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3-Sterne-Koch Pierre Gaignaire kommt ins Waldorf Astoria

Hochkarätiger Zuwachs für Berlin


Pierre Gagnaire, Drei-Sterne-Koch aus Paris, wird Ende des Jahres nach Berlin kommen, um dort sein neues Restaurant im Hotel Waldorf Astoria zu eröffnen. Der weltbekannte Franzose hält elf Michelin-Sterne in seinen Restaurants, die auf der ganzen Welt verteilt liegen – in London, Paris, Tokio, Hongkong, Seoul, Dubai und Las Vergas. Bislang waren es Meldungen aus der Gerüchteküche, selbst Gagnaire wollte nicht bestätigen, so lange nichts unterzeichnet sei. Jetzt ist es aber offiziell: Gagnaire kommt von der Seine an die Spree.

Waldorf Astoria in Berlin

Pierre Gagnaire zeichnet verantwortlich für das Küchenkonzept und die Menügestaltung des 70-Plätze-Restaurants im neuen Berliner Hotel. Die Mitarbeiter des Restaurant-Teams werden eigens in Pierre Gagnaires Drei-Sterne-Restaurant in Paris ausgebildet. Gagnaire besitzt und leitet auf der ganzen Welt erfolgreich verschiedene Restaurants: Das legendäre „Pierre Gagnaire“ in der Pariser Rue Balzac ist konstant mit drei Michelin-Sternen dekoriert sowie mit 19 von 20 möglichen Gault Millau Punkten ausgezeichnet. Dazu kommen die Sterne-Restaurants „Sketch“ in London, das „Colette“ in Saint Tropez und das „Reflets par Pierre Gagnaire“ in Dubai ebenso wie weitere Adressen in Hong Kong, Tokio, Seoul, Moskau, Courchevel und Las Vegas. „Mit dem Waldorf Astoria hält ein großer und einzigartiger Name Einzug in Berlin und es erfüllt mich mit großer Freude sowohl den Berlinern als auch den Gästen aus aller Welt eine anspruchsvolle und einzigartige kulinarische Erfahrung mitgeben zu können“, so Pierre Gagniere. Nach einem Namen für das neue Restaurant wird noch gesucht.

Pierre Gagnaire ist einer der einflussreichsten Köche der Welt und ein Vorreiter der Fusion-Cuisine. Mit ungebremster Kreativität und Lust am Experimentieren pflegt der 61jährige einen eigenen ungewöhnlichen Stil. „Es ist für uns eine große Ehre, eine Koryphäe und Kochlegende wie Pierre Gagnaire für das Waldorf Astoria Berlin gewonnen zu haben“, erklärt Friedrich W. Niemann, General Direktor des neuen Hotels in Berlin. „Pierre Gagnaire ist nicht nur ein Synonym für exzellente Kochkunst, sondern mit drei Michelin- Sternen auch eine Bereicherung für ganz Berlin. Mit Waldorf Astoria und Pierre Gagnaire verbinden sich Luxus und Eleganz, um dem prestigereichen Erbe des legendären Flaggschiffs an der Park Avenue in Manhattan gerecht zu werden und darüber hinaus neue Maßstäbe zu setzen.“

Pierre Gagnaire Paris

Mit Pierre Gagnaire verpflichtet die Gruppe Waldorf Astoria Hotels & Resorts den dritten Sterne-Koch in Europa – neben Heinz Beck im La Pergola, dem Drei-Sterne-Restaurant im Rome Cavalieri, und Simone Zanoni im Zwei-Sterne-Restaurant Gordon Ramsay au Trianon Palace in Versailles. Das Fünf-Sterne-Plus-Hotel in Berlin ist Teil des Projekts Zoofenster, das den gesamten Westteil der Berliner City aufwerten und beleben soll. Mit 232 Zimmern und Suiten wird das Luxusdomizil die ersten 15 Stockwerke sowie die Etagen 22 bis 31 des insgesamt 32stöckigen Wolkenkratzers aus Naturstein und Glas belegen, der im Zentrum gleich neben der Gedächtniskirche und dem Kurfürstendamm entsteht.

Genie mit Wahnsinnspreisen

Gaignaire kann auch enttäuschen

Kommentar von Frankreich-Korrespondent Jörg Zipprick

Ich habe mit Gagnaire ein prinzipielles Problem, weil ich seine Küche so lange kenne. Er war in Saint-Etienne ein begnadeter Koch. Dann waren seine Augen größer als sein Geldbeutel, er kaufte ein Belle-Epoque Palais. 100 m² dienten allein zum Abnehmen der Mäntel. Die Bar, die Umsatz generiert, war gerade mal 25 m² groß. Das hat Stil und Klasse, ist betriebswirtschaftlich jedoch Blödsinn. Es folgte die Pleite, die Whiskas Reklame. Zwei Jahre später speiste ich wieder bei Gagnaire, diesmal in Paris. Was dort serviert wird, entsprach 60% seines Könnens. In der Hoffnung auf die weiteren 40% bin ich etliche Male wiedergekommen. Aber Paris ist halt die Hauptstadt und da wird man auch mit halber Kraft schnell Stadtgespräch. Das enttäuscht mich bis heute. Rein vom Gefühl her ist es mir lieber, ein weniger begabter Koch bietet dem Gast 90-100% seines Könnens, als wenn ein wirklich begabter Koch die Botschaft in den Saal sendet, dass für uns Gäste auch die Hälfte noch mehr als gut genug ist.

Restaurant Pierre Gagnaire in Paris

Das Restaurant ist unter den teuersten von Paris und, gemessen am Wareneinsatz, vielleicht sogar das teuerste überhaupt. Meine letzte Rechnung betrug 512 Euro, davon 24 für Alkohol und Spirituosen. Der Service war mir gegenüber mehrfach unfreundlich bis unverschämt. Und Gerichte um jeden Preis zu verkomplizieren führt nicht immer zu Hochgenuss. Im Gegensatz zu anderen Küchen, etwa der von Loiseau, halte ich Gagnaire für nicht reproduzierbar. Er kann einen Küchenchef nach Berlin schicken und eine Art „Gagnaire-Mix“ servieren lassen. Ehrlich gesagt glaube ich, dass so etwas nicht klappt. Bocuse, Ducasse und Robuchon hatten Berlin ins Auge gefasst und haben aus gutem Grund von ihren Projekten Abstand genommen.




Ente wieder im Höhenflug

Neues vom Nassauer Hof in Wiesbaden

Von Ludwig Fienhold
Das Restaurant Ente war immer eine Schnabellänge voraus. Als vor 30 Jahren das deutsche Küchenwunder begann, gehörte es neben der Aubergine und dem Tantris zu den am meisten begehrten Adressen der Republik. Dies war der sehr guten Küche zu verdanken, aber auch dem Marketinggeschick des ingeniösen Küchenchefs Hans-Peter Wodarz. Unvergessen bleiben aus den 80er Jahren sein kindlicher „Dialog der Früchte“, die Schneckeneier in Sauternes-Sauce und die Verramschung der Diel-Weine für eine Deutsche Mark, weil Weingutsbesitzer und Restaurantkritiker Armin Diel manchen Köchen attestierte, dass ihnen das Hirn am Herd austrocknen würde. Seinerzeit befand sich Wiesbaden in einer atemlosen Feierstimmung, zu deren Zentrum der Nassauer Hof und die Ente sowie der legendäre Entenkeller gehörten. Die Champagnerstimmung in Wiesbaden perlt vielleicht nicht mehr so ganz, aber die Qualität im Nassauer Hof und seinen gastronomischen Outlets ist geblieben. In der „Ente“ herrscht jetzt sogar wieder so etwas wie ein Höhenflug. Die Mannschaft hat an Leidenschaft und Ideen gewonnen.

Michael Kammermeier, Küchenchef Restaurant Ente

Nach Küchenchef Gerd Eis, der hervorragend asiatische Ideen in eine europäische Küche einbrachte, fand das Restaurant Ente nicht so schnell seinen neuen Weg. Die jungen Nachfolger hatten indes schon längst verantwortlich am Herd gearbeitet, was aber den meisten Gästen verborgen blieb. Inzwischen sieht man Küchenchef Michael Kammermeier gelegentlich auch mal am Tisch – ein Restaurant muss ein Gesicht haben, das man auch sehen möchte. Vor allem aber haben Kammermeier und seine Crew eine klare Handschrift entwickelt, die Küche wird mutiger, eindeutiger, persönlicher und packender. Bereits die Amuse-Bouche gelingen so gut, dass man daraus ein eigenständiges raffiniertes Menü machen könnte (und sollte).
Ein erstklassiger Einstieg bei den Vorspeisen ist die Enteleberterrine, die aromenreich und delikat kombiniert wird mit Kaffee, Birne, Walderdbeere, Mandel, Maikraut, Rhabarber, Entenschinken und Aal. Mitreißend auch die getauchten Jakobsmuscheln mit geschmolzener Gänseleber, Amalfi-Zitrone und Petersilienpüree. Sensorisch perfekt aufeinander abgestimmte, liebevoll ausgearbeitete Details bei jedem Gang. Beim Signature-Gericht wird das Haustier gefeiert – die knusprige Heide-Ente vom Geflügelhof Tiemann kommt frisch aus dem Ofen und wird in zwei Gängen serviert, mit Morcheln, Briocheknödel und PX-Jus (Sherry-Rebsorte Pedro Ximénez).

Restaurant Ente

Während man bei den Vorspeisen vielfältige Verschmelzungen erlebt, werden bei den Hauptgerichten weniger Komponenten eingesetzt. Der pralle Nordsee-Steinbutt mit Markkruste findet mit geräucherter Kartoffelcreme und Wurzelgemüsse die passende Begleitung. Das kraftstrotzende Kalbskotelett wird am Tisch im Ganzen vorgelegt und aufgeschnitten, was die Lust und die Vorfreude erhöht. Ein solch athletisches, saftig-zartes, Stück Lebenskraft bekommt man in dieser Qualität nicht oft. Das Fleisch, optimal gegart und gewürzt, ist elastisch und voll im Geschmack. Es ist schön zu sehen, wie sich die Küche in den letzten Monaten entwickelt und gesteigert hat. Jetzt ist sie nicht nur so einfach gut, inzwischen hat sie eine Aussage. Ihr Thema ist Aromen, Kräuter und Gewürze so zu implementieren, dass andersartige Geschmackswelten entstehen, die jedoch den Eindruck vermitteln, dass es genau so schon immer gewesen sein muss. Hervorragende regionale Produkte und Rohstoffe aus Deutschland werden bevorzugt, doch zum bretonischen Hummer und dem St. Pierre gleicher Provenienz gibt es keine Alternative. Die Ente wird seit 1979 ohne Unterbrechung mit einem Stern ausgezeichnet, während die Bewertungen beim Gault Millau zwischen 15 und 18 Punkten springen.

Bar im Hotel Nassauer Hof

Der Service ist so leger und pfiffig, das auch bei jungen Gästen schon lange keine Schwellenangst mehr bestehen müsste – wobei diese auch tatsächlich weit stärker vertreten ist als in früheren Jahren. Die Weinkarte, bis Mitte Juli noch verwaltet von Christoph Hons und dann von Sebastian Müller (zuvor Schlosshotel Kronberg sowie die Ente), ist nach wie vor mit über 1000 Positionen gut aufgestellt und zeigt ihre Stärken bei Frankreich und Deutschland. Die Theke in der Ente gehört zu den schönsten Plätzen im Hotel und wird entsprechend als Pre- und After-Dinner-Bar genutzt. Doch ein allerletzter Drink muss einfach nebenan in der Bar von Eddy Hahner sein, dem Urgestein der Mixologen. Es ist fast immer fröhlich hier, meist trifft man nette und kontaktfreudige Gäste aus Wiesbaden und dem Rest der Welt.
Nassauer Hof, Wiesbaden, Restaurant Ente, Kaiser-Friedrich-Platz 3-4, Tel. 0611 133 666. Geöffnet Di – Fr: 18 – 23 Uhr Sa: 12 – 15 Uhr, 18 – 22 Uhr. www.nassauer-hof.de



Stütze für die Topgastronomie

Witzigmann und Ducasse fordern Subventionen

 

Gleich zwei Stars unter den Weltköchen haben es postuliert: Spitzenrestaurants sollten subventioniert werden. Das wollen Alain Ducasse und Eckart Witzigmann. Sie meinen, dass hervorragende Lokale auch hervorragende Werbeträger für eine Stadt, eine Region, ein ganzes Land sind und deshalb finanzielle Unterstützung verdient hätten. Wenn man bedenkt, dass andere Kulturstätten wie Museen, Kunsthallen, Theater oder Literaturhäuser mit öffentlichen Geldern wirtschaftliche Hilfe erfahren, liegt der Gedanke auch nahe. Offenbar aber gehören Toprestaurants nicht zu den Kulturgütern und haben keinen höheren Stellenwert als Imbissbuden. Die Stadt Langen, die außer dem Drei-Sterne-Koch Juan Amador wirklich nichts zu bieten hatte, hätte gut daran getan, ihr einziges Aushängeschild in irgendeiner Form zu unterstützen und zum Bleiben zu bringen.

Alain Ducasse

Was Witzigmann sagt hat Gewicht. 1979 erhielt er als erster deutscher Koch drei Michelin-Sterne im Restaurant Aubergine in München, 15 Jahre später krönte ihn der Gourmet Guide Gault Millau zum „Koch des Jahrhunderts“. Da Spitzenküche als Touristenattraktion gilt, sollten sie auch staatliche Finanzhilfen bekommen, meinte der Altmeister. Als wir Eckart Witzigmann kürzlich in Erno´s Bistro in Frankfurt trafen, bedauerte er zudem, dass bei uns die Menüs in Toprestaurants nur die Hälfte von denen in Paris, London oder New York kosten würden. Gegenüber der „Wirtschaftswoche“ äußerte er seinen Unmut darüber, dass die deutsche Politik nicht genussfreundlich wäre und sich nicht zur Spitzenküche bekenne. Witzigmann selbst ist ein Beispiel dafür, wie die Politik Spitzenköche nicht nur vernachlässigt, sondern geradezu mies behandelt. Während der sogenannten Kokain-Affäre im Jahre 1993 wurde Witzigmann wie ein Schwerverbrecher behandelt, der damalige Bürgermeister Georg Kronawitter und der seinerzeitige Bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber zwangen ihn zur Schließung der weltberühmten Aubergine und mobbten ihn aus München. Ausgerechnet Witzigmann, der wie kein anderer, und schon gar kein Politiker, für die Stadt München als Weltklassekoch eine Attraktion war. Wenn man noch heute darüber nachdenkt, fällt einem der derbe Spruch des Malers Max Liebermann ein: „Ich kann gar nicht so viel fressen, wie ich kotzen möchte“. Eckart Witzigmann, der jetzt am 4. Juli 70 Jahre alt wurde, hat in Alain Ducasse einen Mitstreiter, der schon länger die Förderung von Spitzenköchen und Talenten durch staatliche Gelder fordert.

Juan Amador

Die Idee von der Subvention für Spitzenrestaurants ist indes zu schön, um wahr zu sein. Wenn sie auch im Grunde gerechtfertigt sein mag, so muss man jedoch deren Umsetzung bezweifeln. Natürlich würden sich deutsche Politiker ohnehin nicht zu einem solchen Schritt entschließen, eher würde sie das Züchten von Goldhamstern subventionieren. Man muss jedoch nicht lange überlegen, um zu erkennen, wie absurd selbst eine Subventionierung aussehen würde. Allein die vielen Gremien und Behörden, die solches zu entscheiden hätten, würden zu Appetitzüglern. Wir haben auch so schon die Politik satt, wie würde sie uns erst mit einem kulinarischen Absurdistan den Magen umdrehen. Wer soll denn entscheiden, welche Spitzenküchen staatliche Gelder bekommen – Curry-Wurst-Merkel, Magerquark-Westerwelle, Grünkern-Trettin? So gerne man für Subventionen für Spitzenrestaurants auch wäre, so deutlich zeigt die Wirklichkeit, dass dies nur wenig Sinn machen würde. 

Ludwig Fienhold

 

 

Keine staatliche Förderung für Spitzenküche

 

Marc Haeberlin

Man redet ja oft von der Kochkunst. Ist Kochen nicht Kunst und damit vielleicht förderungswürdig? Kunst, egal ob Malerei, Dichtung oder Ballett, dient dazu den Menschen zu erfreuen. Wir verfügen deshalb zunächst einmal über zwei Kunstsinne: Auge und Ohr. Nase und Zunge sind hingegen Streitfälle: Wer würde Herstellung und Verkauf eines Parfums als „Kunst“ empfinden? Die Küche, das gilt auch für die höchsten Sphären der Gastronomie, erfreut und ernährt im Idealfall, verfolgt damit also auch ganz pragmatische Ziele. Folgerichtig ist ein Restaurant ein Gewerbebetrieb, was man von einem Museum, einem Literaturhaus oder einer Konzerthalle kaum sagen kann.

Gerade das vermeintliche „Kunstkochen“ hat der Branche viel Schaden zugefügt. Weil es reelle, nachvollziehbare Werte wie den Wareneinsatz sowie Kosten für Service und Ambiente einfach  von der Preisgestaltung abkoppelt. Es zähle jetzt, so heißt es, auch und vor allem die intellektuelle Leistung. Umgerechnet auf die Anzahl der Tische und die Lebensdauer der Karte ist die intellektuelle Leistung eines Kochs in einigen anerkannten und gut frequentierten Spitzenlokalen also mehr wert als z.B. die eines Chefarztes oder eines Spitzenanwalts. Wird der durchschnittliche Gast vor einer Reihenfolge aufgeräumter Tellerchen dafür Verständnis zeigen? Und wenn nicht – muss der Staat für dieses Unverständnis einspringen? Hinzu kommt, dass gerade die oberen Regionen der Gastronomie von vielfältiger „Werbung“ profitieren, die im Idealfall kostenlos ist oder zumindest sein sollte: Guides, Food-Magazine und Tageszeitungen sowie Fernsehsendungen auf allen Programmen berichten über ihre Leistungen. Noch nie war das Medien-Interesse am Kochen so groß. 

Joel Robuchon

Andere, anerkannte Kunstrichtungen wie Ballett oder Oper werden im Vergleich dazu mit wenig Aufmerksamkeit bedacht, mit etwas Glück dürfen Veranstalter auf einen Themenabend bei Arte oder einen Platz im Nachtprogramm hoffen. Ist es wirklich Aufgabe des Staates, diesem Kochboom noch finanziell unter die Arme zu greifen?  Und: Wer bestimmt denn, was die subventionsberechtigte Spitzengastronomie ist und wer dazu gehört? Der Guide Michelin? Ein Gremium von Köchen? Die Liste der San Pellegrino 50 Best Restaurants? Werden Beamte eine dreißigseitige Checkliste zum Erkennen kulinarischen Talents festlegen? Der Willkür wären keine Grenzen gesetzt.  Wahrscheinlich ist, dass eingespielte Netzwerke die öffentlichen Gelder einstreichen würden, vielleicht als verkappte Subvention in Form von Honoraren für eine „Präsentation deutscher Kochkunst“ auf einer Touristikmesse im Ausland. 

In Frankreich trommelt das „Collège culinaire de France“ um Staatsgelder.  Zu diesem erlauchten Kreis zählen die Küchenfürsten Alain Ducasse, Joel Robuchon, Yannick Alleno, Alain Dutournier, Gilles Goujon, Marc Haeberlin, Régis Marcon, Thierry Marx, Gérald Passédat, Laurent Petit, Anne-Sophie Pic, Guy Savoy sowie die Ehrenmitglieder Paul Bocuse, Michel Guérard und Pierre Troisgros. Ich schätze die meisten dieser Köche und esse gern in ihre Restaurants. Aber man kann sich auch mit wenig Fantasie vorstellen, wer von diesem Geldsegen, wenn er denn eintrifft, einmal profitieren würde. Es wäre eine Subvention zur Sicherung des Status Quo. Die Stars der Branche profitieren, junge Talente bleiben außen vor.  

Thierry Marx

 

 

 

Hilfe durch Senkung der Mehrwertsteuer ?

 

In Frankreich gewährte Staatspräsident Sarkozy allen Wirten am 1. Juli 2009 eine massive Mehrwertsteuersenkung. Statt 19,6% „TVA“ standen jetzt nur noch 5,5% auf der Rechnung, außer beim Wein, für den weiter der höhere Steuersatz gilt. Im Gegenzug hatten sich Frankreichs Wirte zur Schaffung von 40.000 Arbeitsplätzen, Gehaltserhöhungen für Angestellte und Senkung der Rechnungen verpflichtet. Schnell hatten Fast-Food-Restaurants, günstige Ketten  und große Brasserien tatsächlich die Preise gesenkt. Doch leider tricksten viele unabhängige Wirte zu Lasten des Gastes: Wer sein Lokal mit dem offiziellen Siegel „Die Steuer sinkt, die Preise auch“ schmücken wollte, musste den Preis von gerade mal sieben Posten auf der Karte reduzieren. Billiger wurde durchgehend zunächst der Espresso. „Außerdem bieten wir die Gerichte, die sich am schlechtesten verkaufen, jetzt günstiger an“ erklärte mir eine Pariser Serviererin mit verblüffender Offenheit. Nicht wenige Küchenchefs hatten die Mehrwertsteuersenkung antizipiert: Sie setzten im März die Preise hoch und rührten danach die Werbetrommel für ihre Sparmenüs – schließlich waren die Preise auf das Niveau des ersten Quartals gefallen. Auf den Karten der weitaus meisten Restaurants der besseren Klasse korrigierte niemand die Preisspalte. Gerade die Ikonen der sogenannten Spitzengastronomie gingen mit schlechtem Beispiel voran. Sie senkten z.B. den Preis ihrer Desserts von strammen 24 Euro um vier Euro. Der Vereinbarung war Genüge getan, die Mega-Marge bei der Nachspeise blieb. In Wahrheit war die Senkung der Mwst. ein klassisches Steuergeschenk in Höhe von etwa 2,5 Milliarden Euro. Das Problem: Die Franzosen haben es gemerkt. Auf den Internetforen der großen Tageszeitungen maulen die Gäste zu Hunderten noch heute über die Preispolitik der Wirte. 

Eckart Witzigmann

Sicher, einige der Akteure der Spitzengastronomie haben Probleme. Aber die Gastronomie lebt vom Gast, nicht von der Subvention. Jeden Tag frequentieren Gäste Restaurants. Viele dieser Lokale sind erfolgreich – nicht nur beim Kochen, sondern auch wirtschaftlich. Andere Spitzenrestaurants werden von Hotels finanziert. Auch das kann betriebswirtschaftlich sinnvoll sein, wenn das Lokal etwa verstärkte Aufmerksamkeit unter Medienvertretern und potenziellen Gästen für das Hotel generiert.

Wer in hehrer Selbstüberschätzung meint, er könne durch seine bloße Anwesenheit ein Industriegebiet in ein Feinschmeckerparadies verwandeln, wer  am Publikum vorbeikocht, wem das Ausleben seiner kreativen Ambitionen wichtiger ist als die Zufriedenheit der Gäste, der soll zur Belohnung nicht in den Geldbeutel des Staates greifen dürfen.

Jörg Zipprick

 




Ochsenbacke mit Parkblick

Neues von der Villa Rothschild 

 

Tizian´s Brasserie

 

Die neue Brasserie in der Villa Rothschild ist zu einem Zugpferd geworden. Mittags und abends kann man dort die schöne Parkterrasse mit ihrem Panoramablick zum Essen genießen. Das Lokal will kein kleiner Bruder des Gourmet-Restaurants sein, das mit zwei Michelin-Sternen derzeit das höchstbewertete in Hessen ist. In der Brasserie gibt es Deftiges, aber auch Feines zu netten Preisen.

Steaks, Salate und Suppen sind Teil des Konzepts, das unkompliziert, aber nicht anspruchslos sein will. Das Drei-Gänge-Menü wird für 33 € offeriert, ein Glas Wein und Kaffee sind inklusive. Mehr Lust als der ubiquitäre Flammenkuchen machen uns würziger Fischeintopf mit Olivenöl und Koriander sowie Sardinenfilets mit Schmortomaten, Kapernäpfeln, Oliven und Pistou. Besonders gut ist die geschmorte Ochsenbacke mit Wurzelgemüse und Kartoffelschaum. Bei den Steaks kann man unter vier Saucen und neun Beilagen wählen. Ein gutes Dutzend ausgesuchter Weine sind glasweise zu haben (5,50 – 9 € für 0,1l-Glas), man kann sich aber auch der großen Weinkarte mit mehr Luxusbouteillen bedienen. Zur Terrasse passen besonders gut die Weine von Fred Prinz aus dem Rheingau, der Riesling Kabinett trocken und der noch kraftvollere und im Holzfass ausgebaute Riesling Tradition. Die Lagenweine Jungfer, Schönhell und Hendelberg sind ebenso eine Empfehlung wie der Spätburgunder von Prinz.

Park-Terrasse

Das Gourmet-Restaurant hat mittags geschlossen und überlässt die Terrasse den Brasserie-Gästen. Bei schönem Wetter füllt sich die Parkterrasse schnell, die die schönste wäre, würde es ganz in der Nähe nicht das Kempinski Falkenstein und seiner Traumterrasse geben. (wobei beide Häuser ja zusammengehören).

Brasserie und Bar gehen in der Villa Rothschild fließend ineinander über. Die Whiskyauswahl ist sehr gut, doch Schwerpunkt sind Rum und Wodka. 27 Wodkas und 50 handverlesene Sorten Rum von jeder bedeutenden Erzeugerinsel laden zu einer hochprozentigen Reise an.

 

 

Küchenparty der Extraklasse

Gourmet-8-Gipfel im Taunus

 

Kempf, Rainer, Garigliano, Krolik, Messerschmidt, Fehling, Heberlein, Lohninger (v.l.n.r.)

Es begann noch recht beschaulich mit einem Glas Sekt auf der Parkterrasse der Villa Rothschild, doch als Hoteldirektor Henning Reichel den Startschuss gab, stürzten sich über 350 ziemlich hungrige Gäste auf die Küchenstationen der acht Meister am Herd. Leider hatten die meisten die gleiche Idee und versuchten die anderen mit antizyklischem Vorgehen auszutricksen: Die Vorspeisen wurden weitgehend kurzerhand ausgelassen und zielgerade die Hauptgerichte angepeilt, wo es dann aber zu Staus kam (zum Glück ohne entsprechende Meldungen bei HR3). Man konnte die Akrobatik mancher Gäste bewundern, die es schafften mehrere Tellerchen übereinander zu horten und damit über die Treppen hinaus in den Park zu balancieren, wo bereits die Damen mit gespitzten Lippen warteten. Denn diese schickten zumeist ihre Männer zum Essenfassen, weil ihre hohen Schuhe längeres Anstehen erschwerten. Die Damen waren sehr schick  sommerlich gekleidet und wollten mit Stilettos bestechen, doch die wenigen mit Ballerinas waren beim Flanieren und Stehen von der Kondition her im Vorteil. Die Herren kennen offenbar kaum etwas andere als dunkle Anzüge und gaben keine Farbtupfer ab, zumindest eine grüne Jacke passte sich dem Geschehen im Park an.

Mit von der Partie beim bereits fünften Gourmet-Gipfel waren neben den Gastgeber-Köchen der Villa Rothschild (Christoph Rainer) und Kempinski Falkenstein (Oliver Heberlein) Andreas Krolik (Brenners-Park-Hotel Bade-Baden), Sven Messerschmidt (Burg Schwarzenstein im Rheingau), Ronny Siewert (GrandhotelHeiligendamm), Michael Kempf (Facil in Berlin), Mario Lohninger (Silk, Micro und Lohninger in Frankfurt), Kevin Fehling (Columbia Travemünde) sowie Gianluca Garigliano (Osteria Tre in Basel). Unter den Gerichten gefiel uns der mit Akaziensamen konfierte und in einer Emulsion von Giersch, Karottengrün und Monkey 47 Gin besonders gut – ausgekocht von Michael Kempf vom Restaurant Facil im Berliner Hotel The Mandala. Gleich zwei Komponenten aus seinem Gericht sorgten für die meisten Fragen: Was ist Giersch, was könnte ein Affen-Gin sein? Giersch hat nichts mit dem Frankfurter Unternehmer, Kunstsammler und Mäzen Carlo Giersch zu tun, sondern gilt als Unkraut und ist weit mehr noch ein leckeres Wildgemüse. Der Monkey 47 Gin wiederum ist unser absoluter Lieblingsgin und entwickelt neben typischen Wacholderaromen einen feinen Kräuterduft, der ausgezeichnet zu diesem Saiblingsgericht passte. Erzeugt wird er übrigens von Edelobstbrenner Christoph Keller im Schwarzwald. Neben all dem kulinarischen Feuerwerk gab es mitten im Park noch ein pyrotechnisches als Glanznummer des Abends.

LF

 

 




Getränke-Schummelei in Lokalen & Cafés

Zu wenig Getränk im Glas

 

In 50 Gaststätten und Cafés waren die Tester der Verbraucherzentrale von Nordrhein-Westfalen unterwegs. In ihren Stichproben wollten sie herausfinden, wie genau es Wirte mit der Mineralwasserverordnung nehmen. In der Gastronomie muss Mineralwasser in der Flasche serviert werden. Wer sein Wasser im Glas bekommt, kann sich nie sicher sein, was wirklich drin ist. Häufig sind die Gläser nämlich mit Tafelwasser statt mit Mineralwasser gefüllt. Und das ist ein erheblicher Unterschied: Während Mineralwasser aus einer natürlichen Quelle kommen muss und sich durch den Gehalt von Mineralstoffen und Spurenelementen auszeichnet, kann Tafelwasser an jedem beliebigen Ort aus Trinkwasser und verschiedenen Zusatzstoffen hergestellt werden. So kann auch Leitungswasser als Tafelwasser ausgeschenkt werden. Die Gewinnspanne für den Wirt ist dann beträchtlich. Zudem ist Mineralwasser für viele nicht mehr nur ein einfacher Durstlöscher, sondern ein Produkt, das aufgrund seiner speziellen Inhaltsstoffe geschätzt wird.

Umso ärgerlicher war daher, dass in den fünf Teststädten Essen, Gelsenkirchen, Mönchengladbach, Münster und Bochum das bestellte Mineralwasser häufig nicht in der Flasche, sondern im Glas serviert wurde.

Gäste können sich schützen

Doch noch etwas monierten die Verbraucherschützer bei ihren Bestellungen. Beim gewerblichen Ausschank von Getränken muss der Gast auf seinem Glas die Füllmenge ablesen können. Es muss also sowohl das Volumen angegeben als auch ein Füllstrich zu erkennen sein, bis zu dem das Glas gefüllt werden muss. Bestellten die Tester Cola im Glas fehlten jedoch häufig Füllstriche und Angaben zum Volumen auf den Gläsern.
Außerdem gab es Gläser in denen viel Eis enthalten war – entfernte man das Eis, reichte hier die Füllmenge der Cola nicht mehr bis zum Füllstrich.

Bei ihren Bestellungen in 50 Gaststätten stellten die Tester insgesamt in knapp der Hälfte der Fälle Mängel fest. Dies hätte so oder ähnlich auch in anderen Bundesländern in Deutschland ausgehen können. Die Verbraucherzentrale http://www.vz-nrw.de gibt Tipps, wie man den Gastro-Guttenbergs entgegentritt.

          Tipps

  • Wer in einer Kneipe, im Restaurant oder Café ein Mineralwasser bestellt, kann verlangen, dass ihm eine Flasche serviert wird.
  • Bekommen Sie auf ihren schlichten Wunsch „ein Wasser bitte“ nur ein Glas Wasser hingestellt, können Sie davon ausgehen, dass es sich um Tafelwasser handelt, das aus der Schankanlage abgefüllt werden darf.
  • Gäste können Erfrischungsgetränke im Glas reklamieren, wenn sie nicht bis zum Füllstrich gefüllt sind. Für Gastronomen sollte es selbstverständlich sein, Gläser mindestens bis zum Füllstrich zu füllen.
  • Fällt ein Lokal oft durch fehlende Markierungen auf den Gläsern auf, kann auch das Eichamt verständigt werden.
  • Gut zu wissen: Mindestens ein alkoholfreies Getränk auf der Karte darf nicht teurer sein als das billigste alkoholische Getränk. Nicht jede Getränkekarte hält dieser Regel stand. Auch dies ist ein glatter Verstoß gegen das Gaststättengesetz



Neueröffnung Seven Swans

Schmalstes Restaurant Deutschlands mit breitem Konzept

 

Lokal, Bar, Minihotel, Kitchenlab, Eventhouse, Picknickstation

 

Von Ludwig Fienhold

 

Bislang war es nur das schmalste Haus mit privatem Club, ab sofort hat das Seven Swans für alle Gäste geöffnet. Das Restaurant am Frankfurter Mainufer ist zwar eine Puppenstube, hat aber sieben Etagen. Überraschungen auf allen Ebenen: vom spacigen blendendweißen Restaurant bis zum historischen Urgesteinkeller aus dem Jahr 1838. Küchenmeister ist kein Schmalhans, sondern die 25 Jahre alte Kimberley Unser. Das Seven Swans ist ein Restaurant mit Betten, denn im Haus gibt es auch zwei sehr schicke Suiten. Hinter dem Betrieb stehen als Geschäftsführer die Köche Simon Horn und Alan Ogden, die hier aber nicht aktiv am Herd arbeiten. Horn betreibt noch das Lokal Blumen im Frankfurter Nordend, Ogden war einst Souschef von Ingo Holland in Klingenberg am Main und danach verantwortlich für die Küche der Kameha Suite an der Taunusanlage. Die Betriebsleitung von Seven Swans liegt in den Händen von zwei bezaubernden jungen Damen: Helen Unsinn und Suna Korap.

Table with a View

Restaurant

Der Clou: Die bis zum Boden gehenden großen Fensterfronten geben das Gefühl im Freien zu sitzen und beinahe schon über dem Main zu schweben. Schönster Tisch ist der als einziger unmittelbar am Erker-Fenster stehende. Der einmalige Ausblick und das sphärisches Ambiente strahlen beschwingte Heiterkeit aus. Nicht oberflächlich, sondern mit Tiefenschärfe. Solche grandiosen Orte gibt es nur wenige auf dieser Welt. Dabei ist nicht nur eine feine Hand für Mobiliar und Dekor erkennbar, sondern Gespür für das Wesentliche: Dieses Haus atmet und hat Seele. Man tafelt wie in der Küche von guten Freunden. Oft entstehen auch Gespräche unter den Besuchern. Bei 18 Gästen ist Schluss, mehr fasst das 22 Quadratmeter kleine Restaurant nicht, das wie alle anderen Bereiche nur vier Meter breit ist. Spontanes Walk-in ist Glückssache, im Grunde sind Reservierungen zwingend.

Küchenchefin Kimberley Unser

Der Ausblick auf die schöne Flusslandschaft ist bereits ein Genuss, doch die Küche will auch zum Schwelgen bringen. Sie verspricht hochwertige regionale und saisonale Zutaten mit einem Hauch Exotik. Unter der Woche vier, Freitag und Samstag fünf Gänge (5 Gänge 79, mit begleitenden Weinen plus 38 €). Erste Kostproben sind vielversprechend und geben zu großer Hoffnung Anlass: Nordhessischer Portulak mit roh marinierter Gelbschwanzmakrele nebst Chili, Limette und Pfirsich; würzige Suppe von Waldbeeren mit confiertem schottischen Lachs und Meerrettichschaum; hausgemachte Kalbsbratwürste mit wildem Basilikum, Aligot (altes französisches Hirtengericht aus Kartoffelpüree, Butter, Milch, Rahm und geschmolzenem Speck) und Bataviasalat (also Eisbergsalat); geschmorte Rinderschulter vom deutschen Angusrind mit Buschbohnen und französischen Burlat-Kirschen; Eisbecher von selbst gepflücktem Holler und Nougat sowie Erdbeeren und Essig. Die feenhafte Küchenchefin Kimberley Unser arbeitete zuvor im Frankfurter Lokal Blumen und im amüsanten Szene-Restaurant Artisan in Hamburg, einem kulinarischen Abenteuerspielplatz in St. Pauli.

Platz ist in der kleinsten Hütte, ins Kitchenlab zum Lunch

Kitchenlab

Klein und fein, mit Induktionsherd und Backofen sowie integriertem Bildschirm. Im Parterre gelegen, man fällt gleich mit der Tür ins Haus und steht mitten im Lunch-Lokal. Mittags wird dort live gekocht. Neben zwei Gängen stehen auch stets gute regionale und internationale Wurst- und Käsespezialitäten sowie ein ausgezeichnetes ausgehobenem Bauernbrot parat. Die Küche will unkomplizierte und stetig wechselnde Gerichte mit Anspruch zubereiten. Beispiel: Gebratener Rappa (Stängelkohl) mit Fisch-Frittata und kalt gerührte Rote Grütze mit hausgemachtem Vanille-Eis oder Pasta mit geschmortem Ochsenschwanz, Parmesan und frischen Kräutern und Milchreis mit Beeren (2 Gänge 12 bis 18 €). Auch hier hat man das Gefühl eher in einer Küche als in einem Lokal zu sein. Mann kann im Kitchenlab außerdem unter zwei Picknickkörben mit Wurst und Käse wählen und sich damit ans Mainufer setzen, eine Decke wird mitgeliefert. Die Leihkörbe kosten je nach Wareneinsatz 26 oder 38 € für zwei Personen, Wasser ist dabei, Wein nicht. Im Kitchenlab werden zudem Kochkurse für zwei bis 21 Gästen angeboten.

Kellerbar

Bar

Der noch sichtbare Grundstein für diese schöne kleine Kellergewölbe-Bar wurde 1838 gelegt, mithin zu einer Zeit, als Arthur Schopenhauer noch wenige Häuser weiter an der Schönen Aussicht lebte. Wer die steilen Stufen scheut, kann auch den Aufzug nehmen. Gepolsterte Sitzbänke und eine Theke bieten Platz und Halt. Champagner, Crémant von der Loire, Weine und ein gutes Whisky-Sortiment sowie Cocktails stehen im Angebot. Raucher müssen nicht vor die Tür. Es hat sich eingespielt, dass Dinnergäste keineswegs nur vor oder nach dem Essen an die Bar gehen, sondern auch mal zwischendurch in den Keller laufen – nicht zum Lachen, sondern zum Rauchen. Überhaupt lädt das ganze Haus geradezu zum Flanieren ein, man entdeckt in jeder Ecke ein neues eigensinniges Detail.

Events

Das exklusive und individuelle Seven Swans eignet sich hervorragend als Eventlocation. Partys, Firmenfeste, Kochabende mit Freunden und vieles mehr finden hier einen ungewöhnlichen Rahmen. Auch Hochzeitsfeiern sind ideal, denn das Standesamt und die Nikolaikirche liegen in Laufnähe.

Senior Suite

Hotel

Das Seven Swans ist ein wirkliches Boutiquehotel mit zwei Suiten. Die Senior Suite geht über zwei Ebenen, hat eine Dachterrasse nebst Balkon mit Aussicht auf die Skyline sowie einen zweiten sehr kleinen Balkon mit Blick auf den Main. Die wunderbare Sicht von der Dachterrasse auf den Kaiserdom weitet die Augen und das Herz. Eine komfortable Küche (mit Waschmaschine) gehört ebenfalls zur Ausstattung der Senior Suite. Fernseher, i-Pod-Station sowie eine Minibar, deren Inhalt aus Softdrinks und Bier inklusive ist, ergänzen das Angebot. Das Bad ist so groß und komfortabel, dass man sich fragt, wie so etwas auf so begrenztem Terrain möglich ist. Die Junior Suite besticht mit einem verglasten Erker und Panoramablick auf den Main sowie kleinem Balkon zur Domseite. Auch hier fällt das Bad eindrucksvoll im Design aus. Beide hellen, lichten und stilvoll modern möblierten Suiten bieten sich auch für Präsentationen, Meetings und andere Veranstaltungen an. Laufen täte zwar gut, doch gibt es auch einen Aufzug. Wohnen im schmalsten Haus der Stadt, heißt mit einer Grundfläche von 4 x 10 m pro Etage auszukommen. Durch die großen Fensterfronten schafft man jedoch eine gefühlte Weite.

Das Seven Swans liegt strategisch günstig am Mainkai in der Nähe des Frankfurter Doms und des zentralen Rathausplatzes Römerberg. Aber auch nur wenige Schritte von der Alten Brücke entfernt, die schnurstracks ins lokaldichte Sachsenhausen führt. Das Mainufer vor der Tür ist eine ideale Joggingstrecke und bietet sich auch zum Picknicken, Sonnen oder Dösen auf dem Rasengrün an. Der Name Seven Swans entstand wegen der sieben Etagen, von denen aus man die auf dem Fluss vorbeiziehenden Schwäne sieht.

Nachts sind nicht alle Häuser grau

Fazit

Seven Swans hat das Potential Frankfurts Hot Spot Nr. 1 zu werden, die schönste und spannendste Location ist es jetzt schon. Wenn das Konzept aus ungewöhnlichem Design, eigenwilliger Atmosphäre, individuelle Betreuung und guter Küche so weiter geführt wird, dann könnte hier etwas Originäres entstehen, das in der gesamten Republik für Furore sorgen dürfte. Vor allem zeigt diese Adresse urbanen Schick, lokale Identität, herzliches Engagement und Persönlichkeit. Für sich schon verdammt gut, zusammen ein unwiderstehliches Alleinstellungsmerkmal. Frankfurt hat endlich einmal wieder eine Adresse, die sie als Weltstadt auszeichnet.

Seven Swans, Frankfurt, Mainkai 4.

Das Restaurant ist geöffnet Mittwoch bis Samstag, ab 19.30, Tel. 069 21 99 62 26.

Kitchenlab, Dienstag bis Freitag, 12 – 14, zwei Lunchgänge, 12 – 18 €.

Bar, Donnerstag bis Samstag ab 21 Uhr.

Hotel: Maisonette Senior-Suite mit Dachterrasse und Küche 190 € pro Nacht (ohne Frühstück). Junior Suite 150 € pro Nacht (ohne Frühstück). Für beide gilt: Mehr Übernachtungen, günstigere Konditionen. Das üppige Frühstück wird mit 20 € berechnet.

 

Mein lieber Schwan!

Tolles Eröffnungsfest am Main

Betriebsleiterin Helen Unsinn

Über 100 Gäste, aber einmal nicht die üblichen Verdächtigen. Nicht ein einziger, den man sonst in lokalen Hochglanzmagazinen sieht, keine Pseudoprominenz. Einfach nur nette Menschen, auffällig junge darunter, die Freude an Design, ungewöhnlicher Atmosphäre und gutem Essen haben. Viele Kreative, kaum Wichtigtuer.

Kurze Cocktailkleidchen und Jeans, mehr Schick als Schlumpf. In Sack und Asche kam, wie meist, nur eine Handvoll Journalisten. Unter den Gästen ungewöhnlich viele Raucher, die ihren Zugzwang in der Bar und vor der Tür ausleben konnten. Getrunken wurden unter anderem guter Riesling von Theo Minges aus der Pfalz und ein erfrischender Crémant von Bouvet-Ladubay von der Loire.

Für 100 Gäste in einer Küche zu arbeiten, die eher so klein ist wie eine Schiffskombüse, glich einer handwerklichen Meisterleistung und offenbarte auch sportliches Geschick, denn die drei Mitarbeiter mussten auf engstem Raum nahezu fliegenden Wechsel und geschmeidige Akrobatik betreiben. Freundlicher flinker Service. Jede Mitarbeiterin ein Engel, die den Gästen Flügel verlieh.

Bilder: Peter Wünstel, Barbara Fienhold

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Sterne-Koch Buer übernimmt Opel-Villa

Überraschende Rochade von

Bad Homburg nach Rüsselsheim

 

Von Ludwig Fienhold

Sterne-Koch Christian Buer von Schellers in Bad Homburg übernimmt das Restaurant La Villa in Rüsselsheim und wird am 1. August eröffnen. Er löst damit den Italiener Paride „Mimmo“ Nicoli ab, der nach acht Jahren den Wechsel suchte (siehe Bericht vom 9. April) und als letzten prominenten Gast Michelle Hunziker begrüßte. Der 33 Jahre alte Buer wurde erst vor einem Jahr mit dem Stern vom Michelin ausgezeichnet, wobei das Restaurant Schellers im Hardtwald Hotel bis dahin kulinarisch ein eher unscheinbares Dasein führte und vor allem als Tagungshotel geführt wurde. Der gelernte Metzger und Koch Christian Buer gehört ebenfalls zu den weniger Bekannten seiner Zunft und kann als wichtigste Station auf den Tigerpalast in Frankfurt verweisen, wo er zuletzt als Souschef arbeitete.

Christian Buer

Christian Buer steht für eine dezent modernisierte klassische französische Küche. Zu seinen Signature-Gerichten zählen Rücken und geschmorte Schulter vom Limousin-Lamm in orientalischer Raz el Hanout Jus; gebratene Scheibe von der Entenstopfleber mit Kartoffelschnee und gebratener Blutwurst; gebrannte Creme von der Valhrona-Schokolade mit Pistazien-Eis. Wie in Bad Homburg, so wird er auch in Rüsselsheim mit seinen Menüpreisen unter 100 Euro liegen müssen. Christian Buer kommt aus Münster in Westfalen und ließ sich im hessischen Waldsolms im Hintertaunus zunächst zum Fleischer ausbilden, im Steigenberger Hotel Frankfurter Hof lernte er dann Koch. Er arbeitete auch noch in Käfer´s Restaurant in Wiesbaden, doch mit sechs Jahren die meiste Zeit im Frankfurter Tigerpalast.

Die Opel-Villen sind optisch im Grunde das einzig bemerkenswerte im sonst tristen Rüsselsheim. Das Ensemble besteht aus einer Kunsthalle mit international bekannten Ausstellungen und dem Restaurant. Das Haus aus dem Jahre 1915, in der klarlinigen Form von Historismus und Jugendstil entworfen, birgt trotz altem Parkett und Deckenstuck keinen Prunk. Aura und Design sind von erhabener Gelassenheit, auf der Terrasse sitzt man am Rande der grünen Main-Auen. Das Restaurant bietet über 60 Plätze, auf der Terrasse zusätzlich 80 Plätze. Wahrscheinlich wird das Lokal in einen Gourmetbereich und ein Bistro mit unterschiedlichen Konzepten unterteilt.

Terrasse La Villa Rüsselsheim

So attraktiv das Restaurant ist, so problematisch ist doch der Standort Rüsselsheim – insbesondere für einen anspruchsvollen Restaurantbetrieb. Vom lokalen Publikum ist nicht zu leben, auch das italienische Restaurant La Villa bezog seine Gäste mehr aus Frankfurt, Wiesbaden, Mainz und anderen Städten in der Rhein-Main-Region. Falls Christian Buer seine Leistungen halten kann, würde er der Stadt Rüsselsheim das erste Sterne-Restaurant bringen. Volker Drkosch wurde seinerzeit im Restaurant Navette im Hotel Columbia nur als Hoffnungsträger auf einen Stern eingestuft und wechselte dann ins Victorian nach Düsseldorf. Das italienische Restaurant La Villa von Mimmo hatte im Gault Millau 15 Punkte und einen Michelin-Bib, der für gute Qualität zu moderaten Preisen steht. Christian Buer wurde in Bad Homburg aus dem Stand heraus bereits im ersten Jahr 2010 sehr überraschend mit dem Michelin-Stern ausgezeichnet, während der Gourmet Guide Gault Millau ihn nicht einmal erwähnte.

Restaurant Opel-Villa




100 Dinge
die Sie einmal im Leben
gegessen haben sollten

 

Kaviar und Trüffel kennen viele. Nur wenigen liegen jedoch auch Blauer Hummer, Zampone, Kapaun oder Bottarga auf der Zunge. Alle Feinschmecker suchen den unverfälschten Geschmack, authentische Lebensmittel jenseits industrieller Massenproduktion. Wie köstlich können Walderdbeeren, Bärenkrebse und Glasaale sein, wenn man nur an die richtige Adresse kommt. Klassiker, Schlichtes und Exotisches – alles hat seinen Reiz. Das Buch „100 Dinge, die Sie einmal im Leben gegessen haben sollten“ bringt kulinarische Porträts, Geschichten hinter den Delikatessen, Bezugsquellen und Einkaufstipps. Es wird zudem verraten, wie man Original und Fälschung unterscheiden kann und vermeidet auf manipulierte Lebensmittel hereinzufallen.

So schön kann doch ein Fuß sein

Italiens schweinischer Gassenhauer Zampone

 

Von Jörg Zipprick

Zampone

Dass sich unsere italienischen Nachbarn mit Füssen auskennen, das weiß man auf der ganzen Welt. Mein Schuhschrank ist der Beweis dafür. Niemand macht so formschöne und gleichzeitig bequeme Schuhe wie die Leute, die in einem Land wohnen, das die Form eines Stiefels aufweist. (Allein die geniale Erfindung der Tod’s-Mokassins mit ihren 133 Gumminoppen, die jeden Träger federnden Fußes über den Boden schweben lassen, ist genial und zeigt die Fuß-Affinität der Italiener). Aber dass sie auch noch aus einem Schweinefuß eine Delikatesse machen können, ist noch erstaunlicher.

Während wir in unseren Breitengraden  Haxenbratereien haben und nach den krossen Krusten des Borstentiers gieren, geben sich die Bewohner der Emilia Romagna nicht mit solchen langweiligen Einfachheiten ab. Sie haben einen gefüllten Schweinefuß kreiert, der einen eindeutigen kulinarischen Abdruck hinterlässt. Auch im Bollito misto darf der Zampone – der „große Fuß“ – nicht fehlen. Ich hab nur einmal davon probiert und war mehr als angetan. Aber das Geheimnis dieser italienischen Schweinefuß-Spezialanfertigung habe ich noch nicht ergründet.

Hummer

Im Bürokratendeutsch der „Verordnung (EWG) Nr. 2081/92 vom 14. Juli 1992“, Antrag auf Eintragung gemäß Artikel 17,   ist ein Zampone ein „Fleischerzeugnis, bestehend aus einer Mischung von Schweinefleisch aus der quergestreiften Muskulatur, Schweinefett, Schwarte und verschiedenen Gewürzen, die in natürliche Umhüllungen, nämlich die Außenhaut des vollständigen Vorderfußes des Schweins (mit den Zehenknochen) gefüllt wird; das obere Ende wird verschlossen. Das Erzeugnis muss leicht aufschneidbar sein. Beim Anschnitt weist die Scheibe rötliche bis rote uneinheitliche Färbung auf, sie ist kompakt und besitzt einheitliche Körnung.“ Eingetragen wurde die Zampone als „geprüfte geografische Angabe“, eine europäische „Auszeichnung“, die jedoch über die Wurstqualität in diesem Fall rein gar nichts aussagt.

Fragen wir uns doch lieber zuerst, warum jemand Wurst in Schweinsfüße füllt: Im Winter 1511 wurden Mirandola und das nahe Modena von den Truppen des Papst Julius II belagert. Falls Sie einmal Opfer einer Belagerung werden, was heute ja Gott sei Dank seltener vorkommt, müssen Sie wissen, dass richtige Vorratshaltung sehr wichtig ist, um selbige durchzustehen. In Mirandola jedenfalls wurde die Schlachtung der Schweine befohlen, um zu verhindern, dass die kostbaren Fleischlieferanten den Feinden in die Hände fielen bzw. deren Mägen füllten. Doch worin sollte man all das Fleisch aufbewahren? So wurde das Schwein selbst zum Behältnis, in dem man auch die Vorderbeine der Schlachttiere füllte. Später, als die Gefahr vorbei war,  fand die neue Spezialität bald auch  viele Freunde außerhalb von Strategen und Militärs.

Jacobsmuscheln

Ein großer Zampone-Freund war der Komponist Gioacchino Rossini (1792 – 1868), was an sich schon ein Gütesiegel ist. Dessen Wissen um die kulinarischen Künste wurde höchstens noch von seinen nachweislich exzellenten  Kenntnissen über die richtigen Noten übertroffen.  Obwohl das  Ansichtssache ist. „Wenn er so viel von Musik versteht, wie von Makkaroni, dann muss er sehr gute Sachen schreiben“. Dieser Spruch eines Pasta-Händlers wurde in Rossini-Biographien verewigt, der Komponist selbst schrieb ausführlich und gern über das Essen.  Er sandte dem Metzger Bellantini in Modena folgende Bestellung: „Ich möchte sechs Capelli da Prete (Priesterhüte, eine Wurstspezialität mit Zampone-ähnlicher Füllung, eingenäht in einen Dreispitz), ähnlich denen, die du mir nach Florenz geschickt hast. Vier Pfoten und vier Würstchen, alles von der besten Qualität.“ Wohl „um Missverständnisse zu vermeiden“ legte Rossini angeblich eine Risszeichnung eines Zampone bei.

Es war kein Zufall, dass Rossini bei dieser Adresse bestellte, denn traditionell hat jeder Metzger sein eigenes Rezept:  Aber alle benötigen eine intakte Schweinepfote ohne  Schnitte oder andere Verletzungen der Haut und alle vernähen den fertig gefüllten Fuß per Hand. Viele der Füßchen werden in speziellen Dampföfen gegart, bevor ihre Füllung  bei Raumtemperatur fest wird. Das Geheimnis des Zampone jedoch liegt natürlich in seinem Innersten: Welche Sorten Schweinefleisch werden verwendet? Wie werden sie gewürzt?

Bottarga

Viele Metzger verwenden heute Wange, Kopf, Hals und Schulter, Salz und Gewürze. Dabei geht die Tendenz zum „mageren Schweinsfuß“. Noch in den 1980er Jahren empfahl die  Universität Rom 35 Prozent Schweinefleisch, mehrheitlich aus der Schulter, 30 Prozent Schwarte, 35 Prozent „Reste“ (parte ghiandolare, also „Drüsenteile). Inzwischen werden die Füßchen mit 60 Prozent magerem Schweinefleisch und vielleicht 20% Schwarte erzeugt. Gewürzt wird mit Zimt, Salz, Pfeffer, Muskatblüte, Nelken, Muskat und teilweise vielen anderen guten Sachen. Auch die Feinheit (oder Grobheit) des Schweinehacks spielt eine Rolle. Zum guten Schluss wird ein Zampone etwa einen halben Tag lang gewässert, mehrfach eingestochen und dann nochmals stundenlang vor dem Servieren gegart.

Früher gab es vielfach rohe Zampone, heute sind die meisten aus Gründen der Haltbarkeit gegart. Deshalb „würzen“ Metzger auch zuweilen mit den Zusatzstoffen E 250 und E 252 (die Stabilisatoren Natriumnitrit und Kaliumnitrat). Erhalten haben sich allerlei Zampone-Feste. Eines wird von der Vereinigung der Metzgermeister von Modena veranstaltet, die 1995 den weltgrößten Zampone ins Guinness-Buch eintragen ließen. Regelmäßig feiern auch die „Ritter des Zampone“, deren damaliger Präsident Giorgio Fini 1971 für einen Skandal sorgte, als er Zabaione zum Zampone servieren ließ. Süßes zum Zampone, das wurde später zur Mode, in Frage kommen neben Zabaione auch Marsala und Balsamico. Eine der besten, aber auch teuersten Zampone-Adressen, ist nach wie vor die Salumeria Giuseppe Giusti in der Via Farini, 75 in Modena. Seit 1605 wird hier Wurst gemacht. Etwas günstiger, aber nicht unbedingt schlechter, ist die Wurst bei Regnani Sisto, in der Via XXIV Maggio, 4 in Serramazzoni, Modena.  Allerdings verzichtet dieser Metzger nicht immer auf Zusatzstoffe, was wirklich schade ist.

 

Jörg Zipprick

Oft herrscht nur Nepp

Gespräch mit Gastronomie-Journalist und Buch-Autor Jörg Zipprick

 

BISS: In Ihrem kürzlich erschienen Buch „In Teufels Küche“ kommt die Gastronomie nicht sehr gut weg. Jetzt wollen Sie uns „100 Dinge“ schmackhaft machen. Passt das?

JZ: „In Teufels Küche“ ging es größtenteils um Zustände in sogenannten Top-Restaurants und Allianzen der Industrie mit Spitzenköchen. Besonders in der Avantgarde wird das Restaurant  zum Showroom der Chemie-Industrie. Österreichs führendes Nachrichtenmagazin „Profil“ hat ausgehend von dem Buch übrigens eigene Recherchen angestellt. Und die sind wirklich lesenswert: http://www.profil.at/articles/1110/560/291269/schummelnde-spitzenkoeche-kritiker-allianzen-industrie

Aber natürlich liebe ich weiterhin gutes Essen „100 Dinge“ verrät, wo man gute Zutaten findet. Viele kann man roh verzehren. Wer einen Ofen, eine Pfanne und einen Kochtopf bedienen kann, dürfte auch den Rest problemlos zubereiten und wird sich hoffentlich über kräftigen, ursprünglichen Geschmack freuen.

BISS: „Nur 100 Zutaten? Sollte man nicht viel mehr gekostet haben?“

JZ: „Natürlich. Wir hätten auch 999 schreiben können. Ein paar unser Lieblingszutaten konnten wir nicht mehr unterbringen. Aber 100 sind 100 und da musste gesiebt werden. Wichtig war uns, dass das Buch kein Kuriositätenkabinett wird: Wir reden wegen des Nervenkitzels über Fugu und wegen des geradezu verblüffenden Salzgehalts über Umeboshi. Doch Exotik allein sagt nichts über den Geschmack. Kapitel über Krokodil, Zebra, Schlange und Heuschrecke gibt es nicht. “ 

BISS „Ein gutes Risotto gibt es auch nicht…“

JZ: „Rezepte gibt es bei uns nicht, sondern Zutaten, ihre Geschichte und Tipps zum richtigen Aussuchen. Wenn Zubereitetes, dann wurde es von einem Handwerker wie einem Metzger zubereitet. Und, ganz wichtig, das Produkt muss, wenn auch manchmal mit Schwierigkeiten, verfügbar und zu bestellen sein. Etwa bei der Butter, die es nur beim Hersteller Bordier gibt. Was nutzt das köstlichste Schwarzbrot, wenn es nur bei einem Bäcker im Schwarzwald erhältlich ist, der es nicht versenden kann. Bei der Avocado ist die Lage hingegen einfach: Wir finden eine Sorte leckerer als die anderen. Erhältlich ist sie fast überall.

Kaviar-Degustation

BISS: Was muss man denn nach ihrer Ansicht gekostet haben? Kaviar, Hummer und Languste?

JZ: „Es darf auch mal Kaviar sein. Aber Haselnuss, Morcheln und Kapern sollte jeder auch mal gegessen haben.“

BISS: „Manchmal scheint bei Ihnen das schlechte Gewissen mit am Schreibtisch gesessen zu haben. Sie weisen ausdrücklich auf fragwürdige Zuchtmethoden und aussterbende Tierarten hin….“

JZ: „Ich denke, auch Essen und Trinken verdienen journalistische Sorgfalt. Fakten gehören auf den Tisch, bzw. in das Buch, damit der Leser sich eine Meinung bilden kann. Leider ist das unter „Gourmets“ nicht überall mehrheitsfähig, die Gastronomie wird anscheinend als Freizeitpark für die Papillen wahrgenommen.

Doch nur das Wissen um fragwürdige Zucht- und Lagermethoden erlaubt es uns, gezielt nach guten Züchtern zu suchen. Zudem existiert allerlei Nepp, auch bei teuren Zutaten.  Wer weiß schon, dass Thunfisch teilweise mit Kohlenmonoxid rot gefärbt wird? Und manchmal war ich beim Schreiben selbst schockiert: Aal und Kabeljau zum Beispiel waren in meiner Jugend Fische für alle Tage. Heute sind die Bestände bedroht.“

BISS: Das Buch erscheint wie ein feinschmeckerischer Dialog zwischen Ihnen und Ihrer Co-Autorin Margit Schönberger.

JZ: „Und die Zusammenarbeit hat sich ganz selbstverständlich so entwickelt, dass Margit eher für das Sinnliche und ich eher für das Warenkundliche zuständig war. Trotzdem waren wir selbst über das hohe Maß an Konsens erstaunt – wir haben da wohl einen kompatiblen Geschmack und einen gemeinsamen Sinn für Genuss.“

BISS: Sind solche Listen nicht immer subjektiv – auch wenn gleich zwei Autoren aktiv werden?

JZ: „Selbstverständlich – und dazu bekennen wir uns ausdrücklich. Wir hätten die Zutaten auch von salzig bis zuckersüß oder von steinhart bis ganz weich ordnen können und mit Slogans wie „lernen sie essen“ bewerben können. Solch pseudowissenschaftliche Verbrämung ist momentan ja populär. Eine subjektive Liste wäre es trotzdem geblieben, egal wie der Inhalt geordnet ist. Nun kann Genuss für jeden Menschen etwas anderes sein. Der Leser darf sich ruhig fragen, welche 100 Nahrungsmittel er auf die sprichwörtliche einsame Insel mitnehmen würde. Oder für zu Hause kaufen möchte….“

BISS: Kann man Sie denn mit ein paar der „100 Dinge“ zurück ins Restaurant locken?

JZ: „Einer wird das wahrscheinlich können: Der Neurologe Dr. Miguel Sanchez Romera, in „Teufels Küche“ ausführlich erwähnt, eröffnet demnächst ein Lokal in New York. Er kocht u.a. mit essbaren Blumen und ist der einzige wahre Erfinder unter den Köchen – was sich mit einem entsprechenden Patent auch beweisen lässt.  Ich kenne seine Gerichte ja schon aus Barcelona, bin aber sehr neugierig, was er sich hat einfallen lassen. Das Wall Street Journal gibt ihm gehörige Vorschusslorbeeren: http://online.wsj.com/article/SB10001424052748703421204576329403800844910.html

 

Über Zampone und andere interessante Produkte liest man in dem neuen Buch

100 Dinge, die Sie einmal im Leben gegessen haben sollten

Margit Schönberger, Jörg Zipprick, Ludwig Bucherverlag, München 2011

19,99 €

 




Hochzeitsmenü von Alain Ducasse

Küchen-König ernährt Monaco-Fürsten

 

Alain Ducasse, dem Köchen-König unter den Aristokraten seiner Zunft, fällt kein Zacken aus der Krone, wenn er für 450 Hochzeitsgäste arbeiten muss. Er ist einer der besten Logistiker aller Zeiten und sorgte am 2. Juli in Monte-Carlo auf der Terrasse der Oper für das Menü von Fürst Albert und Charlene Wittstock. Ducasse komponierte ein sehr überlegtes und ökologisch korrektes Menü aus vier  Gängen und orientierte sich damit am Engegement des Fürsten für den Artenschutz. Ducasse bezog dabei „die Kühe und das Gemüse“ von Prinz Alberts Ländereien mit ein. Die Gemüse kamen aus dem monegassischen Fürstengartem, die Kühe wurden in Form von Milch beim Dessert eingesetzt.  Die Fische (ungefährteter Arten wie die Rotbarbe) wurden vor der Tür im Mittelmeer gefangen, aber nicht mit Netzen, sondern geangelt. Zu trinken gab es, wie könnte es anders sein, Champagner – aber zu Ehren der südafrikanischen Braut auch einen Wein aus deren Heimat.

1987 lud Fürst Rainier den Maître de Cuisine nach Monaco ein und bat ihn die Leitung des Hotelrestaurants Louis XV. im Hôtel de Paris zu übernehmen. Klares Ziel: Das Louis XV. sollte das erste Hotelrestaurant mit drei Michelin-Sternen werden – was auch 1990 erreicht wurde. Was dort unter dem bescheidenen Begriff „Mediterrane Hochküche“ geschieht, ist pures Understatement – kaum jemand hat davor und danach eine so natürliche Perfektion erreicht, wie Ducasse im Hôtel de Paris.

Guy Bertaud ist neuer Hoteldirektor im Hôtel de Paris

In den 20 Jahren seiner bisherigen Berufslaufbahn hatte Guy Bertaud Gelegenheit, die Begeisterung, Hartnäckigkeit und Kreativität an den Tag zu legen, ohne die man bei der Führung eines Fünf-Sterne-Hauses von der Größe und Bedeutung des Hôtel de Paris nicht auskommt. Er bekleidete verantwortungsvolle Posten im Management von Hotels der Spitzenklasse, so leitete er etwa das Liban le Vendome in Beirut und das Plaza Athénée in Paris. Der 44 Jahre alte Guy Bertaud will die hohen Standards weiter voranzubringen, insbesondere durch einen noch individueller auf den einzelnen Gast abgestimmten Service. Die Optimierung der Ausbildung für das Personal sieht er dabei als einen Schlüsselfaktor, um dieses Ziel zu erreichen. Ebenso strebt er an, dem monegassischen Palace-Hotel, nachdem es (im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten der entsprechenden Norm im Fürstentum) die 5-Sterne-Einstufung erhalten hat, in den Netzwerken des Luxusreiseverkehrs stärkere Geltung zu verschaffen, um dessen einzigartiges Image auch international besser zu vermarkten.

Kaiserin Sissis Trauerkleid in Monaco

Einblicke in die Lebensformen des Adels

Das Grimaldi-Forum führt in diesem Sommer seine Besucher mit der Ausstellung „Pracht und Glanz der fürstlichen, königlichen und kaiserlichen Höfe in Europa“ auf eine Zeitreise durch Europas Königshäuser. Vom 11. Juli bis 11. September können Monaco-Reisende in der Geschichte berühmter königlicher Paare und anderer Herrscherpersönlichkeiten schwelgen. Etwa 700 prachtvolle Kunstwerke sind aus der ganzen Welt zusammengetragen worden, um das Leben, die Rolle und die Leidenschaften der Royals zu präsentieren. Seit der Eröffnung im Jahre 2000 zeigt das Grimaldi-Forum in jedem Sommer eine kunsthistorische Ausstellung. Viele Kunstwerke stammen dabei aus Privatsammlungen der heutigen Monarchien. Juwelen, das Trauerkleid von Käserin Sissi, das sie nach dem Tod ihres Sohnes Rudolph getragen hat, oder auch das funkelnde Diadem der Großherzogin von Luxemburg sind einige Highlights. Filme, historische Fotografien und zeitgenössische Aufnahmen dokumentieren zudem das Leben des europäischen Adels vom 16. bis zum 20. Jahrhundert. Die Darstellung persönlicher Leidenschaften unter den Königen und Fürsten setzen besondere Akzente. Jeder Raum im Ausstellungsbereich ist einem Hof mit seiner Identität, Geschichte und Kultur gewidmet. Kuratorin Catherine Arminjon beschreibt die Ausstellung so: „Die Besucher werden durch diese Geschichte reisen und manchmal unerwartete Figuren entdecken, aber nicht in einer chronologischen Reihenfolge, sondern eher wie ein Reisender durch das fantastische Europa. Man wird politische Rollen, Heiraten und andere Familienschließungen wiederentdecken, die die Ereignisse beeinflusst haben könnten oder die zu neuen ‚Sitten’ im sozialen, künstlerischen, wissenschaftlichen Bereich geführt haben“.

Die Ausstellung ist täglich von 10 bis 20 Uhr, donnerstags bis 22 Uhr geöffnet. Eintritt 12 €. Es werden zudem Audioführungen in englischer, französischer und italienischer Sprache für 6 € pro Person angeboten. Weitere Informationen unter www.grimaldiforum.mc.




Beim nächsten Mahl wird alles anders

Küchenwechsel im Döpfner´s
Kofler geht, Schönberger kommt

 

Nach 16 Jahren als Küchenchef verlässt Martin Kofler das Restaurant Döpfner´s im Maingau in Frankfurt-Sachsenhausen. Neuer erster Mann am Herd wird ab August Daniel Schönberger, der zuvor im Sternelokal Hessler´s in Maintal arbeitete. In einem ersten Gespräch erklärte Hausherr Jörg Döpfner, dass sich nicht sofort alles radikal verändere, aber sicher peu à peu eine neue Speisekarte Einzug halten würde, die kompakter ausfällt und mit frischen Tagesempfehlungen gewinnen will.

Daniel Schönberger

Der 36 Jahre alte Daniel Schönberger war einst Sous-Chef im Kempinksi Gravenbruch und auch Koch der Fußballnationalmannschaft. Gemeinsam mit Sybille Milde arbeitete er bei Doris-Katharina Hessler in Maintal-Dörnigheim bei Frankfurt. Durch die Heirat mit ihrem Kollegen wurde aus Sybille Milde Sybille Schönberger. Sie hatte kurz zuvor Doris-Katharina Hessler beerbt, konnte deren Stern erhalten und sich als jüngste Sterneköchin Deutschlands bezeichnen. Inzwischen ist sie Mutter und kocht nicht mehr im Restaurant, aber noch professionell mit Kindern und bei anderen Kochkursen.

Der Südtiroler Martin Kofler verstand sich ebenso gut auf Mediterranes wie Österreichisches. Pfiffige Verfeinerungen der Hessischen Küche zeigten seinen Sinn für neue regionale Ideen, das wunderbare Rippchen-Carpaccio bleibt unvergessen. Im Gault Millau wurde Koflers Küche mit 15 Punkten bewertet, der Michelin hatte ihn nicht entdeckt, obwohl er ein sehr geeigneter Kandidat für den „Bib“ gewesen wäre – sorgfältig zubereitete und preiswerte Speisen. Martin Kofler übernimmt jetzt das Lokal La Cigale  in Frankfurt-Bockenheim und will dort Mitte August als Pächter und Küchenchef an den Start gehen.  Die Küche soll mediterran bleiben und mit Südtiroler Gerichten ergänzt werden. Martin Kofler heißt seine Gäste bereits auf der Cigale-Webseite willkommen.

Martin Kofler

Das Döpfner´s gehört zu den wunderbar unzeitgemäßen Lokalen der Stadt und hat sich über die Jahre hinweg schicken Trends widersetzt. Optisch ebenso wie bei der Speisekarte, dem Service und der Weinauswahl. Dennoch zeigte das Lokal stets Augenmaß für kulinarische Entdeckungen und war nie langweilig gestrig, sondern nur auf persönliche Weise traditionell.

Die Familie Döpfner führt die einstigen Maingau-Stuben und das jetzige Döpfner´s im Maingau sowie das dazugehörige Hotel mit 81 Zimmern seit 1951. Zudem hat sie sich als Caterer einen guten Namen gemacht und liefert Leckeres für Hochzeiten und andere Feiern. Der große Umbruch geschah, als 1993 aus der einfachen Gaststätte ein Restaurant wurde, das aber seine Wurzeln nicht verleugnete. Die Rouladen wurden nie ganz abgeschafft, doch der Küchenstil änderte sich gründlich und gleichsam bedächtig, als der Sohn Stefan Döpfner die Regie am Herd übernahm. Der Taunushirsch in der Walnusskruste zielte in Richtung Haute Cuisine, doch gab es immer wunderbare lokale Deftigkeiten wie Kartoffel-Sauerkrautstrudel mit Leberwurstsauce. Stefan Döpfner, der zuvor im Brückenkeller gearbeitet hatte, kochte sich in den Restaurantführern Jahr um Jahr höher, der Gault Millau bedachte ihn mit guten 15 Punkten, der Michelin-Stern, der durchaus im Bereich des Möglichen lag, blieb aus, wobei Stefan Döpfner viel zu früh verstarb. 1998 übernahm dann der zweite Sohn Jörg das Zepter, weiterhin gestützt von Küchenchef Martin Kofler. Später wechselte er von der Küche in den Service.

Sybille Schönberger

Der Küchenstil ist die Jahre über ähnlich geblieben, eine gelungene Mischung aus hessischer Hausmannskost, Haute Cuisine und Mediterranem. Die Wein-Menüs, die es zu höchst fairen Preisen gibt, gehören zu den besonders empfehlenswerten Sonderleistungen des Hauses. Im Döpfner´s erhält man auch eine solide Auswahl an offenen Weinen, die ein optimales Preis-Geschmacksverhältnis haben und nicht dem vordergründigen Wunsch der Lagerräumung entspringen. Die Döpfners bevorzugen deutsche Weine, aber auch Österreich ist neben anderen europäischen Ländern gut vertreten. Über 300 verständig ausgesuchte Positionen verzeichnet die Karte. Es gibt typische Gerichte, die den Charakter der Küche verdeutlichen: in Rotwein geschmorte Ochsenbacken, Rehkeule im Steinpilzmantel, Steinbutt mit Schnittlauchrisotto. Spätzle, Bratkartoffen, Kartoffelpüree oder Risotto sind die oft zu habenden Beilagen, die mit Schmiss und Schmackes zubereitet werden und nach Saucen rufen. Davon gibt es satte, samtige und geradezu süffige Varianten, die noch mit ausgekochten Karkassen verdichtet werden und jedes Gericht richtig hochkitzeln. Welch ein Glück, dass diese flüssigen Würzwunder in einer Sauciere gereicht werden und die Lust darauf mehr als ausreichend bedienen.

Jörg und Martina Döpfner mit Frankfurts Oberbürgermeisterin Petra Roth (l.)

Eine Zäsur setzte 2009 ein, als Senior Werner Döpfner das Geschäft seinem Sohn Jörg und dessen Frau Martina übergab. Von Geburt, Charakter und Zungenschlag her ist Stammesvater Werner Döpfner unverkennbar Franke. Ein Oberschalk also, ein Mann mit kantigem Humor und gewitztem Geschäftssinn. Er ist nach wie vor aktiv und arbeitet auch hin und wieder noch im Restaurant. Mit dem jetzigen Küchenwechsel verjüngt sich die Mannschaft weiter, doch ist damit weit mehr verbunden: Die neue Generation will eigene Wege gehen.

Ludwig Fienhold

 

Döpfner´s im Maingau, Frankfurt, Schifferstraße 38 – 40, Tel. 069 61 07 52. Täglich mittags und abends geöffnet, Samstagmittag, Sonntagabend und Montag geschlossen. www.doepfners.de