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Wunderbar statt Molekular: Restaurant-Kritik Juan Amador

Amador goes Classic

 

Von Ludwig Fienhold

Es ist vielleicht kein Zufall, dass Juan Amador in wirtschaftlich schwacher Zeit besonders stark in der Küche ist. Er hat seinen Stil spürbar geändert und kocht jetzt vitaler und ausdrucksvoller. Kein Nebel mehr am Tisch, kein Kampf der Texturen. Nicht Dynamit führt zu Geschmacksexplosionen – eine Gänsefeder kitzelt die Sinne. Kurzum: Juan Amador hat den Hexenkessel verlassen und kocht wieder mit Wasser.

Der juvenile Schabernack ist passé, die Küche ist erwachsener geworden. Das zeigen bereits die Appetithappen, bei Amador leger „Tapas & Snacks“ genannt: Mannheimer Schweinsbraten, Himmel & Erde und Caesar Salad sind mit viel Empfinden für Optik entworfene delikate Miniaturen. Der Taschenkrebs mit Erbsen-Gazpacho, Ziegenkäse und Olivenkrokant ist ebenso von Raffinesse, wie der Blumenkohl mit kühler weißer Schokolade, Imperial-Kaviar und Arganöl. Die feinfühlige Kombination aus Entenlebermousse,  Räucheraal, Grünem Apfel und Holzkohleöl sieht ihre Aufgabe weniger darin, einen Akkord zu erzeugen, sondern schmeckt einfach saugut. Ein energetisches Gericht, das auch auf dem Rezeptzettel von Medizinmännern stehen könnte, ist das leicht asiatisch gewürzte Weiderind mit einer im Sake-Becher servierten mitreißenden Emulsion aus Beef-Tea, Limettensaft, Ingwer und altem Balsamico. Einen solchen Trunk möchte man sich für zu Hause in Flaschen abfüllen lassen und pur trinken oder über alles gießen, was in der Küche steht.

Laubfrosch

Nach diesem Auftakt an Maulbelustigern könnte man als Gast bereits glücklich, zufrieden und gesättigt sein. Alles andere ist jetzt Völlerei, aber eine ganz herrliche. Die pralle Seezunge mit feiner Grillnote, Röstzwiebel, Rindermark und deutlich reduzierter Safran-Jus ist im Vergleich zum früheren Amador schon klassisch zu nennen. Bei einer so wunderbaren und in buddhistischer Balance schwebenden „Herbstschnee“-Essenz aus intensiv duftigen Tomaten sowie zarten Königskrabben, hauchdünnem Joselito-Schinken und fermentiertem Knoblauch setzt ein alle Sinne belebender Effekt ein, der ziemlich sexy wirkt. Dazu gibt es eine Bisque aus Krustentierkarkassen, die mit ordentlich Butter hochgezogen wurde, und im Grunde schon ein Gericht für sich ist. Carabinieros, bei Juan Amador schon immer von bester Machart, finden auf der aktuellen Karte zu einer deutsch-spanischen Freundschaft. Die Riesengarnelen werden mit iberischem Speck und Zuckerrüben zubereitet und baden in einer Nage aus Sauerkraut, die dem Gericht eine schöne und erfrischende Säurestruktur verleiht.

Der Teller namens „Laubfrosch“ ist wirklich unglaublich grün und springt einem geradezu an – erst ins Auge und dann auf die Zunge. Es existieren dabei keine Komparsen, jeder ist ein Hauptdarsteller und führt in der Gemeinsamkeit zu einem guten Stück: Jacobsmuscheln, Kalbsbries, Petersilie, Spinat. Die Muscheln sind von allererster Güte und auf den Punkt gegart, wären aber ohne die packende Aromen-Aussage von Petersilie und Spinat auf Beurre Blanc Basis weniger spannend. Längst ist die Mieral-Taube bei Juan Amador zum Evergreen geworden, niemand will und sollte darauf verzichten. Mieral ist keineswegs eine Rasse, sondern basiert auf dem Namen des Elite-Züchters Jean-Claude Mieral aus dem burgundischen Geflügelparadies, der Bresse. Das makellose zartrosa Fleisch wird bei Amador von einer saftigen Schicht von Purple Curry eingehüllt, die aus Zimtblüten, Ingwer, Gewürznelken, Kreuzkümmel, Hibiskusblüten und vielem mehr besteht. Mango- und Kokos-Applikationen setzen dezente Pointen. Juan Amador kann sich auf seine rechte Hand, Moses Ceylan, und ein junges Küchenteam stützen.

Dry Aged Beef & Rote Bete Jus

Dry Aged ist keine neue Bezeichnung für Senioren, sondern das sehr trendige Gütesiegel für perfekt und lange gereiftes Fleisch. Das neueste Gericht bei Juan Amador nimmt dieses Thema auf und setzt es mustergültig um. Das saftig-geschmeidige Rinderfilet mit Rote-Bete-Jus und Meerrettich-Kick hat ein Format, wie es nur noch in den letzten Tempeln der Haute Cuisine zu erleben ist. „Brick in the Wall“ nennt sich ein ebenfalls häufiger bei Amador zu erlebendes Dessert aus Gewürzmilch, Himbeere, Joghurt und Roter Bete. Es ist, wie die ganze Küche, von ausgeprägtem Charakter und beinahe schon stürmischem Aroma.  Bei der Patisserie kann dennoch nachgebessert werden, vielleicht auch in dem Sinne, dass nicht jeder Nachtisch süß zu sein hat. In der kulinarischen Bilanz haben wir es mit einem anderen Juan Amador als in Langen zu tun. Die Küche hat mehr Tiefgang erreicht und konnte sich von der neckischen „Ich-will-ja-nur-Spielen-Attitüde“ befreien.

Herbstschnee

Im besten Sinne gut aufgelegt und engagiert zeigt sich die gesamte Servicemannschaft aus sehr jugendlichen weiblichen und männlichen Mitarbeitern. Restaurantleiter Martin Berg und Sommelier Ivan Monreal Herrera besitzen jenen Humor, der die Gäste vom Formellen herkömmlicher Luxusrestaurants befreit. Diese Lockerheit trägt auch entscheidend zur Atmosphäre bei, nie zuvor konnte man so viele lachende Gäste und Mitarbeiter wie jetzt bei Amador erleben. Die Weinkarte setzt voll und ganz auf Deutschland und Spanien, auch zu relativ angenehmen Einstiegspreisen (Flaschen ab 30 €). Es finden sich empfehlenswerte Weingüter wie Wagner-Stempel aus Rheinhessen oder Grandioses von Vega Sicilia aus Ribera del Duero, aber die Weinkarte könnte insgesamt mehr Gesicht zeigen und auch Newcomern und Entdeckungen Platz geben. Es gibt vorzügliche Champagner, doch die spanischen Cava haben längst eine ganz große Qualität erreicht, die man bei Amador entdecken kann.

Blumenkohl unartig

Das Restaurant gleicht einem Kunstraum, Stalagmiten ragen wie rot lackierte Finger aus dem Boden und schrauben sich in einen puristisch-weißen Raum von ruhiggestellter Eleganz. So angenehm weit voneinander platzierte Tische erlebt man nur selten in Restaurants, was Zweisamkeit oder auch Truppenstärke am Platz in Befreiung ermöglicht. Die Tischkultur ist fabelhaft, die Gläser sind so leicht, dass sie zu schweben scheinen. Auf der abgeschlossenen und luftdichten Galerie dürfen Raucher in stilvollem Ambiente mit Blick aufs Restaurant qualmend pausieren. Das Haus erscheint wie eine Kunstgalerie und wird auch entsprechend genutzt. Backsteinfassade und Pool im Grünen signalisieren den Hauch Extravaganz eines individuellen Industrie-Designs, das von fader Metro-Langweile umzingelt ist (aber für ausreichend Parkplätze sorgt). Dazu passt die schwere Eingangstür des Restaurants, die in einer sonderbaren Mischung aus Kunst und Knast Einlass und Sperre zugleich ist.

Mieral-Taube

Restaurant Amador, Mannheim, Floßwörthstr. 28, Tel. 0621 85 47 496 (Reservierungen 12-18 Uhr)

Geöffnet Dienstag – Samstag ab 19 Uhr

www.restaurant-amador.de


 

 

 

 

 

 

Photo Credit: Barbara Fienhold

 




Juan Amador: Die Insolvenz soll reinen Tisch machen

Mit neuem Konzept

ins Jahr 2013

 

Von Ludwig Fienhold

Das mit drei Michelin-Sternen ausgezeichnete und zu den besten Adressen Deutschlands zählende Restaurant Amador in Mannheim hat Insolvenz angemeldet. Die bislang aus vier Partnern bestehende Amador AG wird aufgelöst. Ziel ist eine Bereinigung und Weiterführung des Unternehmens. Das Restaurant hat weiterhin uneingeschränkt geöffnet und will mit den bisherigen 16 Mitarbeitern den Betrieb aufrechterhalten. In einem ausführlichen Gespräch mit der BISS-Zeitung erklärt Juan Amador, wie er es jetzt mit einem neuen Konzept schaffen möchte.

Das Amtsgericht Mannheim hat über das Vermögen der Amador AG in Mannheim ein vorläufiges Insolvenzverfahren angeordnet. Rechtsanwältin Annette Kollmar von der Kanzlei Rochade Anwälte wurde zur vorläufigen Insolvenzverwalterin ernannt. Eine Betriebsversammlung für die 16 Mitarbeiter hat bereits stattgefunden. Mit der Bundesagentur für Arbeit werden unmittelbar erste Gespräche zur Durchführung einer Vorfinanzierung des Insolvenzgelds und damit einer zeitnahen Auszahlung der Löhne und Gehälter an die Mitarbeiter geführt. Die Kommunikation mit den Geschäftspartnern, Banken und Lieferanten, steht zur Aufrechterhaltung der Lieferbeziehungen aktuell im Fokus der vorläufigen Insolvenzverwalterin. Es wird an einem Konzept zur langfristigen Sicherung des Fortbestands des Restaurants an dem Standort Mannheim gearbeitet. Um das Restaurant auf diesem Niveau fortzuführen ist die Einbindung des 3-Sterne-Kochs Juan Amador unabdingbar. Er legte bereits sein Fortführungskonzept vor.

Erste Gespräche wegen der Übernahme des Restaurants zum 1.Januar 2013 durch Juan Amador selbst wurden geführt, um den Betrieb auch mittel- und langfristig außerhalb des Insolvenzverfahrens erhalten zu können. Als Gründe für den Insolvenzantrag sieht der Sterne-Koch bereits die Wahl der Rechtsform Aktiengesellschaft, welche das Fundament für eine Expansion unter Beteiligung von Investoren sein sollte, letztlich aber zu viele außerhalb des Restaurantbetriebs liegende Kosten produzierte. Zudem waren die übernommenen Verbindlichkeiten aus den vorherigen Standorten und Gesellschaften insgesamt zu hoch und durch den Restaurantbetrieb nicht finanzierbar.

Juan Amador: „Als einziger Drei-Sterne-Koch in Deutschland bin ich als Unternehmer komplett unabhängig, hinter mir steht kein Hotel oder sonst irgendein Unternehmen, das sich einen Sternekoch leisten kann und den Restaurantbetrieb intern bezuschusst. Insofern musste ich schon immer mehr auf die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen achten. Die Insolvenz gibt mir die Chance mich wieder auf das Wesentliche, die Kochkunst und den Restaurantbetrieb zu konzentrieren, die ich mit aller Macht nutzen möchte. Dann bin ich auch wieder in der Lage das Restaurant wirtschaftlich erfolgreich zu führen.“

Die Altlasten aus dem nicht mehr rentablen Restaurant Amador in Langen bei Frankfurt waren doch zu hoch und bereiteten ein löchriges Fundament für den Neuanfang in Mannheim. Das Küchenstudio mit zwei Wohn-Suiten in Frankfurt-Fechenheim war trotz bester Ausstattung auch eher eine Belastung als eine Bereicherung, vor allem wirtschaftlich. Die ausländischen Engagements Amadors in Moskau und Bukarest verliefen unglücklich. Es gab jedenfalls mehr Steine im Weg als Sterne am Himmel. Niemand zweifelt am Talent Amadors als Koch, viele an seinen kaufmännischen Fähigkeiten. Dabei wird Schwaben der Rechenschieber in die Wiege gelegt. Fehlte Juan Amador die Weitsicht? Ganz gewiss war er anfangs zu gutgläubig, hatte er nicht jenen misstrauischen Blick, der ihn inzwischen begleitet.

Die große Grundsatzfrage an Juan Amador: Was will er tun, damit solche Krisen wie bisher nicht mehr vorkommen? Sieht man einmal davon ab, dass derzeit eine Kostenkontrolle des Insolvenzverwalters greift, wird es nach Aussage von Amador auch ein schärferes Controlling durch ihn selbst geben, weil er früheren Mitarbeitern offenbar zu viel Spielraum einräumte. Das soll aber keinesfalls auf Kosten der Qualität gehen. Der Einkauf muss nach seinen Worten vor allem so limitiert werden, dass nicht zu viel an Waren bestellt wird. Der Wareneinsatz wird sich künftig auf gut 35 Prozent belaufen, mit dem auch andere Spitzenköche wie Tim Raue in Berlin klarkommen.

Zudem möchte sich Amador von der Kapitalbindung eines kostspieligen Weinkellers befreien und Weine nur noch auf Kommission einholen. Das schafft erheblich Luft: „Der Wein wird erst bezahlt, wenn er getrunken ist.“ Amador möchte außerdem lukrative Partnerschaften forcieren, wie die bereits bestehende mit „Liz“, der Design-Marke der Hassia-Gruppe. Sein Drang zu Beraterverträgen kennt nach wie vor keine Grenzen, New York, Tokio und Singapur sind greifbar. Abgeschlossen ist dagegen Bangkok mit dem Restaurant Water Library Thonglor. Dort hat Amdor eigene Köche im Einsatz, die Küche arbeitet nach seinen Worten auf dem Niveau von einem Michelin-Stern. Auch die Weinkarte ist ungewöhnlich gut, gerade für Asien. Trotz hohen Anspruchs geht es leger zu.

Das Restaurant Amador in Mannheim wird künftig vor allem bei der Preispolitik anders positioniert als bisher. Das enorm aufwendige Menü für 230 Euro bleibt als Basis, erfährt aber verschiedene Varianten. Geplant sind zwei bis drei Signature Dishes, also Highlights der Küche, die mit einigen Tapas ergänzt angeboten werden. Und das zu kleineren Preisen. „Nicht jeder hat gerade unter der Woche Zeit vier Stunden lang viele Gänge zu essen“, meint Juan Amador. Weil lange Restaurantbesuche Körper, Geist und Seele belasten, soll künftig ohne jede Hektik auch ein eher schnelles Ende des Restaurantbesuchs einzuplanen sein. „Um 22 Uhr muss die Messe gesungen sein“, meint Amador. Soll heißen, dann ist der Hauptgang durch. Das Restaurant Amador in Mannheim verändert sich durch die neue Situation in keiner Weise. Die sieben Tische und 25 Plätze bleiben wie sie sind. Das puristisch-moderne Ambiente ebenso.

Juan de la Cruz Amador Perez, 1968 geborener Schwabe spanischer Abstammung, gehört zur europäischen Avantgarde und zählt zu den am höchsten dekorierten Köchen weltweit. Bereits im Jahr 1997 erkochte Juan Amador seinen ersten Michelin-Stern, fünf Jahre später folgte der zweite Stern. Im Februar 2004 eröffnete er sein eigenes Restaurant „Amador“ in Langen und erhielt bereits vier Jahre später die höchste Bewertung des Guide Michelin: Drei Sterne. Im August 2011 zog das Amador nach Mannheim um und wurde 2012 wiederum mit drei Michelin-Sternen und 18 Punkten im Gault Millau ausgezeichnet.



Restaurant Amador, Floßwörthstraße 38, 68199 Mannheim. Tel. 0621/8547496

www.restaurant-amador.de

 

Photo Credit: Barbara Fienhold

 




Besuch beim feigsten Gastronomen

Restaurant-Kritik

Die neue Brasserie

Mon Amie Maxi

 

Kann man ein Lokal mit einem Namen wie Mon Ami Maxi überhaupt ernst nehmen? Wir springen über den  Schatten des Betreibers Christian Mook und versuchen die Sonnenseiten zu entdecken.

Das Lokal ist günstig an der Bockenheimer Landstraße gelegen, just in dem ehemaligen schönen Postamt in der Villa May, in das der Suhrkamp Verlag stets seine Briefe und Päckchen hinbrachte (nur Margarete und Alexander Mitscherlich erhielten alles mit einem Boten, denn sie wohnten ja nicht weit). An diesem historischen Ort ist nun also ein Lokal eingezogen, das sich guter Meeresfrüchte rühmt. Beim ersten Besuch erlebten wir eisige Kälte und kühle Berechnung. Die Plat de Fruits de Mer Royal mit Meeresschnecken, Taschenkrebsscheren, Nordseekrabben, Crevetten, Austern und etwas Kaisergarant war derart frostig, dass sie jeden Geschmack betäubte. Die mit einer merkwürdigen Masse umschleimten Schnecken waren für uns gar nicht genießbar. Alles in allem für gierige 79 € überteuert.

Wir wagten einen weiteren Besuch. Es ist in diesem Lokal ja nicht alles kalt. Zumindest beim Service des charmanten Maître Sebastion Bonnier (ehemals Micro und Roomers) fühlt man sich ein wenig wie in Frankreich, wobei einige Mitarbeiter/innen sonst eher durch Ahnungslosigkeit auffallen. Das Lokal wurde massiv wie ein Themenpark inszeniert und täuscht Authentizität vor. Die Weinkarte ist ebenso berechnend. Die Suche nach guten oder gar preislich stimmigen Flaschen zieht sich in die Länge. Unter 50 € ist nichts zu entdecken. Zu Fisch und Meeresfrüchten wurde uns ein 99er Montrachet angeboten, für schlanke 299 €. Wir begnügten uns mit einem Cremant Rosé, dessen Herkunft ungefähr so nachhaltig ist wie sein Geschmack.

Die Kalbsnieren mit Kartoffelpüree wurden gerade einmal lauwarm aufgetischt und waren nach dem dritten Bissen bereits kalt. 40 Minuten nach der Essensbestellung wurde das Blech mit dem dampfenden und am Stück gebratenen Seeteufel angekarrt. Ein intensiverer Geruch bahnte sich dazu seinen Weg an unseren Tisch. Die Knoblauchfahne wurde intensiver, ebenso der Anblick des völlig überladenen Bleches mit Seeteufel deutlicher:

Ein einziges Triefen in Öl, Butter und Gemüse, eine überbackene Kruste, die etwa 4 cm hoch war und aus Leipziger Allerlei bestand. Der alte, stinkende Knoblauch legte sich über alles und zerstörte jegliches andere Aroma und den zarten Fisch sowieso. Küchenchef Alexander Roisch hat nach eigenem Bekunden über vier Jahre bei Hans Haas im Münchner Tantris gearbeitet – und dann ein solcher Faux Pas? Oje! Die geschmorten Lammschultern gerieten immerhin tadellos und wurden nicht von altem Knoblauch beherrscht.

Das Lokal will sehr französisch sein, setzt aber ganz unreflektiert internationale Weine ein, oft sehr schwache. Das vor allem zu Preisen jenseits des Akzeptablen, aber das kennen wir ja schon von den Wichtigtuern-Lokalen Ivory Club und Zenzakan von der Mook-Gruppe. Christian Mook ist übrigens der einzige Gastronom in Frankfurt, der eine solche Angst vor Kritiken hat, dass er unbequeme Journalisten nicht bewirtet. Aber es gibt zum Glück mehr unbequeme Kritiker als feige Gastronomen.

Peter Lunas

 

Mon Amie Maxi, Frankfurt, Bockenheimer Landstr. 31, Tel. 069 71 40 21 21.

 

 




Happy Birthday Louis XV !

Alain Ducasse und die Küchen-Elite

der Welt in Monaco

 

Von Frankreich-Korrespondent Jörg Zipprick

Der 25.Geburtstag des Louis XV Restaurants in Monaco war mehr als ein Galamenü für 250 Starköche. Er war eine Demonstration der Stärke der französischen Küche.

Alain Ducasse lud ein und fast alle kamen: Die Spitzenköche Jean Paul Abadie aus Lorient in der Bretagne und Zhenxiang Dong aus Peking. Aus Spanien reisten Andoni Aduriz, Elena Arzak, Quique Dacosta, Juan Roca, Angels und Regina Santamaria an, aus den USA flogen Terrance Brennan und Daniel Boulud ein, aus Indien kam Hemant Oberoi, aus Japan Hiroshi Nakamishi, aus Italien waren Massimiliano Alajmo, Massimo Bottura, Heinz Beck dabei. Rene Redzepi aus Kopenhagen war ebenfalls mit von der Partie, die Schweiz war unter anderem mit Philippe Rochat vertreten, aus deutschen Landen waren Harald Wohlfahrt und Heinz Winkler dabei. Frankreichs Küchenelite zeigte sich fast vollständig, von Pierre Troisgros über Marc Haeberlin und Anne-Sophie Pic zu Joel Robuchon. Nur Paul Bocuse fehlte, meldete sich jedoch am späten Abend per Telefon.  „Hier sind alle kulinarischen Stilrichtungen versammelt“ erklärte Alain Ducasse.

Wissen die Topköche wo es langgeht?

Natürlich wurde anlässlich des 25. Geburtstags des Louis XV gut gegessen und getrunken: So gab es hängend gegrillte Langusten und Hummer mit Steinpilzen, live vor den Augen der Gäste im „Grill des Hôtel de Paris“ zubereitet. Beim großen Galadiner gab´s Gamberoni aus San Remo nebst Kaviar (erstklassige Zuchtware von Schrenki-Stören aus China), Dinkelrisotto mit Artischocken und weißen Trüffeln, Fischsuppe, Tourte vom Federwild mit getrüffeltem Salat, danach Äpfel und Quitten mit Milcheis. Das alles begleitet von Dom Pérignon  Rosé 2000 und 1995, Dom Pérignon Oenothèque 1993, „Y“ von Yquem 2009, Cheval Blanc 2004, Château d’Yquem 1988 und schließlich Hennessy Paradis Impérial.

Wesentlich interessanter als die Tatsache, dass all dies sehr gut schmeckte und für 500 Personen mit verblüffender Präzision und wohldosiertem Rhythmus serviert wurde, ist jedoch all das, was auf diesem Gipfeltreffen gesagt wurde: Ob die französische Küchenwelt sich denn nicht faul auf ihren Lorbeeren ausruhen würde, fragte da etwa ein britischer Pressevertreter. Ducasse antwortete, er begrüße es sehr, dass heute überall auf der Welt gut gekocht würde. Aber Frankreich hätte gegenüber anderen Ländern küchenhistorisch gesehen einen Vorsprung und Verdienste, die sich schwer leugnen ließen. Der schottische Küchenchef Tom Kitchin aus Edinburgh ergänzte: „Sorry Englishman, aber in allen Ländern gibt es faule und fleißige Menschen.“

Louis XV Restaurant

Die fragwürdige Liste der San Pellegrino 50 Best? Es gäbe heute viele Ranglisten, meinte Ducasse, alles was die Küche ins Gespräch bringt, sei doch gut für die Branche. Der monegassische Spitzenkoch gab sich sehr konsensorientiert als Sprecher der gesamten Branche, als eine Art Bocuse für das 21. Jahrhundert. Auch Joel Robuchon, der in Frankreich immer wieder als Ducasse-Rivale dargestellt wird, erkannte das an: „Er ist ein „Einiger „ („rassembleur“), der fähig ist all diese Köche anreisen zu lassen“ erklärte er Reportern der Lokalzeitung „Monaco Matin“. Unterstrichen wurde der hohe Qualitätsanspruch durch einen Markt mit lokalen Produkten: knackige Gemüse, frischester Fisch, Krustentiere wie Languste und Bärenkrebse, Wild, dazu vor Ort gekochte kleine Gerichte: Auch Prince Albert ließ sich die Gamberoni von Fulvio Pierangelini schmecken.

Den Kollegen gab Alain Ducasse ein paar Worte mit auf den Weg: „Der Koch interpretiert den Reichtum der Natur. Seine Küche respektiert den Eigengeschmack jedes Produktes. Ein Koch verteidigt die Umwelt durch seine Auswahl der Produkte. Lokale Produzenten sind seine wichtigsten Alliierten: Die Produkte erzählen eine Geschichte, die der Koch durch seine Rezepte erzählt. Der Dialog zwischen Koch und Produzenten verbindet beide in ihrer Suche nach Geschmack.“ Dass diese Sätze je nach Küchenrichtung verschieden aufgefasst wurden, war auch einem Alain Ducasse klar. Doch, wie er es selbst ausdrückte: „So ein Geburtstag ist ja auch eine Gelegenheit, die Dinge gerade zu rücken.“

 

 

 

 

 

 

 

Foto oben rechts: Alain Ducasse (r.) und Prinz Albert von Monaco

Photo Credits:  realis photo, Monaco




100. Ausgabe Quiz mit Biss und Genuss-Gewinn

Wenn Sie drei Fragen richtig beantworten, dann können Sie ein genussvolles Wochenende in einem der schönsten Lustschlösschen in Deutschland verbringen.

 

 

DER PREIS

Eine Übernachtung im Kronenschlösschen in Eltville im Rheingau in einer Juniorsuite mit Frühstück und Gourmetdinner im Restaurant sowie begleitenden Weinen aus dem Rheingau, Mineralwasser und Café für zwei Personen.

Kronenschlösschen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

DIE FRAGEN

1.Wie heißt der Küchenchef vom Hotel Kronenschlösschen in Eltville im

Rheingau?

2. Von welchem deutschen 3-Sterne-Koch ist in dem BISS-Artikel über das

Rheingau Gourmet- und Wein-Festival 2012 die Rede?

3. Wie heißt der bekannte deutsche Sommelier und Weinberater, der in unserem

Werbeblock auf der rechten Seite einen Anzeigenbanner unterhält?

 

 

 

 

 

 

 

TEILNAHMEBEDINGUNGEN

Die drei Antworten unter dem Betreff „Quiz mit Biss“ an die Email-Adresse info@fienholdbiss.de senden. Ein Tipp: Mit unserer Suchmaschine kommt man schneller an die Lösung.

Einsendeschluss ist der 14. Dezember 2012. Die richtigen Antworten werden in der letzten Dezember-Ausgabe bekanntgegeben. Der Gewinn wird durch Los entschieden. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Mitarbeiter der BISS-Zeitung können nicht an dem Quiz teilnehmen. Mehrfache Einsendungen durch einen Teilnehmer werden bei der Gewinnermittlung nicht berücksichtigt. Dasselbe gilt bei Einsendungen durch Gewinnspiel-Agenten oder Gewinnspiel-Clubs. Eine Barauszahlung des Gewinns ist nicht möglich, ebenso eine Weitergabe an Dritte.

Die Einsender erklären sich bereit, unseren kostenlosen und jederzeit kündbaren Newsletter zu erhalten. Die Mailadressen werden nicht an Dritte weitergegeben. Der Gewinner wird im Januar 2013 in der BISS-Zeitung bekanntgegeben.

Frankfurt, 3. November 2012

 

Die 100. BISS-Zeitung

 

Wir möchten einmal kurz Florett, Messer und Gabel beiseite legen und zum Glas Champagner greifen, um mit Ihnen anzustoßen! Uns – und hoffentlich auch Ihnen – sind die ersten 100 Ausgaben unseres kulinarischen Genuss-Magazins im Internet sehr wohl bekommen. Wohl im Sinne von Genuss und Freude, aber auch im Sinne der Warnung davor, wo genau das fehlt. Unsere Bewertungen und Kritiken sind in erster Linie als Verbraucherberatung gedacht, die vor Reinfällen schützen sollen. Das spart Zeit und Geld. Wir sind davon überzeugt, das zu bieten, was in der Welt und auch in der Medienwelt immer mehr verloren geht: Glaubwürdigkeit, Authentizität und Individualität. Die BISS-Zeitung bringt deshalb auch viele Geschichten, die sich andere nicht getrauen zu veröffentlichen. Sei es aus Unwissen, Feigheit oder Rücksicht auf Anzeigenkunden.

Auf der anderen Seite ist es uns ein großes Anliegen Talente aus der Hotellerie und Gastronomie sowie auf allen anderen Genussebenen zu entdecken und Unbekannte und Newcomer zu fördern. Im Jahr 2013 wird es bei uns einige Neuerungen geben, die unsere Position als kritische und unabhängige Zeitung festigen. Die Schwerpunkte sind dabei Restaurant-Kritiken, Hotelberichte, Reisestories, Gastro-News, Informationen aus der Welt der Weine und Spirituosen sowie Neuigkeiten aus allen Bereichen der Lebenskultur.

Ihr

BISS-Team

Die Bildredaktion hat mit Produkten aus der Kleinmarkthalle eine 100 für den Aufmacher gestaltet, was den Speiseplan der gesamten Redaktion nachhaltig beeinflusste.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 




Gault Millau 2013 Deutschland Christian Jürgens ist Koch des Jahres

Aufstieg für Claus-Peter Lumpp

Kritik an den Krauts und grünen Flausen

 

 

Christian Jürgens vom Althoff-Hotel Überfahrt am Tegernsee wird vom Gault & Millau Deutschland 2013 zum Koch des Jahres gekürt.  19 Punkte für Claus-Peter Lumpp aus Baiersbronn. Watsch’n für genussarme Modeköche. Heftige Kritik an aktuellen Trends: geheuchelte Regionalität, grüne Desserts und minimalistische Speisekarten

„Regionalität gilt zwar als Mega-Trend, aber die Köche, die sich dem Thema wirklich mit viel eigenem Engagement widmen, bilden eine kleine Minderheit. Allzu oft bleibt es beim Lippenbekenntnis zur Heimat. Man setzt ein, zwei regionale Alibi-Produkte auf die Karte und ordert per Telefon bei geschäftstüchtigen Großhändlern, die allen Köchen die gleichen „Neuheiten“ andrehen. Das Ergebnis: Von Sylt bis Garmisch bekommt der Gast austauschbare Produkte und uniforme Geschmackserlebnisse.“ Das beklagt der aktuelle Gourmet Guide Gault & Millau Deutschland, der gerade in München im BMW-Turm vorgestellt wird.

Seehotel Überfahrt

Ausführlich beschäftigen sich die Restaurantkritiker in der 30. Ausgabe ihres Guides auch mit anderen aktuellen Trends. Sie kritisieren die Hinwendung zu Kraut und Gemüse im Dessert und geben zu bedenken, „dass bei dieser von der nordischen Küche inspirierten und hierzulande in deutscher Gründlichkeit nachvollzogenen Huldigung der Rohkost übersehen wird: Wenn das Hirn bereits deutliche Sättigungssignale sendet und der Gaumen durch das Wechselspiel unterschiedlicher Aromen ermattet ist, hat nur eine Geschmacksrichtung noch eine echte Chance, weil sie ganz anders ist: das Süße.“

Ausdrücklich begrüßt der Guide das wachsende Interesse „an Küchenstilen aus Fernost, die unsere Esskultur in Zukunft nachhaltig prägen werden“ und „zu verschlankten, fokussierten Weinkarten mit klarem Profil“. Scharf kritisiert er „den Trend zur minimalistischen Speisekarte, die den Gast entmündigen will“ und „die zunehmende Phantasielosigkeit in deutschen Küchen: Unter dem selbst auferlegten Druck, ständig neue kreative Gerichte zu produzieren, entdeckten viele Köche das Internet als Inspirationsquelle. Man kopiert gedanken- und beziehungslos jede gute Idee, die dadurch ganz schnell zur modischen Albernheit degeneriert wird.“

Zum Koch des Jahres wird der „Weltoffenheit vorbildlich mit Heimischem verschmelzende“ Christian Jürgens vom Seehotel Überfahrt in Rottach-Egern am Tegernsee gekürt. Der 44-jährige Metzgersohn, der auch durch eine außergewöhnliche Ästhetik des Anrichtens beeindruckt, „huldigt mit Intelligenz und Ironie dem Produkt und lebt vor, wie man das Flair der Landschaft in einen Küchenstil auf der Höhe der Zeit umsetzen kann, fern jeder Volkstümelei“.  Für Gerichte wie seine ganz urig auf einem Stück Rinde servierte „Schweinerei“; eine mit Blutwurstmousse gefüllte Zucchiniblüte und eine mit geräuchertem Schweinebauch gefüllte Kartoffel, akzentuiert von süß-säuerlichen Zwiebelaromen; sein „Zarenfrühstück am See“ in einer Art Glasteller mit doppeltem Boden (oben russisch mit Kaviar, Crême fraîche, Zwiebeln und Borschtsch-Gelee; unten à la Tegernsee mit geräuchertem Saibling, Gurkensüppchen und verfremdetem Wachtelei) oder sein „Gartenfest“ mit 14 verschiedenen Gemüse-Miniaturen erhält er 19 von 20 möglichen Punkten.

Eine höhere Bewertung als der passionierte Skifahrer und Jogger Jürgens haben in dem nach dem französischen Schulnotensystem urteilenden Guide nur 4 deutsche Köche, die ihre 19,5 Punkte aus dem Vorjahr verteidigen: Harald Wohlfahrt von der Schwarzwaldstube in Tonbach dank „der unglaublichen Geschmacksintensität seiner Küche und des schon 32 Jahre währenden Kunststücks, sich und seine Küche immer wieder neu zu erfinden“; Joachim Wissler vom Vendôme in Bergisch Gladbach, dessen „experimentelle High-End-Küche neue Trends setzt und demonstriert, dass man auch mit hochklassigen heimischen Viktualien statt international gängiger Luxusprodukte in der Champions-League mithalten kann“;

Klaus Erfort vom GästeHaus in Saarbrücken, der „den Produkten das Maximum an Wohlgeschmack entlockt, die Aromen förmlich herauskitzelt und die Geschmackspapillen in einen Freudentaumel versetzt“; Helmut Thieltges vom Waldhotel Sonnora in Dreis bei Wittlich (Südeifel), „der klassisch französische Tradition mit moderner Leichtigkeit und komplexer Aromatik verbindet und in seinen nie spektakulären, aber stets makellosen Kompositionen schönste Akkorde erklingen lässt“.

Claus-Peter Lumpp (l.) und Wolfram Siebeck

In die Phalanx der mit 19 Punkten bewerteten Küchenchefs steigt Claus-Peter Lumpp vom Restaurant Bareiss in Baiersbronn auf. Aus der Begründung: „Mit neu erwachtem Selbstbewusstsein zeigt er deutliche Ansätze zu eigener Interpretation seines nach wie vor französisch-mediterran inspirierten Küchenstils. Die dekorative, tellerüberfüllende Verspieltheit scheint passé, seine für unseren Geschmack immer noch zu große Leistungsschau ist nun aber stimmig auf das Hauptprodukt bezogen“. Dieselbe Note bekommen wieder

Tim Raue vom gleichnamigen Restaurant in Berlin, „bei dessen sorgsam orchestrierten Zusammenspiel von Gewürzen und Aromen aus China, Japan und Thailand sich süße, saure, scharfe und salzige Noten gegenseitig in Schach halten wie in Fernost üblich“.

Thomas Bühner vom La Vie in Osnabrück, „auf dessen Tellern ein dekoratives Durcheinander herrscht, das ein wenig willkürlich wirkt, aber ganz genau kalkuliert ist und jeden Bissen zur sinnlichen Offenbarung steigert“;

Hans Stefan Steinheuer von Steinheuers Restaurant zur alten Post in Bad Neuenahr, der „eine untrügliche Witterung für alles hat, was in der Luft liegt. Er läuft keinem Trend hinterher, sondern greift ihn sich, wenn er vorüberzieht. Derzeit ist es das Hoch auf die Heimat, das Zurück zur Natur“;

Nils Henkel vom Schloss Lerbach in Bergisch Gladbach, der „seine Bestimmung derzeit im ‚pur nature‘ genannten Küchenstil sieht: Hinwendung zu Kräutern, Gemüse und Gewürzaromen aus der Region in höchster Vollendung“;

Heinz Winkler von der Residenz Heinz Winkler im oberbayerischen Aschau, bei dem „jeder Teller zu einem in sich geschlossenen Geschmacksuniversum wird“;

Christian Bau vom Schloss Berg im saarländischen Perl-Nennig, dessen „überperfektionierte Teller meist wie nach Lehrbuch auf dem Reißbrett entworfen und daher oft seelenlos wirken, aber stets höchst kreativ und makellos zubereitet sind“.

Von 19,5 auf 19 Punkte fällt Sven Elverfeld vom Aqua in Wolfsburg, weil er „zu viele Gerichte kreiert, die mehr auf den Wow-Effekt als auf die langanhaltende Genussbefriedigung ausgerichtet sind und mehr Ideenreichtum als Geschmacksfülle bieten“. Dies Verdikt trifft auch andere Modeköche.

Denis Feix

Auf 18 Punkte steigern sich Denis Feix vom Il Giardino im bayerischen Bad Griesbach, der „in begeisternder Leichtigkeit gekonnt Kontraste nutzt“, Christoph Rüffer vom Haerlin in Hamburg, der „dann am besten zur Geltung kommt, wenn anderen beim beschränkten Angebot die Ideen ausgehen: im Winter“, Christian Scharrer vom Buddenbrooks in Lübeck, „der die klassische Küche durch seine modernen Interpretationen glänzen lässt“, Peter Maria Schnurr vom Falco in Leipzig, „in dessen Menüs unablässig Aromenwelten und Texturen, Formen und Farben wechseln“, und Ronny Siewert vom Friedrich Franz in Bad Doberan-Heiligendamm, der „in kontrastreichen Kreationen ein Feuerwerk filigraner Aromenkunst zündet“.

Insgesamt erkochen 27 Köche 18 Punkte, die für „höchste Kreativität und bestmögliche Zubereitung” stehen; 19 und 19,5 Punkte bedeuten Weltklasse. Von den 115 deutschen Topköchen, die 18 bis 19,5 Punkte bekamen, stehen 24 in Baden-Württemberg, 18 in NRW, 12 in Berlin und je 11 in Bayern und Schleswig-Holstein am Herd.

17 Punkte erreichen erstmals 9 Köche: Jens Fischer vom Freundstück in Deidesheim („saftiges Milchlamm orientalisch interpretiert mit Kurkuma, Kichererbsen, Kopfsalat, Aubergine und Limonenjus“), Norman Fischer vom La Terrasse in Bremen („Zanderfilet mit gepfeffertem Kalbsjus, pfiffiger Sauerkrautcreme und weißen Weintrauben“), Sebastian Frank vom Horváth in Berlin („gebratene Entenstopfleber mit Schafsjoghurt, säuerlichen Gurken, Senfmayonnaise und Liebstöckel“), Sonja Frühsammer vom Frühsammers in Berlin („kunstvolle und einfallsreiche Arrangements aus Salaten, Gemüse und kleinen Pilzen“), Axel Krause von der Oberländer Weinstube in Karlsruhe („Hummer auf Passionsfruchtmus mit Erbsen und glasierten Karotten“), David Mottl vom Marco Polo in Wilhelmshaven („Brathähnchen-Creme mit Bratkartoffel-Gelee, Rückenstückchen, knuspriger Haut und Hähnchenlebercreme“), Sebastian Prüßmann von der Villa Hammerschmiede in Pfinztal bei Karlsruhe („Heilbutt mit schmelzender Gänseleber, Kartoffel-Risotto in Nussbutterschaum und purem Rahmspinat“), Jens Rittmeyer vom Kai 3 in Hörnum/Sylt („schön angerichteter ‚Waldspaziergang‘ mit Steinpilz-Eis, Pfifferlingen, wilden Kräutern und Beeren“) sowie Benjamin Unger vom St. Andreas in Aue/Erzgebirge („Hummer mit Guave, Papayasalsa und Vanille“).

Sarah Henke

Weil sie „Fernöstliches in hierzulande seltener handwerklicher und geschmacklicher Perfektion“ bietet, wird die gebürtige Südkoreanerin Sarah Henke vom Spices in List auf Sylt Aufsteiger des Jahres. Für Gerichte wie ihr „Duett aus gebratener Meeräsche und gegrilltem Pulpo auf Spinat-Sesamgemüse und Algensalat mit Rauchtee-Fond und Nashi-Birnen-Püree“ bekommt sie 16 Punkte. Den aus London nach Deutschland heimgekehrten, „herrlich unangestrengt, manchmal spielerisch, aber stets durchdacht kochenden“ Oliver Röder, 28, aus Bembergs Häuschen in Euskirchen (Eifel) stellen die Tester als Entdeckung des Jahres vor. Er fiel durch Gerichte „wie ‚Herrengedeck‘ (Ochsenschwanzsuppe im Cognacschwenker, daneben eine Art gläserner Aschenbecher mit Asche aus Äpfeln und einer Zigarre aus in Teig gerollten, unglaublich saftigen Ochsenschwanzstücken) oder Schwarzfederhuhn mit Speck, süßem Selleriepüree, knackfrischem Apfel sowie Salbei als Würzblätter und Sorbet“.

 

Außer dem Koch, dem Aufsteiger und der Entdeckung des Jahres zeichnet der Guide noch weitere kulinarische und gastronomische Leistungen aus:

Oberkellner des Jahres: Antje Kirsch vom Caroussel in Dresden,

Sommelier des Jahres: Thomas Sommer vom Schloss Lerbach in Bergisch Gladbach bei Köln,

Restaurateur des Jahres: Michael Käfer, der vom Bundestag in Berlin über das Oktoberfest bis in

die BMW Welt von München gastronomisch engagiert ist,

Menü des Jahres: Josef Bauer vom Landgasthof Adler in Rosenberg (Württemberg),

Pâtissier des Jahres: René Frank vom La vie in Osnabrück,

Kochschule des Jahres: Ingo Holland vom Alten Gewürzamt in Klingenberg am Main.

 

Spices Sylt

858 Restaurants ausgezeichnet, darunter 91 in den neuen Bundesländern

Insgesamt bewertet der alljährlich wegen seiner strengen Urteile und deren zuweilen sarkastischer Begründung von den Köchen gefürchtete, von den Gourmets mit Spannung erwartete Gault Millau in seiner neuen Ausgabe 1040 Restaurants. Die 26 Tester, die stets anonym auftreten und dieses Jahr 276.700 € Spesen machten, verleihen 858 Luxuslokalen und Landgasthöfen, Bistros und Hotelrestaurants die begehrten Kochmützen. Dazu müssen die Köche mindestens 13 von 20 Punkten erreichen, was einem Michelin-Stern nahe kommt.

Das schaffen auch 91 Küchenchefs in den neuen Bundesländern. An ihrer Spitze stehen mit 18 Punkten Peter Maria Schnurr vom Falco in Leipzig, Dirk Schröer vom Caroussel in Dresden und Ronny Siewert vom Friedrich Franz in Bad Doberan-Heiligendamm.Ihnen folgen mit 17 Punkten Marcello Fabbri vom Restaurant Anna Amalia in Weimar,Benedikt Faust vom Berliner Salson in Göhren auf Rügen, Tillmann Hahn vom Butt in Rostock-Warnemünde,Oliver Heilmeyer vom 17fuffzig in Burg (Spreewald),Stefan Hermann vom Bean & Beluga in Dresden, Detlef Schlegel vom Stadtpfeifer in Leipzig sowie Benjamin Unger vom St. Andreas in Aue.

Oliver Roeder

Da auch die Welt der Gourmandise im ständigen Wandel ist und die Plätze im Feinschmeckerparadies immer wieder neu gerührt und erkocht werden, serviert der Gault&Millau im Vergleich zur Vorjahrsausgabe 106 langweilig gewordene Restaurants ab und nimmt 89 inspirierte Küchen neu oder wieder auf. Je 124 Köche werden höher oder niedriger als im letzten Guide bewertet.

Ferner beschreibt und klassifiziert der im Münchner Christian Verlag erscheinende Reiseführer für Genießer (808 Seiten, 29.95 €) 350 Hotels. Auf der Burg Schwarzenstein in Geisenheim am Rhein kürte er den gläsernen Rauchsalon zur Cigar Lounge des Jahres. Als zusätzliches Schmankerl bietet der Guide auf 50 Seiten Restaurants und Hotels in Südtirol.

 

Die Bestenliste auf einen Blick mit einem Klick

Gault & Millau Bestenliste 2013

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 




Haute Cuisine im Frischeparadies

Spitzenköche zu Gast im Markt

Das Bistro hat immer Zulauf

 

Im Frischeparadies in Frankfurt-Griesheim ist es oft sehr lebendig, doch diesmal war die Stimmung besonders fidel. Während sonst Köche und Gäste getrennt sind, wurde hier der ganze Markt ein einziges großes Restaurant, bei dem sie alle beim Essen zusammenfanden.

Zwischen Weinregalen und Fischkühltheken servierten live an ihren Stationen Topköche aus der Rhein-Main-Region schönste Delikatessen: Michael Kammermeier (Ente im Nassauer Hof in Wiesbaden), Thomas Macyszyn (Navette im Columbia Hotel in Rüsselsheim), André Großfeld (Leib & Seele in Friedberg), Patrik Kimpel  (Kronenschlösschen Hattenheim im Rheingau), Carmelo Greco vom gleichnamigen Restaurant in Frankfurt musste sein Team schicken, das für das Dessert sorgte. Über diesen Tag hinaus ist das Frischeparadies durch sein amüsantes Bistro aber immer ein beliebtes Zeil bei allen, die den Markteinkauf mit einem leckeren Happen und einem guten Glas Wein verbinden wollen.

Michael Kammermeier (l.) und Michael Macyszyn

Wenn man bedenkt, dass die Köche ihre bestens ausgestatteten Küchen gewissermaßen gegen Campingkocher austauschen mussten, ist die Leistung noch mehr zu loben. Patrik Kimpels Seezunge mit Ochsenschwanzravioli war ebenso ausgezeichnet, wie André Großfelds Black Cod mit Lardo und Perlgraupen. Die Maisente von Michael Kammermeier hatte Format und schmeckte sogar am Schluss noch kalt noch hervorragend. Besonders raffiniert fiel die Foie Gras mit Aal, Melone und Misocreme von Thomas Macyszyn aus. Sommelier Kai Schattner und das Frischeparadies-Team kredenzten dazu mit Schwung ausgesuchte Weine, unter anderem von Battenfeld-Spanier und dem großartigen Aufsteiger des Jahres vom Gault Millau Wein-Guide, dem Gut Hermannsberg. Für 129 Euro gab es jedenfalls viel Gutes.

Das Frischeparadies in Griesheim ist vor allem Gastronomen als erstklassige Einkaufsadresse bekannt, dabei steht sie jedoch jedermann offen. Dort befindet sich auch ein amüsantes und gutes Bistro. Kein wirkliches Lokal, sondern eine Theke inmitten eines Topladens mit frischem Fisch und Meeresfrüchten, handverlesenen Weinen und anderen interessanten Produkten. Man kann beste Rohstoffe und Erzeugnisse kaufen, Fleisch, Wurst, Käse, Geflügel, Pasta, Brot, Gemüse, Gewürze.

Krönen lässt sich der Einkauf mit einem Besuch im Bistro, das nur mittags geöffnet hat. Das hat keinen Schick, aber Charme und Charakter. Man tafelt wie in einer Markthalle. Die 15 Sitze an der Theke und die vier Hockerplätze daneben sind schnell besetzt, vor allem freitags und samstags brummt der Laden, muss man reservieren. An der Frischetheke gibt es Steinbutt, Wolfsbarsch, Seezunge, Dorade, Kabeljau und 70 weitere Fische und Meeresfrüchte, die man sich aussuchen und an Ort und Stelle zubereiten lassen kann. Es existieren nur wenige Plätze, wo man gleich einen ganzen Steinbutt bekommt, dessen Fang keine 30 Stunden zurückliegt. Man muss zum Einkaufspreis 12 € Zubereitungzuschlag bezahlen. Jürgen Mahlmann werkelt in seiner offenen Küche vor den Augen der Gäste. Er behandelt den Fisch puristisch, kocht und würzt beherzt. Seine Bouillabaisse schmeckt etwas anders als die gewohnte und wird mit Safran, Fenchel, Karotten, Tomaten, Zwiebeln und Knoblauch gehaltvoll fast schon wie ein Eintopf zubereitet. Gut sind auch die Pastagerichte, vorzugsweise mit Meeresfrüchten. Schon beim ausgezeichneten Oliven- und Walnussbrot mit Olivenöl und Fleur de Sel merkt man den Willen zur Qualität. Die Preise erscheinen moderat, ein stattlicher Fischgrillteller kostet 16,90 Euro, der halbe Hummer wird gerade einmal mit 13,90 Euro berechnet. Probiert haben sollte man auch das Rinderhacksteak. Auf der Schiefertafel stehen täglich eine Handvoll neue Gerichte, Fisch ist immer dabei.

André Großfeld

Für das Frischeparadies arbeitet mit Kai Schattner als Weinsachverständiger ein altbekannter Profi, der zuvor im Sternerestaurant Ente im Nassauer Hof in Wiesbaden tätig war. Er hat für das Frischeparadies in Zusammenarbeit mit sieben ausgesuchten Winzern unter dem Begriff Cuvée Paradies eine eigene Serie herausgebracht, die durchweg glänzt. Die trockene Riesling-Spätlese Hattenheimer Wisselbrunnen von Schloss Reinhartshausen aus dem Rheingau ist ein mineralisch, frischer, zartfruchtiger Tropfen mit belebender Würze. Der Spätburgunder von Friedrich Becker aus der Pfalz duftet verwegen nach dunklen Beeren, Rauch, Speck und Vanille. Im Frischeparadies stehen immer acht offene Weine und ein Champagner parat. Man kann sich aber auch unter den weiteren 700 Flaschen umsehen und eine auswählen – zum Verkaufspreis kommen nur noch acht Euro Korkgeld hinzu.

LF

 

 

 

Frischeparadies, Frankfurt-Griesheim, Lärchenstr.101, Tel. 069 380  323 0. Geöffnet Mo. – Mi. 8 bis 18 Uhr, Do. – Fr. 8 bis 19 Uhr, Sa. 8 bis 16 Uhr. Bistro Tel. 069 380 323 86. Geöffnet Di. – Fr. 11.30 bis 15 Uhr, Sa. 11.30 bis 14.30 Uhr. Montag geschlossen. www.frischeparadies.de

Bild oben rechts:  Foie Gras, Aal, Melone und Misocreme von Thomas Macyszyn

Photo Credit: Barbara Fienhold

 

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Gault Millau: Die besten Köche Hessens

Greco und Krolik steigen auf 

 

Carmelo Greco und Andreas Krolik aus Frankfurt kochen sich im neuen Gault & Millau 2013 in die Küchenspitze des Landes. Viel Auftrieb gibt es im kulinarischen Mittelfeld. Alfred Friedrich vom Lafleur im Frankfurter Palmengarten ist nicht mehr unter den Topköchen zu finden.

 

Die Frankfurter Carmelo Greco vom Carmelo Greco und Andreas Krolik vom Tigerplast kochen sich in der aktuellen Deutschlandausgabe 2013 des Restaurantführers Gault & Millau in die Klasse der Köche mit „höchster Kreativität und bestmöglicher Zubereitung”.

Greco beeindruckte durch „eine schlanke, präzise, sinnliche und mitunter wunderbar süffige Küche. Voller Grandezza der Hummer-Risotto oder das zarte Milchferkel mit Apfelcannelloni“. Der aus Baden-Baden von Brenner´s Park-Hotel gekommene Krolik gefiel durch seine „modernisierte Klassik à la Törtchen aus Gänseleberterrine und gut angemachtem Rindertatar, gekrönt von Steinpilzmousse, Oxtailgelee und einem Gänselebereis, das mit Anchovis zubereitet war und so endlich einmal ein wenig Spannung in dieses mittlerweile zum Dauerlangweiler gewordene Eis brachte“. Für solch inspirierte Gerichte erhalten beide im Guide, der nach dem französischen Schulnotensystem urteilt, 17 von 20 möglichen Punkten.

Mario Lohninger

Auf 16 Punkte und damit in jene Klasse, in der nach Gault&Millau-Verständnis Kochen zur Kunst wird, kamen Mario und Paul Lohninger vom „Lohninger“ in Frankfurt dank „des bravourös gemeisterten Balanceakts zwischen gehobener Österreich-Küche und Avantgarde-Cuisine, zwischen dem besten Wiener Schnitzel der Stadt und dem Alaska-Edelfisch  Black Cod mit geräucherter Consommé“. Ebenfalls 16 Punkte erhielt Thomas Macyszyn vom „Navette“ in Rüsselsheim, „wo der Ex-Medizinstudent französische Klassik jung und frisch interpretiert und knackig gebratenem Langostino butterzart geschmortes Schweinekinn, etwas Fenchel und Orangenfilets zur Seite stellt“.

15 Punkte erkochten sich erstmals: Christoph Hesse vom „Schellers“ in Bad Homburg durch „perfekt gebratenen Lammrücken mit einem Stückchen Filet, etwas geschmortem Bauch, intensivem Jus, cremiger Polenta und verschiedenen mit Gemüsepüree gefüllten Wurzelgemüse“.

Franz Keller jr. von der „Adler Wirtschaft“ in Eltville, der „gebratene Blutwurst mit Apfel-Quittenkompott, leicht angebratenes Tatar von Kabeljau und Forelle mit klassisch köstlicher Remoulade oder butterweich geschmorte Rinderroulade mit Schafskäsefüllung in bester Produktqualität bot“.

Martina Mohr vom „Schützenhof“ in Glashütten, „zu deren Reh über ein Jahr lang eingelegte Rotweinzwiebeln und dunkelgrün gesprenkelte Brennnesselklößchen erfreuen, in denen die mit Brot und Mark vermischten Krautspitzen verarbeitet sind“

Gregor Nowak

Gregor Nowak von der „Heimat“ in Frankfurt, der „in einer Miniaturküche auf großer Flamme Gerichte wie Kaninchen mit Blaubeerrisotto, Mascarpone und Burgunderschaum brutzelt, die eitel Freude machen“.

André Rickert vom „Weinsinn“ in Frankfurt, „dessen Gerichten bei allem perfektionistischen

Streben eine lässige Heiterkeit innewohnt, wie etwa dem Seeteufel mit intensivem Beef Tea“

Dieselbe Note bekam auch das Frankfurter „Holbein’s“, dessen Küche nun unter der Führung von Mario Lohninger „unüberschmeckbar an dessen früheres ‚Micro‘ erinnert: Es gibt Sushi, Steaks, Salate, Pasta und japanisch inspirierte Fischgerichte – alles hat Klasse“.

Christoph Rainer

Platz 1 der kulinarischen Hitparade des Gault & Millau in Hessen hält mit 18 Punkten Christoph Rainer von der „Villa Rothschild“ in Königstein. „Er präsentiert in aufwendigen Inszenierungen eine hochfeine, detailverliebte und dem Spitzenprodukt verpflichtete Küche. Das Format zum zeitlosen großen Klassiker hat das gegrillte spanische Eichelschwein mit geröstetem Oktopus sowie weißen und grünen Bohnen in einer alles integrierenden Bouillabaisse. Die Entenstopfleber, mariniert und pochiert, ist immer ein Highlight auf der Karte und wird beispielsweise mit duftiger Tomate in geeister und gelierter Form, Frischkäse und Basilikumaromen serviert.“

 

Christoph Rainer folgen mit 17 Punkten neben Greco und Krolik: Patrick Bittner „Restaurant français“ in Frankfurt, der „mit seiner modern interpretierten französischen Klassik die Seine an den Main holt, typisch die saftigen Froschschenkel in Kräuterpanade mit bissfesten weißen Linsen und Gemüsewürfelchen in süß-säuerlichem Sud“.

Sven Messerschmidt vom „Schwarzenstein“ in Geisenheim, „dessenTeller echte Hingucker sind. Bei ihm windet sich ein Tatar vom Galloway-Rind wie eine Schlange, ummantelt von einem Schwarzbiergelee und dekoriert mit süßlicher Senfcreme, hauchdünnen gerösteten Zwiebelscheiben und ein paar Tropfen frisch aufgeschlagener Mayonnaise“.

Matthias Schmidt, Villa Merton

Matthias Schmidt von der „Villa Merton“ in Frankfurt, der „als mutigster Koch der Stadt nur noch deutsche, vorzugsweise regionale Produkte verwendet. Die Karte blieb besonders phantasievoll: Frankfurter Rindswurst mit getrocknetem Sauerkraut, Taube mit kurz blanchierten Radieschen-Früchten und Petersilienwurzelsud, der durch Felsenblümchen verfeinert war, oder Wacholder, Schildampfer, Speierling, Vogelbeeren und karamellisierter Fenchel für Vegetarier“.

Patrick Spies vom „L’Etable“ in Bad Hersfeld „gibt jedem seiner Hauptprodukte unbekümmert, aber nicht unbedacht mindestens vier Komponenten mit, die sich zu eigenwilligen Kreationen addieren. Der tadellosen Entenleberterrine, schön marmoriert, gönnte er einen bunten Reigen hauchdünner Chips von Apfel, Sellerie, Roter Bete und Kastanie samt herb-fruchtigem Hagebuttenmousse und geeister Entenleberpraline mit Trüffelspänen“.

Andreas Krolik

Die Tester beschreiben und bewerten dieses Jahr insgesamt 76 Restaurants in Hessen. 67 Küchenchefs zeichnen sie mit einer oder mehreren Kochmützen aus, wofür die Könner am Herd mindestens 13 von 20 möglichen Punkten erreichen müssen, was einem Michelin-Stern nahe kommt. Das schaffen auch die neu eröffneten oder erstmals bewerteten Lokale „Allgaiers“ und „Lafleur“ in Frankfurt sowie „Fellini“ in Limburg (jeweils 14 Punkte), „Weinstall“ in Castell, „Margarete“ in Frankfurt und „Treuschs Schwanen“ in Reichelsheim (je 13 Punkte). Im „Lafleur“ im Frankfurter Palmengarten enttäuschte Alfred Friedrich, seit zwei Jahrzehnten ein Liebling des Guides, durch „seltsam leblose und fade Gerichte. Weder der Steinpilztarte noch der Kombination aus perfekt gegartem St-Pierre und Kalbsbries, dem tadellosen Langostino mit Lauchterrine, die mit körniger Passionsfrucht überzogen war, oder der geräucherten Ziegenmilch zu Zwetschgen war viel Geschmack abzugewinnen.“ Im Vergleich zur Vorjahresausgabe serviert der gerne streng und bissig urteilende Gault&Millau in Hessen 10 langweilig gewordene Restaurants ab und nimmt 10 neu auf, 10 werden höher, 6 niedriger bewertet.

Bild oben rechts: Carmelo Greco

 

Die besten Restaurants des Gault & Millau in Hessen

 

18 Punkte

Villa Rothschild in Königstein

 

17 Punkte

Carmelo Greco*,Français,Tiger-Restaurant*und Villa Merton in Frankfurt

Schwarzenstein in Geisenheim

L’Etable in Bad Hersfeld

 

16 Punkte

Kronenschlösschen in Eltville

Philipp Soldan in Frankenberg (Eder)

Emma Metzler, Erno’s Bistro,Lohninger* undMax on Onein Frankfurt

Grossfeld in Friedberg

Navette* in Rüsselsheim

Ente in Wiesbaden

 

15 Punkte

Adler Wirtschaft* in Eltville

Biancalani, Die Leiter, Heimat*, Holbein’s*, Seven Swans und Weinsinn** in Frankfurt

Schützenhof* in Glashütten/Taunus

Hohenhaus in Herleshausen

Ox in Hilders/Rhön

Zur Krone in Höchst/Odenwald

Sänger’s und Schellers** in Bad Homburg

Landgut Falkenstein in Königstein

Hessler in Maintal

Kraftwerk in Oberursel

Schaumahl in Offenbach

*Aufsteiger   **Newcomer

 

Die Bestenliste ganz Deutschland

auf einen Blick mit einem Klick

Gault & Millau Bestenliste 2013

 

 

 

 

 

 

 




Der neue Michelin 2013

Alle Gewinner und Verlierer

 

2 Sterne für die Villa Merton

in Frankfurt

 

Noch nie gab es in Deutschland so viele Sterne-Köche: Der am 9. November erscheinende Michelin zeichnet insgesamt 255 Meisterköche aus, sechs mehr als im Vorjahr. Das Bundesland mit den meisten Spitzen ist wieder Baden-Württemberg. Kevin Fehling vom La Belle Epoque im Columbia Hotel Casino Travemünde erhielt den dritten Stern, die Villa Merton in Frankfurt und Tim Raue in Berlin den zweiten. André Rickert vom Restaurant Weinsinn in Frankfurt erhielt erstmals einen Stern.

Der avantgardistische Tüftler Kevin Fehling ist seit 2005 Küchenchef im Casino Lübeck-Travemünde. Zuvor arbeitete der 35 Jahre alte und in Delmenhorst geborene Koch bei Harald Wohlfahrt in Baiersbronn  und im Hamburger Restaurant Piment bei Whabi Nouri.

Tim Raue

Der gebürtige Berliner Tim Raue hat sich in den vergangenen Jahren Schritt für Schritt an die Spitze der deutschen Kochelite gearbeitet. Im Restaurant Tim Raue präsentiert er eine asiatisch inspirierte Küche, die als Verbindung der japanischen Produktperfektion, der thailändischen Aromatik und der chinesischen Küchenphilosophie charakterisiert werden kann. Seine Gerichte sollen Energie und Lebensfreude spenden und den Körper nicht unnötig belasten. Der 38-jährige verzichtet daher auf Beilagen wie Brot, Nudeln und Reis, ebenso wie auf weißen Zucker und Gluten. Darüber hinaus verwendet er ausschließlich laktosefreie Milchprodukte. Diese Küchenphilosophie spiegelt sich auch auf der Speisekarte wider, auf der unter anderem Raue-Klassiker wie Rote Garnelen mit Rosenschnaps und Shiso, Pekingente Interpretation und Diamond Label Beef mit Roter Bete und Madagaskarpfeffer zu finden sind.

Die vielleicht größte Überraschung ist die Auszeichnung von Matthias Schmidt von der Villa Merton in Frankfurt (Bild oben rechts). Keineswegs, weil er den zweiten Stern nicht verdient hätte, sondern weil der konservative Michelin ja grundsätzlich nicht zu mutigen Entscheidungen neigt. Doch so konsequent und stringent setzt kaum jemand die Idee einer Regionalküche um, wie Matthias Schmidt. Er arbeitet nur noch mit heimischen Produkten, durchpflügt Wälder und Wiesen, um auch unbekannte Beeren, Blüten und Kräuter zu entdecken, die er für seine ungewöhnliche Landschaftsküche einsetzt. Matthias Schmidts Abkehr von der modernen Hochküche ist mutig und so archaisch, dass dies weit mehr  unserer Zeit und der Zukunft entspricht als es jede molekulare Küche zu sein schien.

Matthias Schmidt

In der Villa Merton werden sehr feinfühlig und effektvoll Fichtensprossen, Bucheckern oder Hundsrosen eingesetzt. Charakteristisch sind die delikaten marinierten Flusskrebse mit leicht gerösteten Bucheckern, Gelee mit Schmand und hagebuttenähnlichen Hundsrosen. Das zarte Röstaroma und die fleischigen und in Bucheckernöl geschwenkten Keimblätter von der Rotbuche geben den saftig-knackigen Flusskrebsen einen enormen Schub an Ausdruckskraft, ohne deren Zartheit zu stören. Die selten gewordenen Bucheckern stammen von einem Förster aus Hanau und kosten das Kilo soviel wie Gänseleber.

 

Die Wertungen des neuen Michelin

mit einem Klick:

 

Neue Sterne

 

Bib Gourmand

 

 

 




Wie zärtlich sind Gurken?

Gastro-Autoren und die

Objekte ihrer Begierde

 

Darf man Austern zwiebeln? Wo gibt es die besten Moppen? Wird das Haselhuhn endlich salonfähig? Gourmet-Zeitschriften pirschen sich unerschrocken an die letzten unaufgeklärten Fragen der Menschheit. Selbst Tabu-Themen landen nicht im Gefrierfach: Wirken sich hartgekochte Kiebitzeier positiv auf das Sexualleben aus? Benutzen homosexuelle Köche weniger Pfeffer als heterosexuelle? Darf man bei Tauerfeiern Kichererbsen servieren?

Gourmet-Autoren sind den Umgang mit heißen Kartoffeln gewohnt und beweisen sich immer wieder als investigative Journalisten. Mario Scheuermann deckt auf: Unsere Pfarrer trinken die besten Burgunder als Messwein. Wolfram Siebeck demaskiert: Bundespräsident Gaucks Leibkoch heißt nicht Schmalhans. Jörg Zipprick beweist: Plunderhörnchen, die neue Plage der Menschheit. Beliebt bei Fachjournalisten und Lesern sind Tests, vor allem, wenn sie waghalsig ausfallen und der Verfasser unter Einsatz von Leib und Seele Neuigkeiten zutage fördert: Juliane Caspar überprüft Drei-Sterne-Köche – sind die deutschen bessere Liebhaber als die französischen? Heinz Horrmann testet Kannibalen – am besten schmecken die Großmütter. Als experimentierfreudig gilt auch die Versuchsküche von „Essen & Trinken“. Angelika Jahr: Mit Reinhold Messner vierzig Stunden ohne Sauerstoffmaske und Silberfolie in der Bratröhre. Dennoch liegt die Stärke dieser Zeitschrift mehr im Ausfeilen von Rezepturen: 400 Methoden, Bleichsellerie zu bräunen.

Nicht erst seit Freud wissen wir, dass man die eigenen fehlgeleiteten Obsessionen gerne mit einem makellos erscheinenden Umfeld kaschieren möchte. Als Feuerwehrmänner müssen sich Pyromanen jedenfalls nicht ausgestoßen fühlen. Vor einem ähnlichen Hintergrund erklärt sich auch der Hang, warum sich nicht selten ausgerechnet gerne jene den sinnlichen Genüssen hingezogen fühlen, die just in diesem Bereich Defizite verspüren. Wenn man sieht, wie blutleer Köche und ihre Gerichte mitunter seziert werden, als sei der Restaurantkritiker eigentlich Anatom, dann sagt dies auch etwas über sein Gefühlsleben aus und wirft die Frage auf, ob dieser nicht besser Krankenhaus-Kantinen besuchen sollten. Doch sollten wir froh sein, dass es Menschen gibt, die ihren Leib in den Dienst der Gemeinschaft stellen, wobei sie nicht selten Schaden daran nehmen (Cholesterin, Triglycerin, Blutzucker etc.).

Unzertrennbar zur Gourmandise gehört alles, was den erfahrenen Weltmann und die moderne Frau interessiert. Unter der Lifestyle-Rubrik erfährt man die wichtigsten Nebensächlichkeiten der Welt. Horst-Dieter Ebert erklärt: Wie man sich mit dem Schneebesen die Haare onduliert. Karl Lagerfeld informiert über: Die neuste Mützenmode der deutschen Köche. August F.Winkler fragt: Kann man einen 71er Chassagne-Montrachet zur Buchstabensuppe trinken, auch wenn das „C“ fehlt?

In allen Feinschmecker-Magazinen, den sich sinnlich annährenden Männer-Journalen, aber auch im ländlichen Bereich liegenden Sonderbeilagen, wird die Verbindung zwischen Erotik und Essen stets übergenüsslich unterstrichen. Alfons Schuhbeck erzählt: Wie ich mich drei Wochen unter der Schürze von Cornelia Poletto versteckt hielt. Hape Kerkeling erklärt: Warum ich am Herd von Eckart Witzigmann Feuer fing. Helga Baumgärtel berichtet: Wie aufregend Kartoffelschälen mit Harald Wohlfahrt sein kann. Hugh Johnson fragt: Chianti Classico oder Missionarsstellung? Und selbst die „Bravo“ will wissen: Dürfen Gurken zärtlich sein?

Ludwig Fienhold