1

Böse Zungen Best of Gault Millau

Als die Franzosen

noch frech waren

 

Zugegeben, ich kenne den Namen der neuen Chefredakteurin vom Gault Millau Deutschland, Patricia Bröhm, nur aus den Autorenzeilen der „Süddeutschen“. Aber: Diese Autorenzeile und die Texte darunter waren mir sympathisch. Es gibt im Gegensatz dazu ja Namen, die wie ein böses, tiefschwarzes Omen jeden Text überschatten, die nach Schwefel und Synthetik-Aromen riechen, aber das will ich heute mal nicht vertiefen. Mögen Patricia Bröhm jedenfalls Heringsei-Imitat, Synthese-Aromen, Zusatzstoffe und IFT* weitgehend erspart bleiben, mögen die permanenten Geschmacksexplosionen und unvermeidlichen Spiele der Konsistenzen ihren Mundraum verschonen.

Sympathisch waren mir die Texte schon deshalb, weil Patricia Bröhm darin Menüs nicht wie ein Gerichtsmediziner seziert, wie es momentan im Kritikermilieu à la mode scheint. Ich sehe da eine Parallele zur Kost, die uns diverse Fernsehproduzenten auftischen. Früher hatten wir den sympathischen Gerichtsmediziner „Quincy“ im Vorabendprogramm, heute zerlegt irgendein CSI-Experte den Mageninhalt von Mordopfern in Großaufnahme und schmiert mir das Resultat auf den Flachbildschirm. Das will ich gar nicht so genau sehen, genau wie ich als Leser von Restaurantkritiken  halt nicht jedes Knusperelement mit angeblichem „Katalysatoreffekt“ beim Vornamen kennen lernen möchte.

Der Ur-Gault & Millau

Sympathisch war mir auch stets der Gault Millau. Der Restaurantführer schien mir für die Gäste geschrieben zu sein, nicht für die Köche. Den Gault Millau habe ich schon als Student gekauft. Wegen der Verrisse. Groß war die Freude, wenn ein Kritiker endlich mal zugab, dass er in einem mir bekannten Lokal genau so mies gegessen hatte wie ich als stinknormaler Gast. Als ich meinen ersten Gault Millau Deutschland bei Gonski in Köln erstand, hatten die Verfasser einen, wenn auch regional begrenzten, Miniskandal angezettelt indem sie dem kölschen Aushängeschild „Der goldene Pflug“ nur 15 von 20 Punkten zugestanden. „Frech“ sei das und „geradezu unverschämt“ hieß es damals. Schließlich habe der Laden drei Sterne im Michelin, da müssen doch auch hart gesottene Kritiker mit den weichen Knien klappern.  Ich muss zugeben, dass ich damals nicht täglich den „Goldenen Pflug“ frequentierte. Dennoch kam es kurze Zeit später zu einem Besuch. Fortan vertraute ich dem Gault Millau stärker als dem Michelin. Ein Eindruck, der sich noch verstärkte, als mir kurz darauf in einem Pariser Drei-Sterne-Lokal eine Entenbrust in einer Garstufe vorgesetzt wurde, die ich halbwegs neutral nur mit dem Wort „mumifiziert“ beschreiben kann. Ich will den Ort dieses Verbrechens am Federvieh  jetzt nicht weiter benennen, aber der Name beginnt mit „L“  und endet mit „a Tour d’Argent“.

Seitdem war mir „frech“ und „unverschämt“ immer lieber als „staatstragend“. Die fröhlich-sonnigen Betrachtungen permanent grundoptimistischer Berufsesser hatte ich übrigens schon vorher für immer ausgemustert und ignorierte fortan die Regalmeter, die Buchhändler an sie verschwendeten.

„Frech“ ist sozusagen die DNA des Gault Millau. Wir haben den Vorfahren des Führers aufgetrieben und abgestaubt: „Guide Julliard de Paris“ von Henri Gault und Christian Millau. In der Ausgabe von 1970 stehen viele köstliche Beispiele der Restaurantkritik. Hier ein Best of:

 

Au Mouton de Panurge

17, rue de Choiseul

…. « gehässiges Lachen, Gardegesänge und unnachahmliche Obszönitäten gehören zu unserem Kulturerbe. Schon deshalb ist es wichtig, dass ihre Kinder diesen Ort kennen lernen….“

(Anmerkung: Dieses Lokal existiert nicht mehr. Doch keine Sorge, das Kulturerbe lebt andernorts fort und scheint derzeit nicht gefährdet)

 

Le Coq d’Or

13, rue Malebranche

„All der verwelkte Prunk des alten Russlands der Großherzöge und Taxifahrer. Hier ist man schlecht zum kleinen Preis und schwimmt in Lokalkolorit.“

(Anmerkung: Etliche geflohene russische Adlige mussten sich damals in Paris als Taxifahrer verdingen)

 

Rôtisserie Périgourdine

2, place Saint Michel

Wir werden über dieses Lokal nie wieder schlecht reden: Dies ist das schlechteste Restaurant von Paris, dies ist das schlechteste Restaurant von Paris….  Dies ist das schlechteste…. Dies ist… dies ist das beste Lokal von Paris, dies ist das beste Lokal von Paris…

(Anmerkung: Die Rôtisserie bekam die Note Note: 4/20)

 

La Méditerranée

2 place de l‘Odéon

„Keine Verbesserung seit der letzten Auflage. Die Teppiche sind immer noch verdreckt, der Fisch im Kühlschrank vergessen, Schokoladenmousse wird mit Stärkemehl vollgestopft….“

(Anmerkung: Das Lokal existiert noch, der Teppich wurde ausgetauscht.)

Während der französische Gault Millau nach dem Verkauf an einen Hersteller von Geschenkartikeln mit den Jahren immer artiger wurde, hat der Gault Millau Deutschland seinen Charakter und Biss behalten.

Jörg Zipprick

 

* IFT = Instant Food thickener, wird sonst im Hospital den Patienten mit Dysphagie, also Schluckstörungen verabreicht und gern in der neuen nordischen Küche verwendet.

 

 




Krolik wird Küchenchef im Tigerpalast

Und Alfred Friedrich geht in den Palmengarten

 

Spannende Restaurant-Rochaden in Frankfurt und Baden-Baden: Neuer Küchenchef im Frankfurter Restaurant Tigerpalast wird im August Andreas Krolik, der zuvor zwölf Jahre lang in gleicher Position im Brenners Park-Hotel in Bade-Baden war (2 Michelin-Sterne, 17 Punkte im Gault Millau). Der bisherige Küchenchef vom Tigerpalast, Alfred Friedrich, wechselt dann in das neue Restaurant Lafleur im Gesellschaftshaus des Palmengartens, das ebenfalls vom Tigerpalast geführt wird und am 15.  August eröffnen soll.

 

Alfred Friedrich

An die Stelle von Krolik kommt Paul Stradner ins Park-Restaurant. Der 31 Jahre alte Grazer war zuvor fünf Jahre im Drei-Sterne-Restaurant Schwarzwaldstube bei Harald Wohlfahrt im Hotel Traube Tonbach und arbeitet noch bis Ende Juni als Sous Chef bei Jean Georges Klein im Drei-Sterne-Restaurant L´Arnsbourg im französischen Baerenthal.

 

 

 

Paul Stradner

Der neue Küchenchef im Tigerpalast, Andreas Krolik, steht auf dem Boden der französischen Klassik, die er jedoch stellenweise modern aufpeppt. Er ist passionierter Angler, seine große Leidenschaft gehört den Fischen und Krustentieren. Krolik arbeitete schon einmal Ende der neunziger Jahre im Tigerpalast, damals war Victor Stampfer Küchenchef.

LF

 

Bild oben rechts: Andreas Krolik

Photo Credit: Barbara Fienhold, Tigerpalast, Paul Stradner