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Der Popstar unter den Champagner

Armand de Brignac ist nouveau und rich

 

Und mit 400 Euro der teuerste Champagner der Welt

 

Von Ludwig Fienhold

 

 

Er glitzert in goldener und silberner Robe, als müsste er gleich eine Show-Treppe hinunterlaufen. Der Armand de Brignac ist der Pop-Star unter den Champagner, sein Preis ist entsprechend extravagant. Bislang kannte man ihn kaum, doch seit einer spektakulären Blindverkostung ist er so teuer wie kein anderer. Wie gut ist diese Glamour-Perle aber tatsächlich? Mehr Schein als Sein oder fast jeden Geldschein wert? Die Preise liegen zwischen 320 und 400 Euro pro Flasche. Sehr eindrucksvoll, wenn man bedenkt, dass die etablierten und weltberühmten Spitzen bei 150 Euro liegen.

Dieser Champagner gehört auf den ersten Blick unbedingt nach Las Vegas, Dubai, Monte-Carlo oder Moskau, warum aber sollte sich die weniger glamouröse Welt mit ihm beschäftigen? Der Champagner mit dem viel zu komplizierten und langen Namen – schon wieder vergessen, bitteschön: Armand de Brignac – erregte bei einer Fachverkostung Aufsehen. Bei einem Geschmackstest mit Weinkritikern und Sommeliers in New York wurde er blindlings zur Nr. 1 gekürt und lies so legendäre Marken wie Dom Pérignon hinter sich. Man mag dies kaum glauben und fragt sich vielleicht ganz spontan, ob hier nicht Bestechlichkeit und Geschmackstaubheit das Regiment führten.  Wenn man dann noch hört, dass Rapper Jay-Z und Goldkehlchen Beyonce oder Espresso-Trinker George Clooney nicht ganz zufällig Brignac-trinkend fotografiert wurden – wenngleich sie ja im Grunde jeden Blubberlutsch trinken – hält man diesen vermeintlichen Big Bubble Champagner noch mehr für eine reine Luftblase.

Armand de Brignac haut nicht nur mit schrillen Verpackungen auf die Pauke, sondern auch mit Flaschen in Übergrößen – in Las Vegas wurden 100 000 Dollar für die so gut wie nie vorkommende Melchisedech-Bottle von 30 Litern bezahlt. In Rapper-Kreisen, wo alles immer protziger und großmäuliger ausfällt, gehört dieser Champagner jedenfalls längst zum Wichtigtuer-Ton. Neben den USA sind Russland und China die wichtigsten Absatzmärkte, wobei offiziell bislang nicht mehr als 50 000 Flaschen im Jahr produziert werden. Nun will man aber auch in Deutschland Land gewinnen und die Reichen und Schönen für sich gewinnen. Geld ist ja genügend vorhanden, und wenn nicht, hat man hier ja gute Freunde, die großzügig Kredite vergeben.

Stefan Fabinger, Exclusiv-Importeur von Armand de Brignac

Bei einem Champagner-Dinner im Hotel Breidenbacher Hof in Düsseldorf kam man diesem Champagner sehr viel näher. Dort konnten alle Varianten verkostet werden: Gold-Cuvée, Rosé, Blanc de Blancs sowie der normale Brut. Machen wir es kurz: Die Champagner sind keineswegs schlecht und entsprechen dem weltweit kompatiblen Mainstream, sind aber mit 400 Euro sehr phantasievoll kalkuliert. Die eigentliche Sensation dabei ist der umso erstaunlichere Preis für den nach unserem Geschmack weitaus Besten unter den Sorten – der schlicht etikettierte Cattier Brut kostet nette 25 Euro und ist viel knackiger und individueller als seine teuren Brüder. Diesen sehr natürlichen, frischen, seidig strukturierten und cremigen Champagner trinkt man gerne, sein Preis ist an der Qualität gemessen eher bescheiden. Gold und Silber Brut moussieren ebenso feinperlig im Glas und verströmen gefällige florale Töne, lassen aber Tiefe und geschmackliche Prägnanz vermissen. Gold: 40%  Chardonnay, 40 % Pinot Noir, 20 % Petit Meunier. Der Silber Brut ist ein Blanc de Blancs aus entsprechend 100 % Chardonnay. Er besitzt ein angenehmes Aroma aus Zitrus und Apfel. Der Rosé präsentiert sich als anständiger lachsfarbener Champagner mit einem Bouquet aus roten Früchten und deutlicher Schwarzer Johannisbeere. Im Grunde ist aber vor allem sein Preis aufregend, was er mit den Brüdern in Gold und Silber gemein hat.

Wer steckt hinter dieser trotz allem Marketinggetöse vor allem in Deutschland eher noch unbekannten Marke? Das Label Armand de Brignac existiert erst seit 2006, doch die Winzerfamilie Cattier betreibt schon seit 1918 Weinbau. Jean-Jacques Cattier und sein Sohn Alexandre stehen mit ihrer schlichten Art im krassen Gegensatz zur lauten Welt derer, in der ihre Flaschen kreisen wie Satelliten um unbewohnte Planeten. Bis zur großen Landung auf dem Weltmarkt, erzeugten sie aus den eigenen 30 Hektar umfassenden Weinbergen vor allem gute Champagner der bezahlbaren Mittelklasse. Ihre Lagen gehören zur Kategorie Grand Cru (wie Avize und Oger) oder Premier Cru. Die Cuveés sind eine Mischung aus drei unterschiedlichen Jahrgängen, die aktuelle ist eine Kombination der Jahre 2002, 2003 und 2005. Die Flaschen altern bei niedriger und konstanter Temperatur 30 Meter unter der Erde in Kellern, die zu den tiefsten in der Champagne gehören und ein langsames Altern fördern. Insgesamt sind am Entstehungsprozess von Hand acht Kräfte beteiligt. Im Grunde ist der Armand de Brignac ein durchaus seriöser Tenor im exaltierten Glam-Rock-Kostüm, der sich seinen ungewöhnlichen Auftritt und die Hyperbel um ihn hemmungslos honorieren lässt. Unser Vertrauen aber gehört dem Cattier Brut und seinen leisen Tönen.  

 

Sélection Prestige, Berlin

www.selection-prestige.de

Champagnerkellerei Cattier, Chigny les Roses

www.cattier.com

 

Fotos: Manfred Lebeau, Armand de Brignac

 




Schaumgeboren
Champagner Tipps für 2012

Champagner-Winzer und andere unbekannte Größen

 

Der Präsident der Grande Nation trinkt angeblich keinen Alkohol und schon gar keinen Champagner, obwohl er doch mitunter einen recht beschwipsten Eindruck macht. Champagner ist aber auch in seiner Qualität ein sehr schwankendes Produkt. Wenngleich er per se für Luxus und Lebensfreude steht, fällt seine Qualität wie bei jedem anderen Wein auch sehr unterschiedlich aus. Mal ist er Edelperle, mal nur Ballermann. Grundsätzlich gilt: So wenig wie es einen Porsche zum VW-Preis gibt, so wenig wird man einen anspruchsvollen Billigschampus erstehen können. Ein Kilo Trauben in der Champagne kostet fünf Euro, in weniger exklusiven Gebieten 50 Cent. Für eine Flasche Champagner braucht man 1,5 Kilo Trauben. Ein Hektar in guter Lage hat einen Wert von über einer Million Euro.

Krug ist unsere große Leidenschaft, weil er ungemein lustvoll und faunisch aus dem Glas springt. Roederer Cristal und Dom Pérignon sind oft großartig, aber nicht grundsätzlich in jedem Jahr. Ganz entscheidend ist es herauszufinden, welcher Champagner am besten zum eigenen Temperament passt. Die einen mögen die seidige Frische eines zitrushaften Blanc de Blancs von Ruinart oder Pierre Gimonnet, die anderen suchen das majestätisch Voluminöse von Bollinger. Wer Körperbetontes schätzt, mag die pralle  Prestige-Cuvée Grande Sendree von Drappier, wer Erfischung auf gutem Niveau braucht, erfreut sich am schlanken Gosset Brut Excellence. Lebendig und wunderbar nach Leichtsinn schmeckt der Rosé von Billecart-Salmon, während Deutz ganz nach alter Champagner-Schule stets zuverlässig den Grandseigneur unter den schäumenden Weinen vertritt. Erprobte Champagnernasen begeistert Jacquesson Cuvée 735, die von einer glasklaren Strahlkraft ist und ultrapuristisch rappeltrocken ausfällt.

Einer der ganz Großen kleinen Champagner-Winzer ist der Mystiker Anselme Selosse, der die Grundweine in neuen Eichenholzfässern ausbaut. Seine Erzeugnisse entfachen Düfte aus Vanille, Zimt, Haselnuss und geröstetem Weißbrot. Gerade Biowinzer wie Selosse genießen das Vertrauen vieler Champagnerfreunde. Die Champagner von Franck Pascal, Francoise Bedel und Jérôme Prevost sind erstklassig und fair im Preis. Der Vin Secret der Winzerin Francoise Bedel ist cremig und entfaltet Düfte von Vanille und Karamell. Die Weine der kleinen Domaine von Prevost reifen in alten Eichenholzfässern in einem tiefen Luftschutzkeller aus dem 1. Weltkrieg. Die Champagner geraten authentisch und betörend intensiv, man muss sich stets schnell eine der raren 13.000 Flaschen sichern. Der Champagner La Closerie „Les Bèguines“ aus Pinot Meunier ist ungewöhnlich und ungewöhnlich gut. Die Reben werden spät gelesen, wobei der hohe Reifegrad deutlich zu erleben ist. Im satt gold schimmernden Glas entfachen sich ein köstliches Birnenaroma und ein Extrakt aus Trockenfrüchten, Nüssen und Brioche. Die geschmeidige Cremigkeit lässt den Champagner sanft über die Zunge perlen.

Wer das Außergewöhnliche beim Champagner sucht, wird sich auch beim ersten Schluck in die expressive Art von Laherte Frères und deren Les Clos verlieben: Karibische Früchte, Pina Colada, Rum, Vanille, Sherry purzeln aber nicht nur so durcheinander, sondern fügen sich zu einem großen geschlossenen Bild zusammen. Gefördert wird das reiche Aromenspektrum durch eine dichte und pumpende Perlage. Dieser Champagner ist extraordinär komponiert, aus gleich sieben bekannten und unbekannten Rebsorten: Arbanne, Fromenteau, Chardonnay, Pinot Noir, Pinot Blanc, Pinot Meunier, Petit Meslier.

Auch unter den Öko-Winzern gibt es starke Unterschiede. Der Extra-Brut von Larmandier-Bernier, der delikat nach Vanille, Mandeln und Hefe duftet, eignet sich geschmacklich und preislich bestens für Einsteiger. Die herausragenden Erzeugnisse von De Sousa lassen mit ihrer kernigen Frische die kalkhaltigen und mineralischen Böden der Champagne spüren und sind eher etwas für Kenner. Eine der großen Entdeckungen ist Egly-Ouriet aus der Grand Cru Lage Ambonnay. Michel Egly betreibt biodynamischen Anbau, baut dezent in Eichenfässern aus und setzt wie Anselme Selosse auf ungefilterte Weine. Das Ergebnis sind vitale und vielschichtige Champagner mit zarter Perlage, die von einem feinen Vanilleton begleitet werden.

Champagner-Winzer werden immer beliebter, was nicht nur am Preis liegt, sondern auch an der Individualität ihrer Produkte. Sie haben zudem den Vorteil mit Weinen aus eigenem Anbau zu arbeiten und nichts hinzukaufen zu müssen. Cédric Bouchard besitzt nur 2,5 Hektar und erzeugt mit seinem Roses de Jeanne „Les Ursules“, Blanc de Noirs brut 2009, einen stark limitierten Champagner von lediglich einigen tausend Flaschen. Der eigenwillige weiß gekelterte Pinot noir spricht durch eine kräuterige Kaminwürze und einen Hauch von Erdbeeren mit Pfeffer Kenner an. Der Gonnet „Roy Soleil“ Blanc de Blancs Grand Cru Brut aus der berühmten Gemeinde Le Mesnil ist durch seine knackig-trockene Mineralität ebenfalls eher Fortgeschrittene an. Bei der Familie Fourny aus Vertus beeindruckt der feine und cremige Rosé Brut 1er Cru, welcher auf hochwertigen Grundweinen basiert. Mit dem Brut Blanc de Blancs Milléseme 1996 kommt ein fabelhafter Champagner aus der Kellerei von Yannick Doyard, nur 3500 Flaschen gibt es davon. Sie lagerten nicht etwa drei Jahre, sondern gleich ganze 144 Monate auf der Hefe, was zu einer großen Reintönigkeit und allerfeinster Perlage führt.

Die Domaine Bonnet-Gilmert bewirtschaftet 4 Hektar Grand Cru Lagen in Oger, wobei die Jahresproduktion gerade einmal 25 000 Flaschen beträgt. Der Blanc de Blancs Brut Millésime 2006 ist ein wonnig gereifter Champagner mit barocker Statur. Er schmeckt nach einem Maul voll Reben, etwas Karamell und einem verwehten Hauch Sherry. Dieser voluminöse Tropfen braucht viel Luft und ein großes Champagnerglas, das schon ausladend burgundisch gerundet sein sollte. Überhaupt werden Champagner oft schon gleich nach dem Öffnen getrunken, obwohl sie wie jeder Wein etwas Luft benötigen. Nicht wenige Champagner entfalten sich außerdem weit besser in einem großen Glas. Beim exzellenten und im Holzfass ausgebauten Champagner von Vilmart & Cie. sind Burgunder-Gläser zwingend.

Ein Edeltrunk von beinahe unwirklicher Finesse und feinstem Mousseux ist der Moutard, welcher in kleinster Edition aus der heute vergessenen und kaum noch vorhandenen Rebsorte Arbanne erzeugt wird. Für eine solch exzellente Spezialität sind knapp 50 Euro keineswegs zuviel. Auch sonst kommen von Moutard sehr gelungene und auch preiswertere Champagner, die es nicht im Discounter, sondern beim spürnasigen Fachhandel zu bekommen sind (Adressen siehe unten). Zu Aubry et Fils greifen Insider, die keinen Allerweltsschaumwein, sondern exquisite Ware wollen. Die mit Künstleretikett ausgestattete und sehr duftige Cuvée Nicolas Francois Aubry reift 60 Monate auf der Hefe und wird nur in außergewöhnlich guten Jahren in limitierter Auflage erzeugt. Kräftiger, da in kleinen Eichenholzfässern ausgebaut, präsentiert sich der Brut Tradition, wogegen sich die Prestige-Cuvée des Hauses, Aubry de Humbert, als Primus fühlen darf. Zudem können die Brüder Aubry mit weiteren in kleinsten Mengen abgefüllten Flaschen glänzen, von denen unter dem Namen Le Nombre d´Or nur etwas 1000 bis 2000 Flaschen auf dem Markt sind. Dieser wunderbare charakterstarke Champagner wurde aus den alten und seltenen Rebsorten Arbanne, Petit Meslier, Enfumé und Fromenteau erzeugt. Ebenso aus dem Schaumweinmeer ragen die Champagner von J. De Telmont heraus. Der Couronnement entstammt selektionierten Chardonnay-Trauben bester Crus der Côte des Blancs. Er verführt durch delikaten Schmelz sowie Butter-, Hefe- und Zitrus-Aromen.

Ein großes Missverständnis ist der Glaube, dass Champagner zu allem passt. Gänseleber ist eine klassische Mesalliance, Schokolade erweist sich als wahrer Champagner-Killer. Und es muss wahrlich auch nicht immer Kaviar sein, zumal gerade dieser mit nur ganz ausgesuchten Edelperlen korrespondiert, die sich durch Körper und eine gewisse Süße hervorheben. Ausgezeichnet harmonieren jene regionalen Gerichte, wie sie die Winzer in der Champagne selbst bevorzugen: gefüllter Gänsehals, Schweinskopfsülze oder Potee champenoise – ein Pot au feu aus Kartoffeln, weißen Bohnen und Wurst oder Schweinefleisch. Manche schwören auf Leberwurstbrot mit Senf, Schalotten und Essiggurken zum Champagner, andere wissen, dass sich fruchtiger Champagner wunderbar mit der leicht süßlichen Sauce der Currywurst verträgt. Eigentlich ist ein guter Champagner aber so gehaltvoll und inspirierend, dass man ihn gleichsam essen und trinken kann und jede Begleitung nur stört.

Ludwig Fienhold

youtu.be/2uUDBCtNmnQ

Gute Champagner-Lieferanten

 

Vinaturel, Berg, Schatzgasse 30, Tel. 08151 908428. www.vinaturel.de

Cercle des Connaisseurs, Frankfurt, Tel. 069 620548. www.cercle-connaisseurs.com

Cave du Connaisseur, Berlin, Zabel-Krüger-Damm 61a, Tel. 030 49 89 35 43. www.caduco.de

Wein-Art, Geisenheim im Rheingau, Tel. 06722 710 80. www.weinart.de

Champagner & Genuss, Kelkheim, In den Padenwiesen 30, Tel. 0700 1000 7710. www.champagner-genuss.de

Weinhalle, Nürnberg, Nordostpark 78, Tel. 0911 52 51 53. www.weinhalle.de

Extraprima, Mannheim, Friedrichsplatz 16, Tel. 0621 28652. www.extraprima.com