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Kurioser Trend: Der Ersatz-Weintrinker

Flaschen ohne Etiketten

 

Weinfreunde auf der ganzen Welt amüsieren sich über die so genannten „Etikettentrinker”. Diese genießen den Wein nämlich ausschließlich wegen des mit ihm verbundenen sozialen Status. Bestimmte Namen und Marken auf Weinflaschen versprechen dem Eigentümer Prestige und Anerkennung. Bei genauerem Hinsehen erkennt der genuine Genießer aber, dass die Person durch Äußerlichkeiten und Benehmen nur den Eindruck erwecken will zur Gruppe der wahren Weinkenner zu gehören. Ihre tatsächliche Ignoranz verdecken diese Menschen häufig durch ein gewisses Maß an Wichtigtuerei, Überheblichkeit und Blasiertheit.

Nichts für Etikettentrinker

Kürzlich bin ich auf eine kuriosen Variante der Etikettentrinker gestoßen: Weinfreunde, deren Weinflaschen weder Etiketten noch Kapseln haben. Der Sinn solchen Verhaltens ist leicht nachvollziehbar: Man überhöht die Einfachheit auf das Niveau einer eingebildeten Ursprünglichkeit. Wie auf den gedeckten Tischen der Weinbauern oder in den Weinkneipen der Weinbauregionen gerade abgefüllte Flaschen ohne Etikett und Kapsel auf den Tischen stehen und Originalität suggerieren, tut die blanke Flasche auf der Tafel den gleichen Dienst und markiert die Nähe zum Winzer und damit die vermeintlich hohe Kennerschaft des Gastgebers. Die unetikettierte Flasche verbreitet das Image einer extra für den persönlichen Gebrauch gemachten Abfüllung. Ich habe den Verdacht, dass manch einer dieser „No Name”-Freaks Etikett und Kapsel aufwendig entfernt haben um zu der erstrebten Äußerlichkeit zu gelangen. Das kann aber nur glaubwürdig funktionieren wenn Bescheidenheit und Einfachheit als Image einer persönlichen Originalität auch zum übrigen Lebensstil des Gastgebers passen.

Ein weiteres, soziologisch interessantes, Phänomen ist die von Rolf Breitenstein* beschriebene „Simulationsgesellschaft”. In seiner Studie hat er die in unserer Industiegesellschaft herrschende Lehre des STAO, was „so tun als ob” heißt, definiert. Der Manager lässt seine Sekretärin den Brief mit dem Vermerk „nach Diktat verreist” unterschreiben, um seinem Partner zu zeigen, wie vielbeschäftigt er ist. Dabei sitzt er im Chefsessel und liest den Klatschteil der Tageszeitung. Worüber man im gesellschaftlichen Rahmen noch lächeln kann, das hat sich in der Soziologie der Verbraucher tatsächlich schon längst unter dem Begriff „Surrogat-Konsument” etabliert. Was damit gemeint ist, lässt sich an einem Beispiel einfach demonstrieren: Automagazine veranstalten und publizieren umfangreiche Tests von Automodellen, die für den überwiegenden Teil der Leserschaft aus materiellen Gründen unerreichbar bleiben. Die detaillierten Beschreibungen des Luxus eines Ferrari, Porsche, Bentley oder Maybach nehmen überproportional viel Raum ein und werden gierig gelesen. Die Informationen, die die Leser über diese Ikonen der Branche erhalten, sind für viele Nachfrager offenbar „selbstgenügsam”, d.h. sie reichen zu seiner Befriedigung. Er kann nun mitreden bzw. so tun als ob er eigene Erfahrungen mit dem für ihn unerreichbaren Lustobjekt gemacht hat. Solche „selbstgenügsamen” Informationen werden besonders im Genusssektor sehr hoch gehandelt.

In Gourmet-Zeitschriften, die auf den ersten Blick bereits erkennbar für weniger begüterte Zielgruppen gemacht werden, erscheinen Reportagen und Rezepte von den großen Restaurants im In- und Ausland. Kaum ein Leser dieser Blätter wird sich jemals dorthin begeben und trotzdem ist er irgendwie mit von der Partie und kann mitreden. Reiseführer verfolgen häufig den gleichen Zweck. Es gibt Menschen, die ziehen Befriedigung bereits aus der Lektüre über potentielle Genüsse. Das Wissen darüber ist zum Genussersatz (Surrogat) geworden. Nicht viel anders ist es beim Wein. Ich kenne Weinfreunde, die die Bewertungen der großen Weinjournalisten sämtlicher Bordeaux Grand Crus aus den letzten beiden Jahrzehnten auswendig kennen und darüber referieren können, als seien es ihre eigenen Verkostungsnotizen. Mancher Weinfreak kennt alle Details von den großen Weingütern und ihren Weinen ohne jemals einen Tropfen davon am Gaumen gehabt zu haben. Ich habe mich auch selbst schon ertappt, über Weine geredet zu haben, denen meinen Geschmacksnerven noch nie begegnet sind, über die ich aber so viel gehört hatte, dass sie mir im Detail bekannt waren. Solche „Surrogat-Trinker” gibt es in allen sozialen Schichten der Weintrinker, sie kommen aber bei den wirklichen Enthusiasten vermutlich deutlich häufiger vor.

Ich glaube, dass man sich als Weinfreund ein ironisches Lächeln nicht verkneifen kann, aber gleichzeitig zugeben muss, dass Etikettentrinker sich einem geringeren Risiko aussetzen, schlechte Weine serviert zu bekommen. Als Weinhändler muss man beide hier beschriebenen Gruppen ernst nehmen.

Peter Hilgard

 

Das Titelbild stammt von der Künstlerin Ute Ringwald, die im Schwarzwald geboren wurde und in Bad Vilbel bei Frankfurt lebt und arbeitet. Ihre opulenten, farbenfrohen und ironischen Aquarelle sind oft von genießerischen und erotischen Motiven geprägt und haben eine lebensfrohe Ausstrahlung.  www.uteringwald.de www.facebook.com/ute.ringwald.malerei 

 

 

 

*Breitenstein, Rolf: Die Simulationsgesellschaft. Glücklich ist – wer nur so tut.

München, Wirtschaftsverlag Langen-Müller/Herbig

 




Koflers neues Café Schmus

Garten-Oase im Trubel Berlins

 

Das Lokal im größten jüdischen Museum Europas in Berlin heißt jetzt Café Schmus. Nach Umbauarbeiten wurde es wieder eröffnet und kann auch ohne Museumsticket besucht werden. Kofler & Kompanie ist hier bereits seit September 2011 für die gastronomische Betreuung zuständig. „Schmus“ oder „schmisen“, „schmusen“, bedeutet je nach jiddischem Dialekt, „sich unterhalten“, „miteinander reden“, „sich etwas erzählen“. Auf der großen Speisetafel über der Küche steht auch ein altes jüdisches Sprichwort: Wovon wird der Kaffee süß, vom Zucker oder vom Umrühren?

Das Café will eine neue kreative Richtung in der traditionellen jüdischen Küche einschlagen. Generell wird auf Schweinefleisch, Schalen- und Krustentiere verzichtet, jedoch nicht koscher gekocht. Am Vormittag bietet das Museumscafé ein Frühstücks-Sortiment und frische Kaffeespezialitäten an. Täglich gibt es wechselnde Mittagsgerichte aus regionalen sowie mediterranen Zutaten mit Live Cooking Elementen sowie Salate, Sandwich-Variationen, frische Kuchen und Süßes.

Das Café Schmus befindet sich im Altbau des Jüdischen Museums Berlin direkt neben dem lichtdurchfluteten Glashof und grenzt an einen weitläufigen Garten, im Sommer eine Oase im Großstadttrubel: 3.000 Quadratmeter mit Laubengang und Liegestühlen, Wiesen mit Zieräpfelbäumen und einem Platanenwäldchen. Beide Orte werden vom Café bespielt. Das Café Schmus bietet hier als besonderes Highlight individuell gestaltete Picknickkörbe an – der ideale Begleiter für den Konzertabend oder beim Genießen und Entspannen im idyllischen Ambiente (Vorbestellung: Tel. 030 25796751.

Die exklusiven Räumlichkeiten bieten zudem eine gute Location für hochwertige Event-Formate, meint Börries von Notz, der Direktor des Jüdischen Museums, für den Kofler & Kompanie bevorzugter Cateringpartner des Hauses ist. Nicht zuletzt eignet sich der von Daniel Libeskind  entworfene Glashof des Museums für Tages- und Abendveranstaltungen mit bis zu 650 Personen. Außerdem ist es möglich, die Caféflächen auch abends außerhalb der Museums-Öffnungszeiten exklusiv für Veranstaltungen zu mieten.

von Notz (l.) und KP Kofler

Für den Frankfurter Gastronomen Klaus Peter Kofler spielt Museumsgastronomie schon seit mehreren Jahren eine sehr bedeutende Rolle. Sein Unternehmen ist in Berlin neben dem Café Schmus im Jüdischen Museum auch im Zeughaus im Deutschen Historischen Museum sowie im Bodemuseum für die gastronomische Betreuung der Cafés zuständig, zudem ist er Cateringpartner für Veranstaltungen in  diesen Locations. „Für Veranstaltungen sind hier wunderbare Kombinationen der verschiedenen Museumslocations möglich, meint Kofler. „Besonders reizvoll an der Museumsgastronomie ist, dass hier wirklich äußerst spektakuläre Räumlichkeiten zu finden sind. Insbesondere ist es uns wichtig, dass wir als kunstinteressierte Gastronomen, das Museum inhaltlich stark in das jeweilige Café einbauen.“ So wurden beispielsweise für das Café Schmus besondere Lampen mit jüdischen Schriftzügen bauen eingebaut. Im neuen Café Schmus dominieren natürliche und gedeckte Farben. Das Interieur ist im Used Style gehalten – vergleichbar mit Kofler Pret a Diner Pop-up Design. Der Innenraum hat 60 Sitzplätze, im anschließenden Glashof  kommen noch einmal 100 hinzu, bei schönem Wetter gibt es weitere 40 Plätze im Garten.

 

Café Schmus, Berlin, Lindenstraße 9-14, Tel. 030  25796751, geöffnet Mo: 10-22 Uhr, Di-So: 10-20 Uhr, entsprechend der Öffnungszeiten des Jüdischen Museums Berlin.