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Margarete hat eröffnet

Das neue Lokal in der Frankfurter Altstadt

 

Endlich ist Margarate da. Das neue Lokal in der Braubachstraße will die gastronomisch träge Altstadt beleben. Margarete ist glamourfrei und gefällt durch große Natürlichkeit. Viel Holz und blanke Tische geben einen lässigen Ton an, Zwanglosigkeit soll ein Grundmotiv sein. Raumhöhe, freie Deckenrohre und große Fensterfronten vermitteln Loft-Charakter. Nur mit der blitzenden Kupferfront beim Thekenbereich und Küchenpass hat man sich ein wenig Schick geleistet. Das Lokal ist eher spartanisch und dezent rustikal, wegen der direkten räumlichen Verbindung zum literarischen Salon daneben und dem Sitz des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels im Haus könnte man auch von einer Kulturkantine sprechen. Die als Vorlage für den Namen dienende Innenarchitektin Margarete Schütte-Lihotzky ist die Erfinderin der sogenannten Frankfurter Küche, die in den Zwanziger Jahren als Mutter der Einbauküche entwickelt wurde und Handlungsabläufe optimieren sollte.

Was bieten Küche & Keller? Die Karte ist mittags und abends sehr schlank gehalten, was gerade in der Aufbauphase richtig ist und der Küche Luft verschafft. Ein Stil wird sich noch entwickeln, derzeit passt alles unter das Dach der neuen deutschen Küche, mit traditionellen Deftigkeiten und verfeinerter Bodenständigkeit. Es gibt eine Handvoll Gerichte, derzeit zwischen 7.50 und 18 Euro (mittags) sowie 18 bis 36 Euro (abends). Suppen und Eintöpfe passen gut zum Ambiente und können flink serviert werden. Im Angebot stehen einfache und ordentliche Tellergerichte, etwa samtige Sauerkrautsuppe, dicke Gulaschsuppe mit Crème fraîche und der heiter beschwipste Hühnchenklassiker Coq au Vin mit Risotto und Zitrone. Das zarte Lamm mit Topinambur, Grapefruit und Liebstöckel zeigt schon mehr die Qualität der Küche, die ganz bedächtig beginnen möchte und noch Kapriolen meidet. Besonders gut haben uns die Desserts gefallen, Apfel-Crumble mit Zimtblüte und die geräucherten Hutzelfrüchte mit Milchschaum, Pekanuss, Parmaschinken und Käse. Die Küche wird von Ronny Bolz und Luka Spaniol Simunelic geleitet, die zuvor beide in Spitzenrestaurants gearbeitet haben. Ronny Bolz wurde vom Gourmet Guide Gault Millau wegen seiner erstklassigen Desserts zum Patissier des Jahres 2010 gekrönt, als er in der Villa Rothschild in Königstein arbeitete. Danach avancierte der 26 Jahre alte Süßspeisen-Spezialist zum Souschef im Spitzenrestaurant Bean & Beluga in seiner Heimatstadt Dresden. Kompagnon Luka Spaniol Simunelic arbeitete zuvor in den Frankfurter Toprestaurants Cyrano, Tigerpalast und Villa Merton.

Simon Horn

Auf der Getränkekarte zeigt man ebenfalls eine persönliche Note. Das beginnt schon bei den Softdrinks und dem leckeren Biokräuteraufguss Lemoncrazy, der von einem taufrischen jungen Frankfurter Unternehmen aus Nanaminze, Zitronengras, Limettenblättern, Zitronenthymian und Zitronenmelisse hergestellt wird. Beim Apfelwein setzt man auf die Kelterei Uhl aus Rodenbach und deren knackfrischen Schoppen, Biertrinker stoßen auf den bewährten Schlappeseppel aus Großostheim. Das Weinsortiment darf ruhig noch wachsen, bietet aber einige gute Tropfen. Der Rheingauer Riesling Eins Zwei Dry von Leitz ist ein saftig-frischer Frühlingsbote. Sympathisch, dass fast alle Weine glasweise zu haben sind (0,1 l und 0,2 l mit Preisangabe). Die Rum- und Whisky-Auswahl ist gut, doch vor allem die herausragenden Destillate der Edelobstbrennerei Stählemühle in Eigeltingen in der Nähe vom Bodensee sind ein Erlebnis. 33 Erzeugnisse stehen parat, darunter Schnapsbirne im Kastanienfass, Maiwipfelgeist von frischen Fichtensprossen und Konstantinopler Apfelquitte. Christoph Keller, der in Frankfurt einst einen Kunstbuchverlag betrieb und seit fünf Jahren alle wichtigen Preise der Branche abräumt, ist auch bekannt für seinen Monkey 47 – für uns der beste Gin der Welt.  

Apfel-Crumble mit Zimtblüte

Das Lokal Margarete ist von 7.30 Uhr bis in den späten Abend geöffnet, die Küche will sich bis 23 Uhr bereithalten, wobei auch danach noch Kleinigkeiten zu haben sein werden. Das lebhafte Restaurant bietet mittags keine zweite Trautsamkeit, die Gäste sitzen an langen Holztischen, ähnlich wie in den bekannten Frankfurter Apfelweinkneipen. Das trägt gründlich zur saloppen Stimmung bei, formelle Lokale gibt es ja schon genügend. Singles werden vielleicht einen der sechs Barhocker bevorzugen, unmittelbar an der Schiebeluke zur Küche. 80 Gäste haben im Lokal Platz, ebenso viel auf der Innenhofterrasse, an der noch gearbeitet wird. Im vorderen Teil des Lokals an der Braubachstraße kann man sich auf einen Kaffee (2,70 €) oder Cappuccino (3 €) freuen, der von der kleinen feinen Rösterei Phoenix aus Dresden kommt und angenehm kräftig ausfällt. Eine Lounge-Ecke lädt zum Lümmeln ein, die Stehtische sind für die Eiligen. An der Theke kann man sich auch interessant belegte Sandwichs holen, confierten Zitronen-Pulpo findet man sonst nicht auf Ciabattabrötchen.

Der Service unter der Betriebsleiterin und gelernten Köchin Nicole Blumenthal tritt munter und freundlich auf, man fühlt sich gut umsorgt. Das 300 Quadratmeter große Lokal Margarete wird von Simon Horn (Jahrgang 1983) und Raffaela Schöbel (Jahrgang 1984) geleitet. Horn hat sich durch seine Lokale Blumen und Seven Swans bekannt gemacht, Schöbel ist ebenfalls in Frankfurt geboren und studierte unter anderem Kulturanthropologie. Es ist vorteilhaft, dass die aparte Gastronomin die Rezeption führt – wer auf ein solch schönes Lächeln trifft, wird das Lokal milde gestimmt betreten und auch wieder verlassen.

 Ludwig Fienhold

Margarete, Frankfurt, Braubachstraße 18 – 22, Tel. 069 13 06 65 00. Café & Bar, Montag – Freitag ab 7.30 Uhr, Samstag und Sonntag ab 10 Uhr. Restaurant Montag – Samstag 12 – 14.30 Uhr, abends ab 18 Uhr. Sonntag ab 10 Uhr geöffnet. www.margarete.eu

 

 

 

 

 




Die Sterne essen, den Mond trinken

Drei-Sterne-Koch Thomas Bühner und Château Palmer

beim Gourmet-Festival im Rheingau

 

Thomas Bühner wirkt eigentlich sehr entspannt und gelassen. Würde man ihm ein Produkt zuordnen, dann eher die Kartoffel als den Kaviar. Doch so wenig extravagant der bodenständige Westfale erscheint, so ungewöhnlich können seine Kreationen in der Küche ausfallen – manchmal sogar richtig exaltiert. Als er beim Rheingauer Gourmet- und Wein-Festival zusagte, hatten er und sein Restaurant La Vie in Osnabrück noch zwei Sterne, jetzt war er dort jedoch als Drei-Sterne-Koch zu Gast, da ihn der Gourmet Guide in der aktuellen Ausgabe 2012 an die Spitze hoch stufte.

Expressive Makrele

Die Gala-Diners im Kronenschlösschen in Hattenheim, wo fast alle Veranstaltungen des Festivals stattfinden, sind im Schnitt mit 150 Gästen mehr als gut besucht. Zum Lunch von Thomas Bühner kamen „nur“ 100 Gäste. Dabei hätte er gerade wegen seiner Aufwertung alle Beachtung haben müssen. Es lag sicher nicht am Preis (165 € fürs Vier-Gänge-Menü inklusive Sektempfang und sehr guter Weine von Dönnhoff und anderen) und gewiss auch nicht an dem Küchenchef selbst, dass nicht noch mehr Interesse gezeigt wurde. Manchmal ist alles nur ein Zufall, stimmt genau der Tag in der Woche nicht mit den eigenen Terminen überein, an dem so etwas veranstaltet wird.

Thomas Bühner legte gleich mit einem völlig unscheinbaren Gericht los, das von ergreifend schlichter Schönheit das Elementare einer Küche offenbarte: Die hart klingende Kartoffel heiß/kalt war eine ätherische Kartoffelmousseline mit Kürbis-Curry-Eis. Es lief der Zunge heiß und kalt über den Rücken. Kaum sonst haben so wenige Komponenten eine solche Geschmacksvitalität zeigen können. Es sollte der Höhepunkt des Essens sein, zumindest für Puristen und andere Freunde lupenreiner harmonischer Aussagen.

Alles Banane

Die sauer marinierte Makrele mit Passionsfrucht und schwarzem Sesam-Eis war bis ins Detail ausgelotet und geriet zum sensorischen Gesamtkunstwerk. Die japanisch anmutende Komposition war aber auch ein ziemlich buntes und leicht nervöses Gericht, das den Wein ins Abseits beförderte und mehr Restsüße gefordert hätte.

Thomas Bühner

Warum man eine Seezunge zweimal schichten muss, um damit eine fette Rolle zu strapazieren, hat sich nicht erschlossen, denn eine schlanke Seezunge schmeckt einfach feiner. Der begleitende Gemüsebrei zeigte sich sehr gestrig. Auch das Filet vom Rentierrücken wollte nicht entzücken. Zunächst einmal: Brauchen wir hier ein solches Nikolaus-Schlittenpferd und könnten es nicht auch Hirsch und Reh sein? Der Rentierrücken schmeckt deutlich mehr nach Tier, auch nach Metall und Blut wie rohe Leber. Wer´s mag, wird damit sehr glücklich. Das sehr exotische Dessert nannte sich Bananen-Milchshake mit Koriander, Limette und karamellisierter Schokolade. Spannend, aber auch sehr süß und üppig. Ingo Swoboda moderierte mit flinker Zunge, Gourmet-Festival-Veranstalter und Hotelier H.B. Ullrich quittierte es mit breitem Grinsen.

Einer der flüssigen Höhepunkte des Festivals war die Probe von Château Palmer. Directeur Bernard de Laage de Meux war überdeutlich begeistert von seinen Weinen. Moderator und Autor Jan Paulson bremste ihn nicht. Die Degustation war dennoch sehr anregend. Den ebenfalls zur Verkostung stehenden Zweitwein Alter Ego kann man rasch übergehen. Château Palmer selbst gehört zu den wichtigen Bordeaux-Weingütern, wenngleich als 3ieme Grand Cru nicht zur ersten Liga. Die Weine kosten zwischen 130 und 350 Euro (bei der Probe gab es schlückchenweise sechs Palmer-Weine für 185 €).

Rentierrücken

Palmer ist sehr oft ein charmantes Raubein, herb und herzlich. Mit den Jahren kann er endgültig zum Charmeur werden, präsentiert sich samtig und gefühlvoll. Diese Probe stellte fast alles auf den Kopf, die jüngeren Jahrgänge fielen mitunter betörend aus, während die die anderen trotz Alters unreif wirkten. Die Jahrgänge 1995 und 1996 sind nicht in Schönheit gealtert, zeigten sich unelegant und wenig delikat. Der 95er langweilte mit verhaltener Aromatik und dürftiger Pflaumigkeit. Beim 96er stellte sich mürbe Krautigkeit ein, sogar Säure und leichter Schwefel. Der Jahrgang 2000 gefiel durch sein chevalereskes Auftreten und feingliedrige Variabilität aus Zedernholz, Leder und Roten Beeren. Noch zugänglicher der Palmer 2008, mit Düften von Schokolade, Kaffee, Roten Beeren, Cassis, Tabak. Höhepunkt war der Jahrgang 2005, mit seinem differenzierten Geschmacksbild aus Port, Mokka, Karamell, Vanille und einem Hauch Minze. Ein sinnlicher Wonneproppen und das Gegenteil vom distinguierten 2000er, der kühl wie Mondschein wirkte. Welch eine Lehrstunde. Kaum etwas stimmte mit den Erwartungen überein, die eine gewisse Fachpresse und die Weinmacher selbst erzeugen. Wie trügerisch ist doch das Geschwätz über Entwicklungen von Weinen, von Lebewesen, die meist eine ganz andere Laufbahn nehmen, als sie von Experten vorausgesagt wird. Der Wissensdurst, der bei solchen Veranstaltungen gestillt wird, ist in jeder Hinsicht wertvoll. Man kann Sterne essen und den Mond trinken, das Leben auf der Erde bleibt trügerisch.

Ludwig Fienhold

 

Weinverkostung

Das Rheingau Gourmet- und Wein-Festival geht noch bis zum 7. März. Das Veranstaltungsprogramm mit den noch freien Tickets kann man über die Webseite einsehen: www.rheingau-gourmet-festival.de