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Die Ameisen-Affäre und andere gastronomische Gags

Sind die Dänen als Spitzenköche zum Gähnen

Oder aufregend gut oder nur aufregend?

 

Kennen Sie „Food“? Gemeint ist nicht das englische Wort für Essen, sondern eine Organisation namens „The Food Organisation Of Denmark“. Nordisches Essen wird ja allerorten als Trend ausgerufen, da braucht es ein solches Büro, das Lokalprodukte bekannt macht.

„Food“ hat in Dänemark etwas ganz Erstaunliches entdeckt, nämlich „wilde Austern“, die nur in einem einzigen Fjord gedeihen und die Feinschmecker jetzt kennen lernen sollten. Gemeint ist die „Ostrea Edulis“, sozusagen die „Ur-Auster“ Europas. Ihre Bestände wurden durch den Bonamia Ostreae-Parasiten dezimiert. Zu Anfang des 20. Jahrhunderts wurden deshalb verstärkt portugiesische Austern der Sorte Crassostrea Angulata gezüchtet. Ein Virus rottete die Angulata zwischen 1970 und 72 in vielen Anbaugebieten fast ganz aus. Die japanische Sorte Crassostrea Gigas ersetzte sie in den Austernparks. Heute ist die Gigas ihrerseits durch Viren bedroht.

René Redzepi

Nun ist ein Vorkommen von „Ostrea Edulis“ noch keine Weltsensation. Man findet diese Austern ohne Mühen in Frankreich (z.B. in Cancale, auch die „Belon“ ist eine Ostrea Edulis), in Belgien (Ostende), in England und Irland. Diese „flachen Austern“ sind ebenso delikat wie fragil und deshalb  transportempfindlicher als die „Gigas“. Flache Austern gedeihen in Aquakultur. Naturschützer bitten Feinschmecker deshalb, die Zuchtware zu genießen statt wilde Austernbänke zu plündern. Die Dänen werden da eine Ausnahme machen, das Food-Büro lädt Interessierte zur „Auster-Safari“. Wird letztere zum Erfolg, dürfte es um die „wilden Austern“ in dem kleinen Fjord bald geschehen sein.

Denn was aus Dänemark kommt ist im Moment Kult in der Food-Szene, schließlich hat eine von einem Lebensmittel-Giganten gesponserte Rangliste ein dänisches Restaurant, das Noma, zum „Weltbesten“ ernannt.   Nun war Dänemark bis vor wenigen Jahren ja eher für das Regionalprodukt Polser berühmt, eine rote Wurst für dänische Hot-Dogs. Bewusstsein für all die regionalen Delikatessen musste also erst geweckt werden. Das war die Geburtsstunde der „Gotland-Trüffel“. Sie sind außen schwarz, innen braun-weiß und nicht sonderlich aromenintensiv. Bevor sie als Gotländer geoutet wurden hießen sie Tuber Uncinatum, wurden gelegentlich auch Burgunder Trüffel genannt, denn dort wachsen sie auch. Überhaupt sind Trüffelvorkommen nicht ungewöhnlich. In Deutschland gedeiht der Tuber Uncinatum und selbst der „Perigordtrüffel“ Tuber Melanosporum. Wild wachsende Exemplare stehen freilich unter Naturschutz, kein Koch hat bisher in großem Maßstab „Deutschland-Trüffel“ serviert. Warum auch, schließlich gibt es zuverlässige Vertriebswege für Uncinatum und Melanosporum.

In Dänemark jedoch landete die „Gotland Trüffel“ auf den Tischen des bekannten Restaurants Noma, und die Welt staunte: Lokale Trüffel aus Dänemark! Laut dem Noma-Kochbuch werden die Knollen im Verhältnis Eins zu Eins mit Bis(methylthio)methan oder 2,4-Dithiapentan aus der Chemiefabrik gemischt. Im Volksmund heißen beiden Substanzen auch „Trüffelöl“, obwohl sie keine Trüffel enthalten.

Fortan war der Tuber Uncinatum neu und nordisch, pardon, dänisch. Das Gütesiegel „Noma“ macht solche Produkte glaubwürdig. Während die dänische Ostrea Edulis noch auf ihren Star-Status wartet, hat Rene Redzepi, der Chefkoch des Noma, schon die nächste Weltsensation in den heimischen Wäldern des Nordens ausgemacht: Lebende Ameisen, die er auf Crème fraîche serviert. Laut „Bloomberg News“ schmecken sie nach Zitronengras (http://www.bloomberg.com/news/2012-07-30/london-cocktail-marathon-awaits-olympics-drinkers-review.html).

Nun ist der Verzehr von Insekten in Asien, Afrika, Süd- und Mittelamerika eher gewöhnlich. Auch Koch-Analphabeten sollten wenig Schwierigkeiten dabei haben, Ameisen auf Crême fraîche zu geben, um die neuen Höhen der Haute-Cuisine zu erklimmen. Nomas Ausflug in die Welt der Entomophagie, also des Verzehrs von Insekten, sorgte jedoch für weltweites Rauschen im Blätterwald. Endlich wieder eine „magistrale Provokation“ eines Kochs, welche die Ausrichtung der Avantgarde neu definiert! Und endlich wieder jede Menge Presseberichte für Noma und Redzepi. Die sind bitter nötig, denn das „nordische Küchenwunder“ wird öffentlich finanziert: Im Rahmen des Programms »Ny nordisk mad« wird »nordische Esskultur und Gastronomie sowie die Tourismusbranche« mit bisher fünf Millionen Euro Steuergeld gefördert. Auch das „Food“-Büro erhält Steuergeld – dies wird ausdrücklich im Datenkopf jeder dort  versandten Mail erwähnt.

Nun heißt „Nordisk mad“ abgekürzt „Noma“ und das ist kein Zufall:  Claus Meyer, der Besitzer des Restaurants, ist nicht nur erfolgreicher Unternehmer (er beliefert u.a. 45 Großküchen) sondern verfügt auch über exzellente politische Kontakte: Vor 13 Jahren fing Meyer als Mitglied eines Ausschusses zur Verbesserung der Lebensmittelqualität an, im November 2000 ernannte ihn der Minister für Ernährung zum Präsidenten des Rats für bessere Lebensmittelqualität. Dieser Rat wurde nach einem Regierungswechsel zwei Jahre später abgeschafft. Seit 2006 sitzt er als Mitglied der so genannten Lenkungsgruppe im Nordischen Ministerrat. Noma, die dänische Küche und die nordische Kochkunst müssen permanent Schlagzeilen schreiben und PR generieren. Denn bald wird das Budget neu verhandelt. Die bisher beschlossenen Förderungen laufen im Jahr 2014 aus.

Jörg Zipprick

 

 

 

 




Noch ein Molekulariker ändert sein Konzept

Drei-Sterne-Koch Massimo Bottura wechselt von Avantgarde zu Klassik

 

Gehen die Avantgarde-Experimente dem Ende entgegen? Nach der Schließung des El Bulli in Spanien verkündet jetzt auch der Italiener Massimo Bottura von der Osteria Francescana in Modena, dass er sein Repertoire umstellt.

Überraschende Meldung aus Italien: Wie Stefano Bonilli, der Ex-Chef des bekannten Gambero-Rosso Führers, in seinem Blog (http://blog.paperogiallo.net/2012/09/basta_cucina_di_avanguardia.html) berichtet, wendet sich Starkoch Massimo Bottura bewusst von der Avantgarde-Küche ab. Grund sei die Wirtschaftskrise, die in Italien schon zur Schließung von 9000 Restaurants führte und, so Bonilli, auch „psychologische Auswirkungen“ hat. „Avantgarde kochen ist momentan schwierig und geht mehr als zuvor gegen den Strom.“ Zu den „psychologischen Auswirkungen“ hätte man gern noch mehr erfahren: Halten die Gäste nur ihr Geld zusammen oder haben sie Nase, Schnauze und Mund voll von Gels, Schäumchen und Halbweichem? Langweilt das Spiel der Konsistenzen? Oder wagen die Gäste nach einem Jahrzehnt Avantgarde-Boom etwa, echten Gegenwert für ihr Geld einzufordern?

Küchengeschichtlich betrachtet eroberten extreme Avantgardisten wie Maincave oder Marinetti ja stets vor Wirtschaftskrisen und Weltkriegen die kulinarische Bühne. Entsprechend war die Zeit ihrer Exzesse dann bald abgelaufen. Die Gäste hatten wirklich andere Sorgen.

Tatsächlich hat Bottura sein Lokal renoviert, die Website zeigt freilich noch die alten Molekulargerichte: Nur die zwei Spritzen, die sich in eine Nahrungskugel senken, verschwanden in der Versenkung. Die Karte bietet jetzt auch Culatello, Mortadella  und gut gereiften Schinken. Wer jetzt industrielle Zusatzstoffe wie E 406, E 418 und E 416 und weitere Beigaben vermiss, die „Avantgarde“ erst möglich machten, der sollte nicht verzweifeln. Bottura bietet seine Molekulargerichte weiterhin auf der Karte in einem speziellen Menü an. Das indes heißt jetzt nicht mehr „Avantgarde“, sondern „Klassiker“ Nichts ist halt so alt wie die Mode von gestern.

Jörg Zipprick

 




Wenn der Speck cruncht

Hessens beste Köche

Christoph Rainer von der Villa Rothschild Nr. 1

 

Es gibt beinahe mehr Koch-Preise als Köche. Der Große Gourmet Preis ist noch so einer. Doch der Abend im Jumeirah Hotel in Frankfurt war eine Bereicherung. Es wurden die besten Köche Hessens 2012 ausgezeichnet und der Primus unter ihnen geehrt. Neben dem Hotelküchenchef Martin Steiner waren Christoph Rainer (Villa Rothschild), Mario Lohninger (Lohninger, Holbein´s), Alfred Friedrich (Lafleur), Andreas Krolik (Tigerpalast) und Sven Messerschmidt (Burg Schwarzenstein) sowie Stephan Brandl (Residenz Heinz Winkler) mit von der Partie. Auch Heinz Winkler reiste aus Aschau an und würzte mit bissigen Kommentaren.

Der Abend war mit 150 Gästen in wenigen Tagen ausverkauft. Zum Champagnerempfang gab es Delikatessen vom neuen Tigerpalast-Küchenchef Andreas Krolik, etwa Creme vom mild geräucherten Kabeljau mit Tatar von Bretonischer Makrele, gegrillter Paprika, Zitronenöl und Speckcrunch. Der erste Gang am Tisch war ein müder

Köche (v.l.): Krolik, Brandl, Steiner, Messerschmidt, Lohninger, Rainer, Friedrich

Auftakt mit Gänseleber von Alfred Friedrich. Doch dann gab es nur noch Glanzleistungen: Eine leichte und doch aussagekräftige Seeforelle mit Senfgurke, Dill und Nussbutter von Sven Messerschmidt; Jakobsmuschel mit Lardo, Quinoa-Körnern in erstaunlich intensiver Sommertrüffelsauce von Stephan Brandl; Mario Lohningers Meisterstück Black Cod in geräucherter Consommé; Christoph Rainers umwerfend gutes und präzise gegartes BBQ vom Omaha Prime Beef; Martin Steiners leckere Interpretation der Sachertorte mit Guanaja-Kuvertüre, Marille und Thymian. Perfektes Timing, gute Organisation, flotter Service. Die Gäste bekamen für 189 Euro viel geboten, zum Menü gab es Weine à discrétion, von Leitz, Chapoutier und anderen.

Die stets mit Pariser Chic gekleidete Jumeirah-Hoteldirektorin Dagmar Woodward überließ die Bühne den Köchen und Andreas Dietz von der Medienagentur „desas“, der das Eventum veranstaltete und mit einer Art Peter Frankenfeld-Witz moderierte. Dabei wurden auch kurz und knackig die Köche interviewt. Der prägnanteste Satz kam von Heinz Winkler: „Was ist das Beste, was man über die Molekularküche sagen kann – der Wareneinsatz?! Kurzweilig auch die Liveschaltungen in die Küche, die sich andere für solche Veranstaltungen einmal abkucken können.

Heinz Winkler in: Mikrophone kann man nicht essen

An diesem Abend wurde Christoph Rainer von der Villa Rothschild in Königstein zu Hessens Nr. 1 gekürt, was auch den Restaurantbewertungen von Michelin (2 Sterne) und Gault Millau (18 Punkte) entspricht. Der Große Gourmet Preis, der in allen Bundesländern verliehen wird, basiert auf den Rankings der wichtigsten Restaurantführer. Das nächste Gala-Dinner wird in Niedersachsen sein, im Steigenberger Hotel Remarque in Osnabrück. Am 13. Oktober ist Deutschlands Lieblingsinsel an der Reihe, dann werden im St. Regis Mardavall Mallorcas Spitzenköche ausgezeichnet.

 LF

Bild oben rechts: Christoph Rainer (Archiv Villa Rothschild)

Fotos: Andreas Glänzel




Der Eiffelturm unterm Hammer

Restaurant-Möbel werden versteigert

 

Am Donnerstag, 27. September, versteigert das Pariser Auktionshaus Drouot (http://www.drouot.com/?bpage=articles.Communiques&id=3113) Mobiliar aus den Eiffelturm-Restaurants „Altitude 95“ und „Jules Verne“. Beide wurden vom Star-Dekorateur Slavik 1983 gestylt, damals dominierten die Farben Schwarz und Weiß. Als die Alain-Ducasse Gruppe im Jahr 2007 die Eiffelturm-Konzession übernahm, wanderte das alte Interieur ins Lagerhaus.

Wer schon immer ein Stück Eiffelturm sein Eigen nennen wollte, kann am Donnerstag schwarzes und weißes Geschirr, Tische und Stühle sowie einen Yamaha Conservatory C3 Flügel erwerben. Mit einem Schätzpreis von 2000 bis 3000 Euro ist er das teuerste Objekt der Versteigerung. Stühle werden auf 80 bis 300 Euro geschätzt.

 JZ