Archäologischen Garten vor dem Dom baut die Stadt mit einem irrelevanten Stadthaus zu und versperrt obendrein den Blick auf das wichtigste Bauwerk Frankfurts, den Kaiserdom. Die Stadt entwickelt jedenfalls selbst viel zu wenig Ideen, und wenn, dann auch noch die falschen. Man ist also auf Initiativen angewiesen, wie die von Steeen Rothenberger – oder die von Ardi Goldman und Tom Bock, wobei der eine für die Hanauer Landstraße, der andere für das Florentinische Viertel in Sachsenhausen steht.

Alt-Sachsenhausen hat immer noch das Potential das schönste Viertel Frankfurts zu werden. Die neuen privaten Investoren allein werden es nicht dazu machen können. Viele der Hausbesitzer, die dort meist gar nicht wohnen, müssen den Wert dieses einmaligen Viertels verstehen und von einer Sanierung und Neuvermietung überzeugt werden. Es sollten Nachbarschaften entstehen, die ein Nebeneinander von Champagner und Apfelwein zulassen. Jetzt ist Alt-Sachsenhausen weder Fisch noch Fleisch, sondern mehr Kraut und Rüben. Mit dem neuen Ensemble in der Kleinen Rittergasse wächst nun zumindest ein Gänseblümchen heran, das dem Viertel zu etwas mehr Blüte verhelfen könnte.

Ludwig Fienhold




Hummer mit Alpen-Panorama

Das Restaurant Silberdistel im Hotel Sonnenalp

Beliebtes Feriendomizil mit kleinen Schwächen

 

Von Klaus  Leciejewski

Das Allgäuer Luxushotel Sonnenalp ist mit Auszeichnungen reich gesegnet. Zum dritten Mal gab´s den Michelin-Stern, jetzt auch noch eine Ehrung als Europas Golf-Resort des Jahres.  Für Wellness erhält das Urlaubsdomizil ebenso viel Lob, wie für seinen besonders adretten Auftritt. Seit vier Generationen wird das 5-Sterne-Resort in Ofterschwang von der Familie Fäßler geführt. Wir haben uns vor allem für das Gourmet-Restaurant Silberdistel von Küchenchef Kai Schneller interessiert.

Restaurant Silberdistel

Der Höhepunkt unseres Besuches im Restaurant Silberdistel war das Dessert. Dabei wurde ein mobiler Beistelltisch herangefahren. Darauf befanden sich ein Rechaud (so etwas hatte ich zum letzten Mal in einem Hotel auf Kuba zu Gesicht bekommen), eine Kupferpfanne, sechs ordentlich geschälte Apfelscheiben vom Boskop und eine Flasche Calvados. Bevor der wackere Restaurantleiter begann mit dem Feuer zu spielen, erlaubte ich mir den Hinweis, dass ich bei meinem letzten Flambierspektakel dem Kellner eine Wette angeboten hatte. Falls es ihm gelingen sollte, die Flammen so hoch schlagen zu lassen, dass er damit die mit Stoff abgehängte Decke des Restaurants erreichen könnte, würde ich ihm eine Flasche Champagner ausgeben (leider hatte er nicht den Mumm gehabt, meine Wette anzunehmen.) Daraufhin schaute der Maître nach oben, und bemerkte: „Oh, wir sind direkt über einer Sprinkleranlage!“ Er rückte den Wagen geschwind einen halben Meter zur Seite und startete mit dem Feuerwerk. Leider wurde dazu das Restaurant nicht abgedunkelt, sonst wäre die Atmosphäre noch ein klein wenig schöner gewesen, eventuell wie auf dem Traumschiff, aber traumhaft war die Zeremonie auch so, mit dem wunderschönen Alpenpanorama, welches gleichwohl in der Dunkelheit nicht so recht hervorzutreten vermochte.

Ja, dieses Alpenpanorama. Es wird nicht nur in den Prospekten und Restaurantführern gelobt, auch die Hotelmitarbeiter versäumten es nicht, uns sogleich bei der Buchung für die Silberdistel auf dieses Naturschauspiel im höchsten Stock des Resorts aufmerksam zu machen. Nun war es ein winterlicher Abend, und die Nacht hat immer auch ihre Schattenseiten, wären wir im Juli dagewesen, dann hätte uns das Panorama bis 22.00 Uhr geleuchtet. Doch jetzt gab es für uns statt Alpenglühen beschwipste flammende Äpfel.

Der kulinarische Reigen begann mit frischen Steinpilzen. Diese hatten uns bereits am Eingang so richtig lüstern angeschaut, zumal der Service betonte, dass sie am selbigen Tag vom Koch höchstpersönlich gefunden worden seien. Jetzt kamen sie zu uns an den Tisch, kräftig angebraten und über Spaghettini ausgelegt. Der Service goss zwei Saucen hintereinander an: Zunächst einen Gänseleberschaum, zum waldigen Aroma der Pilze mit angenehmer Süße versehen, zudem leicht brandig, den vergangenen Sommer im Wald betonend. Die zweite Sauce war eine Kalbsjus, wunderbar stark reduziert, wobei ihr leicht ins Bittere gehende Aroma das süßlich-brandige der ersten Sauce perfekt in der Balance hielt.

Das Highlight vor dem Desserts war ein ganzer frischer Maine-Hummer (600 Gramm, 43 €). Er kam in bestem Allgäuer Wasser gekocht auf einem Tranchiertisch bei uns an, wurde fachgerecht laut krachend zerlegt und mit seinen einzelnen Teilen vor drei mächtigen Schalen präsentiert. In diesen Schalen befand sich Knoblauch-Mayonnaise, Avocado-Mus und die so beliebte pinkfarbene Cocktailsoße. An allen Teilen des Hummers wies ein starker Eiweißbelag auf die Frische des Tieres sowie auf die Reinheit des Wassers hin, in welchem er so prächtig fest gekocht worden war. Zuerst wussten wir nicht so recht, wie wir die Hummerteilchen mit den Saucen arrangieren sollten, aber ein Ehepaar am Nachbartisch, welche ob seines seriösen Alters und der Gewandtheit beim Essen dieses Silberdistel-Traditionsgerichts schon reichlich Erfahrung ausstrahlte, wies uns den geeigneten Weg: Einfach mit zwei Fingern ein Hummerteil ergreifen, in eine der Saucen tunken, den Mund öffnen und rein damit, sodann viel kauen und dabei genüsslich das Glas Weißwein leeren, zuletzt sich gegenseitig anschauen und zustimmend nicken. Ja, was so richtige Gourmets sind in diesem Gourmet-Restaurant, die können jedem jungen Spund wie mir etwas vormachen.

Rooms with a View

Kai Schneller bietet eine Mischung aus Haute Cuisine und hochwertig regionaler Alpenküche. Weltnauer Lamm, Helmertinger Bachforelle und Allgäuer Kalb stehen neben geangeltem Wolfsbarsch und Brandade vom St. Pierre. Menüpreise: 88 – 125  € (vier bis sechs Gänge), mit Weinbegleitung 109 – 160 €.  Bretonischer Hummer, Maine-Hummer und Hällisches Ferkel gehören zu den Hausklassikern.

Noch ein offenes Wort zu den Weinen. Oft hört der Gast vom Sommelier den Hinweis: „Der Wein braucht noch etwas Luft. Geben Sie ihm eine Chance!“ Wir hatten eine Weinbegleitung gewählt. Offenbar waren die für uns ausgesuchten Flaschen schon zu lange geöffnet, jedenfalls wiesen die Weine keine Eigenheiten oder gar einen Charakter mehr auf und erwiesen sich als klinisch tot. Wenn Weinbegleitung mit der Entsorgung von missliebigen Flaschen einhergeht, fühlt sich der Gast um ein Vergnügen gebracht und an der Nase herumgeführt. Höflich formuliert.

Vor zwei Jahren öffnete sich die Silberdistel auch für Gäste, die nicht zugleich Gäste des Hotels sind. Kurz danach verlieh der Michelin dem Lokal einen Stern. Eigentlich hätte es ein „Stern Memorabile“ sein müssen, für die grandiose Bewahrung kulinarischer Standards aus einer Zeit vor über dreißig Jahren. Nachdem die französische Kochkunst von der UNESCO in den Rang eines Weltkulturerbes erhoben worden ist, was aber ausschließlich damit zu tun hat, dass die Franzosen sich in den internationalen Gremien immer vordrängeln und vehement einen kulturellen Ausgleich für die ökonomische Dominanz der Deutschen fordern, worauf der deutsche Antrag auf Würdigung der Currywurst wieder einmal international abgebügelt wurde. Also, nachdem die Franzosen dies international erreicht haben, sollten wir das nationale Selbstbewusstsein aufbringen und diese Küche der Silberdistel als deutsches Koch-Kultur-Erbe staatlich schützen. Dann wäre es nämlich auch noch den Generationen nach mir möglich, Hummer mit Cocktailsoße und flambierten Apfelschnaps mit deutschen Boskop zu erleben.

Restaurant Silberdistel im Hotel Sonnenalp, 87527 Ofterschwang, www.sonnenalp.de

Das Hotel bietet vom Standard-Einzelzimmer bis zu romantischen Alpen-Chalets vielfältige Unterbringung an, alles in schönem Landhausstil. Von den Balkonen genießen die Gäste ein sagenhaftes Alpenpanorama. Die Sonnenalp zählt zu den beliebtesten deutschen Ferienhäusern, 80 Prozent Stammgäste, vor allem gesetzten Alters, belegen dies deutlich. 2000 Quadratmeter großer Wellnessbereich, Medical-Spa, Saunawelt, Quellengarten mit Felsen-Hot-Whirlpools, Schwimmbad mit beheiztem Außenpool. Der 18-Loch-Meisterschafts-Golfplatz liegt nur 500 Meter vom Resort Sonnenalp entfernt.

Photo Credit: Sonnenalp (5), Klaus Leciejewski (1)

 

Über den Autor

Klaus Leciejewski betreibt das Internetportal Gourmet-Kritik www.gourmetkritik.de, wo er auf seine eigenwillige Weise Restaurants und Köche in aller Welt kommentiert, aber auch Kochbücher und Gourmet Guides rezensiert. Der promovierte Wirtschaftsexperte und ehemalige Unternehmensberater und Headhunter ist inzwischen als Autor tätig, schreibt für Zeitungen und publiziert Bücher (hier klicken).

Klaus Leciejewski