Jagd auf Zimmermädchen im Hotel?
Strauss-Kahn: Wenn Gäste Schrecken verbreiten
Gut, Gäste von Luxushotels sind nicht grundsätzlich seriöse Menschen. Doch genau so wenig per se Kriminelle. In der Hotelwelt geht es ebenso zu wie in der übrigen Welt, es gibt die Guten und die Bösen. Mit dem Fall des mächtigen Bankers Dominique Strauss-Kahn gewinnt das Thema zusätzlich brisanten Stoff: Wie sicher sind Hotelmitarbeiterinnen, vor allem von Housekeeping und Roomservice? Das Zimmer ist der intimste und am wenigsten geschützte Ort eines Hotels, da es meist keine Zeugen gibt. Sollen die weiblichen Mitarbeiter im Hotel jetzt nur noch bewaffnet aufs Zimmer gehen?
Geschehnisse wie in New York gehören zu einem sonst nur hinter vorgehaltener Hand diskutierten (Tabu)-Thema, denn kein Hotel hat Interesse daran durch solche negativen Schlagzeilen auf sich aufmerksam zu machen. Manchmal kann man sich solchen aber nicht entziehen. Das Sofitel in New York schirmt sich und seine Gäste seit dem Vorfall ab und verwehrt Journalisten und anderen Schaulustigen den Weg, damit der Betrieb normal weitergehen kann. Derzeit werden nur die Hausgäste eingelassen und sonst keine Besucher. Jorge Tito, der erst seit einem knappen Jahr General Manager des Sofitel in New York ist, lässt sich zu dem Vorfall nicht sprechen und lediglich offiziell verkünden, dass die betreibende Hotelgruppe Accor in Paris mit der seit drei Jahren in Diensten stehenden Mitarbeiterin von Housekeeping sehr zufrieden ist – in Bezug auf die Arbeit und das Benehmen. Das Zimmermädchen, eine 32 Jahre alte Mitarbeiterin aus dem westafrikanischen Guinea, betrat nach eigener Aussage die offenbar unverschlossene Suite 2806 in der Annahme, der Gast wäre bereits abgereist. Normalerweise kündigt Housekeeping sein Erscheinen durch einen Ruf an und lässt nach dem Eintritt auch die Tür zum Zimmer weit geöffnet. Nach Darstellung der New Yorker Staatsanwaltschaft sei Strauss-Kahn aus dem Badezimmer gestürzt und habe die Tür zugeschmissen. Vor allem aber: Warum lässt ein prominenter und vermögender Gast seine Zimmertür ungesichert, dazu noch in New York, wodurch er zur leichten Beute von Feinden und Verbrechern werden kann? Solche Details sind noch nicht befriedigend geklärt, der Rest ist bekannt. Dominique Strauss-Kahn musste vorrübergehend seine 60 qm große Suite gegen eine 12 qm kleine Einzelzelle tauschen.
Das Sofitel zählt keineswegs zu den Tophotels der Stadt, liegt aber strategisch günstig in der Nähe des Times Square. Auf 30 Stockwerken verteilen sich 398 Zimmer (Suiten bereits ab 330 € bis 2.200 € die Nacht). Sicherheitspersonal ist 24 Stunden im Einsatz, eine Videokamera überwacht den Eingang. Das alles nützt den Hotelmitarbeitern selbst wohl nichts. Sofitel gehört zu Europas größter Hotelgruppe – der französischen Accor mit 4.100 Häusern in 90 Ländern. Es ist wohl kein Zufall, warum sich der französische Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF) und Anwärter auf das Präsidentenamt Frankreichs gerade diese Adresse ausgesucht hat. Das aber soll nicht in erster Linie aus nationalem Interesse geschehen sein: Der konservative französische Abgeordnete Bernard Debré erklärte, dass Strauss-Kahn das Sofitel in New York mit Wissen des Hotels über Jahre hinweg regelmäßig als Sexherberge genutzt hätte, was die Hotelleitung als verleumderisch zurückwies. Der Begriff, in einem Hotel absteigen, bekommt jedenfalls durch die Affäre zusätzlichen Inhalt – Strauss-Kahns Abstieg ist besiegelt.
Ein noch immer frei herumlaufender prominenter Sohn, der ausschließlich in Luxushotels absteigt, lehrt deren Mitarbeiter das Fürchten. Hannibal Gaddafi, mit 35 Jahren jüngster Spross des libyschen Diktator Muammar al-Gadaffi, randaliert grundsätzlich in Hotels und wurde in Paris und Genf deshalb schon mehrfach verhaftet. Im Interconti Paris richtete er sogar die Waffe gegen das Sicherheitspersonal des Hotels. Im Londoner Luxushotel Claridges schlug Hannibal seiner damaligen Freundin das Nasenbein ein – Polizei und Ambulanz mussten anrücken. Auch das Genfer Hotel President Wilson, das zu den drei teuersten der Welt gehört, hatte keine Freude an dem rabiaten Gast. Dort verprügelte Hannibal neben seiner Begleiterin auch zwei Angestellte. Die Hotelleitung war alles andere als begeistert, als Schweizer Kriminalbeamte den Gast aus seiner Suite holen und abführen mussten. Nach Hannibals Verhaftung forderte sein rasender Vater die Auflösung der Schweiz, was einer nebulösen Kriegserklärung gleichkam. Die Royal Penthouse Suite im Hotel President Wilson zieht sich über die gesamte 8. Etage, hat einen eigenen Fitnessbereich, zudem Whirlpool mit Blick auf den Genfer See, private Terrasse einen Konzertflügel von Steinway & Sons sowie den größten LCD-Fernseher der Welt, der den Salon in ein Kino verwandelt. Die Suite verfügt über eigenes Sicherheitspersonal, einen exklusiven Lift und schusssichere Fenster. Das Hotel schützt seine gutbetuchten Gäste, kann aber weit schwerer das Personal vor den Angriffen martialischer Gäste bewahren. Die 1.600 qm große Royal Penthouse Suite kostet 42.000 € die Nacht, ohne Frühstück. Wer so viel für eine Suite zahlt, meint offenbar das Personal mitgekauft zu haben.
Diese Grundhaltung zeigte sich auch in einem der bekanntesten Pariser Luxushotels, in dem ein vermögender Saudi das Zimmermädchen inklusive verstand. Die Mitarbeiterin konnte einen Notruf absetzen, worauf ein Polizeitrupp noch relativ dezent das Hotel stürmte. In Deutschland sind solche Fälle bislang nicht bekannt geworden. Karl Nüser, geschäftsführender Gesellschafter und Direktor des Nassauer Hofs in Wiesbaden, hat in den 30 Jahren seiner Tätigkeit dort „schon viel erlebt“, zeigt sich aber erleichtert, dass sich solche oder ähnliche Fälle „noch nie ereignet hätten.“ Thomas Kleber, geschäftsführender Direktor des Kameha Grand Bonn zum gleichen Thema: „Wir haben bisher keine negativen Erfahrungen im Bezug auf Belästigung unserer Mitarbeiterinnen am Arbeitsplatz. Es herrscht ein sehr vertrauensvolles und offenes Arbeitsklima und wir würden vom Management jederzeit den Mitarbeiterinnen zur Seite stehen und diese schützen. Durch unsere Regelung gegen Diskriminierung und Belästigung sind alle Mitarbeiter informiert, dass sie sich bei Bedarf vertrauensvoll an die Direktion wenden können.“ Die auf unsere Nachfrage hin eingegangenen Statements anderer deutscher Hotels klingen sehr ähnlich.
Es könnte aber weitaus mehr Übergriffe auf Hotelangestellte geben, als wir das für möglich halten. Es wird jedoch mehr darüber geschwiegen als geredet, vor allem, wenn dabei Prominente im Spiel sind. Auch solche Fälle sind Beispiele einer zunehmend soziopathischen Gesellschaft, die auf Funktionalität setzt, aber ohne Gewissen auszukommen glaubt. Macht bedeutet nicht selten den Verlust von sozialer Kompetenz und Emotionalität und geht einher mit der Missachtung anderer Menschen. Man muss indes einem Zimmermädchen mit dem gleichen Respekt gegenübertreten wie dem Hoteldirektor. Das ist kein sozialistischer Gedanke, dies gebietet die reine Menschlichkeit. Doch leider wissen das nur jene, denen man es ohnehin nicht mehr sagen muss.
Ludwig Fienhold
Bild ganz oben rechts: Jennifer Lopez als Zimmermädchen in dem Hotel-Film Maid-in-Manhattan