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Der Michelin ist krank: Jeder darf testen

Ein Geschmacks-Urteil

 

Kommentar von Ludwig Fienhold

Aus Angst vor dem Tod will der Michelin Selbstmord begehen. Weil die Verkäufe des gedruckten Restaurantführers stark rückläufig sind, versucht man jetzt über das Internet einzusteigen. Dagegen wäre nichts zu sagen, wenn dies nicht mit einer Einbeziehung aller Webseitennutzer einherginge. Nun soll jeder testen und seine Wertungen einbringen können. Der Michelin degradiert sich zum bloßen Blog und biedert sich an den Massengeschmack an. Damit gibt der Guide Rouge das einzige aus der Hand, für das er bislang zu stehen glaubte: Den ganz persönlichen unabhängigen unbestechlichen Geschmack. 

Der amerikanische Zagat und der deutsche Marcellino´s betreiben seit vielen Jahren das Spiel mit Lesern, die sich als Tester fühlen dürfen. Bei diesen Publikationen ist es von Anfang an das Konzept, die normalen Kostgänger als Basis zu suchen. Der Michelin aber war bislang eine elitäre Institution. Mit der einsetzenden falsch verstandenen Demokratisierung der Restaurantkritik stößt er sich selbst vom Thron. Alain Ducasse hat bereits gegen die neue Entwicklung beim Guide Rouge protestiert und bangt um den Ruf eines französischen Kulturdenkmals und vor allem um die Zukunft der Köche.

Keine Kulturkritik – ob sie nun Literatur, Theater, Kunst oder das Kochen betrifft – bedarf der Mitbestimmung. Neusten Umfragen nach wird dann Markus Lanz zum besten Koch Deutschlands gewählt. Unfug jedweder Art findet bereits in den bunten Blättern und im Internet statt. Wir haben sie schon lange satt, die Menschen, die glauben, nur weil sie gerne essen gehen, seien sie ausreichend legitimiert Kritiken zu schreiben. Die Blogs sind voll mit besonders unappetitlichen Vertretern dieser Spezies. Verhinderten Testern, die bei keinem Gourmet Guide oder anderen Periodika landen können oder auch konnten, weil ihnen Kompetenz, Leidenschaft, Erfahrung und oft auch Sprachfähigkeit fehlen. Vor allem aber verbergen sich diese Feiglinge hinter Pseudonymen und scheuen, mit ihren Namen einzustehen. Diese im doppelten Sinne Scheinexistenzen erkennt man aber auch so an ihrem Auftritt als farblose Wohlstandschnösel, großmäulige Pseudogourmets und arme Würstchen, denen es um Selbstdarstellung und Aufwertung der eignen Person geht.

Mit dem neuen Michelin sind noch stärker Blendern und Intriganten Tür und Tor geöffnet, die Hotelportale und deren Bewertungen machen es seit langem vor. Vermeintliche Tester, deren Horizont bis nach Wächtersbach reicht, baden sich in ihren Kritiken aus der großen weiten Welt und bemängeln die Kälte der Ozeane. Mitbewerber setzen der Konkurrenz Wanzen ins Bett und dem Leser einen Floh ins Ohr. Der Nutzer verbringt mehr Zeit damit zu erkunden, ob die Geschichten echt oder erfunden sind, ob sie einem gesunden oder einem getrübten Hirn entspringen, als eine eigene Reise erforderte.

Der Michelin schadet mit seinem fahrlässigen Aktionismus nicht nur sich selbst, sondern der ganzen Branche und insbesondere der Restaurantkritik. Gäbe es eine Rating-Agentur für Gourmet Guides, würde diese den Michelin auf Ramschniveau herabstufen. Der Michelin verliert sein Gesicht. Vielleicht aber ist das sein Wahres.

 

 




GinYuu ist zu

Ein Systemgastronom in Nöten

 

Nach nicht einmal einem Jahr hat das asiatische Konzept-Lokal GinYuu in Frankfurt geschlossen. Vorübergehend, wie es offiziell heißt, wobei vieles dagegenspricht. Damit scheitert vorerst nach dem schnellen Ende von Holyfields das zweite Unternehmen aus dem Bereich der Systemgastronomie. GinYuu war erst im März 2011 als Pilotprojekt eröffnet worden, weitere Lokale dieser Art sollten in ganz Deutschland aufgestellt werden.

Die GinYuu GmbH macht die seit Dezember letzten Jahres bestehende Baustelle neben dem Lokal in der Alten Rothofstraße für die als vorläufig bezeichnende Schließung verantwortlich. Uta Hodeige von GinYuu meint, dass diese Arbeiten noch das ganze Jahr dauern werden, inklusive Straßensperrung und Gebäudeabriss. Eigentlich ist halb Frankfurt eine Baustelle, müssten viele Lokale aus diesem Grund schließen. Das noch näher an der gleichen Baustelle liegende Lokal Mutter Ernst ist nach wie vor gut besucht. Die von weit massiveren Baumaßnahmen betroffenen Lokale Haus Wertheym und Café im Kunstverein am Römerberg beispielsweise machen trotzdem munter weiter und haben dadurch kaum Gästeschwund. Zumindest jetzt nicht, in der Sommersaison wäre vor allem das Terrassengeschäft betroffen. GinYuu hat sich aber für die Schließung im Winter entschieden. Die Straßenterrasse spielt bei diesem Lokal ohnehin nicht die große Rolle, sie bietet auch ohne Baustelle keinen attraktiven Ausblick. Das Innenleben des Lokals würde jedenfalls die Baustelle überstehen, zumal diese momentan eher moderat zu spüren ist und abends ein Ende findet.

Es ist nicht vorstellbar, dass das GinYuu wegen der Baustelle nun ein ganzes Jahr geschlossen hat und dann wieder aufmacht, als sei nichts geschehen. Niemand kann es sich leisten, ein Lokal so lange leer stehen zu lassen. Man kann nicht anders als zu dem Schluss kommen, dass dem GinYuu die Luft ausgegangen ist. Der Start war mehr als holprig und schon chaotisch zu nennen. Service und Küche agierten völlig unkoordiniert, die Qualität und die Kombination der Gerichte erwiesen sich als sehr mangelhaft (siehe auch Biss-Artikel Asia-Konfusion im neuen GinYuu). Die Betreiber hatten sich außerdem gewiss mehr von der Location in der Innenstadt versprochen. Goethestraße und Freßgass liegen zwar nebenan, doch noch zu weit entfernt. Beide Straßen haben auch deutlich mehr zu bieten, die Alte Rothofstraße ist ein kümmerlicher Wurmfortsatz, in der nur das Lokal Mutter Ernst für etwas Leben sorgt.

Uta Hodeige, von der Apeiron Restaurant & Retail Management AG mit Sitz in München und Büros in Bonn (verbunden mit GinYuu, Vapiano, L´Osteria), sieht die Sachlage anders. In einem Gespräch mit dieser Zeitung meinte sie, dass nach einem für ein neues Konzept normal verhaltenen Start, die Anzahl der Gäste und des Umsatzes stetig gesteigert werden konnte. Zwar ist asiatische Systemgastronomie nicht unbedingt neu (by the way: das Cha Cha im Grüneburgweg scheiterte ebenfalls), macht aber eher neugierig als verhalten. Die genannte Steigerung des Umsatzes und der Gäste ist insofern keine Wertaussage, da aus einer schwachen Position alles als Steigerung empfunden werden kann. Kurzum: Wenn die Hütte jeden Tag voll gewesen wäre, hätte sie sicher auch die Baustelle wegstecken können.

Man wollte, so Uta Hodeige, weiter in geschultes Personal und Marketingaktivitäten investieren, werde aber von der Baustelle davon abgehalten. Man hat den Eindruck, die Baustelle wäre gerade im richtigen Moment gekommen. In geschultes Personal und Marketing investiert man gleich vom Start weg und nicht erst, wenn alles schon zu spät ist. Was ist überhaupt mit den Mitarbeitern? Nach Aussage von Uta Hodeige werden alle Mitarbeiter, Voll- und Teilzeitbeschäftigte, nach Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfristen in anderen Häusern verbundener Unternehmungen oder auch bei befreundeten Systemgastronomie-Betrieben in Frankfurt untergebracht.

GinYuu war vor neun Monaten mit dem Ziel angetreten, nach dem ersten Projekt in Frankfurt, weitere in Deutschland zu etablieren. Dazu Uta Hodeige: „Das GinYuu-Konzept soll auch zukünftig Platz im Rahmen der Systemgastronomie erhalten. Wann und wo, Bedarf den weiteren Überlegungen und Entscheidungen der Gesellschafter.“ Von einer Pleite spricht bei GinYuu niemand. Uta Hodeige versichert, dass die GinYuu GmbH jederzeit auf soliden finanziellen Fundamenten stand und steht. Hinter dem Objekt steht der 50 Jahre alte Deutschamerikaner Kent Hahne, der in Führungspositionen für McDonald´s und Vapiano arbeitete und seit 2008 Chef von Apeiron ist.  

 Ludwig Fienhold