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Frechheit: Offenbach hat
jetzt ein gutes Lokal

Das sehenswerte Schaumahl mit neuer Küche

Von Ludwig Fienhold

Ein gutes Lokal in Offenbach? Kann das wirklich sein? Ja, darf es das überhaupt geben? Doch mit dem Schaumahl existiert dort jetzt tatsächlich eine richtig lobenswerte Adresse. Und auch die Frankfurter werden die Grenze überschreiten und die beschwerliche Reise in die verbotene Stadt antreten, wobei sich die ersten schon getraut haben. Zur Beruhigung nur dies vorneweg: Alle, die im Schaumahl arbeiten, kommen aus Frankfurt. Vor allem den Gastgeber Pit Punda kennt man aus den bekannten Frankfurter Lokalen Emma Metzler, Cyrano und Zarges. Der junge Küchenchef Christoph Kubenz hat bei Juan Amador gelernt und auch sonst in guten Häusern Station machen können.

Das Schaumahl zeigt schon optisch Charakter. Der Jugendstilbau aus dem 19. Jahrhundert steht unter Denkmalschutz und wurde von Hausbesitzer Stefan Lang mit Sinn für historische Details restauriert. Die extravagante Schmucksäule, der Dielenholzboden und der Eingang mit den bunten Glasfenstern schaffen bereits Atmosphäre, die durch gemütvolle Landhausrustikalität und blankgescheuerte Holztische unterstützt wird. 34 Gäste finden Platz, wer mag, kann auch nur auf ein Glas Wein an die Theke kommen. Freitags und samstags sollte man reservieren, sonst kann es auch spontan klappen. Pit Punda und seine rechte Hand Esra Egner sind bessere Gastgeber als viele herausgeputzte Möchtegerns in noblen Häusern. Es geht locker und munter zu, aber dennoch professionell im Handling und bei der Beratung.

Die Speisekarte fällt mit einem Dutzend Gerichten kompakt aus, was angesichts der Relation zwischen Küchebesetzung und Gästezahl auch richtig ist und sich positiv auf die Qualität auswirkt. Christoph Kubenz ist ein schlüssiger Vertreter der neudeutschen Küche, die europäische Wurzeln hat, aber sich auch ungeniert orientalischer und asiatischer Einflüsse bedient – doch stets so, dass es nie aufgesetzt, sondern wie selbstverständlich erscheint. Beim Lammrücken mit ganzen Kichererbsen und Kreuzkümmel etwa hat man es mit einer unmittelbar wirkenden und ausdrucksvollen Kombination zu tun. Die Kichererbsen werden hier nicht zu Brei gemacht und kommen effektiver und gut gewürzt im Ganzen zum Einsatz, dem feinen und bestens gegarten Sylter Lamm wird mit einigen groben Körnern Fleur de Sel mehr Geschmack herausgekitzelt. Beim sukkulenten Adlerfisch überzeugen nicht allein der Fisch und seine Konsistenz, auch die geschmeidig-saucige Begleitung aus Radieschen, Staudensellerie und Karotte ergänzt in delikater Zartheit. Die Desserts sind so, als hätten Opa und Enkel zusammen das Beste aus ihrer beider Zeit herausgeholt – Bravo!

Küchenchef Christoph Kubenz

Hier ist mit 26 Jahren ein junges Talent am Werk, dem man bereits in seiner ersten verantwortlichen Position handwerklich gekonnte Geschmackssicherheit attestieren kann. Christoph Kubenz war Commis und Chef de Partie bei Juan Amador in Langen und Souschef im Maintower in Frankfurt. Beim strengen und starken Christian Lohse in Fischers Fritz im Hotel Regent in Berlin hat er drei Monate gearbeitet. Und im opulenten Wichtigtuer-Club Mar-a-Lago von Donald Trump in Palm Beach in Florida konnte er es auch aushalten. Christoph Kubenz zählt jedenfalls durch seine sensible und doch deutliche Handschrift zu den Hoffnungsträgern der jungen deutschen Küche, wenngleich noch Spielraum ist. Unterstützt wird er im Offenbacher Lokal Schaumahl von Judith Möhrstädt und Ilja Braun, wobei es keine strikten Positionen gibt und jeder alles machen muss.

Kubenz, Möhrstedt, Ezra, Punda (v.li. nach re.)

Die Harmonie des Teams ist spürbar, auch zwischen Küche und Service gibt es keine der üblichen Störfeuer. Im Schaumahl hilft an hektischen Tagen sogar schon mal Hausherr Stefan Lang mit und spült die Gläser. Ein großer Pluspunkt ist die Weinkarte. Pit Punda ist ein Ausgepichter, der nicht nur auf gute und bekannte Namen zugreift, sondern viel lieber mit Entdeckungen überrascht. Zum Beispiel mit den Weinen des Guts Pfannebecker aus dem rheinhessischen Worms-Pfeddersheim, das eine sehr gelungene Kollektion vorlegt, wobei sogar der Chardonnay mit leichtzüngiger Frische und Saftigkeit überzeugt. Auf den Gast wartet ein ganzes Füllhorn an guten Weinen von St. Antony, Wittmann, Rings, Spreitzer, Leitz oder Kühling-Gillot aus Deutschland. Erstklassig auch die südfranzösische Domaine de Trevallon und der Châteauneuf du Pape Pegau, sonst eher selten zu bekommen der Ai Suma von Giacomo Bologna aus dem Piemont. Lobenswert auch, dass es die Apfelschaumweine von Andreas Schneider aus Nieder-Erlenbach gibt, regionale Qualitäten sollten immer eine wichtige Rolle spielen. Mit dem Schaumahl überrundet Offenbach jedenfalls viele Frankfurter Lokale – weil es ein stimmiges Konzept hat, mit guter Küche und ausreichend guten Weinen, gastfreundlichem Service und einem insgesamt lustvollen Auftritt.

schauMAHL, Offenbach, Bismarckstr. 177, Tel. 069 8299 3400. Geöffnet Mo – Sa 8 – 1 Uhr, So geschlossen. Gästeparkplätze gegenüber Ecke Bismarckstr./Ludwigstr.  www.schaumahl.de

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Ciao Mimmo!

Der Pasta-Pate verlässt
das Restaurant La Villa

 

Paride „Mimmo“ Nicoli verlässt das Opel-Villen-Restaurant in Rüsselsheim. Seine authentische italienische und von seiner Heimat Friaul geprägte Küche hat ihn im ganzen Rhein-Main-Gebiet bekannt gemacht. Bis zum 31. Mai ist noch Gelegenheit ins Restaurant La Villa zu gehen. Bislang hat Mimmo kein neues Restaurant, ihn zieht es aber nach Mainz oder Frankfurt. Rüsselsheim, ohnehin sehr arm an attraktiven Zugpunkten, verliert damit den bislang einzigen gastronomischen Magneten. Nach acht Jahren war es für Mimmo Zeit für eine Neuorientierung, zumal der Standort immer problematischer wurde. Neuer Mieter in der Villa wird Fernsehkoch Michael Beck, der zudem noch das Restaurant La Fayence und die Flörsheimer Warte im Rheingau betreibt.

Die Opel-Villen sind auch ein architektonischer Leckerbissen. Das Haus aus dem Jahre 1915, in der klarlinigen Form von Historismus und Jugendstil entworfen, birgt trotz altem Parkett und Deckenstuck keinen Prunk. Aura und Design sind von erhabener Gelassenheit, wenngleich hier mit italienischem Temperament neues Leben erweckt wurde. Nicoli Paride, besser bekannt als Mimmo, verzichtet bei der Ausstattung und auf dem Teller auf Zierrat und kommt geschmacklich gleich zur Sache. Im Restaurant wird das serviert, was morgens eingekauft wurde. Die gegrillte Goldbrasse, saftig und fest im Fleisch, bedarf nicht mehr als einiger Tropfen Olivenöls. Bei der geschmorten Entenkeule, die zart vom Knochen fällt, erweisen sich Röstkartoffeln als angenehme Begleitung. Süffige Schmorgerichte sind eine Spezialität der Küche, die zu jeder Jahreszeit schmecken. Die Lammschulter wird in Rotwein lange auf dem Feuer gehalten und mit Polenta serviert. Mimmo prahlt nicht wie andere damit, dass dazu Barolo verwendet wird – er nimmt so oder so nur gute Weine für seine satten Saucen. Die Küche steht für einen lebendig-herzhaften Trattoria-Stil auf hohem Niveau, vieles kommt aus dem Backofen oder der Pfanne. Authentisch und bissecht sind auch die vielen Pasta-Varianten, die allein den Weg lohnen. Solche Nudeln macht kaum jemand so gut wie Mimmo.

Die meisten Sorten sind hausgemacht, selbstverständlich bereitet sie der Pasta-Pate al dente zu. Unbedingt probiert haben muss man Pici mit Ragout von der Kalbshaxe, Bigoli mit Entenragout und die friaulinischen Blecs mit Kaninchen. Sehr gut außerdem Minzi, gegrillte Nudeln mit Ochsenschwanz und Meerrettich oder hausgemachte Bigoli aus Käse, Spinat und Mangoldblättern mit Käsecreme und Walnüssen. Typisch Friaul und anders als andere Nudelgerichte sind Cialsons – Tortellini gefüllt mit einer Masse aus Quittengelee, Feigen, Rosinen, Zimt, Kartoffeln und geräuchertem Ricotta. Zudem gibt es gute und günstige Mittagsmenüs (3 Gänge plus 1 Glas Wein 22,50 €, mit zusätzlichem Pastagang 29,50 €).

Aus Mimmos Heimat, dem Friaul, stammt auch das Gericht Cotechino, dort Musett genannt. Ein Arme-Leute-Essen, wie vieles aus diesem Bereich eine deftige Delikatesse. In der warmen und wunderbar würzigen Wurst hat so ziemlich alles vom Schwein Platz gefunden, vor allem aber Speck, Schwarte und Fleisch. Sie schmeckt einfach nur auf einem Stück Polenta, doch Mimmo setzt dazu als erfrischendes Element Linsensalat mit Speck und roten, leicht süßlichen Zwiebeln ein und kombiniert dies mit sehr guter hausgemachter Entenstopfleber mit Mostarda, kandierten Senffrüchten. Mimmos Küche ist nicht vordergründig, er pflegt das raffiniert Einfache. Zu den schönsten Fleischgerichten gehören die in Rotwein geschmorten Kalbsbäckchen mit Polenta und weißen Zwiebeln und die konfierte Kaninchenkeule mit Olivengnocchi und gebratenem Fenchel. Auf der Terrasse lässt es sich angenehm bis in den späten Abend sitzen, zumal keine Nachbarn gestört werden können.

Mimmo und Lucia

Der Weinkeller hält viel Gutes bereit, kaum sonst wo kann man zu solch fairen Preisen große Barolos und andere erstklassige Tropfen bekommen. Der Barrique-Sauvignon von Ronco del Gnemiz führt die Nase in einen duftigen Sommergarten, von Castellada gibt es den besten Pinot Grigio Italiens, Anselmi sorgt für erstklassige und gehaltvolle Terrassenweine. Wer herausragende Rotweine sucht, wird bei Elio Altare und anderen Großen aus dem Piemont oder der Toskana fündig. In der Villa gibt es zudem nicht irgendeinen Prosecco, sondern einen erstklassigen Rosé-Spumante von Nino Franco. Mimmo kommt oft persönlich aus der Küche, um Gerichte zu empfehlen und zu erklären. Doch kann er sich auch auf einen sachkundigen und aufmerksamen Service verlassen – allen voran Lucia, die auch eine gute Pasta-Köchin ist.

LF

La Villa, Rüsselsheim, Ludwig-Dörfler-Allee 9, Tel. 06142 2 10 09 55. Täglich geöffnet 12 – 14 Uhr, 18 – 2.30 Uhr (Küche), Montag und Samstagmittag geschlossen. Hauptgerichte 14 – 25 Euro.

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