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Die Ameisen-Affäre und andere gastronomische Gags

Sind die Dänen als Spitzenköche zum Gähnen

Oder aufregend gut oder nur aufregend?

 

Kennen Sie „Food“? Gemeint ist nicht das englische Wort für Essen, sondern eine Organisation namens „The Food Organisation Of Denmark“. Nordisches Essen wird ja allerorten als Trend ausgerufen, da braucht es ein solches Büro, das Lokalprodukte bekannt macht.

„Food“ hat in Dänemark etwas ganz Erstaunliches entdeckt, nämlich „wilde Austern“, die nur in einem einzigen Fjord gedeihen und die Feinschmecker jetzt kennen lernen sollten. Gemeint ist die „Ostrea Edulis“, sozusagen die „Ur-Auster“ Europas. Ihre Bestände wurden durch den Bonamia Ostreae-Parasiten dezimiert. Zu Anfang des 20. Jahrhunderts wurden deshalb verstärkt portugiesische Austern der Sorte Crassostrea Angulata gezüchtet. Ein Virus rottete die Angulata zwischen 1970 und 72 in vielen Anbaugebieten fast ganz aus. Die japanische Sorte Crassostrea Gigas ersetzte sie in den Austernparks. Heute ist die Gigas ihrerseits durch Viren bedroht.

René Redzepi

Nun ist ein Vorkommen von „Ostrea Edulis“ noch keine Weltsensation. Man findet diese Austern ohne Mühen in Frankreich (z.B. in Cancale, auch die „Belon“ ist eine Ostrea Edulis), in Belgien (Ostende), in England und Irland. Diese „flachen Austern“ sind ebenso delikat wie fragil und deshalb  transportempfindlicher als die „Gigas“. Flache Austern gedeihen in Aquakultur. Naturschützer bitten Feinschmecker deshalb, die Zuchtware zu genießen statt wilde Austernbänke zu plündern. Die Dänen werden da eine Ausnahme machen, das Food-Büro lädt Interessierte zur „Auster-Safari“. Wird letztere zum Erfolg, dürfte es um die „wilden Austern“ in dem kleinen Fjord bald geschehen sein.

Denn was aus Dänemark kommt ist im Moment Kult in der Food-Szene, schließlich hat eine von einem Lebensmittel-Giganten gesponserte Rangliste ein dänisches Restaurant, das Noma, zum „Weltbesten“ ernannt.   Nun war Dänemark bis vor wenigen Jahren ja eher für das Regionalprodukt Polser berühmt, eine rote Wurst für dänische Hot-Dogs. Bewusstsein für all die regionalen Delikatessen musste also erst geweckt werden. Das war die Geburtsstunde der „Gotland-Trüffel“. Sie sind außen schwarz, innen braun-weiß und nicht sonderlich aromenintensiv. Bevor sie als Gotländer geoutet wurden hießen sie Tuber Uncinatum, wurden gelegentlich auch Burgunder Trüffel genannt, denn dort wachsen sie auch. Überhaupt sind Trüffelvorkommen nicht ungewöhnlich. In Deutschland gedeiht der Tuber Uncinatum und selbst der „Perigordtrüffel“ Tuber Melanosporum. Wild wachsende Exemplare stehen freilich unter Naturschutz, kein Koch hat bisher in großem Maßstab „Deutschland-Trüffel“ serviert. Warum auch, schließlich gibt es zuverlässige Vertriebswege für Uncinatum und Melanosporum.

In Dänemark jedoch landete die „Gotland Trüffel“ auf den Tischen des bekannten Restaurants Noma, und die Welt staunte: Lokale Trüffel aus Dänemark! Laut dem Noma-Kochbuch werden die Knollen im Verhältnis Eins zu Eins mit Bis(methylthio)methan oder 2,4-Dithiapentan aus der Chemiefabrik gemischt. Im Volksmund heißen beiden Substanzen auch „Trüffelöl“, obwohl sie keine Trüffel enthalten.

Fortan war der Tuber Uncinatum neu und nordisch, pardon, dänisch. Das Gütesiegel „Noma“ macht solche Produkte glaubwürdig. Während die dänische Ostrea Edulis noch auf ihren Star-Status wartet, hat Rene Redzepi, der Chefkoch des Noma, schon die nächste Weltsensation in den heimischen Wäldern des Nordens ausgemacht: Lebende Ameisen, die er auf Crème fraîche serviert. Laut „Bloomberg News“ schmecken sie nach Zitronengras (http://www.bloomberg.com/news/2012-07-30/london-cocktail-marathon-awaits-olympics-drinkers-review.html).

Nun ist der Verzehr von Insekten in Asien, Afrika, Süd- und Mittelamerika eher gewöhnlich. Auch Koch-Analphabeten sollten wenig Schwierigkeiten dabei haben, Ameisen auf Crême fraîche zu geben, um die neuen Höhen der Haute-Cuisine zu erklimmen. Nomas Ausflug in die Welt der Entomophagie, also des Verzehrs von Insekten, sorgte jedoch für weltweites Rauschen im Blätterwald. Endlich wieder eine „magistrale Provokation“ eines Kochs, welche die Ausrichtung der Avantgarde neu definiert! Und endlich wieder jede Menge Presseberichte für Noma und Redzepi. Die sind bitter nötig, denn das „nordische Küchenwunder“ wird öffentlich finanziert: Im Rahmen des Programms »Ny nordisk mad« wird »nordische Esskultur und Gastronomie sowie die Tourismusbranche« mit bisher fünf Millionen Euro Steuergeld gefördert. Auch das „Food“-Büro erhält Steuergeld – dies wird ausdrücklich im Datenkopf jeder dort  versandten Mail erwähnt.

Nun heißt „Nordisk mad“ abgekürzt „Noma“ und das ist kein Zufall:  Claus Meyer, der Besitzer des Restaurants, ist nicht nur erfolgreicher Unternehmer (er beliefert u.a. 45 Großküchen) sondern verfügt auch über exzellente politische Kontakte: Vor 13 Jahren fing Meyer als Mitglied eines Ausschusses zur Verbesserung der Lebensmittelqualität an, im November 2000 ernannte ihn der Minister für Ernährung zum Präsidenten des Rats für bessere Lebensmittelqualität. Dieser Rat wurde nach einem Regierungswechsel zwei Jahre später abgeschafft. Seit 2006 sitzt er als Mitglied der so genannten Lenkungsgruppe im Nordischen Ministerrat. Noma, die dänische Küche und die nordische Kochkunst müssen permanent Schlagzeilen schreiben und PR generieren. Denn bald wird das Budget neu verhandelt. Die bisher beschlossenen Förderungen laufen im Jahr 2014 aus.

Jörg Zipprick

 

 

 

 




Wildwechsel: Das neue Lokal Landgut
im Kempinski Falkenstein

Restaurant-Kritik

Von Ludwig Fienhold

 

Achtung, jetzt kreuzen Hirsche, Wildschweine und Rehe ihren Tisch! Das neue Restaurant Landgut im Taunus hat sich auf Regionales eingeschossen, das aus heimischen Wäldern kommt. Die Küche bietet aber nicht nur Jagdfrisches, sondern auch vieles andere Gute der deutschen Küche. Bis vor kurzem hieß das Landgut noch Siesmayer. Das in die Jahre gekommene altväterliche Ambiente ist einem sehr schönen modern ausgelegten Landhausstil gewichen.

Kamin und warme Farben, kommode Sitzecken und Tische ohne Steifweißdecken, Servietten mit Wildwechsel-Hirsch-Emblem und wirklich edle Waldtapeten, welche die Umgebung nach Innen aufnehmen, geben dem neuen Lokal eine auf den Taunus abgestimmte Atmosphäre. Symbolisch für den Wechsel steht die Berkel-Schneidemaschine mittendrin, der Rolls-Royce unter den Präzisionsgeräten. Dort werden Kaiserspeck, Coppa und andere leckere Schweinereien frisch aufgeschnitten und mit umwerfend gutem Brot aufgetischt (Bauernbrot, Kartoffelbrot, Zwiebelbrot). Wer da nicht diszipliniert ist, wird sich schon vor dem ersten Gang vollmampfen.

 

Oliver Heberlein ist zwar nach wie vor der Küchenchef und kann sich auf die bemerkenswerte Souschefin Beate Braun und ein gutes Team stützen, hat aber seinen Stil deutlich geändert. Offenbar liegt der Küche das neue Konzept noch besser. Einen besseren Einstieg als den lauwarm geräucherten Bachsaibling aus dem Taunus kann es kaum geben, weil er mit Leichtigkeit und Raffinesse zeigt, was eine lustfördernde Vorspeise auszumachen versteht. Der Saibling ist von zartem Aroma, der süffige Kartoffel-Raukensalat wird von einer schwungvollen Radieschen-Kapernvinaigrette würzig pointiert. Der gebratene Kabeljau mit Rieslingsauce, Linsen und Apfel-Meerrettichkompott ist ebenso zart wie ausdrucksvoll und geschmacklich bestens austariert.

Roulade

Einen Evergreen, wie wir ihn lieben und der jetzt schon die Statur eines Hausklassikers im neuen Landgut hat, ist die geschmorte Roulade vom Weiderind mit hervorragender und erkennbarer Spätburgundersauce, Karottengemüse und Kartoffelstampf. Die Armen Ritter sind ein uraltes Traditionsgericht, das bis ins 14. Jahrhundert zurückreicht und in ähnlicher Form auch im Römischen Reich bekannt war. Im Landgut Falkenstein werden sie indes nicht auf die alt-derbe und doch wunderbare Art mit halbierten Brötchen, Milch, Ei und Zucker serviert, sondern verfeinert zubereitet. Dort sind die Armen Ritter fast schon Edelleute auf Briochebasis, von Schwarzbiersabayone und Kirschbiersorbet bestens eskortiert.

Manierlich moderate Preise beim Essen, netter Service. Warum man aber einen mittelprächtigen Champagner in kleine Gläser mit Reklameaufdruck sperrt und deutlich zu hoch kalkuliert, können wir nicht nachvollziehen. Die üppige Weinkarte punktet mit deutschen Gewächsen, bei den offenen könnte es noch spannender und individueller zugehen. Persönlicher Bouteille-Tipp: Sauvignon Blanc 2009 von Prinz aus dem Rheingau.

Kabeljau

Die neue Extrakarte mit sechs Bieren der hochspeziellen und sehr empfehlenswerten Manufaktur Braufactum passt zum neuen Restaurant, zumal diese Biere sehr gut zu gewissen Speisen eingesetzt werden können. Die Terrasse ist die schönste überhaupt, gäbe es nicht noch die ebenso attraktive in der nahen Villa Rothschild, die ja als Schwesterhotel ebenfalls im Besitz des Unternehmers und Jägers Dr. Broermann ist und auch von Kempinski betrieben wird. Fazit: Der Wechsel vom Restaurant Siesmayer zum neuen Landgut hat deutlich mehr als eine Namensänderung gebracht. Ambiente und Küche sind in ihrer Aussage und Darstellung weit eindeutiger geworden. Die Neuausrichtung ist radikal und signalisiert genau das Wurzelpackende: Back to the Roots.

 

Hotel Kempinski, Restaurant Landgut Falkenstein, Königstein-Falkenstein, Debusweg 6-18, Tel. 06174 900. Täglich geöffnet von 18 – 22 Uhr.  Hauptgerichte 23 – 36 €.    www.kempinski.com/falkenstein

 

Photo Credit: Barbara Fienhold

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 




Noch ein Molekulariker ändert sein Konzept

Drei-Sterne-Koch Massimo Bottura wechselt von Avantgarde zu Klassik

 

Gehen die Avantgarde-Experimente dem Ende entgegen? Nach der Schließung des El Bulli in Spanien verkündet jetzt auch der Italiener Massimo Bottura von der Osteria Francescana in Modena, dass er sein Repertoire umstellt.

Überraschende Meldung aus Italien: Wie Stefano Bonilli, der Ex-Chef des bekannten Gambero-Rosso Führers, in seinem Blog (http://blog.paperogiallo.net/2012/09/basta_cucina_di_avanguardia.html) berichtet, wendet sich Starkoch Massimo Bottura bewusst von der Avantgarde-Küche ab. Grund sei die Wirtschaftskrise, die in Italien schon zur Schließung von 9000 Restaurants führte und, so Bonilli, auch „psychologische Auswirkungen“ hat. „Avantgarde kochen ist momentan schwierig und geht mehr als zuvor gegen den Strom.“ Zu den „psychologischen Auswirkungen“ hätte man gern noch mehr erfahren: Halten die Gäste nur ihr Geld zusammen oder haben sie Nase, Schnauze und Mund voll von Gels, Schäumchen und Halbweichem? Langweilt das Spiel der Konsistenzen? Oder wagen die Gäste nach einem Jahrzehnt Avantgarde-Boom etwa, echten Gegenwert für ihr Geld einzufordern?

Küchengeschichtlich betrachtet eroberten extreme Avantgardisten wie Maincave oder Marinetti ja stets vor Wirtschaftskrisen und Weltkriegen die kulinarische Bühne. Entsprechend war die Zeit ihrer Exzesse dann bald abgelaufen. Die Gäste hatten wirklich andere Sorgen.

Tatsächlich hat Bottura sein Lokal renoviert, die Website zeigt freilich noch die alten Molekulargerichte: Nur die zwei Spritzen, die sich in eine Nahrungskugel senken, verschwanden in der Versenkung. Die Karte bietet jetzt auch Culatello, Mortadella  und gut gereiften Schinken. Wer jetzt industrielle Zusatzstoffe wie E 406, E 418 und E 416 und weitere Beigaben vermiss, die „Avantgarde“ erst möglich machten, der sollte nicht verzweifeln. Bottura bietet seine Molekulargerichte weiterhin auf der Karte in einem speziellen Menü an. Das indes heißt jetzt nicht mehr „Avantgarde“, sondern „Klassiker“ Nichts ist halt so alt wie die Mode von gestern.

Jörg Zipprick

 




Wenn der Speck cruncht

Hessens beste Köche

Christoph Rainer von der Villa Rothschild Nr. 1

 

Es gibt beinahe mehr Koch-Preise als Köche. Der Große Gourmet Preis ist noch so einer. Doch der Abend im Jumeirah Hotel in Frankfurt war eine Bereicherung. Es wurden die besten Köche Hessens 2012 ausgezeichnet und der Primus unter ihnen geehrt. Neben dem Hotelküchenchef Martin Steiner waren Christoph Rainer (Villa Rothschild), Mario Lohninger (Lohninger, Holbein´s), Alfred Friedrich (Lafleur), Andreas Krolik (Tigerpalast) und Sven Messerschmidt (Burg Schwarzenstein) sowie Stephan Brandl (Residenz Heinz Winkler) mit von der Partie. Auch Heinz Winkler reiste aus Aschau an und würzte mit bissigen Kommentaren.

Der Abend war mit 150 Gästen in wenigen Tagen ausverkauft. Zum Champagnerempfang gab es Delikatessen vom neuen Tigerpalast-Küchenchef Andreas Krolik, etwa Creme vom mild geräucherten Kabeljau mit Tatar von Bretonischer Makrele, gegrillter Paprika, Zitronenöl und Speckcrunch. Der erste Gang am Tisch war ein müder

Köche (v.l.): Krolik, Brandl, Steiner, Messerschmidt, Lohninger, Rainer, Friedrich

Auftakt mit Gänseleber von Alfred Friedrich. Doch dann gab es nur noch Glanzleistungen: Eine leichte und doch aussagekräftige Seeforelle mit Senfgurke, Dill und Nussbutter von Sven Messerschmidt; Jakobsmuschel mit Lardo, Quinoa-Körnern in erstaunlich intensiver Sommertrüffelsauce von Stephan Brandl; Mario Lohningers Meisterstück Black Cod in geräucherter Consommé; Christoph Rainers umwerfend gutes und präzise gegartes BBQ vom Omaha Prime Beef; Martin Steiners leckere Interpretation der Sachertorte mit Guanaja-Kuvertüre, Marille und Thymian. Perfektes Timing, gute Organisation, flotter Service. Die Gäste bekamen für 189 Euro viel geboten, zum Menü gab es Weine à discrétion, von Leitz, Chapoutier und anderen.

Die stets mit Pariser Chic gekleidete Jumeirah-Hoteldirektorin Dagmar Woodward überließ die Bühne den Köchen und Andreas Dietz von der Medienagentur „desas“, der das Eventum veranstaltete und mit einer Art Peter Frankenfeld-Witz moderierte. Dabei wurden auch kurz und knackig die Köche interviewt. Der prägnanteste Satz kam von Heinz Winkler: „Was ist das Beste, was man über die Molekularküche sagen kann – der Wareneinsatz?! Kurzweilig auch die Liveschaltungen in die Küche, die sich andere für solche Veranstaltungen einmal abkucken können.

Heinz Winkler in: Mikrophone kann man nicht essen

An diesem Abend wurde Christoph Rainer von der Villa Rothschild in Königstein zu Hessens Nr. 1 gekürt, was auch den Restaurantbewertungen von Michelin (2 Sterne) und Gault Millau (18 Punkte) entspricht. Der Große Gourmet Preis, der in allen Bundesländern verliehen wird, basiert auf den Rankings der wichtigsten Restaurantführer. Das nächste Gala-Dinner wird in Niedersachsen sein, im Steigenberger Hotel Remarque in Osnabrück. Am 13. Oktober ist Deutschlands Lieblingsinsel an der Reihe, dann werden im St. Regis Mardavall Mallorcas Spitzenköche ausgezeichnet.

 LF

Bild oben rechts: Christoph Rainer (Archiv Villa Rothschild)

Fotos: Andreas Glänzel




Restaurant-Kritik: Das neue Holbeins im Städel Museum

Mario Lohningers

gelungener Start

 

Man sollte nicht mit den falschen Erwartungen kommen: Das neue Holbeins ist keineswegs das alte Silk, auch wenn Mario Lohninger hier jetzt mitmischt. Weit eher wird man Gerichte aus dem Micro finden, wo es weniger diffizil zuging und sich Lohninger seiner Lieblingsgerichte aus aller Welt annahm, insbesondere solchen der japanischen Art. Im Holbeins gibt es grob gezeichnet vor allem Steaks, Pasta, Salate und asiatisch inspirierte Fischspeisen. Das klingt nicht extravagant, kommt aber geschmacklich meist auf den Punkt.

Die Kooperation zwischen dem Spitzenkoch Mario Lohninger und dem Gastronomen, Delikatessenhändler und Caterer Gregor Meyer ist sicherlich auch eine zeitlich passende, denn Lohninger gab seine beiden Restaurants Silk und Micro im inzwischen insolventen  Cocoon Club auf, während Meyers langjähriger Küchenchef Joe Ballmann in den privaten Frankfurter Airport Club wechselte. Die Verbindung zwischen Lohninger und Meyer ist wohl keine Liebesheirat, sondern eine Zweckgemeinschaft. Das vermag zumindest in der Gastronomie mitunter mehr Bestand haben als törichtes Taumeln aus Leidenschaft. Nicht einfach ist aber vor allem die Dehnung einer Speisekarte, die sich nach einem unterschiedlichen Publikum strecken muss. Mittags saust der oft nicht nur zeitlich begrenzte Businesstyp ins Holbeins, ebenso ein Museumsbesucherpublikum, das eher zu unkompliziertem Essen neigt. Abends sind die mehr aufgeschlossenen und anspruchsvollen Gäste angesagt. All das fordert einen elastischen Spagat, dessen Akrobatik gewisse Brüche provozieren könnte.

Optisch ist das neue Holbeins noch wiederzuerkennen, die hinzugekommenen Sitzinseln geben dem Raum mehr Statur und verringern das Kantineske der dichten Sitzreihen. Die Terrasse ist jetzt noch ein wenig hübscher möbliert, wobei wie gehabt jeder Zentimeter genutzt wird und der Abstand zum Nachbartisch nichts für Kontaktscheue ist. Der Service ist nach wie vor sehr freundlich und aufmerksam, das Damenteam wurde um einige charmante Neuzugänge bereichert. Im Zuge der Erneuerung könnte man sich ruhig von einigen Allerweltsweinen trennen und diese durch individuellere Flaschen und Neuentdeckungen auffüllen.

Sushi-Meister Kawano Hirofumi

Kawano Hirofumi, der Sushi-Meister aus dem Silk/Micro hat im Holbeins im Souterrain ein eigenes Lokal bekommen, das zur Zeit als Lieferstation und für Events genutzt wird, aber sicher auch das Zeug zu einem eigenständigen Outlet hätte und vielleicht auch so etabliert wird. Die chirurgisch präzisen Miniaturen sind nicht nur optisch eine Delikatesse, eine Selektion von 16 Stück kostet 28 Euro, man kann es aber auch eine Nummer kleiner haben. Geflügel ist derzeit unterbesetzt und lediglich beim guten Ceasar Salad mit Hähnchensatay zu bekommen. Der top gebratene Seewolf mit Vanille, Pfifferlingen, Spätsommermais und Kartoffelstampf fällt im Grunde sehr gut aus, wobei man mit Vanille-Aroma noch dezenter umgehen sollte. Der hervorragende Miso-Lachs vom Grill mit Orangen-Ingwer-Marinade war schon im Micro eines unserer Lieblingsgerichte. Warum es immer noch die amerikanische Unsitte von Surf and Turf geben muss, erschließt sich uns nicht – entweder Fleisch oder Hummer, aber wir brauchen niemals beides auf einem Teller. Das rein fleischige, hochfeine, saftige und vitale Filetsteak vom Black Angus mit Zwiebelmarmelade, Kartoffelstampf und Sauce Béarnaise ist großartig, wobei man dazu wahlweise auch die hausgemachten Pommes frites bestellen kann. Die Desserts von Benjamin Kunert, der zuvor bei Harald Wohlfahrt in der Schwarzwaldstube und im Silk arbeitete, sind Extraklasse: Liaison von Pfirsich und Zitronenverbene mit Bourbon-Whiskey und Himbeere. Ein „Holbein´s Chef Menue“ mit vier Gängen kostet 55 Euro und bietet abends die vorteilhafteste Variante.

Mario Lohninger (l.) und Gregor Meyer

Bilanz: Das Holbein´s gehört nach wie vor zu den besten und optisch amüsantesten Adressen der Stadt. Man sollte die erst gerade vorgelegte und mit Vorsicht bedachte Speisekarte nicht als endgültige Weisheit betrachten und Mario Lohninger & Gregor Meyer zu mehr Mut und Eigensinnigkeit ermuntern.

Ludwig Fienhold

Siehe auch Artikel Neueröffnung Lohninger & Meyer und Mario Lohninger und Gregor Meyer betreiben gemeinsam das Holbein´s im Städel Museum

Holbein´s, Restaurant im Städel, Frankfurt, Holbeinstr. 1, Tel 069 6605 6666, Dienstag bis Sonntag 10 – 24 Uhr, Montag 18 – 24 Uhr.  Hauptgerichte 20 – 36 €. www.holbeins.de Sushi von Dienstag bis Samstag

 

 

 

 




Der Frankfurter Würstchen Krieg

Streit um das Lokal Alten Limpurg am Rathaus 

 

Gäste aus aller Welt schauen sich bei Apfelwein und Würstchen den Römerberg an, Frankfurts schönsten Platz. Auf den langen Holzbänken und an den Fässern vor dem Lokal Alten Limpurg treffen sich auch gerne die Frankfurter, selbst Ex-Oberbürgermeisterin Petra Roth ließ hier oft die Würstchen knacken. Jetzt wurde der Pachtvertrag mit den beiden Betreibern Dieter Hoppe und Andreas Staab nicht mehr verlängert, Ende September ist Schluss. Sie führten das Lokal zwölf Jahre und waren für ihren Glühwein bekannt, dem einzig trinkbaren während des Weihnachtsmarktes. Neuer Pächter wird Lior Ehrlich sein, der ganz in der Nähe auf dem Paulsplatz das Hans Wurzt sowie die Frankfurter Lokale Bar 54, Gorky Park, Amici und Pizza Pasta Factory führt und noch weitere Imbiss-Stationen der etwas nobleren Art plant.

Viele fragen sich, warum man Dieter Hoppe und Andreas Staab nicht wenigstens noch bis Jahresende das Lokal Alten Limpurg gelassen hat. Die Antwort liegt auf der Hand: Wer weiß, welchen Umsatz man auf dem Frankfurter Weihnachtsmarkt allein mit Glühwein macht, kann sich denken, dass Lior Ehrlich sich dieses Geschäft nicht entgehen lassen wollte. Das Alten Limpurg gehört der ABG Holding, dem Wohnungs- und Immobilienkonzern der Stadt Frankfurt. Deren direkte Partner ist in diesem Fall die zur Radeberger-Gruppe gehörende Henninger-Brauerei. Wie aus nicht genannten Quellen zu hören war, suchte die AGB nach einer Veränderung, die aus ihrer Sicht eine Verschönerung des Lokals und des Platzes mit sich bringt. Lior Ehrlich wird dazu einige hunderttausend Euro investieren. Wurst und Bier sollen auch die Hauptthemen des neuen Lokals werden, wobei der historische Name Alten Limpurg erhalten bleibt.

Dieter Hoppe und seine Frau Sabrina sind bitter enttäuscht. „Nach zwölf Jahren setzt man uns ohne Angabe von Gründen vor die Tür. Wir haben hier jeden Tag zwölf Stunden gearbeitet. Wir fühlen uns sehr unfair und ungerecht behandelt.“ Gerne hätten sie auch mit ihrem Nachfolger über Terrassen- und GEMA-Gebühren gesprochen, weil sie diese bis Sommer 2013 bezahlen müssen und nicht aus dem Vertrag gelassen werden. Doch wurden sie nicht unterrichtet und erfahren den Namen offiziell erst hier und heute.

Rathaus auf dem Römerberg

Lior Ehrlich wird aus dem Lokal wahrscheinlich etwas Schickes machen, sollte dabei aber behutsam vorgehen, damit das alles auch zum Römerberg passt. Hier gibt es schon genug touristische Lokale und Souvenirläden, die dem Platz optisch schaden. Das Alten Limpurg war eine der letzten Bierstuben alten Stils, obwohl auch gerne Apfelwein getrunken wurde. Zentrum war nicht das Lokal selbst, sondern seine Garage, die man zum Würstchenstand machte. Dort kamen die ausländischen Besucher mit den Einheimischen zusammen. Das Lokal war zudem Treffpunkt mancher Eintracht-Fans, wobei auch sehr viele aus der Fliegerei dort landeten, denn Dieter Hoppe war Steward bei der Lufthansa. Es gibt jedenfalls nicht wenige, die jetzt ihre Heimat verlieren. Die urige und bisweilen kauzige Atmosphäre wird es nicht mehr geben. Der Weihnachtsmarkt wird außerdem seines einzigen guten Glühweins beraubt. Es wäre zu wünschen, dass der neue Betreiber Lior Ehrlich ein deutlich persönlicheres Lokal daraus macht als aus seinem Hans Wurzt am nahen Paulsplatz. Vor allem sollte es dann auch bessere Wurst als dort geben.

Ludwig Fienhold

Alten Limpurg, Frankfurt, Römerberg 17, Tel. 069 28 73 93.

Siehe auch die zahlreichen Leserbriefe dazu

Bild oben rechts: Dieter Hoppe vor der Historischen Ostzeile auf dem Römerberg

 

 

 




Duftig süffig gut Wein Tipps

Heute: Neues von Battenfeld-Spanier aus Rheinhessen

 

Doppelnamen sind mühsam, doch wenn sie mit gutem Wein verbunden sind wie bei Battenfeld-Spanier gehen sie flüssig über die Zunge. Das Weingut in Rheinhessen hat derzeit einen enormen Lauf. Hans Oliver Spanier, verheiratet mit Carolin vom Weingut Kühling-Gillot, hat vom Gutswein bis zur Spitzenlage Frauenberg eine erstklassige Kollektion vorzuweisen, gerade beim aktuellen Jahrgang 2011. Battenfeld-Spanier bringt Topweine hervor, etwa den sehr markanten kühlen, leicht salzigen und von Feuersteinaromatik geprägten Riesling Flörsheimer Frauenberg. Doch an der Basis zeigen sich stets das Können und die Ausrichtung eines Weinguts. Bei Hans Oliver Spanier gibt es keine kleinen Weine, sondern bei den Einstiegstropfen nur kleine Preise. Er behandelt sie mit der gleichen Sorgfalt wie die Großen: Ökologischer Anbau, Ganztraubenpressung, Vergärung mit Naturhefen, langes Hefelager, teilweise Ausbau im großen Holzfass. Der Gutsriesling ist lebendig, frisch, knackig und duftet leicht nach Weinbergspfirsich. Dieser harmonische Riesling hat Charakter und richtet sich dennoch an ein größeres Publikum.

In Zusammenarbeit mit dem Sommelier Kai Schattner, ehemals die feine Nase vom Restaurant Ente im Nassauer Hof in Wiesbaden und jetzt Geschäftsführer von KS Selected Wines in Frankfurt, gibt es von Battenfeld-Spanier einen neuen bemerkenswerten Wein: Rhein-Riesling 506, Jahrgang 2011. Ein Wein mit Schmelz, sehr charmant, extraktreich, füllig und doch nicht fett, nach Mirabelle und Quitte duftend. Mineralität von Kalk und steinigen Böden, mundfüllend, nachhaltiger Abgang, 12,5 Alk, 11g Restzucker, Stahltank. Mit jedem Glas bekommt man Lust auf das nächste, was bei einem Flaschenpreis von 7,95 € besonders leicht fällt. Fast die gesamte Produktion von 40.000 Flaschen wird nach China verkauft, nur 5000 Flaschen sind für den deutschen Markt reserviert. Ausschließlich bei KS Selected Wines zu beziehen.

Ludwig Fienhold

KS Selected Wines, 60323 Frankfurt, Freiherr-vom-Stein-Str. 24-26, Tel. 069 977845 – 450

Bild oben rechts: Carolin & Hans Oliver

 




Das Hotel denkt, der Gast lenkt

So viel High Tech sollte es

in jedem Luxushotel geben

 

Im neuen Tower vom Peninsula in Hongkong gibt es eine raffinierte Service-Technik, wie man sie gerne öfter in Hotels erleben möchte: Interaktive, digitale Tablets stehen am Bett und Schreibtisch zur Verfügung und können je nach Herkunftsland des Gastes in einer von fünf Sprachen voreingestellt werden. Die Tablets ermöglichen Zugriff auf die Restaurant-Menüs, sämtliche Hotel-Dienstleistungen, die virtuellen „PenCities“-Guides sowie Fernsehen und Radio mit störschallunterdrückenden Kopfhörern. Von den LED-Touchscreens an den Wänden können sämtliche elektrischen und elektronischen Geräte im Zimmer bedient werden, etwa Beleuchtung, Klimaanlage, Audio- und Videosysteme oder die Vorhänge. Auf Knopfdruck stehen weitere Optionen wie Zimmerservice, „Bitte nicht stören“-Anzeige, Sprach-Einstellungen sowie Wetter-, Außentemperatur- und Luftfeuchtigkeit-Anzeige zur Verfügung.

Im edlen Lacquer-Schreibtisch integriert ist der Zugang zu Highspeed-Internet, internationales Internet-Radio, eine Wetteranzeige sowie eine iPod-Dockingstation. LED Touch-Screens im Marmor-Badezimmer ermöglichen den Empfang von Internet-Fernsehen und Radio. Ein „Spa-Button“, der die Badezimmer-Beleuchtung phasenweise dimmt und entspannende Spa-Musik erklingen lässt, sorgt für luxuriöse Erholung. Die hochmoderne, audiovisuelle Ausstattung jedes Gästezimmers garantiert ein ungewöhnliches Unterhaltungsprogramm. Sie umfasst einen Blue-Ray LED-Flachbildschirm, eine iPod/iPad-Dockingstation, Speicherkartenleser und Soundbar-Lautsprechersystem mit leistungsstarkem Subwoofer.

In-Room-Tablets ermöglichen zudem die Übertragung von terrestrischem Fernsehen sowie von 90 Internet-TV- und 460 Internet-Radio-Kanälen. Kabellose Anschlüsse für persönliche Geräte und das All-in-One-Fax/Drucker/Fotokopierer/Scanner-Gerät sowie Mehrfach-Ladegeräte, die für zusätzlichen Komfort in die Nachttischschubladen integriert wurden, sorgen für die perfekte Funktionalität eines Home-Offices.

Der kostenlose Zugang zu leistungsfähigem, drahtgebundenem oder drahtlosem Highspeed-Internet erlaubt gebührenfreie VoIP-Ferngespräche in alle Welt sowohl auf den Zimmern als auch während der Fahrt mit den hoteleigenen Rolls-Royce Limousinen. Zimmer ab 500 €.

 

Barbier-Salon der Zwanziger Jahre

Neues Spa im Frankfurter Hof

 

Anfang 2013 eröffnet  das neue Spa im Steigenberger Hotel Frankfurter Hof. Der neue Wellnessbereich  präsentiert auf 1.000 Quadratmetern exklusive klassisch-europäische Spa-Anwendungen, luxuriöse Schönheitsbehandlungen und ein speziell für männliche Gäste konzipiertes Pflegeangebot mit einem klassischen Barbier-Salon. Weitere Highlights sind ein ausgedehnter Saunabereich und eine in Frankfurt einzigartige Spa Suite. Insgesamt flossen vier Millionen Euro in den Ausbau, der in dem früheren Bürotrakt des Hotels entsteht.

Betreiber des The Spa ist Goco Hospitality, ein internationales Beratungs- und Managementunternehmen mit Sitz in Bangkok. Eine Pflegezone wurde speziell für männliche Gäste eingerichtet, wobei es neben intensiven Gesichtsbehandlungen auch einen Express Service gibt.

Gästen mit wenig Zeit sollen schnelle und effektive Anwendungen erfahren. Mit „The Barber“ will das Spa im Frankfurter Hof Maßstäbe setzen und den klassischen europäischen Herrensalon neu interpretieren. Das Angebot schließt neben Facials auch Maniküre, Rasuren mit heißen Tüchern und Haarpflege ein.

Eine besonders luxuriöse Möglichkeit zur Regenation und Entspannung hält die Spa Suite bereit. Als Spa im Spa bietet sie: Steam Room, Vitality Pool mit Jacuzzi-Effekt sowie in umfassendes Portfolio an Schönheitsbehandlungen und Massagen. Gleichzeitig will die Spa Suite ein Höchstmaß an Privatsphäre und Individualität ermöglichen. Ein persönlicher Behandlungsplan wird nach eingehender Beratung durch den Spa-Concierge erstellt. Ein Glanzstück des Spa soll der Haman sein. Zum Dampfbad gehören hier die traditionelle Massage und ein Körper-Peeling im Scrub Room. Daneben erwartet den Gast neben einer Finnischen Sauna unter anderem eine Kräutersauna, ein Eisbrunnen sowie verschiedene Erlebnisduschen. Der Spa-Bereich steht nicht nur den Hotelgästen zur Verfügung, sondern soll alle ansprechen.

 

 

 




Wenn Männer zu viel kochen

Mundwinkeldeformation mit

Eiweißgerinnungsgrenze

 

Ludger Fischer wurde als Autor zum Thema „Küchenirrtümer“ bekannt. Jetzt hat er nachgelegt. In seinem neuen Werk „Mann kocht!“ wird kochenden Herren reiner Wein eingeschenkt.

Früher stellten sich kochende Männer im Sommer an den Grill. Im Kühlschrank wartete ein Sixpack, die Herren der Schöpfung nestelten an der Schürze und fanden sich dann in einer Rolle wieder, die ihnen seit Urzeiten zustand: Sie waren Hüter der Flamme. Anschließend kehrten sie wieder auf den Fernsehsessel zurück. Oder Mann kochte ein Sonntagsmenü, wenn möglich aus der Rezeptsammlung eines „Spitzenkochs“, um die Küche dabei in ein Schlachtfeld zu verwandeln. Frau durfte anschließend aufräumen, schließlich war sie doch gerade kulinarisch auf Profi-Niveau verwöhnt worden.

Dann kam der Koch-Boom und spülte in Büchern, Magazinen und TV-Sendungen eine neue Generation von Männern nach oben. Zum Beispiel solche, die in der Garung „extrem hart an die Eiweißgerinnungsgrenze heranfahren“. Oder solche,  die sich am Herd ohne Thermomix, Pacojet oder Gefriertrocknungsanlage geradezu impotent fühlen. Solche, die durch verstärkten Glauben an Aphrodisiaka auf den Teller eben gerade diesem Zustand entkommen wollen. Und  solche, die quasi als kulinarische Daseinsberechtigung gleich ein eigenes gedrucktes Magazin benötigen, um die Welt um ihre Sicht des Kochens zu bereichern.

Sie alle und noch viele andere Männertypen werden mit Sinn fürs Detail vom Autor Ludger Fischer aufgespießt. Köstlich, wie er die Inhaltsstoffe eines sehr Methylcellulose-lastiges Menü des spanischen „Spitzenkochs“ Paco Roncero zerpflückt. Das Zeug ist der Hauptbestandteil von Tapetenkleister, kostet fast nichts und ist schon deshalb bei einigen Küchenkünstlern hoch beliebt. Besorgniserregend, wie er die gesundheitlichen Nebenwirkungen eines Rezeptes von „Spitzenkoch“ Quique Dacosta erläutert. Amüsant, wie er die spanische Tendenz zur verbalen Intellektualisierung ihrer Techniken parodiert: Der Spherificación und ähnlichen -caciónen fügt Fischer die Dickificación (für „eindicken“) hinzu; jeder sollte diese Worte drei Mal laut aussprechen, um zu hören, wie lächerlich sie klingen.

Gerade dieses Kapitel sollte man ruhig zwei mal lesen, schließlich ist Ludger Fischer, Jahrgang 1957, auch Mitglied der „Beratenden Gruppe für die Lebensmittelkette“ der Europäischen Kommission, des Beratungsgremiums der Interessenvertreter bei der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA und anderer EU-Gremien zu Fragen der Lebensmittelsicherheit.

Ohnehin versteckt sich im Buch eine stramme Anzahl Seitenhiebe: Da wird Anthony Bourdain zum „Bukowski der Kombüsen“, da attestiert Fischer einem bekannten Fernsehkoch, seine „Mundwinkeldeformation“ könne den Anschein einer freundlichen Miene erwecken. Und, ja, auch die Griller bekommen ihr Fett weg; wie so oft geht es auch hier um den – typisch männlichen – Aufrüstungswahn in Einbau- und Profiküchen.

Molteni-Herd

„Mann kocht!“ können Mann und Frau auf zwei Arten lesen: Als Sammlung von Anekdoten zum Thema Geschlechterkrieg am Herd. Oder als ironisches Portrait der derzeit vorherrschenden Protagonisten der Gastronomie, sei es in der Küche oder in den Medien, für die gute Küche einen „Intensifier“ und einen Zusatzstoff-Zoo braucht. Besonders Aufrüstungsverweigerer am Herd werden das Buch gern lesen. Publikationen, die sie als rückwärtsgewandte Steinzeitgourmets klassifizieren, gibt es schließlich schon genug.

Jörg Zipprick

 

Dr. Ludger Fischer, Mann kocht! Eichborn 2012, 14,99 €

 

 

 

 

 




Der Eiffelturm unterm Hammer

Restaurant-Möbel werden versteigert

 

Am Donnerstag, 27. September, versteigert das Pariser Auktionshaus Drouot (http://www.drouot.com/?bpage=articles.Communiques&id=3113) Mobiliar aus den Eiffelturm-Restaurants „Altitude 95“ und „Jules Verne“. Beide wurden vom Star-Dekorateur Slavik 1983 gestylt, damals dominierten die Farben Schwarz und Weiß. Als die Alain-Ducasse Gruppe im Jahr 2007 die Eiffelturm-Konzession übernahm, wanderte das alte Interieur ins Lagerhaus.

Wer schon immer ein Stück Eiffelturm sein Eigen nennen wollte, kann am Donnerstag schwarzes und weißes Geschirr, Tische und Stühle sowie einen Yamaha Conservatory C3 Flügel erwerben. Mit einem Schätzpreis von 2000 bis 3000 Euro ist er das teuerste Objekt der Versteigerung. Stühle werden auf 80 bis 300 Euro geschätzt.

 JZ