1

Wie gut wird Margarete?

Das neue Restaurant im Frankfurter Galerien-Viertel

 

Gastronomisch ist das Zentrum Frankfurts zwischen Dom und Römer unauffällig bis ärgerlich. Das könnte sich mit dem neuen Restaurant Margarete in der Braubachstraße ändern. Dort zieht jetzt voraussichtlich Ende Februar 2012 Simon Horn ein, der sich mit den Lokalen Seven Swans und Blumen einen Namen gemacht hat. Während er im Hintergrund Regie führt, werden zwei gleichberechtigte Küchenchefs am Herd stehen: Ronny Bolz und Luka Spaniol Simunelic, die zuvor beide in Spitzenrestaurants gearbeitet haben.

Ronny Bolz wurde vom Gourmet Guide Gault Millau zum Patissier des Jahres 2010 gekrönt, als er in der Villa Rothschild in Königstein die wahrscheinlich geistvollsten Desserts im Rhein-Main-Gebiet auf den Teller brachte. Danach avancierte der 26 Jahre alte Süßspeisen-Spezialist zum Souschef im Top-Restaurant Bean & Beluga in seiner Heimatstadt Dresden. Man hätte darauf wetten können, dass er diese Position in einem solchen Restaurant nicht so schnell verlassen würde, zumal er hier ein Heimspiel hatte. Doch die Verlockung an der Spitze eines jungen Teams in Frankfurt zu stehen, war wohl größer. Unvergessen blieben jedenfalls sein Apfelstrudel in Texturen und ein essbarer Drink namens Whisky-Sour von der Aprikose, der schlicht klang und großartig schmeckte. Solch differenzierte und eigenwillige Kreationen wird man hoffentlich auch im neuen Restaurant Margarete in der Frankfurter Braubachstraße erleben können. Der Kompagnon von Ronny Bolz, Luka Spaniol Simunelic, arbeitete zuvor in den Frankfurter Restaurants Cyrano, Tigerpalast und Villa Merton. All das gibt Anlass zur Hoffnung.

Bolz (r.) und Simunelic

In der Braubachstraße gibt es zwar mit dem urdeutschen Steinernen Haus, dem Japaner Imori und dem Italiener Triangolo im Museum für Moderne Kunst ganz nette Lokale, aber keines für Anspruchsvolle. Dabei ist die Location sehr gut. Das Museum für Moderne Kunst und sehr viele Galerien befinden sich in unmittelbarer Umgebung. Die attraktiven Touristenziele Dom und Römer sind in Schrittnähe. Und demnächst soll just hier eine aufgemöbelte Altstadt für große Wirkung sorgen.

Wie der neue Betreiber, Simon Horn, in einem Gespräch mit dieser Zeitung erklärte, forciert man eine hochwertige Küche ohne Chichi. Es soll moderne Gerichte mit regionalem Bezug geben. Wer das Mini-Lokal Blumen (18 Sitzplätze) in der Rotlintstraße kennt, kann sich ein besseres Bild von der künftigen Küche machen, die im Restaurant Margarete jedoch modifiziert und weiterentwickelt werden soll. Mit Lehrlingen wird die Küche 10 Mitarbeiter haben, wobei im Service die gleiche Anzahl arbeitet. Bis gestern sah alles noch nach Baustelle aus, doch es wird schon seit Wochen hinter den Kulissen geprobt. Hauptgerichte sollen im Schnitt 20 Euro kosten. Das Lokal wird bereits morgens geöffnet sein, mittags sitzen die Gäste an blanken Tischen, abends wird eingedeckt. Interessant, gerade für Singles, sind die Plätze an der fast offenen Küche. Das Gesamtkonzept sieht Restaurant, Café und Bar vor, zudem einen Bankettbereich. Es wird nicht einfach zu meistern sein, da das Lokal auch die Veranstaltungen des Börsenvereins zu bespielen hat.

Die ohnehin hohen Räume werden durch bodentiefe Fenster noch nach Außen vergrößert. Holzdielenboden, schlicht-schöne Frankfurter Holzstühle und ein „keineswegs überstrapaziertes“ Ambiente sollen für eine entspannte Atmosphäre sorgen. Das Restaurant Margarete wird eine Innenhof-Terrasse und eine Boulevard-Terrasse direkt an der Braubachstraße bekommen. Das 300 Quadratmeter große Lokal verfügt über 80 Plätze und ebenso viele Terrassensitze. Es ist Teil des neuen Domizils des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels und soll deshalb auch „literarische Impulse“ aufnehmen, die bislang indes nur als Worthülse existieren. Immerhin werden sich dem Buchhandwerk entsprechend Materialien wie Leinen, Papier und Kupfer im Lokal wiederfinden.

Simon Horn

Ein Lokal ganz unsexy Margarete zu nennen, hat einen historischen Hintergrund. Die Innenarchitektin Margarete Schütte-Lihotzky ist die Erfinderin der sogenannten Frankfurter Küche, die in den Zwanziger Jahren als Mutter der Einbauküche galt und mitsamt einer Badewanne entwickelt wurde, in der man das Geschirr spülte. In Frankfurt existiert bereits mit der Emma Metzler eine ähnlich altbacken benanntes Restaurant, das aber sehr modern im Auftritt ist.

LF

 

 




Cheers Jimmy´s Die Bar im Hessischen Hof wird 60

Klassik mit Schuss

Großes Fest & viele Highlights

 

Jimmy´s Bar im Hotel Hessischer Hof in Frankfurt besteht seit 60 Jahren und darf  jetzt einen Toast auf sich selbst aussprechen. Chefbarkeeper Andrès Amador arbeitet dort seit 35 Jahren. Grund genug einmal etwas tiefer ins Glas zu schauen, um zu sehen, was am Boden der Tatsachen zu finden ist.

Nirgendwo knarzen die Ledersessel so melodisch. Bevor man Platz nehmen kann, muss man jedoch klingeln, worauf sich nicht gleich die Tür öffnet, sondern eine Luke zur Gesichtskontrolle. Nicht etwa, dass lässige Kleidung Probleme bereiten würde, doch man möchte man einfach sicher gehen, dass keine finsteren Typen hereinkommen. Es geht gesittet zu, aber keineswegs so, dass es langweilig wird. Der Hessische Hof ist bei vielen Ü-60-Einheimischen wegen seiner preiswerten Lunch- und Dinner-Offerten beliebt. Doch genau diese, durchaus typische Klientel, trifft man eher selten in der Hausbar. Zwei Drittel der Barbesucher sind indes Stammgäste, es soll noch den einen oder anderen geben, der Jimmy´s seit der Eröffnung im Jahre 1951 die Treue hält.  Die Bar hat zwar jetzt am 26. Dezember Geburtstag, doch liegt der Termin sehr ungünstig zwischen Weihnachten und Silvester. Da viele Stammgäste und andere Freunde des Hauses nicht dabei sein könnten, wurde die Jubelfeier auf April im neuen Jahr verlegt. Barchef Andrès „André“ Amador hofft dann auf gutes Wetter und möchte auch vor der Tür mit den Gästen anstoßen. Um sicher zu gehen, soll ein Zelt bei jedem Wetter Schutz bieten.

Annett Louisan

Zwei Highlights zum Jubiläum muss  man aber gleich notieren: Annett Louisan wird am 24. Februar 2012 ein privatimes Akkustikkonzert in Jimmy´s geben (49 € inkl. Welcome Drink, 20 Uhr). „The Leading Barkeeper of the World“ nennt sich eine lange Nacht der Meister-Shaker und ihren Signature Drinks am 2. März (ab 20 Uhr bis Open End, Eintritt frei), bei der neben Isaac Andrès Amador vier weitere mit von der Partie sind: Daniel Soares (Bar BA im Bairro Alto Hotel in Lissabon); David Sinclair (The Bar im Gleneagles Hotel im schottischen Auchterarder); Jan Schäfer (Falk´s Bar im Bayerischen Hof in München); Franz Höckner (Gault Millau Barkeeper 2011, Adlon Bar im Adlon Kempinski in Berlin). Jede dieser Bars ist mehr als bekannt und hat Geschichte geschrieben, im Gleneagles Hotel etwa  fand 2005 der G8-Gipfel statt – Auchterarder schottisch-gälisch Uachdar Ardair.

Es gibt ausreichend Whisky, Wein und Cocktails, aber mindestens so wichtig wie die Mixturen ist die Gästemischung. Und es kommen tatsächlich alle, vom Teenager bis zum Greis. Bei anderen Bars gibt es einfachere Strukturen, herrschen Cliquen vor, existieren einseitige soziale und geriatrische Verhältnisse. Beliebt ist die Bar nicht nur bei den üblichen Nachtschwärmern, sondern gerade bei Gastronomen und anderen beruflichen Spätheimkehrern, die sich nach Betriebsschluss noch einen Schluck Entspanntheit gönnen wollen. Die Nähe zur Messe wirkt sich günstig aus, vor allem zu Zeiten der Buchmesse trifft sich in Jimmy´s Bar die halbe Welt. Und das so selbstverständlich und unkompliziert, wie an keinem Ort sonst.

André Amador, Katrin Riede, Martin Mack, Giovanna Scarciglia (v.l.n.r.)

Die Barkeeper Andrès Amador und Martin Mack arbeiten mit Gelassenheit und jener Diskretion, die zwingend notwendig für diesen ziemlich sensiblen Beruf ist. Die beiden jungen Mitarbeiterinnen Katrin Riede und Giovanna Scarciglia frischen die Männerwirtschaft mit Charme auf. Cocktails und andere Drinks werden versiert und präzise zubereitet, die jahrelang flaue Weinauswahl hat sich inzwischen etwas verbessert. Es werden gerne die Weine des Hausherren, dem Prinz von Hessen, offeriert, doch kann man sich bei Flaschen auch der großen Weinkarte des Restaurant Sèvres bedienen.  Der 57 Jahre alte Amador (nicht verwandt mit Sternekoch Juan Amador) arbeitet seit nunmehr 35 Jahren in Jimmy´s Bar und ist hier ebenso wenig wegzudenken, wie das schwere Ledermobiliar.

Bei Jimmy´s geht es nicht laut und eher dezent familiär zu, die Gespräche werden stets von solider Klaviermusik begleitet, was ja „live“ bei vielen Lokalen leider dem Sparprogramm zum Opfer fiel. Großes Kommunikationszentrum ist die rund geschwungene Bar. Auch ein solches Stück Barleben ist keine Selbstverständlichkeit, denn die normalen modernen Bars sind von einem Lounge-Gedanken weichgespült und gleichgestellt, der nicht mehr darüber nachdenken lässt, warum eigentlich Menschen in eine Bar gehen. Die Antwort ist einfach, wird aber ignoriert: Man geht in eine Bar, um eine besondere Stimmung zu erleben, die man gerne mit interessanten Menschen teilt, wobei es gar nicht so entscheidend ist, ob man mit diesen ins Gespräch kommt oder sie als nette Kulisse wahrnimmt. Dazu möchte man ein gutes Glas Wein oder einen ordentlichen Drink haben. Klingt einfach, ist aber eher selten so zu bekommen. Dass man in Jimmy´s rauchen darf, ist für sehr viele Gäste wichtig. Man hat den Schwund gemerkt, als dies für kurze Zeit nicht der Fall war. Jetzt geben vor allem wieder Zigarren Rauchzeichen.

Jimmy´s ist das Wohnzimmer vieler Frankfurter, aber auch das zu Hause zahlreicher Prominenter. Udo Lindenberg durfte seinen Hut aufbehalten, Boris Becker aber nicht seine Sportschuhe. Helmut Schmidt konnte nach Herzenslust paffen, ohne eine Anzeige zu riskieren. Und die Rolling Stones benahmen sich ganz zivil.

Jimmy´s ist keine moderne Bar, sie mag für manche schrecklich altmodisch sein, hat aber die Statur der Zeitlosigkeit. An keiner Bar geht jeglicher Trend so gründlich vorbei wie an Jimmy´s. Das macht sie noch klassischer.

LF

Jimmy´s Bar im Hessischen Hof, Frankfurt, Friedrich-Ebert-Anlage 40, Tel. (069) 75 40 29 61. Täglich geöffnet von 20 bis 4 Uhr, Live Piano Musik täglich 22 – 3 Uhr, warme Küche bis 3 Uhr. www.hessischer-hof.de

 

 

 




Der Popstar unter den Champagner

Armand de Brignac ist nouveau und rich

 

Und mit 400 Euro der teuerste Champagner der Welt

 

Von Ludwig Fienhold

 

 

Er glitzert in goldener und silberner Robe, als müsste er gleich eine Show-Treppe hinunterlaufen. Der Armand de Brignac ist der Pop-Star unter den Champagner, sein Preis ist entsprechend extravagant. Bislang kannte man ihn kaum, doch seit einer spektakulären Blindverkostung ist er so teuer wie kein anderer. Wie gut ist diese Glamour-Perle aber tatsächlich? Mehr Schein als Sein oder fast jeden Geldschein wert? Die Preise liegen zwischen 320 und 400 Euro pro Flasche. Sehr eindrucksvoll, wenn man bedenkt, dass die etablierten und weltberühmten Spitzen bei 150 Euro liegen.

Dieser Champagner gehört auf den ersten Blick unbedingt nach Las Vegas, Dubai, Monte-Carlo oder Moskau, warum aber sollte sich die weniger glamouröse Welt mit ihm beschäftigen? Der Champagner mit dem viel zu komplizierten und langen Namen – schon wieder vergessen, bitteschön: Armand de Brignac – erregte bei einer Fachverkostung Aufsehen. Bei einem Geschmackstest mit Weinkritikern und Sommeliers in New York wurde er blindlings zur Nr. 1 gekürt und lies so legendäre Marken wie Dom Pérignon hinter sich. Man mag dies kaum glauben und fragt sich vielleicht ganz spontan, ob hier nicht Bestechlichkeit und Geschmackstaubheit das Regiment führten.  Wenn man dann noch hört, dass Rapper Jay-Z und Goldkehlchen Beyonce oder Espresso-Trinker George Clooney nicht ganz zufällig Brignac-trinkend fotografiert wurden – wenngleich sie ja im Grunde jeden Blubberlutsch trinken – hält man diesen vermeintlichen Big Bubble Champagner noch mehr für eine reine Luftblase.

Armand de Brignac haut nicht nur mit schrillen Verpackungen auf die Pauke, sondern auch mit Flaschen in Übergrößen – in Las Vegas wurden 100 000 Dollar für die so gut wie nie vorkommende Melchisedech-Bottle von 30 Litern bezahlt. In Rapper-Kreisen, wo alles immer protziger und großmäuliger ausfällt, gehört dieser Champagner jedenfalls längst zum Wichtigtuer-Ton. Neben den USA sind Russland und China die wichtigsten Absatzmärkte, wobei offiziell bislang nicht mehr als 50 000 Flaschen im Jahr produziert werden. Nun will man aber auch in Deutschland Land gewinnen und die Reichen und Schönen für sich gewinnen. Geld ist ja genügend vorhanden, und wenn nicht, hat man hier ja gute Freunde, die großzügig Kredite vergeben.

Stefan Fabinger, Exclusiv-Importeur von Armand de Brignac

Bei einem Champagner-Dinner im Hotel Breidenbacher Hof in Düsseldorf kam man diesem Champagner sehr viel näher. Dort konnten alle Varianten verkostet werden: Gold-Cuvée, Rosé, Blanc de Blancs sowie der normale Brut. Machen wir es kurz: Die Champagner sind keineswegs schlecht und entsprechen dem weltweit kompatiblen Mainstream, sind aber mit 400 Euro sehr phantasievoll kalkuliert. Die eigentliche Sensation dabei ist der umso erstaunlichere Preis für den nach unserem Geschmack weitaus Besten unter den Sorten – der schlicht etikettierte Cattier Brut kostet nette 25 Euro und ist viel knackiger und individueller als seine teuren Brüder. Diesen sehr natürlichen, frischen, seidig strukturierten und cremigen Champagner trinkt man gerne, sein Preis ist an der Qualität gemessen eher bescheiden. Gold und Silber Brut moussieren ebenso feinperlig im Glas und verströmen gefällige florale Töne, lassen aber Tiefe und geschmackliche Prägnanz vermissen. Gold: 40%  Chardonnay, 40 % Pinot Noir, 20 % Petit Meunier. Der Silber Brut ist ein Blanc de Blancs aus entsprechend 100 % Chardonnay. Er besitzt ein angenehmes Aroma aus Zitrus und Apfel. Der Rosé präsentiert sich als anständiger lachsfarbener Champagner mit einem Bouquet aus roten Früchten und deutlicher Schwarzer Johannisbeere. Im Grunde ist aber vor allem sein Preis aufregend, was er mit den Brüdern in Gold und Silber gemein hat.

Wer steckt hinter dieser trotz allem Marketinggetöse vor allem in Deutschland eher noch unbekannten Marke? Das Label Armand de Brignac existiert erst seit 2006, doch die Winzerfamilie Cattier betreibt schon seit 1918 Weinbau. Jean-Jacques Cattier und sein Sohn Alexandre stehen mit ihrer schlichten Art im krassen Gegensatz zur lauten Welt derer, in der ihre Flaschen kreisen wie Satelliten um unbewohnte Planeten. Bis zur großen Landung auf dem Weltmarkt, erzeugten sie aus den eigenen 30 Hektar umfassenden Weinbergen vor allem gute Champagner der bezahlbaren Mittelklasse. Ihre Lagen gehören zur Kategorie Grand Cru (wie Avize und Oger) oder Premier Cru. Die Cuveés sind eine Mischung aus drei unterschiedlichen Jahrgängen, die aktuelle ist eine Kombination der Jahre 2002, 2003 und 2005. Die Flaschen altern bei niedriger und konstanter Temperatur 30 Meter unter der Erde in Kellern, die zu den tiefsten in der Champagne gehören und ein langsames Altern fördern. Insgesamt sind am Entstehungsprozess von Hand acht Kräfte beteiligt. Im Grunde ist der Armand de Brignac ein durchaus seriöser Tenor im exaltierten Glam-Rock-Kostüm, der sich seinen ungewöhnlichen Auftritt und die Hyperbel um ihn hemmungslos honorieren lässt. Unser Vertrauen aber gehört dem Cattier Brut und seinen leisen Tönen.  

 

Sélection Prestige, Berlin

www.selection-prestige.de

Champagnerkellerei Cattier, Chigny les Roses

www.cattier.com

 

Fotos: Manfred Lebeau, Armand de Brignac

 




Gastro News Kurswechsel im Sternelokal
Schiffchen

Franzose wird Italiener

 

Jean-Claude Bourgueil, der Französischste aller Franzosen in Deutschland, ist Italiener geworden. Zwar nur teilweise, aber auch das überrascht bei einem solchen Mann, der statt eines Hemds eine Tricolore trägt. Das Gourmet-Restaurant Im Schiffchen in Düsseldorf ist unverändert, doch im ehemaligen Bistro hat trotz gleichbleibender Optik gerade einen deutlichen Wechsel zur italienischen Küche stattgefunden. Die Speisekarte bietet auf den ersten Blick vertraute Langweilerteller, wie Vitello Tonnato und Jakobsmuscheln mit weißem Speck. Doch bei näherem Hinschmecken wird der Unterschied zur obligaten Italo-Küche sehr deutlich, Bourgueil & sein Team können auch ausgezeichnet italienisch. Die geschmeidigen Ravioli von der gut geschmorten Rehschulter mit Pilzen und Norcia-Trüffeln schmecken erstklassig und werden ausdrucksvoll von einer tiefdunklen Reduktion begleitet. Die zart-knackigen Jacobsmuscheln sind von Lardo Colonnata ummantelt, wobei eine feine Passionsfruchtsauce dem Gericht Profil gibt. Auch beim Vitello Tonnato bestechen hervorragende Produktqualität und präzise Zubereitung. Das Fleisch kommt vom Piemonteser Milchkalb und thront auf einer hauchdünnen knusprigen Brotscheibe. Als Amuse gab es ein schönes Süppchen, zum Espresso wurden leckere Petit Fours gereicht. Für den Aufwand und die Qualität sind die Preise alles andere als abgehoben (16 – 26 €).

Die Einrichtung ist maritim geblieben, auch der Name Jean-Claude bleibt unverändert, sonst aber ist alles italienisch eingefärbt. Auch die Weine. Der Service tritt etwas holprig auf und könnte weit aufmerksamer sein. Das Restaurant Im Schiffchen im Düsseldorfer Stadtteil Kaiserwerth existiert seit 1977 und erhielt zwei Jahre nach der Eröffnung seinen ersten Stern im Michelin. 1987 wurden daraus drei, inzwischen sind es zwei Michelin-Sterne für das Gourmet und einer fürs Jean-Claude. Der Gault Millau vergibt 17 Punkte, erwähnt das ehemalige Bistro aber mit keinem Wort. Überhaupt steht der Gourmet Guide dem Restaurant recht kritisch gegenüber.

BF

Restaurant Jean-Claude (Im Schiffchen), Düsseldorf, Kaiserwerther Markt 9, Tel. 0211 40 36 67. Gerichte 16 – 26 €. www.im-schiffchen.com

 

Siebeck lobt Lumpps Mut

 

Claus-Peter Lumpp (l.) und Wolfram Siebeck

Festakt für Claus-Peter Lumpp: Der Küchenchef vom Restaurant Bareiss in Baiersbronn gehört zu den bescheidenen Größen seiner Zunft, doch diesmal musste er sich einfach feiern lassen, denn es gab gleich mehrere Gründe: Erneut wurde er mit dem 3. Michelin-Stern ausgezeichnet, zudem veröffentlichte Lumpp ein fulminantes zweibändiges Kochbuch mit großartigen Bildern, aber ohne Rezepte. Und schließlich wurde er mit dem Internationalen Eckart-Witzigmann-Preis ausgezeichnet. In einer Feierstunde auf dem zum Hotel Bareiss gehörenden historischen Morlokhof würdigte Hermann Bareiss seinen langjährigen Mitarbeiter und Partner für die Konstanz seines Arbeitens und Wirkens. Der Elder Statesman der Restaurantkritik, Wolfram Siebeck, meinte zu Lumpps Fotoband, dass es bisher kein anderer Koch gewagt habe, ein Kochbuch ohne Rezepte herauszugeben. Und das auf gleich 448 Seiten.

PL

 




Schaumgeboren
Champagner Tipps für 2012

Champagner-Winzer und andere unbekannte Größen

 

Der Präsident der Grande Nation trinkt angeblich keinen Alkohol und schon gar keinen Champagner, obwohl er doch mitunter einen recht beschwipsten Eindruck macht. Champagner ist aber auch in seiner Qualität ein sehr schwankendes Produkt. Wenngleich er per se für Luxus und Lebensfreude steht, fällt seine Qualität wie bei jedem anderen Wein auch sehr unterschiedlich aus. Mal ist er Edelperle, mal nur Ballermann. Grundsätzlich gilt: So wenig wie es einen Porsche zum VW-Preis gibt, so wenig wird man einen anspruchsvollen Billigschampus erstehen können. Ein Kilo Trauben in der Champagne kostet fünf Euro, in weniger exklusiven Gebieten 50 Cent. Für eine Flasche Champagner braucht man 1,5 Kilo Trauben. Ein Hektar in guter Lage hat einen Wert von über einer Million Euro.

Krug ist unsere große Leidenschaft, weil er ungemein lustvoll und faunisch aus dem Glas springt. Roederer Cristal und Dom Pérignon sind oft großartig, aber nicht grundsätzlich in jedem Jahr. Ganz entscheidend ist es herauszufinden, welcher Champagner am besten zum eigenen Temperament passt. Die einen mögen die seidige Frische eines zitrushaften Blanc de Blancs von Ruinart oder Pierre Gimonnet, die anderen suchen das majestätisch Voluminöse von Bollinger. Wer Körperbetontes schätzt, mag die pralle  Prestige-Cuvée Grande Sendree von Drappier, wer Erfischung auf gutem Niveau braucht, erfreut sich am schlanken Gosset Brut Excellence. Lebendig und wunderbar nach Leichtsinn schmeckt der Rosé von Billecart-Salmon, während Deutz ganz nach alter Champagner-Schule stets zuverlässig den Grandseigneur unter den schäumenden Weinen vertritt. Erprobte Champagnernasen begeistert Jacquesson Cuvée 735, die von einer glasklaren Strahlkraft ist und ultrapuristisch rappeltrocken ausfällt.

Einer der ganz Großen kleinen Champagner-Winzer ist der Mystiker Anselme Selosse, der die Grundweine in neuen Eichenholzfässern ausbaut. Seine Erzeugnisse entfachen Düfte aus Vanille, Zimt, Haselnuss und geröstetem Weißbrot. Gerade Biowinzer wie Selosse genießen das Vertrauen vieler Champagnerfreunde. Die Champagner von Franck Pascal, Francoise Bedel und Jérôme Prevost sind erstklassig und fair im Preis. Der Vin Secret der Winzerin Francoise Bedel ist cremig und entfaltet Düfte von Vanille und Karamell. Die Weine der kleinen Domaine von Prevost reifen in alten Eichenholzfässern in einem tiefen Luftschutzkeller aus dem 1. Weltkrieg. Die Champagner geraten authentisch und betörend intensiv, man muss sich stets schnell eine der raren 13.000 Flaschen sichern. Der Champagner La Closerie „Les Bèguines“ aus Pinot Meunier ist ungewöhnlich und ungewöhnlich gut. Die Reben werden spät gelesen, wobei der hohe Reifegrad deutlich zu erleben ist. Im satt gold schimmernden Glas entfachen sich ein köstliches Birnenaroma und ein Extrakt aus Trockenfrüchten, Nüssen und Brioche. Die geschmeidige Cremigkeit lässt den Champagner sanft über die Zunge perlen.

Wer das Außergewöhnliche beim Champagner sucht, wird sich auch beim ersten Schluck in die expressive Art von Laherte Frères und deren Les Clos verlieben: Karibische Früchte, Pina Colada, Rum, Vanille, Sherry purzeln aber nicht nur so durcheinander, sondern fügen sich zu einem großen geschlossenen Bild zusammen. Gefördert wird das reiche Aromenspektrum durch eine dichte und pumpende Perlage. Dieser Champagner ist extraordinär komponiert, aus gleich sieben bekannten und unbekannten Rebsorten: Arbanne, Fromenteau, Chardonnay, Pinot Noir, Pinot Blanc, Pinot Meunier, Petit Meslier.

Auch unter den Öko-Winzern gibt es starke Unterschiede. Der Extra-Brut von Larmandier-Bernier, der delikat nach Vanille, Mandeln und Hefe duftet, eignet sich geschmacklich und preislich bestens für Einsteiger. Die herausragenden Erzeugnisse von De Sousa lassen mit ihrer kernigen Frische die kalkhaltigen und mineralischen Böden der Champagne spüren und sind eher etwas für Kenner. Eine der großen Entdeckungen ist Egly-Ouriet aus der Grand Cru Lage Ambonnay. Michel Egly betreibt biodynamischen Anbau, baut dezent in Eichenfässern aus und setzt wie Anselme Selosse auf ungefilterte Weine. Das Ergebnis sind vitale und vielschichtige Champagner mit zarter Perlage, die von einem feinen Vanilleton begleitet werden.

Champagner-Winzer werden immer beliebter, was nicht nur am Preis liegt, sondern auch an der Individualität ihrer Produkte. Sie haben zudem den Vorteil mit Weinen aus eigenem Anbau zu arbeiten und nichts hinzukaufen zu müssen. Cédric Bouchard besitzt nur 2,5 Hektar und erzeugt mit seinem Roses de Jeanne „Les Ursules“, Blanc de Noirs brut 2009, einen stark limitierten Champagner von lediglich einigen tausend Flaschen. Der eigenwillige weiß gekelterte Pinot noir spricht durch eine kräuterige Kaminwürze und einen Hauch von Erdbeeren mit Pfeffer Kenner an. Der Gonnet „Roy Soleil“ Blanc de Blancs Grand Cru Brut aus der berühmten Gemeinde Le Mesnil ist durch seine knackig-trockene Mineralität ebenfalls eher Fortgeschrittene an. Bei der Familie Fourny aus Vertus beeindruckt der feine und cremige Rosé Brut 1er Cru, welcher auf hochwertigen Grundweinen basiert. Mit dem Brut Blanc de Blancs Milléseme 1996 kommt ein fabelhafter Champagner aus der Kellerei von Yannick Doyard, nur 3500 Flaschen gibt es davon. Sie lagerten nicht etwa drei Jahre, sondern gleich ganze 144 Monate auf der Hefe, was zu einer großen Reintönigkeit und allerfeinster Perlage führt.

Die Domaine Bonnet-Gilmert bewirtschaftet 4 Hektar Grand Cru Lagen in Oger, wobei die Jahresproduktion gerade einmal 25 000 Flaschen beträgt. Der Blanc de Blancs Brut Millésime 2006 ist ein wonnig gereifter Champagner mit barocker Statur. Er schmeckt nach einem Maul voll Reben, etwas Karamell und einem verwehten Hauch Sherry. Dieser voluminöse Tropfen braucht viel Luft und ein großes Champagnerglas, das schon ausladend burgundisch gerundet sein sollte. Überhaupt werden Champagner oft schon gleich nach dem Öffnen getrunken, obwohl sie wie jeder Wein etwas Luft benötigen. Nicht wenige Champagner entfalten sich außerdem weit besser in einem großen Glas. Beim exzellenten und im Holzfass ausgebauten Champagner von Vilmart & Cie. sind Burgunder-Gläser zwingend.

Ein Edeltrunk von beinahe unwirklicher Finesse und feinstem Mousseux ist der Moutard, welcher in kleinster Edition aus der heute vergessenen und kaum noch vorhandenen Rebsorte Arbanne erzeugt wird. Für eine solch exzellente Spezialität sind knapp 50 Euro keineswegs zuviel. Auch sonst kommen von Moutard sehr gelungene und auch preiswertere Champagner, die es nicht im Discounter, sondern beim spürnasigen Fachhandel zu bekommen sind (Adressen siehe unten). Zu Aubry et Fils greifen Insider, die keinen Allerweltsschaumwein, sondern exquisite Ware wollen. Die mit Künstleretikett ausgestattete und sehr duftige Cuvée Nicolas Francois Aubry reift 60 Monate auf der Hefe und wird nur in außergewöhnlich guten Jahren in limitierter Auflage erzeugt. Kräftiger, da in kleinen Eichenholzfässern ausgebaut, präsentiert sich der Brut Tradition, wogegen sich die Prestige-Cuvée des Hauses, Aubry de Humbert, als Primus fühlen darf. Zudem können die Brüder Aubry mit weiteren in kleinsten Mengen abgefüllten Flaschen glänzen, von denen unter dem Namen Le Nombre d´Or nur etwas 1000 bis 2000 Flaschen auf dem Markt sind. Dieser wunderbare charakterstarke Champagner wurde aus den alten und seltenen Rebsorten Arbanne, Petit Meslier, Enfumé und Fromenteau erzeugt. Ebenso aus dem Schaumweinmeer ragen die Champagner von J. De Telmont heraus. Der Couronnement entstammt selektionierten Chardonnay-Trauben bester Crus der Côte des Blancs. Er verführt durch delikaten Schmelz sowie Butter-, Hefe- und Zitrus-Aromen.

Ein großes Missverständnis ist der Glaube, dass Champagner zu allem passt. Gänseleber ist eine klassische Mesalliance, Schokolade erweist sich als wahrer Champagner-Killer. Und es muss wahrlich auch nicht immer Kaviar sein, zumal gerade dieser mit nur ganz ausgesuchten Edelperlen korrespondiert, die sich durch Körper und eine gewisse Süße hervorheben. Ausgezeichnet harmonieren jene regionalen Gerichte, wie sie die Winzer in der Champagne selbst bevorzugen: gefüllter Gänsehals, Schweinskopfsülze oder Potee champenoise – ein Pot au feu aus Kartoffeln, weißen Bohnen und Wurst oder Schweinefleisch. Manche schwören auf Leberwurstbrot mit Senf, Schalotten und Essiggurken zum Champagner, andere wissen, dass sich fruchtiger Champagner wunderbar mit der leicht süßlichen Sauce der Currywurst verträgt. Eigentlich ist ein guter Champagner aber so gehaltvoll und inspirierend, dass man ihn gleichsam essen und trinken kann und jede Begleitung nur stört.

Ludwig Fienhold

youtu.be/2uUDBCtNmnQ

Gute Champagner-Lieferanten

 

Vinaturel, Berg, Schatzgasse 30, Tel. 08151 908428. www.vinaturel.de

Cercle des Connaisseurs, Frankfurt, Tel. 069 620548. www.cercle-connaisseurs.com

Cave du Connaisseur, Berlin, Zabel-Krüger-Damm 61a, Tel. 030 49 89 35 43. www.caduco.de

Wein-Art, Geisenheim im Rheingau, Tel. 06722 710 80. www.weinart.de

Champagner & Genuss, Kelkheim, In den Padenwiesen 30, Tel. 0700 1000 7710. www.champagner-genuss.de

Weinhalle, Nürnberg, Nordostpark 78, Tel. 0911 52 51 53. www.weinhalle.de

Extraprima, Mannheim, Friedrichsplatz 16, Tel. 0621 28652. www.extraprima.com

 

 

 

 

 




Mc Schuhbeck leistet sich dicken Klops

Selbstzerfleischung: Ein Bayer wirbt für Hamburger

 

Schuhbeck ist auf dem besten Weg der neue Lafer zu werden. Seit Tagen wirbt er in Fernsehen und Radio gemeinsam mit Fußballspezi Uli Hoeneß für McDonalds neuen Hüttenzauber. Christian Buggisch fühlt sich von Alfons Schuhbeck genervt, hier klopft er Schuhbeck platt.

Ich habe ein Radio-Interview mit Sterne-Koch Alfons Schuhbeck gehört – und bevor mein Blutdruck beunruhigende Höhen erreicht, lasse mal schnell Dampf ab. Ich gebe zu, bisher habe ich Herrn Schuhbeck eher peripher wahrgenommen. Ein kochender Gute-Laune-Lausbub halt, ein Gschaftlhuber, wie man in Bayern sagt, umtriebig, clever, bodenständig. Ich vermute, er kann recht gut kochen, sonst hätte er wohl keinen Michelin-Stern, keine drei Hauben von Gault Millau und keine vier Kochlöffel vom Aral Schlemmer Atlas. Leider bleibt Koch Schuhbeck ebenso wenig bei seinen Kochlöffeln wie mancher Schuster bei seinen Leisten, sondern fühlt sich dazu berufen, Gesundheit zu predigen. Und was er da von sich gibt, ist zum Teil so erstaunlich unsinnig, dass ich mich erst gewundert, dann aber massiv darüber geärgert habe, dass ihm der öffentlich-rechtliche (also von mir finanzierte) Rundfunk eine Bühne bietet.

Alfons Schuhbeck (l.) und Uli Hoeneß

 

Nur zwei Beispiele aus dem Bayern3-Interview mit ihm.

Schuhbeck zum Moderator: Du machst das eh gut, weil du trinkst am Tag einen Liter Tee. So, und wennst jetzt a paar Gewürze reingibst, dann hast du das, was du brauchst. Du entgiftest und entschlackst. Aber wenn du deine ganzen Schlackstoffe nicht rausbringst aus dem Körper, dann explodiert der ganze Mist natürlich und dann atmest noch den ganzen Mist ein und dann brauchst dich nicht wundern, wenn du krank bist.

Inzwischen sollte sich herumgesprochen haben, dass das einzige, was man gelegentlich entschlacken muss, alte Kohleöfen sind. Aber nicht mal die explodieren so ohne Weiteres. Das Entgiften und Entschlacken ist pseudomedizinischer Ayurveda-Voodoo-Unsinn, der mit der Wirklichkeit ungefähr so viel zu tun hat wie Astrologie mit Astrophysik – nämlich gar nichts.

Moderator: Die magische Wirkung des Schwarzkümmels, wie soll ich den einnehmen, kann ich den tatsächlich auch zerstoßen und in ein Taschentuch reinmachen und dran schnaufen? – Schuhbeck: Also Schwarzkümmel, den nennt man auch das Aspirin des Altertums, weil der schmerzlindernd ist und abschwellend ist (…), und der stärkt, da sind wir wieder beim Thema, das Immunsystem.

In Wahrheit weiß kein Mensch, ob Schwarzkümmel wirkt oder nicht wirkt oder völlig egal ist: „Moderne kontrollierte klinische Studien fehlen weitgehend. Es liegen lediglich Erfahrungsberichte und Beobachtungsstudien vor.“ Schwarzkümmel ist schlicht eines von vielen „jahrtausende alten Heilmitteln aus dem Orient“, an die man gerne glauben darf, aber niemand möge bitte wie Schuhbeck den Eindruck erwecken, es gebe eine nachweisbare Wirkung im Sinne einer evidenzbasierten Medizin (und nicht im Sinne von Es-gibt-mehr-Dinge-zwischen-Himmel-und-Erde-Hokuspokus).

Das grenzt nicht nur an, das ist Volksverdummung. Aber das ficht Schuhbeck nicht an. Er verbreitet munter sein ökotrophologisches Halb- und Unwissen mit der Autorität eines Sternekochs. Seine wichtigste Botschaft aber lautet:

Wenn du dich übers Jahr nicht ausgewogen ernährst, dann kannst net in drei Minuten deine Missstände wieder gutmachen, und wie soll denn ein Arzt, wenn einer das ganze Jahr seinem Körper den Mist gibt, und dann soll der Arzt ihn in zwei Minuten reparieren, so geht’s doch net.

Um ausgewogene Ernährung geht es ihm also. Doch zu viel Gesundheit muss wohl auch nicht sein. Auf allen Sendern ist Alfons Schuhbeck derzeit mit Werbespots für die „Hüttengaudi“ von McDonalds zu sehen. Auch das ist irgendwie nett, kumpelhaft, lausbübisch, wie er da zusammen mit seinem Spezl Uli Hoeneß rumalbert und den „Big Rösti“ und anderes mehr anpreist.

Ich habe nichts gegen Mc Donalds (und bin da selten, aber doch gelegentlich mal anzutreffen). Aber ich habe etwas gegen Scheinheiligkeit, mit der mancher Sterne-Koch Gesundheit predigt und das Gegenteil verkauft. Den Werbe-Strategen von McDonalds kann man nur gratulieren: Die Marke Alfons Schuhbeck (gesundheitsbewusster Spitzen-Koch) lädt die Marke McDonalds positiv auf. Oder banaler gesagt: Mehr Menschen gehen mit weniger schlechtem Gewissen zur Fast Food-Kette, denn wenn der Schuhbeck dafür wirbt, kann’s ja nicht so schlecht sein.

Versalzene Fett-Bomben, empfohlen vom Sterne-Koch

Aber vielleicht ist das ja wirklich gar nicht so schlecht? Gut, angenommen, eines meiner Kinder fühlt sich von der gaudihaften Werbung so angesprochen, dass es mich dazu überredet, auf den Spuren Schuhbecks wandelnd zu McDonalds zu gehen und ein kleines Mittagessen zu bestellen. Wir nehmen … mal sehen … einen Big Rösti (für den Schuhbeck auf der „Hütengaudi“-Webseite wirbt), eine mittlere Portion Pommes, eine mittlere Cola (die Schuhbeck im Spot werbewirksam in die Kamera hält) und zum Nachtisch einen McFlurry.

Damit haben wir (wie man auf der McDonalds-Homepage selbst nachrechnen kann, da sind die wirklich vorbildlich …) schlagartig 116% des Kalorien-Tagesbedarfs meines Kindes abgedeckt, 145% des Fett-Bedarfs und 140% des Salz-Bedarfs. Die gestrichelte Linie im Bild dort zeigt übrigens mehr oder weniger die empfohlene Menge an, nämlich rund 33% des Tagesbedarfs – schließlich handelt es sich ja nur um eine von üblicherweise drei Mahlzeiten am Tag. Aber selbst wenn mein Kind morgens und abends zum Ausgleich fastet, wird es also zwangsläufig zunehmen und irgendwann zu jener Mehrheit der deutschen Bevölkerung gehören, die übergewichtig ist. Und mindestens ebenso ärgerlich: Es wird Fast Food für brauchbare Ernährung halten und sich wenig oder gar nicht für all das interessieren, was Essen wirklich interessant und genussvoll macht und was einem beispielsweise die Slow Food-Bewegung erschließt.

Mogelprodukte von Alfons Schubeck

Aber was rege ich mich auf, das ganze Thema ist nicht neu. Schon vor zwei Jahren hat Foodwatch Schuhbeck wegen seiner Dosensuppen kritisiert: „Sternekoch Alfons Schuhbeck ist sich nicht zu schade, den Leuten zu horrenden Preisen Wasser in Dosen zu verkaufen. In seinen Kochbüchern singt er das Hohelied der frischen Zutaten, dann nutzt er das Vertrauen der Menschen in ihn schamlos aus und dreht ihnen Mogelprodukte an.“ Darin ist er sich zumindest treu geblieben.

 

 

Christian Buggisch, Buchautor und Lektor, betreibt einen lesenswerten Blog, der sich mit den unterschiedlichsten sozialen und gesellschaftlichen Themen beschäftigt: www.buggisch.com

Das vollständige Gespräch mit Alfons Schuhbeck kann man übrigens als Podcast beim Bayerischen Rundfunk hören.

 

 

 

 

 




Kulinarischer Weihnachts
Markt
Bummel

Budenzauber in Frankfurt

Der Frankfurter Weihnachtsmarkt auf dem Römerberg gehört allein schon wegen seiner Kulisse zu den schönsten der Republik. Schwerpunkt ist zwar der Rathausplatz, doch ziehen sich die 200 Stände bis zum Main und stadteinwärts über den Paulsplatz und die Neue Kräme bis zur Zeil und der Hauptwache. Drei Millionen Besucher werden erwartet. Wenngleich solche Weihnachtsmärkte keine gehobene kulinarische Veranstaltung sind und sein wollen und derbe Deftigkeiten plus Atmosphäre im Mittelpunkt stehen, gibt es doch einige Stände mit besonderem Budenzauber.

Glühwein

Eigentlich ein fragwürdiges Getränk, das gnadenlos an allen Ecken und mit allen Mitteln eingesetzt wird. Meist als billige Plörre mit hoher Rendite. Kommt auf Samtpfoten daher und hinterlässt gerne einen Kater. Seit Jahren gibt es den besten Glühwein am Garagenstand „Alten Limpurg“ an der Ecke neben dem Weihnachtsbaum auf dem Römerberg: Ordentlicher südfranzösischer Landwein als Basis, tiefschwarz, kraftvoll, sehr gut gewürzt, der trockenste unter den glühenden Weinen. Dieter Hoppe und Andreas Staab setzen ihren Glühwein täglich frisch im großen Kessel mit Sternanis, Zimt und Nelkensud an. Dieser dampfende Gassenhauer schmeckt noch nach Wein, ist aromatisch und fällt vor allem nicht so süß aus, dass die Zähne zusammenkleben. Auch nach dem ersten Glas hat man noch Lust auf das zweite. Es ist kein Zufall, dass man hier eine besonders nette Schar an Gästen trifft, die nicht nach dem ersten Glas aufhören. Munter und doch nicht ballermäßig geht auch vor der Weinstube am Römer in den Arkaden hinter der Historischen Ostzeile zu, wo Familien Pickel weißen und roten Glühwein serviert und die Gäste auch bei Regen ein Dach über dem Kopf haben.

Schon vor 2000 Jahren würzten die Römer ihren Wein mit Zimt, Nelken, Koriander, Lorbeer, Thymian, Muskat oder Piment. Der oft saure Wein schmeckte so besser, wobei die Variante mit Honig auch die Haltbarkeit verbesserte. Da war der Würzwein noch ein nobles Getränk für die Gutbetuchten, denn Gewürze waren teuer. Später wurde Glühwein das Wahlgetränk der armen Leute, die ihre Flaschenreste zusammenschütteten und durch die Erwärmung und Zuckerung daraus noch etwas Trinkbares machten.

 

Imbiss

Eddy Hausmann versammelt in seinem schon als Lokal zu bezeichnenden warmen Holzhäuschen an der Historischen Ostzeile halb Frankfurt. Bei ihm gibt es all das unter einem Dach, was ein Besucher von einem Weihnachtsmarkt an derben Fressalien erwartet: Bratwurst, Thüringer, Nierenspieß, Nürnberger mit Sauerkraut, Gänsekeule, Bratkartoffeln. Neu im Programm sind Brautwurst Pflaume-Nuss und Rosmarin-Schafskäse. Pflaume-Nuss ist keineswegs süß und schmeckt einfach saftig gut. Die Imbissbuden-Bedienungen wurden in weiße Kochuniformen gesteckt und tragen alle eine schmucke Toque.

 

Kartoffelpuffer

Zwei Kartoffelpufferstände kämpfen um die Gunst der Besucher, der eine befindet sich unterhalb der Nikolaikirche, der andere hinter dem historischen Haus Wertheym. Beide liefern gut gewürzte Produkte ab, außen knusprig, innen saftig. Manchmal sind die Puffer zu fettig, manchmal nicht. Wer der Bessere von beiden ist, hängt von der Tagsform der Bedienungen ab. Man erkennt die Qualität aber gleich bei der Zubereitung: Die im Fett schwimmende Rohmasse muss erst goldbraun sein, bis sie umgedreht werden darf, da sich sonst zu viel Fett einsaugt.

Flammenkuchen

Wieder auf dem Weihnachtsmarkt vertreten ist auch der Flammenkuchenstand unter den Arkaden am Römerberg 10 im ehemaligen Schwertfegergässchen hinter der Historischen Ostzeile. Der Teig ist fein und knusprig, der selbstgemachte Schmand gibt die nötige Saftigkeit.

Die guten Stücke kommen nur zwei Minuten in einen Pizza-Ofen mit hitzebeständigem Schamottboden. Man genießt den klassischen Flammenkuchen mit Speck und Zwiebel, aber auch Fladen mit anderem Belag. Gut sind aber auch die Suppen, etwa Kürbissuppe.

Außerdem gibt es hausgemachte Marmeladen. Der gelernte Koch Achim Ott betrieb mit seiner Frau Sieglinde rund zwanzig Jahre das Lokal „Zum Bitburger“ in der Hochstraße.

 

Brot & Wurst

Anspruchsvolle Weihnachtsmarktbesucher schätzen seit vielen Jahren das Schwarzwälder Vesper-Eck in der zweiten Reihe vis-à-vis vom Rathaus. Man kann sich dort für einen Bummel zwar auch mit lecker belegten Brötchen ausrüsten, doch vieles kauft man einfach für zu Hause ein. Allein das erstklassige Holzofenbrot gehört in jede Küche. Dazu holt man sich rohen Schinken, Räucherspeck, Bauernsalami, Schwartenmagen, Jagdherrensülze, Presskopf, Leberwurst und grobe Mettwurst.

 

Frische Mandeln

Der Nuss-Michel musste vom Krönungsweg am Dom zur Hauptwache umziehen, da gleich zwei Großbaustellen den Weihnachtsmarkt ein wenig umgeordnet haben (ein großes grelles Werbeschild an der alten Stelle verkündet den Umzug). Gut sind neben den klassischen Mandeln jene mit Kokos, Vanille, Rum oder Zimt, Macadamia mit French Vanilla oder die Glühweinmandeln. Die Mandel-Sorte Raffaelo macht sich durch ihren Kokosgeschmack und die eher weiche Schale beliebt. Empfehlenswert sind überdies die Nüsse mit Jamaica-Rum und Rosine sowie die Bratapfel-Mandeln und die Sorte Latte Macchiato.

Gerüche

Eigentlich duftet ein Weihnachtsmarkt nach frischen Mandeln, Lebkuchen und Grillwürsten. Wenn dieser Reiz zerstört wird, kann sich dies sehr negativ auf den Konsum auswirken. Der übelste Geruch auf dem Weihnachtsmarkt entströmt dem Raclette-Lokal an der Nikolai-Kirche – fieser geht es nicht. Ein solcher Appetitzügler gehört nicht hierher und nervt alle Sinne. Es ist auch keineswegs appetitlich, wenn gegenüber vom Elsässer Lokal am Main ein benebelter Handwerksstand Räucherkerzen zündet und jegliches Essen und Trinken torpediert.

 

Der Frankfurter Weihnachtsmarkt (Römerberg, Paulsplatz, Mainkai) ist bis zum 22. Dezember geöffnet, täglich von 10 bis 21 Uhr, sonntags 11 bis 21 Uhr. www.weihnachtsmarktfrankfurt.com

[slideshow]

Mit den Pfeilen links und rechts können die Bilder bewegt werden

youtu.be/a-Mae-ZHrcQ