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Was Boris Becker nicht über den Grill Royal weiß

Grill Royal in Berlin

Der Grill Royal in Berlin ist ein schickes Steakhouse mit Promi-Appeal. Boris Becker wurde hier von der Petz-Presse beim Flirten erwischt. Was waren das noch für Zeiten, als der junge Tennisspieler im Frankfurter Jardin oder in Jimmy´s Bar mit einem Eye-Break seine Bekanntschaften übers Netz ziehen konnte, ohne dabei gefilmt zu werden. Warum sucht sich Herr Becker aber auch immer die auffälligsten und bekanntesten Lokale aus. Uns ist der Grill Royal wegen seiner Sternchen schnuppe. Wir mögen ihn auch wegen seines sehr guten und professionellen Internetauftritts. Die Gastronomen vom Grill Royal sind so souverän, dort nicht nur positive Stimmen zu zitieren, sondern auch die Kritiker – beispielsweise den Gault Millau, der das Lokal „Grill banal“ nennt.

Daumen Hoch

Well Done

Pellegrino verwässert

Bald gibt es mehr Restaurantführer als Restaurants. Auch Auszeichnungen werden so inflationär vergeben, dass man sie kaum noch als etwas Besonderes wahrnimmt. Einer unter vielen Guides ist die „Kulinarische Auslese“ von S.Pellegrino, die nach eigenen Angaben die Ergebnisse der „bekanntesten Restaurantführer in einem eigenen Ranking“ zusammenfasst. Welche Restaurantführer dies sind und wie genau dieses Ranking entsteht wird nicht bekanntgegeben. Man kann sich aber auch ohne das ein Bild machen, etwa am Beispiel vom Rhein-Main-Gebiet. Das dort mit drei Sternen Juan Amador in Langen führend ist, lässt sich vielleicht noch nachvollziehen, dann aber wird die Rangordnung unrealistisch: Patrick Bittner, Francais, Frankfurt (Rang 34), Rainer Christoph, Villa Rothschild, Königstein, (Rang 54); Alfred Friedrich, Tigerpalast, Frankfurt (Rang 78), Mario Lohninger, Silk, Frankfurt (Rang 94).

Daumen Runter

Bloody Hell!




Neues Ziel für Gourmets

Harald Schmitt wechselt vom Nassauer Hof zum Hotel Hohe Düne

Harald Schmitt, 24 Jahre als Küchenchef und Food & Beverage Manager das kulinarische Gewissen des Nassauer Hofs in Wiesbaden, wurde Direktor des mondänen Ostsee-Hotels Hohe Düne in Rostock-Warnemünde. Das Yachting- und Spa-Resort hat ein gutes Profil als Wellness-Hotel, ist aber gleichzeitig zu einer herausragenden Genussadresse geworden.

Harald Schmitt freut sich auf ein „ungewöhnliches“ Hotel. Es war für ihn keine leichte Entscheidung mit dem Nassauer Hof fast schon eine Familie zu verlassen, doch mit 52 Jahren bleibt nicht mehr viel Zeit, das Schiff noch in eine andere Richtung zu lenken. Schmitt konnte unter zahlreichen Angeboten wählen, wobei es im Fall von Warnemünde für ihn nicht mehr viel zu überlegen galt. Ausschlag gaben für ihn die „erstklassige Location“ und der „kulinarisch hohe Anspruch“ des Hotels. Zudem sind Schmitt privat geführte Hotels lieber, hätte er sich eine Zukunft in einem Gruppenhotel nur schwer vorstellen können. Der gebürtige Badener und Liebhaber hessischen Apfelweins begann seine Laufbahn mit einer Lehre bei Hermann Bareiss im Kurhotel Mitteltal in Baiersbronn, es folgten Stationen bei Katzenbergers Adler in Raststatt, Eckart Witzigmanns Aubergine in München und Günter Scherrers Restaurant San Francisco im Hotel Hilton in Düsseldorf. Im Nassauer Hof begann Harald Schmitt als Küchenchef des Restaurants Orangerie, ab 1995 war er als Gastronomischer Direktor für die gesamten kulinarischen Leistungen des Grandhotels verantwortlich, wobei er in dieser Zeit vor allem das Gourmet-Restaurant „Ente“ modernisierte. In den letzten Jahren fungierte er zudem als Direktor, doch im Mittelpunkt seines Handelns stand stets die Gastronomie.

Das Hotel Hohe Düne liegt auf einer Landzunge unmittelbar am weißen Strand von Warnemünde. Die im September 2005 eröffnete Anlage besteht aus dem Luxushotel nebst Residenzen sowie einer Marina mit 750 Liegeplätzen und einem Kongresszentrum von 3200 Quadratmetern. Der riesige Komplex wurde mit einem Gesamtvolumen von 120 Millionen Euro errichtet. Eigentümer ist der Investor und Vorstand der Odin AG Per Harald Lökkevik aus Norwegen. Das Hotel gleicht einem Luxusliner, die 368 Zimmer und Marmorbäder mit Fußbodenheizung wurden stilvoll und dezent maritim gestaltet. Die Gäste erleben auf 4200 Quadratmetern eine Wellnesslandschaft, die sie in die verschiedenen Badekulturen der Welt entführt. Das große Schwimmbad (22 x 10 m) schmückt ein offener Kamin, die Dachterrasse hat Blick auf die Ostsee. Gleich elf Restaurants und Bars mit unterschiedlichen Themen und Konzepten bieten Abwechslung wie auf einem Kreuzfahrtschiff. Das Restaurant „Der Butt“ von Tillmann Hahn wird hoch bewertet – 1 Stern im Michelin, 17 Punkte im Gault Millau. Bevor der im hessischen Darmstadt geborene Küchenchef nach dem G8-Gipfel vom Grand Hotel Heiligendamm in das Hotel Hohe Düne wechselte, arbeitete er in den legendären Schweizer Stuben in Wertheim sowie bei Dieter Müller in Bergisch Gladbach und Heinz Wehmann im Landhaus Scherrer in Hamburg. Das Hotel Hohe Düne ist nicht klassifiziert, entspricht aber einem Haus der 5-Sterne-Luxusklasse.

Harald Schmitt, Nassauer Hof Anchorman Karl Nüser und der neue Food & Beverage Manager Alexander Dörr (v.l.n.r.)

Harald Schmitts Nachfolger als Wirtschaftsdirektor im Nassauer Hof ist der 36 Jahre alte Alexander Doerr. Der gebürtige Wiesbadener absolvierte eine Ausbildung zum Restaurantfachmann im Hamburger Hotel Vier Jahreszeiten und sammelte dort seine ersten beruflichen Erfahrungen als Commis de Rang im Doc Cheng’s und im Mandarin Oriental Hôtel du Rhône in Genf. Der Betriebswirt und Absolvent der renommierten amerikanischen Cornell University engagierte sich über viele Jahre im Bereich F&B bei Four Seasons und machte nach Berlin Station auf den Malediven, in Ägypten und Hawaii. 2007 übernahm er im Park Hyatt Zürich die Position des Assistant Director F&B und später die des Director F&B. Von dort aus ging es für Alexander Doerr als Wirtschaftdirektor und stellvertretender Direktor des Nassauer Hof zurück in die alte Heimat. Es wird nicht einfach für ihn in die Fußstapfen einer Branchengröße wie Harald Schmitt zu treten. Doch Alexander Doerr bringt nicht nur Elan und gutes Rüstzeug mit, er hat wie sein Vorgänger ebenfalls Schuhgröße 46.

Ludwig Fienhold




Dschungelcamp für Fernsehköche

Das RTL-Dschungelcamp erreicht nun auch die Gourmetwelt. Michael Käfer vom Münchner Feinkostunternehmen war gar nicht amüsiert, als dort ein Käfer-Zelt im Wiesn-Look nachgestellt wurde und klagte erfolgreich auf Unterlassung. Dabei war dies die einzig erhellende Idee der Show, denn Glibber und Glamour kleben auch im wirklichen Leben aneinander. Michael Käfers Humorhorizont scheint ebenso begrenzt, wie grundsätzlich der Horizont der Dschungelakteure. Die Zuschauer dürfen auch ohne Käferzelt weiter eine Horde von Nervensägen verfolgen, die Hirnschwurbel-Dialoge führen, als gelte es den Regenwald zu retten. Für die ständig servierten Ekel-Menüs sind aber im Grunde ganz andere Kaliber gefragt. Im nächsten Jahr kann es deshalb nur eine folgerichtige Fortsetzung der Staffel „Ich bin ein Star – holt mich hier raus!“ geben – ein Dschungelcamp mit Fernsehköchen: Johann Lafer trinkt gequirlten Emu-Hoden, Horst Lichter teilt sich seinen Bart mit Kakerlaken und Mehlwürmern und Tim Mälzer muss essen, was er gekocht hat.

Lufie




Das ist ja die Höhe! Dinner in the Sky in Dubai

Dubai schwelgt wieder einmal in Superlativen und schickt Besucher seit Sonntag in das höchste Restaurant der Welt. Im At.mosphere speisen Gäste in 442 Metern Höhe und blicken auf eine sich fast schon während eines Essens verändernde Skyline. Der Lift beamt die Fahrgäste in 44,2 Sekunden in eine schicke Speisewelt mit Mahagoni-Wänden, Kalkstein-Böden und Designermöbeln des transylvanisch-amerikanischen Stardesigners Adam Tihany. Der schlaksige Tower schießt 828 Meter hoch in den dunstigen Himmel von Dubai und ist damit das höchste Gebäude der Welt. Weit mehr als tausend Wohnungen und Büros sind dort untergebracht, außerdem das erste Armani-Hotel mit 160 Zimmern. Neben acht verschiedenen Restaurants, darunter selbstredend ein italienisches, gibt es auch ein Spa mit Outdoor-Pool. Die Zimmerpreise beginnen in der Wintersaison bei 450 Euro, Suiten ab 800 Euro. Die Standard-Zimmer befinden sich in den ersten acht Etagen des Khalifa-Towers, die Suiten im 38. und 39. Stock.

Mehr Aussicht bietet die Aussichtsplattform auf der 124. und das Panorama-Lokal At.mosphere auf der 122. Etage. Sportliche dürfen 11.300 Stufen bewältigen. Küchenchef des höchsten Restaurants der Welt ist Dwayne Cheer aus Neuseeland. Vor seinem Aufstieg begann er im heimatlichen Waitarere in einem Fish & Chips-Laden am Strand. Nur einmal arbeitete Cheer in einem hoch bewerteten Restaurant – dem Greenhouse in London, wo der Michel Bras-Schüler Antonin Bonnet seit acht Jahren einen Michelin-Stern hält. Dwayne Cheer lebt seit über vier Jahren in Dubai und war dort als Chef de Cuisine und Executive Chef im One & Only Royal Mirage und den beiden Hotels The Address tätig, die wie der Burj Khalifa zur Emaar-Gruppe gehören. Für dieses Großunternehmen mit Sitz in Dubai arbeitet auch Viktor Stampfer als kulinarischer Direktor, der seine Hochzeit als Küchenchef im Frankfurter Restaurant Tigerpalast in den Jahren 2000 bis 2005 hatte und diesem hohe Bewertungen brachte (1 Michelin-Stern, 18 Punkte im Gault Millau).

Das At.mosphere im Burj Khalifa in Dubai bietet auf über 1000 Quadratmetern Platz für 210 Gäste. In dem verglasten Höhenrestaurant arbeiten 91 Mitarbeiter, 20 davon in der Küche. Neben dem eigentlichen Restaurant gibt es noch private Salons sowie eine Raucherlounge. Die Küche verwendet bevorzugt Luxusprodukte, Hummer und Kaviar sind Standard. Das Tatar besteht aus Angus und Wagyu Beef und wird mit einem Klecks Kaviar gekrönt (70 €). Eine kreative eigene Handschrift vermag man derzeit kaum zu erkennen, was wohl der eher konservativen Klientel des Emirats geschuldet ist. Die Preise bewegen sich in der gleichen luftigen Höhe wie der ganze Turm. Der Main Lobster vom Grill kostet 114 €, für den bretonischen Wolfsbarsch aus Wildfang werden 54 € verlangt. Ein Cappuccino schlägt mit 7 € zu Buche. Die Preise wirken sich momentan keineswegs bremsend aus, das Restaurant ist gleich in den ersten drei Tagen ausgebucht.

Küchenchef Dwayne Cheer




Der bösartigste
Cocktail der Welt

Moloko

Unter den bösartigen Charakteren der Filmwelt ist Alex De Large in A Clockwork Orange der vielleicht maliziöseste. Der zynische Menschenverachter zieht den Zuschauer in eine bizarre Welt der Gewalt. Stanley Kubrick inszenierte das düstere Treiben mit viel milchigem Weiß. Die weiß gekleidete Gang von Alex trifft sich stets in der Kolova-Bar (russisch Kuh) und trinkt Moloko (russisch Milch). Kein harmloser Drink, sondern ein Drogencocktail – Milch mit Amphetaminen. Weder im Buch von Anthony Burgess noch im Film von Kubrick werden zwar Rezepte zu diesem todbringenden und fiktiven Cocktail genannt, doch die Barwelt nahm „das Glas des Bösen“ auf und ließ der Phantasie freien Lauf. Meist bestehen die daraus entstandenen Drinks aus Milch und Wodka und einem Schuss Geheimnis. Einige Barkeeper mixen sie mit Absinth, Anisette, Irish Cream und Milch, manche versprechen nur die volle Dröhnung.

In Frankfurt gibt es sogar ein Lokal, das den bösen Geist im Namen führt – die Moloko-Bar. Eigentlich Moloko +, wie der diabolische Filmdrink. Der Szenestützpunkt, eine Kombination aus Café, Bar und Lounge (je nach Uhrzeit), ist der einzige Lichtblick in der öden Kurt-Schumacher-Straße. Weil man aber von hier aus auf die Alte Brücke blickt und den Main erahnen kann, nennt sich das Lokal selbstberauschend „Moloko am Meer“. Der monströse Film-Alex hatte zwar außer Gewalt und Beethoven keine weiteren Interessen, doch im Moloko geht es friedlich zu, purzelt eher Loungemusik aus dem Lautsprecher oder perlen südamerikanische Rhythmen (die aber nicht selten in gewaltiger Lautstärke). Das Lokal wird vom Retro-Design der sechziger und siebziger Jahre bestimmt, Kubricks Kultfilm kam 1971 in die Kinos. Selbstredend gibt es auch einen Moloko Plus, der hier aus Wodka, Milch und Guaranápulver besteht. Die kleinen roten koffeinhaltigen Früchte der Guaraná-Liane wurden schon von den Amazonas-Indianern zur Leistungssteigerung genutzt.

Im Moloko gibt es ausgesprochen viele Cocktails, beim Rum- und Whiskysortiment ist man auch passabel aufgestellt. Mit Saquella aus der Abruzzenstadt Pescara hat man sich keine gängige, aber eine gute Kaffeemarke ausgesucht. Vor allem samstags und sonntags quirlt das Leben im Moloko, scheint der Übergang vom ersten Frühstück bis zum letzten Absacker ohne Gästeschwund einherzugehen. Das Moloko ist vielleicht nicht der richtige Ort für anspruchsvolle Genießer, dennoch wird hier kein leichtfertiger Umgang mit Lebensmitteln betrieben, man gibt sich im bescheidenen Rahmen Mühe. Unter den oft sehr schlurfigen und unprofessionellen Szenelokalen ist das flott geführte und gut laufende Moloko jedenfalls eine der sympathischsten Adressen. Dies mag auch der Hauptgrund gewesen sein, warum die Betreiber jetzt den Zuschlag für die Gastronomie im Kunstverein im Steinernen Haus in prominenter Lage zwischen Römer und Dom bekommen haben (siehe Artikel „Des Kaisers neues Lokal“).

Peter Lunas
Moloko, Frankfurt, Kurt-Schumacher-Str. 1, Ecke Schöne Aussicht, Tel. 069 13 88 69 32. www.moloko-am-meer.de Täglich geöffnet von 10 – 1 Uhr, Freitag und Samstag 10 – 2 Uhr.



Des Kaisers neues Lokal

Moloko im Kunstverein

 
Von Ludwig Fienhold

Zum Römerberg ging auch der Kaiser zu Fuß hin. Der Krönungsweg vom Dom zum Rathaus war indes keine Prachtstraße, sondern ein Schmuddelweg, der zu den Feierlichkeiten mit stoffbedeckten Holzplanken ausgelegt wurde, um die majestätischen Schuhe zu schützen. Dieser historische Krönungsweg wird nun im Zuge des Wiederaufbaus der Frankfurter Altstadt zu neuem Leben erweckt und soll den Einheimischen und den Touristen gleichermaßen die Bedeutung dieser mit Geschichte gepflasterten Gasse bewusst machen. Genau an diesem Krönungsweg liegt das Steinerne Haus mit dem Kunstverein, dessen Gastronomie bislang ohne Fortune war.  Jetzt sollen die Betreiber des nahen Szenelokals Moloko das schlichte Lokal aufmöbeln.
 
 

Gastronomie im Steinernen Haus

Der Standort ist erstklassig und wird nach der Errichtung der neuen Altstadthäuser in drei Jahren zur 1 A-Lage. Dies haben allerdings viele Frankfurter und vor allem die bislang dort arbeitenden Gastronomen noch nicht erkannt. Der gastronomisch unerfahrene Leiter des Kunstvereins Holger Kube Ventura wählte in den letzten Jahren nicht gerade mit Geschick die Kandidaten für sein Haus aus. Das Lokal wurde ohne Unterbrechung ideenarm und vor allem unprofessionell geführt. Dass konzessionell keine eigene Küche existiert und Speisen nur aufgewärmt oder an anderer Stelle gekocht und vorbereitet werden müssen, ist zwar eine Limitierung, aber kein hinreichender Grund für schlappe Leistungen. Die Adresse wurde jedenfalls weit unter Wert verkauft und nie zu dem gemacht, was sie eigentlich sein könnte: Ein Aushängeschild für Frankfurt und die Region.

 
 
 
 
Das Café im Kunstverein hat heute den letzten Tag geöffnet und wird dann bis zum April wegen Renovierungsarbeiten geschlossen sein. Die Umbauarbeiten betreffen vor allem den Eingang, der nun endlich an der richtigen Stelle installiert werden soll. Bislang liefen viele an dem Lokal vorbei, weil sie die schmale Eingangstür nicht entdeckten oder dem Lokal nicht zuordnen konnten, weil diese im Grunde zunächst Zutritt zum Kunstverein verschafft. Außerdem war das Lokal auch nicht unbedingt als ein öffentliches zu erkennen und wirkte eher wie die Kantine des Kunstvereins. Das arg handgestrickte Innenleben erschien als Mischung aus Mensa, Krabbelstube und Hörsaal. Ein zumeist pflegeleichtes Publikum wurde von einem entschleunigten Service betreut, das klägliche Angebot an Essen und Trinken ließen kaum anspruchsvolle Gäste zu. Das ist – vielleicht – Schnee von gestern. Niemand glaubt, dass aus der Gastronomie im Kunstverein ein Gourmettempel werden kann.  Aber Engagement und Professionalität darf man als zahlender Gast schon erwarten. Auch das lieblos gestückelte Inventar wird hoffentlich nicht weiter das Auge beleidigen.
 
 
 
 
 
 
 
Steinernes Haus historisch
Das Moloko, das vor zehn Jahren von den Designern Eve Merceron und Niels Lehne sowie dem Musiker Thomas Carstanjen gegründet wurde und weiter bestehen bleiben wird, ist zumindest überlegt und individuell gestaltet. Zudem besitzt es mit seinem Retro-Design ein durchgängiges stilprägendes Thema. Man kann also bei der neuen Gastronomie im Kunstverein auf ein originelleres Dekor hoffen. Ein vor allem qualitätsorientertes Angebot an Speisen und Getränken ist ebenfalls vonnöten und steht ganz oben bei den Anforderungen. Die überfälligen längeren Öffnungszeiten werden künftig auch abends mehr Gäste in den Kunstverein bringen, denn bei vielen fängt das Leben ja erst ab 19 Uhr an. Entscheidend zur Belebung wird außerdem die neue große Eingangstür an der Frontseite beitragen, an der man nicht mehr so achtlos vorbeigehen dürfte. Die Voraussetzungen für einen Neustart im Mai sind also denkbar günstig. Jetzt muss das Moloko-Team zeigen, dass es die künftige 1 A-Lage auch mit entsprechenden Leistungen bedienen kann.
 
 
Steinernes Haus am Römerberg
Markt 44

Photocredit: Stadtarchiv

 
 
 
 



Willi & sein Schöppchen

Noch ein Pils bitte. Dieser Satz ist schon beinahe so selten geworden wie der Ruf des Taiwan-Goldhähnchens. Bald werden unseren Nachfahren die Striche auf dem Bierdeckel wie Hieroglyphen vorkommen und die Wimpel und Bilder der Stammgäste an den Wänden könnten die Nachwelt genauso in Erstaunen versetzen, wie die Höhlenmalereien in Lascaux. Willi und sein Schöppchen werden als Archetypen einer ausgestorbenen Spezies dem Frankfurter Senckenbergmuseum überlassen. Und der letzte Bierbauch geistert nur noch als Plastinat von Gunther von Hagen durch die Welt.

Die Pils-Stube von einst dämmert dahin, die letzten Biere fließen müde aus dem Zapfhahn. Aus der Sprache ist schon lange die Wortschöpfung „Schöppchen“ für ein kleines Bier verschwunden, das eben immer noch ging, kurz vor dem Nachhauseweg im Stehen. Die melancholische Bier-Hymne „Die Kneipe“, welche der Liedermacher Ulrik Remy vor 36 Jahren ins Ohr setzte, wirkt heute nur noch traurig: „Es ist stets dieselbe Kneipe, es ist stets das gleiche Bier, du triffst stets dieselben Leute, denn du wohnst schon beinah´ hier. Und der Wirt macht dir ´nen Deckel, wenn Du knapp bei Kasse bist oder wenn du soviel intus hast, dass du ihn ganz vergisst. Und am nächsten Tag fällt´s dir ganz allmählich wieder ein: und du denkst, Mensch muss ich gestern wieder voll gewesen sein.“

Jedes Stadtteil, jedes Viertel hatte seine kleinen Bierkneipen, welche einst nicht nur Zufluchtsorte für Männer waren, die den eigenen vier Wänden entkommen wollten. Es waren auch beste Kontaktbörsen, da sie nicht nur wie heute meist von Männern aufgesucht wurden und man dort an der Theke schnell ins Gespräch kam und zudem auch Tische übergreifende Beziehungen knüpfen konnte. Damals waren Jung und Alt in solchen Pils-Stuben, gab es wenig soziale Konflikte, selbst wenn viele über den Durst getrunken hatten. Hennings Alt in Frankfurt Escherheim war so ein Hort der großen Geselligkeit, aber das ist längst Geschichte. In den Stadtteilen trifft man die kleinen schummrigen Pilsstübchen noch ein wenig häufiger, in der Stadtmitte sind sie selten geworden. Im Lokal „Alten Limpurg“ am Römerberg trifft man sich noch an der Theke und kommt schnell mit den Nachbarn ins Gespräch, aber dort wird mindestens so viel Apfelwein wie Bier getrunken. Eine letzte Bastion ist noch das Lokal „Zum Alten Frankfurter“ nahe der Kleinmarkthalle in der Ziegelgasse, wo man ein gutes Stück vom alten Frankfurt trifft. Doch fragt man sich, wie lange noch. Die oft betagten Gäste, sofern überhaupt noch vorhanden, sind kaum hinter dem Ofen vorzulocken. Das Bier schmeckt auch zu Hause, wo man dazu zudem noch rauchen darf. Die ganz Hartnäckigen treffen sich ohnehin gleich am Kiosk im Freien. Die Jüngeren wiederum haben sich längst in ihre Lounges verzogen und nippen an quietschbunten Cocktails, deren Namen aus der Sprücheklopferwerkstatt eines Dieter Bohlen zu kommen scheinen.

Image ist oft wichtiger als Wahrheit. Bier erscheint als der Dickmacher, das Brummschädelgetränk der Proleten, mag die Werbung auch vorgaukeln, dass schlanke und hübsche Mädchen Hopfen und Malz für begehrenswert halten. Aber: Vieles wurde auch von den Wirten und Brauereien selbst versäumt. Ein schlampiger Umgang mit der Zapfanlage, die fahrlässig gewartet wurde, zu kaltes oder zu warmes Bier, schlecht gezapft mit wenig standhafter Krone, all das und noch mehr musste über kurz oder lang zu Verlusten führen. Wenig Schönes und gar verrottetes Mobiliar wirkte in einigen Fällen ebenfalls nicht einladend. Viele Brauereien haben zudem zu lange auf Masse und nicht auf Qualität gesetzt und versäumten es, ihre Absatzmärkte, die Pilsstuben und Kneipen, strenger zu kontrollieren. Ausgerechnet in den USA, wo das Bier nicht von bester Qualität ist, hat man die Wichtigkeit des Ambientes frühzeitig erkannt und große Biergaststätten im Loft-Design aufgezogen, von denen sich Jung und Alt angesprochen fühlen. Die Brauereigaststätten in ländlichen Gebieten, insbesondere in der Fränkischen Schweiz, werden zwar auch immer weniger, erreichen aber wenigstens eine Qualität, die ihresgleichen sucht und vielen Wirten ein Überleben beschert. Die Pilsstuben in den Städten haben größtenteils ihr – zumeist rauchendes – Publikum verloren. Sie waren selten mein Ziel, doch war es gut zu wissen, dass die, die dort gerne saßen, eine Heimat gefunden hatten.

L.F.




Kanonesteppel gut in Schuss

Peter Girmond bleibt am Herd

Auf die Apfelweinwirtschaft Kanonesteppel wurde schon viel geschossen. Nicht wegen des Essens, sondern von Gästen, die sich über die Geschäftsführung ärgerten. Nach vier Jahren hat nun Emanuel Neumeister die gastliche Stätte verlassen, der langjährige Küchenchef Peter Girmond übernimmt. Nicht wenige Gäste freut das, Girmond selbst ist auch erleichtert. Die Küche bleibt also erhalten, der Service wird Tritt gewinnen. Und das Kanonefutter? Der gelernte Metzger Peter Girmond ist wegen seiner deftigen Gerichte beliebt, allen voran Schnitzel, Bratkartoffeln, Schäufelchen mit Sauerkraut, Würste und Sülzen. Der süffige Apfelwein fließt wie gewohnt, das knorzige Holzmobiliar ist ohnehin unantastbar.

Kanonesteppel, Frankfurt, Textorstr. 20, Tel. 069 61 18 91. Geöffnet Montag bis Samstag 10 – 24 Uhr. www.kanonesteppel.de



Kulinarische Kontaktbörse

Statt Dinner for One

Dinner on the Run

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Menschen kennen zulernen. „Dinner on the Run“ bietet eine besonders ungewöhnliche und amüsante. Das „laufende Essen“ ist ein kulinarisches Gesellschaftsspiel mit fliegenden Köchen, flammenden Herden und mitunter sogar feurigen Begegnungen. Der Schauspieler und Moderator Rudy Meidl führt inzwischen seit 11 Jahren Regie bei Dinner on the Run und bringt die unterschiedlichsten Menschen im Wechsel in verschiedenen Küchen zusammen. Gerade für solche, die neu in der Stadt sind, bietet dieses Dinner neben Kontakten auch eine gute Orientierung, denn man wechselt von Stadtteil zu Stadtteil und lernt en passant Frankfurt besser kennen.

Das Procedere: Jeder Teilnehmer bekommt einen Partner zugeteilt, mit dem er für einen Abend ein Team bildet. Man kocht gemeinsam eine Vorspeise, ein Hauptgericht oder ein Dessert – wie´s beliebt frei aus dem Kopf oder getreu nach Rezept. Zu diesem Team kommen dann zwei andere Teams als Gäste. Die beiden übrigen Gänge nimmt man in anderen Küchen bei wechselnden Gastgebern ein. Auf diese Weise tafelt man an einem Abend mit mindestens einem Dutzend anderer Leute.

Dinner-Moderator Rudy Meidl

17 Uhr, Römerberg 10. Rudi und seine Kochpartnerin Waltraud sind seit über zwei Stunden damit beschäftigt, eine sommerliche Vorspeise aus der Zeitschrift „Essen & Trinken“ nachzukochen. Zucchini, Tomaten und Paprika, gefüllt mit Fisch und oder Gemüse. Die sonst so ordentliche Küche ist nach dem Gemüsegemetzel nicht wieder zu erkennen. Um 18 Uhr erscheinen die Gäste: Unternehmensberaterin Nina, Account Manager Ina, EDV-Experte Theo und Manfred von der Telekom. Sie werden auf der Terrasse mit einem Glas Champagner begrüßt, den Waltraud von ihrem letzten Frankreichbesuch mitgebracht hat. Das Essen steht nicht im Mittelpunkt der Gespräche. Man stochert eher im Berufsleben des anderen. Privates und Allzuprivates bleiben unberührt. Selbst Manfred, der bei allen bisherigen „Runs“ dabei war und das Zusammenspiel gut kennt, zeigt sich nur gebremst vorwitzig. Auch beim Essen hält er sich zurück und greift zum Vegetarischen, da er seit einer Fischvergiftung kein Meeresgetier anrührt. Rudi hat derlei Abneigungen in seinem Computer festgehalten, um den Magen empfindlicher Teilnehmer zu schonen. An diesem Abend ist gar eine junge Frau dabei, die wegen einer Stoffwechselstörung keinerlei Fett zu sich nehmen kann, aber einfach Freude an dem ganzen Miteinander hat.

Vorspeise und Hauptgericht liegen meist geographisch beisammen. In diesem Fall sind es gar nur zwei Schritte bis zum nächsten Tisch, denn Nina ist Nachbarin von Rudi und heute mit ihrem Kochpartner für das Hauptgericht zuständig. Erst war sie zwei Stunden Gast, jetzt wird sie zur Gastgeberin. Bei ihr gibt es gut gewürztes Thai-Hühnchen in Kokossauce, eine Delikatesse, die durchaus Restaurantniveau zeigt. Dennoch werden die Gäste nicht warm miteinander. Ganz anders bei Karin im Baumweg. Auf ihrem kleinen Balkon sitzen sechs „Runner“ und können gar nicht anders, als miteinander ins Gespräch kommen. Serviert wird ein Vollwertgericht aus Auberginen, Zucchini, Zwiebeln, Tomaten, Knoblauch, Olivenöl, Oregano, Mozzarella und Parmesan. Aus diesen Zutaten könnte man zwar etwas Gescheites machen, doch das hier ist geschmacksneutraler Klump. Was aber niemanden stört, weil man sich gutunterhält und die Zungen obendrein durch einen guten Sancerre beflügelt werden.

Zum Dessert geht es in die Kriegkstraße ins Gallusviertel. Gastgeber Martin ist Journalist und schreibt bevorzugt über Wirtschaftsthemen. Er und seine ihm anvertraute Kochpartnerin Anja tischen als Dessert ein festlich geschmücktes Apfel-Tiramisu nebst Espresso auf. Bis auf ein Pärchen sind alle Gäste pünktlich um 22 Uhr beisammen. Nachdem eine halbe Stunde vergangen ist, ruft Rudy über Handy das Mobiltelefon der Vermissten. Diese sind mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs und haben Anschlussschwierigkeiten. Zudem haben sie an einer U-Bahnstation einen Stuhl vergessen, den sie einem Dinner-Teilnehmer mitbringen sollten, der zu wenige Sitzgelegenheiten in seiner Wohnung hat.

Um Mitternacht treffen sich alle Teilnehmer zu einem Abschlussdrink in einem Lokal, um den Abend noch einmal Revue passieren zu lassen.  Die schnellste Nummer war eine Honigmelone mit Parmaschinken, während Birgit und Peter ihre Gäste feudal mit Seeteufel in Papaya-Salsa bewirteten und das Rezept dazu gleich schriftlich mit auf den Weg gaben. Rudy ist zufrieden, sein Motto, einen Abend mit „Nährwert“ und mit „Nähewert“ zu schaffen, ist wieder gelungen. Es gab auch kaum Fleisch, das er hätte stehen lassen müssen, denn als „liberaler“ Vegetarier isst er nur Fisch. Rudy Meidl hat Spaß an seinem Dinner on the Run, denn Geldverdienen könnte er damit nicht. Der studierte Mediziner und leidenschaftliche Pilot kann sich solche Hobbys leisten, denn als Schauspieler und Conferencier steht er recht gut im Futter.

Bei der kulinarischen Kontaktbörse machen zwar die unterschiedlichsten Charaktere mit, doch lässt sich ein Mittelwert erstellen. Die Teilnehmer sind im Schnitt zwischen 25 und 50 Jahren, wobei die Mittdreißiger dominieren. Nach den Erfahrungen des Veranstalters Rudy Meidl sind die meisten kontaktfreudig und weltoffen, wobei mehr Frauen als Männer dabei sind. Viele Singles, aber auch Paare. Vor allem Neu-Frankfurter nutzen die Chance, auf solch lockere Weise Kontakte zu knüpfen und die Stadt kennen zulernen. Nach den Worten von Rudy Meidl ist sein Dinner eine kulinarische Schnitzeljagd für kommunikative Genießer, aber kein Speed-Dating. „Es geht darum, einen ungewöhnlichen und abwechslungsreichen Abend mit netten Menschen zu erleben.“ Networking zum Anbeißen.

Dinner on the Run, Rudy C. Meidl, Telefon 069/35 35 30 96. www.dinner-on-the-run.de Teilnahmegebühr 16 Euro. Immer samstags, 1 x im Monat, wechselnd in Frankfurt und Darmstadt.
 
 



Wutgäste & Kritiker

Die Genuss-Zeitung mit Biss

Man kann über alles streiten, vor allem über Geschmack. Die Biss-Zeitung ist eine muntere Streitschrift. Sie will anregen, sie mag mitunter auch aufregen.  Genauso wenig, wie es ein Koch jedem recht machen kann, vermag ein Kritiker jedem nach dem Mund zu reden. Kritik ist immer subjektiv. Doch der Kritiker ist kein Wutgast. Er muss schlechte Erlebnisse auch nicht an Ort und Stelle auskurieren. Der Kritiker kann sich im Grunde entspannt zurückziehen und aus der Distanz und ohne Schaum vorm Mund seine negativen (und positiven) Eindrücke beschreiben. Er sollte auch imstande sein, wegen eines schwachen Servicemitarbeiters nicht die Küche und das ganze Lokal zu verdammen.

Gäste sind meist viel wütender als Kritiker. Nicht selten echauffieren sie sich im Übermaß, oft entsteht eine brachiale Konfrontation. Vielleicht hätte eine Reklamation oder eine Kritik genügt, doch die Situation eskaliert schnell. Zwischen Reklamation, Kritik und Wut liegt ein Universum aus Sachverstand, Vernunft und Höflichkeit. Doch machen es einem leider sehr viele Gastromnomen, Köche und Kellner schwer, besonnen mit ihnen  umzugehen. Zu viele von ihnen kommen weder mit professioneller Kritik, noch mit unmittelbarer Gästekritik zurecht. Gäste, die sich schlecht behandelt fühlen oder gar übervorteilt sehen, sind überreizt und werden sich nicht zurückhalten und sachlich bleiben können. Dieser Wutgast ist indes aus der Situation heraus entstanden, so gut wie niemand kommt schon als Wutgast in ein Restaurant. In der Regel verhalten sich Gäste jedoch viel zu unkritisch und müssten öfter mal – mit Taktgefühl – auf den Tisch hauen. Viele sind zu faul oder zu feige, ihre Meinung gleich gegenüber dem Koch oder Kellner zu äußern und wetzen erst nach einem Lokalbesuch die Messer. Wenn man zudem sieht, wie viele Gäste das vermeintlich schlechte Essen reklamieren, nachdem sie aufgegessen haben, muss man sich nicht über eine schroffe Reaktion von Küche und Service wundern. Die Biss-Zeitung will Verständnis für die Gastronomen wecken, aber auch Gäste zur Kritik ermuntern.

Ludwig Fienhold