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Der Rapper-Champagner

Glamourperle von Cattier auf Deutschlandtournee

 

Von Ludwig Fienhold

Vermarktung ist nicht alles, hilft aber enorm. Einen ungewöhnlichen Weg ist die Kellerei Cattier in Chigny les Roses gegangen. Das im Grunde im guten Sinne konservative Familienunternehmen hat mit dem Armand de Brignac einen Glamourstar in die Welt gesetzt, der wegen seiner extravaganten Aufmachung in Gold, Silber und Pink ins Auge springt. Vor allem in den USA und in Russland ist es einfach hip und schick, eine solche Kitsch-as-Kitsch-can-Flasche am Tisch stehen zu haben. Rapper Jay-Z, Goldkehlchen Beyoncé und Espresso-Trinker George Clooney haben das so oft getan, dass sie schon zu so etwas wie Botschaftern der hochpreisigen Nobelmarke wurden. Talkerin Oprah Winfrey verschenkt den güldenen Armand de Brignac mit dem Pik-Ass-Emblem kistenweise, der singende Schauspieler Kevin Coster begießt damit das Ende seines Konzerts auf der Bühne.

Dieser Tage sind Champagnerwinzer Jean-Jacques Cattier und sein Marketingmanager Philippe Bienvenu auf Deutschlandtournee, in Frankfurt präsentierten sie ihre Erzeugnisse im Roomers und in der Villa Kennedy. Mag der Armand de Brignac auch nouveau und rich sein, die beiden sind sehr bodenständig und natürlich. Ein Produkt wie Armand de Brignac ist so etwas wie flüssiges Swarovski und passt viel eher in die Glitzerpaläste von Dubai und die Nachtclubs von Moskau. Der verhaltensauffällige Champagner war auch der Auschankstoff beim deutschen Filmpreis in Berlin und ist jetzt der offizielle Haustropfen bei der Fußball-Europameisterschaft in der Ukraine und in Polen. Der deutsche Markt könnte stärker sein, doch immerhin sind die sündhaft teuren Champagner in vielen Clubs (Gekkos Frankfurt, P1 München, Pony Kampen etc.), Hotels (Brenner´s Park-Hotel Baden-Baden, Bayerischer Hof, Mandarin Oriental, Vier Jahreszeiten München) und Restaurants (Sansibar Sylt, Medici Baden-Baden) vertreten.

Champagner & Fußball in der Villa Kennedy

Die Villa Kennedy ist einer der schönsten und stilvollsten Plätze während der EM für Public Viewing. Wenn aber Champagner mit im Spiel ist, gewinnt die gute Laune. Da zum Champagner besonders Deftigkeiten wie Rippchen mit Kraut passen, wurde das Buffet entsprechend bestückt. Die Champagner aus der Kellerei Cattier moussieren sehr fein und doch druckvoll, keine schlechte Ware, aber bei Preisen zwischen 300 und 400 Euro ziemlich übermütig kalkuliert. Diese basieren letztlich auf einer Art Prestigegewinn, denn der Armand de Brignac Brut Gold wurde 2010 in einer Blindverkostung vom eher weniger als mehr bekannten finnischen Fine Champagne Magazine in New York tatsächlich als „bester Champagner der Welt“ ausgezeichnet. Er ist leicht an der goldenen Flasche mit dem handpolierten Zinnetikett zu erkennen. Exklusiv vertrieben wird der Armand de Brignac in Deutschland von den vorher in der Musikszene beheimateten Berlinern Stefan Fabinger und Benjamin Biermann, dem Sohn des Liedermachers Wolf Biermann.

Im Roomers und der Villa Kennedy gab es die prämierte Gold-Cuvée, den Rosé, und Blanc de Blancs sowie den normalen Cattier Brut zu verkosten. Die bunten Flaschen sind sehr einfach zu trinkende, unkomplizierte Champagner ohne Ecken und Kanten oder gar Tiefe. Spitzenchampagner wie Krug oder individuelle, wie der fabelhafte La Closerie von Jérôme Prevost, sind Lichtjahre von einem Armand de Brignac entfernt. Dass die Familie Cattier aber keinesfalls für Blendwerk steht, zeigt ihr schlicht etikettierter Cattier Brut. Er kostet nette 25 Euro und ist viel knackiger und individueller als seine teuren Brüder. Diesen sehr natürlichen, frischen, seidig strukturierten und cremigen Champagner trinkt man gerne.

Jean-Jacques Cattier

Das Label Armand de Brignac existiert erst seit 2006, doch die Winzerfamilie Cattier betreibt schon seit 1918 Weinbau. Jean-Jacques Cattier und sein Sohn Alexandre stehen mit ihrer schlichten Art im krassen Gegensatz zur lauten Glitzerwelt der Armand de Brignac-Show. Bis dorthin erzeugten sie aus den eigenen 30 Hektar umfassenden Weinbergen vor allem gute Champagner der bezahlbaren Mittelklasse. Ihre Lagen gehören zur Kategorie Grand Cru (wie Avize und Oger) oder Premier Cru. Die Cuvées sind eine Mischung aus drei unterschiedlichen Jahrgängen, die aktuelle ist eine Kombination der Jahre 2002, 2003 und 2005. Die Flaschen altern bei niedriger und konstanter Temperatur 30 Meter unter der Erde in Kellern, die zu den tiefsten in der Champagne gehören und ein langsames Altern fördern. Insgesamt sind am Entstehungsprozess von Hand acht Kräfte beteiligt. Es geht hier bei Reims trotz allen Medienrummels wie immer zu, selbst als der millionenschwere Rapper Jay-Z mit seinem Rolls-Royce vorbeikam, ließen sich die Cattiers nicht aus der Ruhe bringen.

Sélection Prestige, Berlin. www.armanddebrignac.de

Champagnerkellerei Cattier, Chigny les Roses. www.cattier.com

Siehe auch Biss-Bericht Der Popstar unter den Champagner

Photo Credit: Barbara Fienhold

 




Kochen ist Chefsache

Film für Feinschmecker

 

Kultkomiker Michael Youn und Filmschurke Jean Reno haben sich für eine Komödie als seltsames Paar am Herd zusammengetan. In Frankreich war der Film erfolgreich und bekam gute Kritiken, inzwischen läuft er auch in deutschen Kinos. Unser Pariser Korrespondent Jörg Zipprick sieht ihn mit eigenen Augen und entdeckt Parallelen zur realen Küchenwelt.

Er hat das Bild der Köche der letzten beiden Generationen von französischen Feinschmeckern geprägt. Die Pose des „Grand Chef“ mit den verschränkten Armen und der hohen Kochmütze. Das ist er. Jahrzehntelang hat  Alexandre Lagarde die Titelseiten der Welt geschmückt, Kein Zweifel, Lagarde ist ein Phänomen, nein, eine Ikone, die Inkarnation der „Cuisine Française“. Jetzt aber sieht es düster für den Küchenchef aus: Seit der Trennung von seiner Frau ist der Strom neuer Ideen ins Stocken geraten. Schlimmer noch, sein Luxusrestaurant gehört einer Finanzgruppe. Und deren Boss Stanislas Matter ist eher an Bilanzen als am Kochen interessiert. Kein Wunder, dass er auf die Molekularküche setzen will, die mit dem Einsatz von Lebensmittelzusatzstoffen satte Renditen generiert.

Jean Reno schmeckt ab

Und dann gibt es auch noch Jacky. Der ist jung, hoch motiviert, kann kochen, darf seine Ideen aber selten umsetzen. Nicht jeder Schnellesser will halt zum Gourmet erzogen werden. Klar, dass die Wege der beiden sich kreuzen.  „Kochen ist Chefsache“ ist  über weite Strecken ein cineastisches Äquivalent zum Tomate-Mozzarella-Teller aus: Leichte Kost für die Sommertage. Doch es gibt Momente, da mag man Tomate Mozza, wenn die Tomaten gut gereift sind, der Mozzarella wie ein solcher schmeckt und ein Hauch feines Olivenöl zum Einsatz kommt. Deutsche Zuschauer werden im Film zuerst die Klamotte sehen. Und sicher, es gibt jede Menge Cartoon-artige Szenen, z.B. wenn sich Jean Reno (Lagarde) und Michael Youn (Bonnot) zwecks Spionage als japanisches Paar zum Meister der Molekularküche schleichen. Das ist höchst albern, geht aber schon in Ordnung, denn wir sind hier nicht bei  Ingmar Bergman und Rainer Werner Fassbinder.

Michael Youn lässt nichts anbrennen

Auf solche Gags sollte man „Kochen ist Chefsache“ nicht reduzieren, denn in der Französischen Sprache gibt es, genau wie im französischen Film meist einen „deuxième et troisième dégré“, einen zweiten und dritten „Grad“, der eine eigene Bedeutung hat. Spätestens mit der Synchronisation wird der leider sozusagen mit dem Holzhammer entfernt.

Wer Frankreich kennt, sieht in  „Kochen ist Chefsache“ trotz allen Klamauks Parabeln zu Themen wie „Älter werden“, „Profitmaximierung“ und „Moden“, die uns heute fest im Griff halten. Noch dazu wirkt der Film teilweise realistisch: So gehört das Drei-Sterne-Lokal „Pré Catalan“ in letzter Instanz der Sodexo, die Kantinen, Kasernen und Altersheime bekocht. Wer denkt da nicht an Lagarde? Spritzen, Pipetten und Labor-Zubehör gibt es bei Molekularköchen tatsächlich in Mengen, auch Geleewürfel mit Entengeschmack wurden in Spanien schon verkostet und von geneigten Kritikern in Wonneworte gepackt.

Sowohl Jean Reno, als auch der in Frankreich extrem populäre Michael Youn sind zudem gestandene Leckermäuler. Auch wenn in Deutschland nur Reno als solcher vermarktet werden darf: Youn kennt die Szene, einer seiner Freunde und Produzenten kommt aus einer Familie von Restaurantbesitzern, schon vor zehn Jahren machte er sich in seinem Lied „Le Frunkp“ (für „Funk plus Rap“) über den Michelin lustig: “Der Guide für Flaschen (ce guide de tocard).“ Beide haben Spaß am Thema, das sieht man ihnen an. Auch wenn „Kochen ist Chefsache“ nicht den Biss von „Brust oder Keule“ mit Louis de Funès erreicht.

JZ