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So überleben Gourmets in Paris

Gute Adressen für die Reise im Sommer

 

 

Von Jörg Zipprick

Am Geschäftssinn Pariser Wirte darf gezweifelt werden: Ob Samstag, Sonntag oder im touristenreichen August – wann immer Menschen für gewöhnlich gut essen möchten, sperren sie die Gäste rücksichtslos aus. Gerade im Sommer ist Paris nicht etwa die Hauptstadt der Haute Cuisine sondern allertiefste kulinarische Provinz. Schließlich wollen die Wirte zum selben Zeitpunkt wie ihre Gäste in Ferien gehen. Auch in den meisten Hotelrestaurants ist man der Ansicht, dass August-Gäste im Burger-Grill oder der Brasserie doch besser aufgehoben sind. Es gibt aber Ausnahmen, die auch Anspruchsvolle nicht hungrig durch Paris irren lassen.

Eine wichtige Adresse ist das gut geführte Bistro Le Comptoir du Relais in Saint-Germain, dessen Wirt Yves Camdeborde nur eine Woche zusperrt. Oder das moderne Ze Kitchen Gallerie von William Ledeuil, der besonders sensibel mit exotischen Gemüsen und Aromaten umgeht. Auch Vong, der beste Chinese der Stadt, serviert weiter Köstlichkeiten wie den Barsch auf Lotuswurzeln oder die Bresse-Poularde nach Art einer Peking- Ente in drei Gängen. Recht kostspielig, aber kreativ ist die Küche im Market nahe der Champs-Elysées, dem Pariser Ableger des Küchenstars Jean-Georges. Wer sich nicht daran stört, am Bartresen zu speisen, ist weiterhin im Atelier de Joel Robuchon willkommen; auch bei Pierre Gagnaire und seinem Ableger Gaya soll die Küche im Sommer nicht kalt bleiben. Immer gut für einen freundlichen Sonnenstrahl: Die idyllische Gartenterrasse des Laurent, zwei alte Bäume verstecken den rosa Pavillon vor neugierigen Blicken der Flaneure auf den Champs-Elysées.

 

L´Atelier de Joel Robuchon

L’Atelier de Joel Robuchon

Ob „Koch des Jahrhunderts“ oder „Bester Koch der Welt“ – Joel Robuchon wurde stets nur im Superlativ beschrieben. Mit 51 ging der Meister in Frührente, moderierte eine TV-Sendung, schrieb Kochbücher. Sechs Jahre später war er wieder da. Und wollte fortan alles anders machen als vorher. Sein Atelier besteht aus zwei Bars, die Gäste sitzen an der Theke, Tische gibt es nicht. Die Küche ist offen, frische Zutaten von Chorizo bis Kräutern werden offen ausgelegt. Das ungewöhnliche Konzept hat einige unbestreitbare Nachteile: Gruppen von vier oder sechs Gästen haben es schwer, Thekenplätze zu finden. Ungeduldige Möchtegern-Gäste schauen den Feinschmeckern von hinten über die Schulter, um sie zur fixeren Nahrungsaufnahme anzuregen. „L’Atelier“ ist also kein Lokal für Heiratsanträge oder abschließende Unterschriften unter hoch dotierte Verträge. Aber es ist ein gutes Restaurant mit Gerichten wie Langustinos in Filo-Teig, Gemüse-Tempura, Kalbsbries mit Lorbeer oder Foie Gras-Spieß mit Paprika. Leider haben sich die Preise hier seit der Eröffnung vervierfacht.

5, rue Montalembert, 75007 Paris, www.joel-robuchon.net

 

Le Comptoir

Comptoir du Relais

Für ein Abendessen bei Camdeborde reservieren die Leute Monate im Voraus. Dabei hat er keine Sterne oder sonstige Auszeichnungen. Er hat im Crillon gelernt, arbeitet mit Sorgfalt, fakturiert nur 50 Euro und profiliert sich ansonsten als Realist: „Wir Köche eröffnen ja keine Lokale, um Trends zu schaffen, das Restaurant ist unser Lebensunterhalt.“ Sagt er. „Und natürlich müssen Restaurants gute Küche bieten, klassische oder traditionelle Kost. Das kommt bei Einheimischen wie Touristen gut an. Kein Amerikaner kommt wegen der Burger nach Paris, kein Japaner wegen des Sushi.“ Er steht zu französischer Tradition.

9, Carrefour de l’Odéon, 75006 Paris, Tel: 0033 1 44 27 07 97. www.hotel-paris-relais-saint-germain.com geöffnet Täglich

 

Gaya

Hieri Gaya hebt eine ordentliche Portion von Gagnaires Können auf jeden Teller – dies ist kein Zweitbistro eines Top-Kochs, sondern fast schon eine Miniaturausgabe des Spitzenrestaurants. Gerichten wie Petersfisch mit Anchovisbutter, Piment, Auberginen-Canneloni und Tandoori könnten auch auf der „großen“ Karte stehen. Wer spart, kann hier für vierzig Euro Entrée und Hauptgang kosten.

44, rue de Bac, 75007 Paris, Tel. : 0033 1 45 44 73 73. www.pierre-gagnaire.com Sa. mittag, So. geschl.

 

Laurent

Laurent

Die Spaziergänger auf den Champs-Elysées kön­nen von den nahen Genüssen nichts ahnen: Eine hohe Hecke trennt die idyllische Gartenterrasse des Laurent von den Touristenströmen aus aller Welt, zwei alte Bäume verstecken den rosa Pavillon vor neugierigen Blicken. Diskretion wird groß geschrieben.

Eine Institution im besten Sinne des Wortes, klassisch, wenn es um Ambiente und Dienst am Gast geht, behutsam modern in Sachen Küche: Selbst im Sommer lassen sich hier viele Gäste Schweinsfuß mit buttrigem Kartoffelpüree à la Robuchon schmecken.

Laurent, 41, avenue Gabriel, 75008 Paris, Tel.: 01 42 25 00 39 Fax: 01 45 62 45 21. Geschl. Sa. mittags, So, www.le-laurent.com

 

Pierre Gagnaire

Pierre Gagnaire

Wer je bei Gagnaire in Saint-Etienne zu Gast war, geriet unweigerlich ins Schwärmen. Die luxuriöse Jugendstilvilla, das resolut moderne Interieur, die spontane, ideenreiche Küche ohne Netz und doppelten Boden… Schade nur, dass Gagnaire in Paris nie so gut ist, wie er es in Saint-Etienne schon war. Statt der Jugendstilvilla setzt man sich in der Kapitale in einem relativ unspektakulären Hotelspeisesaal mit modernen Gemälden zu Tisch. Wein- und Speisekarte sind deutlich geschrumpft, die Preise deutlich gestiegen und die Spontaneität von einst ist einer „Erfolgsformel Gagnaire“ gewichen. Bei der geht es im Wesentlichen darum, mit Konsistenz und Temperatur (von flüssig bis fest, vom kalt bis warm) der Gerichte zu spielen und scheinbar unpassende Zutaten zu vereinen. Dennoch: Der Mann traut sich was und das ist in Paris nicht selbstverständlich. Für Unternehmungslustige.

Hotel Balzac, 6, rue Balzac 75008 Paris Tel: 01 44 35 18 25, Fax: 01 44 35 18 37 geschl. So. mittags, Sa. und Feiertage. www.pierre-gagnaire.com

 

Vong

Vong

Der beste Chinese der Stadt. Das Interieur entführt direkt nach Asien, zu den Spezialitäten gehört die Bresse-Poularde, die nach Art einer Peking-Ente in drei Gängen serviert wird. Und es ist ja nicht die Schuld des Herrn Vong, dass in seiner direkten Nachbarschaft alle Arten Pariser Touristenabzocke gedeihen. Also: Nicht vom schäbigen Viertel abschrecken lassen.

10 Rue de la Grande Truanderie, 75001 Paris, Tel.: 01 40 26 09 36. www.chez-vong.com

 

 

 

Ze Kitchen Galerie

William Ledeuil ist schmeckbar von Asien inspiriert: Zitronengras, Papaya, Miso, Sesam finden sich in allen Gerichten. Als wohl einziger Pariser Koch versteht er sich wirklich auf das Crossover-Register. Eines muss man als Gast jedoch wissen: Mittags ist das Essen bei identischer Qualität nicht nur halb so teuer wie zum Diner (Mittagsmenü 7-39 €), das gesamte Lokal ist lichter, ruhiger, angenehmer.

4, rue des Grands-Augustins, 75006 Paris, geschl.: Sa. mittag, So., Tel.: 01 44 32 00 32. www.zekitchengalerie.fr

 

Ze Kitchen Galerie

 

 




Restaurant sucht Gastronomen

Zwei schöne Objekte sind wieder zu haben

 

Gargantua

 

Bis vor kurzem hieß es noch, der Hausbesitzer will keine Gastronomie mehr haben, jetzt steht eines der schönsten Häuser im Frankfurter Westend doch wieder zur Pacht frei. Zuvor residierte in der Liebigstraße 47 der inzwischen verstorbene Klaus Trebes mit seinem Gargantua. Der schöne Stilaltbau wurde im Jahr 1880 in der Tradition des Spätklassizismus erbaut. Er bietet Wohnfläche auf 4 Etagen sowie einen Restaurantbereich im Erdgeschoss. Zum 130 qm großen Restaurant gehört eine Terrasse (38 qm) mit üppig überwachsener Pergola. Der Lagerkeller ist 49 qm groß. Derzeit wird das Haus kernsaniert und durch einen Anbau erweitert. Ende des Jahres könnte dort wieder ein Restaurant eröffnen. Laut dem Frankfurter Immobilienunternehmen Diehl beträgt die Monatsmiete 5. 973 € (plus Nebenkosten und Mehrwertsteuer).

Das ehemalige Gargantua in Frankfurt

Das Haus in der Liebigstraße hat gastronomisch immer wieder von sich reden gemacht. Mitte der 80er Jahre zunächst schlecht als Restaurant Le Medi, in dem ein japanischer Koch vergeblich sein Glück suchte. Das Lokal floppte, dann zog 1986 Wilfried Abels dort ein, damals ein stadtbekannter Kreativer. Bis dahin war er Werber, Maler, Fotograf und Buchautor, jetzt wurde er auch noch Gastronom. Wie es seiner Art entsprach, gestaltete Abels das Restaurant leicht exzentrisch – so gab es beispielsweise Spiegel auf Kopfhöhe in den hohen Stuhllehnen. Sonst machte das Lokal mit dem teuersten Frühstück der Stadt auf sich aufmerksam, über dessen 70 Deutsche Mark wir heute lächeln dürfen. Der kulinarische Start war holprig, bis Abels den japanischen Koch gegen ein junges Talent einwechselte: Samy Elzein. Der konnte kochen, zudem gab es ein fulminantes Käsesortiment von über 60 Sorten. 1994 zog dann schließlich Klaus Trebes in die Liebigstraße. Küchenchef Samy Elzein, inzwischen Mohamed Elzein, machte sich in Wiesbaden mit seinem Estragon selbständig und kocht heute noch teilweise in der Orangerie in Darmstadt. Wilfried Abels alias W.A. de Bolgherese lebt nach vielen Jahren in Spanien als Maler und Fotograf in der Toskana und in Groß-Umstadt im Odenwald in der Nähe von Frankfurt.

 

Avocado

 

Coconut Residence von Farid Nettlau

Ein Haus mit gastronomischer Geschichte steht auch in der Hochstraße 27. Es befindet sich in der Frankfurter Innenstadt an der Bockenheimer Anlage, die bis zu den 70er Jahren besser als Haschwiese bekannt war. Das denkmalgeschützte Haus wird gerade aufwendig renoviert. An dieser Stelle waren schon in den 70er Jahren Lokale zu Hause, das Adloff hatte Charakter und war sehr speziell. Der Hausherr nahm die Bestellung auf und ging dann in den Keller zum Kochen. Es gab keine Speisekarte und damit auch keine Preise, man musste sich in jeder Hinsicht überraschen lassen. Das plüschig-düstere Restaurant gehörte zu den teuersten der Stadt, hatte aber seine Liebhaber. Mitte der 80er zogen dann die guten Bistros Kempf und Büro an gleicher Stelle ein. Besonders erfolgreich aber agierte ab 1989 für viele gute Jahre Farid Bensouda-Nettlau mit seinem stets liebevoll dekorierten Restaurant Avocado. Der ebenso freundliche wie geschäftstüchtige Gastronom holte die städtische Prominenz und Gourmets an die Tische, das Lokal hatte einen eigenen Zauber. Seit 1998 führt Farid Bensouda-Nettlau ein schickes Luxushotel in seinem Heimatland Gambia. Die Coconut Residence ist eine Fünf-Sterne-Anlage, die mit viel Gespür für Design gestaltet wurde. Das Restaurant dort heißt auch Avocado. Dass Frankfurter Avocado führte nach Farid Bensouda-Nettlau für elf Jahre Thierry Muller, der kürzlich seine neue Loft Fifty Two in der Europa-Allee nahe der Messe eröffnete.




Von Wohlfahrt zu Lohninger

Ein Dessert-Könner für Frankfurt

 

Die Patisserie von Harald Wohlfahrt in der Schwarzwaldstube in der Traube Tonbach in Baiersbronn gehört zu den Besten des Landes. Dort arbeitet, um im Bild zu bleiben, die Crème de la Crème. Aus dieser Mannschaft kommt Benjamin Kunert, der jetzt bei Mario Lohninger in dessen Restaurants Silk & Micro im Cocoon Club arbeitet. „Ein Riesentalent“, meint Mario Lohninger. Benjamin Kunert war im Drei-Sterne-Restaurant von Wohlfahrt in der Position des Sous Chef Patisserie und ist bei Lohninger nun Chef dieser Abteilung. Bei ersten Kostproben zeigte Kunert seine Zuckerartistik, wie er es selbst nennt. In einer auf einem Schokoladensockel thronenden Kugel, die aussah wie eine Riesenperle, steckte eine Füllung feinster Vanillecreme. Klassischer Geschmack, originelle Präsentation. Noch spannender und leichter: Weisser Pfirsich, Rosmarin, Kompott & Manni-Olivenöl „per me“ . Die Patisserie von Mario Lohninger war schon immer Spitze, erhält nun aber neuen Schwung.

Benjamin Kunert

Benjamin Kunert gewann erst vor einigen Wochen beim Gastronomiewettbewerb von Valrhona-Schokolade. Der internationale Wettbewerb will das Konditorhandwerk und die Kreativität fördern – und natürlich Valrhona. Kriterien für die Juroren: Technik, Textur, Originalität der Rezepte, Geschmack und Aussehen. Benjamin Kunert, zu dieser Zeit noch Mitarbeiter des Hotels Traube Tonbach, überzeugte mit seiner Dessertinterpretation der „Textures Manjari“ und gewann. Im Finale des Wettbewerbs, der im Rahmen des internationalen Gastronomie-Kongresses „Madrid Fusion“ (24. bis 26. Januar 2012) stattfinden wird, treten alle Gewinner aus Europa und Asien gegeneinander an. Der Sieger erhält ein Preisgeld in Höhe von 5.000 Euro.

Die Zauberkugel von Benjamin Kunert