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Die Gastro-Guttenbergs

Nur die Ehrlichkeit adelt

Produkt-Fälscher, Ideen-Diebe und Etikettenschwindler gibt es auch in der Gastronomie. Der Betrug am Gast darf nicht länger geduldet werden, schon gar nicht vom Gast selbst.

Als Kurt-Theodor zu Guttenberg ankündigte, er wolle seinen Doktortitel an die Universität Bayreuth zurückgeben, nutzte er dabei eine altbekannte Finte aus der Gastronomie. Von dort tönt es auch immer wieder gerne, man habe die Sterne an den Michelin zurückgegeben – was dann verschnarchte Journalisten stets brav nachschreiben. In beiden Fällen gibt es jedoch kein Rückgaberecht. Nur die Uni selbst kann die Promotion aberkennen, nur der Gourmet Guide die vergebene Auszeichnung wieder streichen. Es ist auch eine Täuschung, wenn Ex-Sterne-Köche mit diesem Titel so werben, als wären sie noch im Besitz desselben. Wenn Fernsehanstalten wie der Hessische Rundfunk mit ihrem „Sterne-Koch“ Michael Beck werben, ist dies ebenfalls nicht reell, denn diese Auszeichnung erhielt er nur einmal und zwar vor 15 Jahren. Jede Auszeichnung in einem Gourmet Guide gilt nur für den Zeitraum eines Jahres und muss immer wieder neu erarbeitet werden.

Lügengastronomen servieren uns in den drei vier Monaten der Saison auch mit falschen Trüffeln das teuerste Lebensmittel der Welt. Wenn man sieht, wie viele italienische Lokale allein in Deutschland in der Lage sein wollen, weiße Trüffeln anzubieten, fragt man sich, wie es wieder einmal gelingen konnte mit der knappen Ernte die ganze Welt beliefern zu können. Die weißen Alba-Trüffel, die schon lange nicht mehr nur aus der Region stammen, werden von anderen weniger hochwertigen ersetzt und kommen eher selten aus dem Piemont. Mit Trüffelöl kann man ohnehin jede Pasta so schmecken lassen, wie der Gast glaubt, dass sie schmecken müsste. Trüffel lassen sich jedoch nicht natürlich konservieren, die so gerne verwendeten Öle verdanken ihren Duft der Chemie – einer aus Flüssiggas gewonnenen Substanz namens Bismethyltiometan.

Dabei riecht Trüffel viel mehr und besser als er tatsächlich schmeckt – dieser Ekstasestoff entfaltet seinen Zauber vor allem über die Nase. Ein Fall für Fälscher ist auch der aus dem Périgord stammende schwarze Trüffel. Die Jahresmenge von rund 30 Tonnen wird auf der ganzen Welt verteilt und ist in jedem besseren Restaurant zu haben, was schon rein rechnerisch niemals der Wirklichkeit entsprechen kann und nur der Gier geschuldet ist. Bei Preisen von mindestens 1000 € für das Kilo ist die Verlockung groß, den Stoff zu strecken – man lernt offenbar von Drogendealern. Betrügerische Händler mischen seit Jahren Himalaya-Trüffel unter die Knollen  – aromafreie minderwertige Ware, die auf dem Schwarzmarkt 20 Euro kostet und meist aus China stammt. „Es merkt ja eh keiner“, ist der Wahlspruch von zu vielen Gastronomen.

Das gilt leider für so vieles. Deshalb wird auch weit mehr Bretonischer Hummer auf der Welt verkauft als es ihn überhaupt gibt. Deswegen bekommen die Gäste statt japanischem Kobe Beef meist australisches, amerikanisches oder kanadisches Wagyu, was so ähnlich ist, aber eben nicht dem Original entspricht. Nur Wagyu-Rinder, die in der japanischen Region Kobe aufgezogen, gemästet und geschlachtet wurden, dürfen den Namen Kobe tragen (ähnlich wie beim Champagner sind die Grenzen klar gesetzt). Echtes Kobe-Fleisch ist auf jeden Fall außerhalb Japans so gut wie nie zu bekommen. Auch hier darf man die Rechnung getrost ohne den Wirt machen – nur gut 3000 Rinder in Japan werden als Kobe-Fleisch deklariert.

Produktschwindel ist deshalb so verwerflich, weil damit Gäste nicht nur um Geld, sondern auch um den echten Geschmack betrogen werden. Wie unvergleichlich können weiße und schwarze Trüffel schmecken, wie einzigartig ist Caviar in seiner knackigen Perlung und einem nussigen Geschmack, der sich mit dem Duft einer frischen Meeresbrise mischt. Doch was bekommen Gäste in der Regel? Einen Haufen Matsch, der nach Jod und Moder riecht. Oder einen Pseudo-Caviar, der aus sogenannten Aquakulturen stammt und kaum noch so etwas wie einen Eigengeschmack aufweist.

Täuscher sind überall auf dem Vormarsch. Es ist wichtig, sich ihnen in den Weg zu stellen. Die Gäste müssen kritischer werden und dürfen sich nicht alles ungefragt vorsetzen lassen. Ob Imbissbude oder Gourmetrestaurant – von allen muss nachvollziehbar sein, woher die Ware kommt und von wem genau sie stammt. Manche Köche nennen in ihren Speisekarten die Herkunft der verwendeten Produkte und die Erzeuger.  Das weckt nicht nur das Vertrauen, sondern auch den Appetit.

L.F.

Mit falscher Zunge

Großhändler und Köche sehen das Wörtchen „Seezunge“ manchmal  eher als Gattungsbezeichnung für Plattfische. Wenn wir, die Gäste, eine solche bestellen, meinen wir ein Tier der Gattung solea solea. Wir bekommen aber zum Beispiel cynoglossus senegalensis. Oder  „American sole“ aus der Familie der Achiridae. Niemand braucht ein großes Latinum, um zu erkennen, dass sich die Fische unterscheiden. Zunächst im Geschmack, so ein cynoglossus hinterlässt auf der Zunge nur einen faden Abglanz echten Seezungenaromas. Doch auch im Preis, denn der Wirt spart 60 bis 80 Prozent.

Aufgrund ähnlicher Körperform werden uns zuweilen preiswerte Klieschen (Limanda limanda) als Seezunge vorgesetzt, natürlich als Filets.

Undenkbar, weil jeder Koch doch einen Eid darauf schwört, dass er für seine Gäste nur das Beste will?

Laut offiziellen Zahlen aus dem „Service de la consommation et des affaires vétérinaires – Département de l’économie et de la santé – République et Canton de Genève“ aus dem Jahr 2008 sind in der Schweiz immerhin 14% des Wilds, 37 (!) % der Fleischzubereitungen und 17% der kontrollierten Fische nicht korrekt ausgezeichnet, dem Verbraucher wurden also andere, günstigere Tierarten angedreht als auf Etiketten und Gerichten ausgewiesen.

Das „chemisches und Veterinäruntersuchungsamt Sigmaringen“ testete Seezungen im Jahr 2003: Eine von acht Proben war ein Cynoglossus.

Und es geht noch schlimmer: Bei Stichproben in New Yorker Sushi-Restaurants und Fischhandlungen wurden massig Meerestiere unter falschem Namen verkauft: Tilapia wurde zu „Weißer Thunfisch“, Rogen vom „fliegenden Fisch“ stammte in Wahrheit vom Stint, vermeintlicher Red Snapper entpuppte sich auf dem Teller als alles Mögliche. Sieben von neun Snapper-Proben waren falsch. Zwei Schüler deckten den Fisch-Schwindel mittels DNA-Tests auf. Ob die Test bei europäischen Sushi-Adressen wirklich besser ausfallen würden?

J.Z.




In Teufels Küche

Das flammende Inferno eines Restaurantkritikers

Von Jörg Zipprick

Vor etwa 25 Jahren habe ich mich kopfüber in den großen Kessel Gastronomie gestürzt. Schön war es, als die Dinge auf einmal nach dem schmeckten, was sie waren. Für uns in Deutschland war das ja bei weitem noch nicht selbstverständlich, zumindest im Alltag. Freudig löffelte ich mein Süppchen und schaute bewundernd zu ihnen hoch, den Spitzenköchen, Halbgöttern in Weiß. Ich weiß noch wie glücklich ich war, als mir vor zwanzig Jahren der erste Autorenvertrag zugestellt wurde. Es folgte ein Reigen aus Leckereien bei Fredy Girardet in Crissier, Michel Guérard, Alain Ducasse, Gualtiero Marchesi, Joel Robuchon, Dieter Müller, Dieter Kaufmann und wie sie alle heißen, unterbrochen von Besuchen in Metzgereien, Käsereien, Bäckereien und beim Winzer.  Es schmeckte. Sicher, es gab auch Reinfälle: Froschschenkel, gebraten am ganzen Frosch. Entenbeinchen im Vorstadium der Mumifizierung, Rotbarben mit dem Aroma von Stroh, verfehlte Garzeiten, vergammelnde Zutaten… das küchenübliche halt, das in vielen Restaurantkritiken auftaucht.

Molekular-Mogul Ferran Adrià

Es ging mir gut; zumindest bis mein Magen den Appetit und mein Hirn die Lust am Superlativ verlor. Die Zeiten hatten sich geändert: Jungköche drehten plötzlich Filme mit Titeln wie „Wir sind die Revolution“. Auf den Speisekarten wimmelte es von Gerichten mit Namen wie „Falsches Ei“, „unsichtbares Gericht“ und „virtuelle Brombeeren“. Nur die Preisspalte blieb ganz und gar nicht im virtuellen, sondern siedelte sich in der Rubrik „Unverschämtheiten 2.0“ an.

Die Gastronomie von heute lebt von Mythos und Wortgeklingel; was dahinter steckt wird unter diesen beiden Feigenblättern – „Feigentapeten“ wäre der bessere Ausdruck – sorgsam verborgen. Zeitgleich mit dem Virtuellen sickerten nämlich ganz reale  Zusatzstoffe, Geschmacksverstärker, Farbstoffe, Emulgatoren in die Haute-Cuisine. Einer der Gründe, weshalb ich überhaupt ins Restaurant gehe, ist, dass ich dort handwerklich auf hohem Niveau zubereitete Speisen genießen möchte – und eben nicht die Methoden der Food-Industrie vorgesetzt bekommen möchte, die es in jedem Supermarkt bedeutend günstiger zu genießen gibt. Doch schreibende Kollegen erklärten Additiv-Orgien zur „künstlerischen Ausdrucksform“.  Besonders gern hörte ich, dass „die Industrie Additive zur Kostensenkung nutzt, Köche sie jedoch zur Kreativitätssteigerung einsetzen“. Solch gute Vorsätze sind mir völlig egal. Die Additive wandern nun einmal in meinen Körper. Nicht alle tun mir gut, das hatte ich mehrfach schmerzhaft erfahren.

Spitzenkoch Juan Amador

Gelehrt dozierende Geschmacksphilosophen breiteten sich jetzt im kleinen Kritikervolk aus wie Fußpilz im öffentlichen Hallenbad. Sie verfügen über ihre eigene Nomenklatur. Ihre Sprache gleicht einer alten Star Trek Folge, wenn Bordingenieur Scotty verkündet, man müsse jetzt dringend den Protonenflux umkehren, um die Schutzschilde zu verstärken. Und wenn Scotty das in der Hektik des Phaser-Gefechts erklärt, dann glaubt man ihm das fest. Genauso wie man fast an „kulinarischen Strukturalismus“ glaubt, wenn man solche Wortgebilde in renommierten Zeitungen liest. Ja, mit den neuen Köchen kamen auch die neuen Kritiker. Die waren „anders“. Vor allen Dingen waren sie nicht mehr kritisch. Mit den Jungköchen hatten sie gemeinsam, dass sie bei jeder Gelegenheit herauskrakeelten, jetzt sei ihre Stunde gekommen. Ganz bestimmt. Sicher. Darauf könne man sich verlassen. Entsprechend schrieben sie nicht mehr für die Gäste, sondern für die Köche. Die Anerkennung eines Kochs, das ist heute mehr denn je die Anerkennung in Fachkreisen. Sollen die Leser doch sehen, wo sie bleiben.

Kochlöffelgröße Alfons Schuhbeck

Selbst im altehrwürdigen Michelin hielten kuriose Sitten Einzug: Die Lebensgefährtin von Direktor Jean-Luc Naret hängte schon letztes Jahr ihren Zivilberuf an den Nagel, um Websites und PR-Maßnahmen für Köche zu konzipieren. Gegenwärtig mutiert auch Naret selbst zum Consultant, für Restaurants, Hotels… und den Guide Michelin. Chefredakteurin Juliane Caspar verlieh ihrem ehemaligen Arbeitgeber, dem Koch Joachim Wissler, die legendären drei Himmelskörper. Der ehemalige Frankreich-Direktor Mesplède schenkte Köchin Anne-Sophie Pic so ein Dreigestirn. Mesplède kannte die „Maison Pic“ bestens. Als freier Journalist hatte er mit Frau Pic ein Kochbuch mit dem Titel „Im Namen des Vaters“ verfasst. Klingt das wirklich unabhängig und überparteilich?

Die Gastronomie von heute sieht ganz anders aus, als unsere Starköche es Autoren in den Block diktieren. Statt echter Seezunge (solea solea für den Zoologen) gibt es cynoglossus senegalensis, umgangssprachlich auch eine Seezunge. Man braucht kein großes Latinum, um zu erkennen, dass sich beide Tellertiere unterscheiden, auch beim Preis. Trüffeln kommen aus China, schmecken nach nichts und werden mit Trüffelöl aufgepeppt. Nachgewürzt wird mit Convenience von Großkonzernen. Drei Sterne Koch Gordon Ramsay besaß sogar eine Convenience-Fabrik, die seine Lokale belieferte.

Der Große aus dem Norden, Rene Redzepi

Und ganz neu: Aromen werden einfach auf Gerichte aufgesprüht. Es sind dieselben Aromen, die im Erdbeerjoghurt ohne Erdbeeren stecken. Köche, die sich in dieser Disziplin üben wollen, können bei Sosa in Barcelona ein Set mit 190 verschiedenen Duftrichtungen erwerben.  Wie heißt es so schön in einem der Prospekte:

„Aromen rechnen sich:
Keine Probleme mit Vorratshaltung, Qualität, Jahreszeiten, kein Kleinschneiden, keine Mazeration, keine Haltbarkeitsprobleme, keine Verluste! Alles gewonnene Zeit: Aromen garantieren eine gleichbleibende Qualität von der ersten bis zur letzten Verwendung.“

Sympathieträger Alexander Herrmann

Nur moralisch sehr gefestigte Köche können solchen Versuchungen widerstehen. In Spanien verbündete sich ein Betreiber von Zusatzstoff-Datenbanken mit einer staatlich finanzierten „Küchen- Universität“, Steuermillionen flossen (und fließen) für Zusatzstoff-Gerichte, Avantgardisten kleben Hase und Igel mit Transglutaminase oder „Fibrimex“ zusammen. Da können namhafte Köche noch so häufig Eide auf ökologisch verträgliche, nachhaltige Küchenpraktiken schwören und sich selbst zu „new naturals“ stilisieren. Ich glaube ihnen nicht mehr, ganz einfach weil unter den Unternehmen, die Profiköche mit all dem Additiv- und Aromenzauber versorgen, keine Pleitewelle auftritt. Es geht aufwärts: Etwa bei Sens Gourmet auf dem Großmarkt Rungis, einem Händler, der hauptsächlich Additive, Aromen sowie Pizza- und Bratsprays („gibt Gemüsen Glanz“) führt. Er verzeichnete 2007 und 2008 Umsatzsprünge von mehr als 50 Prozent. Vom TV-Koch, der Unilever-Saucen rühmt, bis zum „Avantgarde-Koch“ der Zusatzstoffe und Aromen einsetzt, bildet sich eine unheimliche Allianz aus Herdmeistern und Food-Industrie.

Top Toque Paul Bocuse

Seit Jahren sang man uns das Lied von den besten Produkten und der absoluten Frische der Zutaten vor. Und jetzt? Zusatzstoffe, Aromen, Zutaten aus der Chemiefabrik. Das System, damit meine ich auch die Gastronomiekritik, hatten versagt: Die Lügner sind oben, bewundert von allen. Die Ehrlichen sind wirklich die Dummen. Denn natürlich gibt es ehrliche Köche, es sind sogar besonders viele, auch wenn ihre Medienpräsenz in den letzten Jahren beständig abgenommen hat. Sie glauben an ihr Hohelied auf erstklassige Zutaten und lassen sie sich etwas kosten. Schließlich existiert eine riesige Grauzone: Köche die hier und da mal ein paar Gerichte mit Additiven aufblähen und mit Aromen „nachwürzen“, ohne gleich eine Philosophie daraus zu machen. All die Unternehmen, die unseren Herdmeister ihre „kleinen Helfer“ verkauften, hatten eine Meisterleistung verbracht. Sie waren von oben in den Markt eingesickert, über die „weltbesten Köche“, die Vorbilder und Modelle einer ganzen Branche. Andere Herdmeister orientierten sich an ihnen… und wurden selbstverständlich Kunden.

Solche Entwicklungen kann man als Einzelperson nicht aufhalten. Man kann sie aber beschreiben – und das war der Grundgedanke für „Teufels Küche“.

Werbe-Ikone Cornelia Poletto

Alle genannten Köche kommen in dem Buch „In Teufels Küche“ vor – positiv und negativ.




Eine Bar von Weltklasse

Hotel-Test Breidenbacher Hof

Vor allem die Bar begeisterte den Hotel-Tester bei einem Aufenthalt im Breidenbacher Hof in Düsseldorf. Die führende Fachzeitschrift Tophotel untersucht die hochpreisigen Vertreter der Luxusklasse und prüft bei ihren anonymen Quality Checks alle relevanten Abteilungen eines Hauses auf Herz und Nieren. Über die Capella-Bar heißt es: „Die Bar nimmt den Gast von der ersten Minute an in die Arme.“ Neben der Ausstrahlung spielen aber vor allem das Angebot und die Handwerklichkeit eine entscheidende Rolle. „Allein das Avantgarde-Cocktail-Menu ist eine großartige Idee: Zu fünf hochspeziellen Cocktail-Ideen werden drei korrespondierende kulinarische Miniaturen gereicht (75 €). Beispiel: Liquid Kitchen mit Hendrick´s Gin, Agavesirup, Gin, Zitronensaft, Maccheroni und dazu Medaillons zum Gewürzlachs mit Gurke und Saiblingskaviar.“ In dieser Bar kann man laut Testbericht offenbar bestellen, was man will, stets erhält man „gute Grundprodukte, präzise Handwerklichkeit und einen Schuss Individualität.“

Barchef Ewald Stromer

Besonders gut kommt ein Drink namens „Mixology“ an: hausgemachter Sellerie-Vodka, Sellerie, Apfel, Apfelsaft, Zitronensaft, Agavesirup und Zimt. Die Bar von Chefkeeper Ewald Stromer wird durch die sehr selten von Tophotel vergebene Bewertung „Weltklasse“ als eine der allerbesten empfunden. Stromer arbeitete zuvor im Hotel Kempinski in Falkenstein im Taunus bei Frankfurt und wurde auch vom Gourmet Guide Gault Millau zum Barkeeper des Jahres 2006 gewählt. Der General Manager des Breidenbacher Hofs in Düsseldorf ist übrigens wieder sein damaliger Direktor, Cyrus Heydarian, der das Kempinski Falkenstein und die Villa Rothschild führte.

Bei dem Hotel-Test überzeugten ebenfalls die luxuriösen Zimmer (ab 255 €) und die komfortablen Bäder, Roomservice und Frühstück gaben keinen Anlass zur Kritik. Nur ein schwaches befriedigend gab es für das Hausrestaurant. Ganz schlecht: Das Reservierungshandling.

Hoteldirektor Cyrus Heydarian

Fazit des Tests: Der Breidenbacher Hof hat unverkennbare Vorteile: Die Location in prominenter Lage an der Königsallee im Herzen der Stadt, große komfortable Zimmer und exquisite Bäder, freundlichen Service, behagliches Ambiente und entspannte Atmosphäre, eine Weltklasse-Bar als Wohnzimmer für die Welt und Düsseldorf, individuelle Ideen, wie die flexiblen An- und Abreisezeiten und den privaten Living Room mit persönlicher Betreuung für alle Hotelgäste. Insgesamt schneidet das Fünf-Sterne-Hotel der Capella-Gruppe mit einem „sehr gut“ ab.

Der vollständige und sehr detailgenaue Test-Report ist zu lesen unter: www.tophotel.de




Ein Himmel voller Sterne

Abschied von Küchenstar Santi Santamaria

Von Ludwig Fienhold

Santi Santamaria, einer der ganz großen Köche der Welt, ist im Alter von 53 Jahren gestorben. Er erlitt einen Herzinfarkt in dem vor acht Monaten eröffneten und von seiner Tochter Regina geführten Restaurant Santi im spektakulären Hotel-Casino Marina Bay Sands in Singapur. Seine naturnahe moderne katalanische Küche war die erste in Katalonien, die dem französischen Michelin drei Sterne wert erschien. Der Autodidakt, der auf dem Weg war Ingenieur zu werden, entschied sich erst im Alter von 24 Jahren für den Kochberuf. Sein Restaurant Can Fabes in der Nähe von Girona hält seit 1994 drei Sterne im Michelin. Unter dem Patronat von Santi Santamaria stehen insgesamt sieben Restaurants in Sant Celoni, Barcelona, Madrid, Toledo, Singapur und Dubai, in Spanien hält er damit insgesamt sieben Sterne. Der eher der Tradition verpflichtete Produktfanatiker Santi Santamaria war der kulinarische Gegenspieler des spanischen First Class Alchemisten Ferran Adrià, mit dem er sich verbale Schlachten lieferte. Das Tragische am Tod von Santi Santamaria: Er starb umgeben von Menschen, die in den letzten drei Jahren kübelweise Dreck über ihn ausgegossen hatten. Als Versöhnungsversuch hatte er viele spanische Autoren nach Singapur eingeladen, „um ihnen zu zeigen, wie ein gutes Restaurant funktioniert“.  Mancher Nachruf in Spanien liest sich wie eine letzte Abrechnung. Santi Santamarias Nachfolger ist sein Schüler Xavier Pellicer.

Drei-Sterne-Restaurant Can Fabes in Sant Celoni

Unter den spanischen Köchen war der gemütvolle und doch wortgewaltige Santi der größte Sympathieträger, seine offene klare Art hatte nie die Manieriertheit anderer Starköche. Er sah sich als Erneuerer der spanisch-katalanischen Küche, ohne dabei aber den klassischen Nährboden zu verlassen. Auf der teilweise aberwitzigen „Madrid Fusion Conference“ brüskierte er viele Kollegen: „Wir sind eine Bande von Schwindlern, die den Snobs die Zeit vertreibt. Das einzige, was für uns von Bedeutung sein sollte, ist das Produkt, das aus der Erde wächst, durch den Ofen in den Mund wandert.“ Dem ganzen medialen Interesse stand er sehr skeptisch gegenüber: „Es ist ein großes Problem, denn `la grande cuisine professional´ benötigt Ruhe. Heutzutage umgeben Fernsehen, Zeitungen und Magazine das Kochen und sorgen für zu viel Trubel. Am Ende ist das eigentlich nur noch Show-Business.“ Santi Santamaria kritisierte Kollegen, die zu viel Chemie ins Essen brächten, vor allem Ferran Adrià.  Er wurde deshalb stark attackiert und sprach selbst von Mobbing. Der Gastronomie-Journalist Jörg Zipprick meint, dass man Santi Santamaria mundtot machen wollte. „Er wurde vom eigenen Berufsstand regelrecht exekutiert.“ Am Freitag, 18. Februar, wurde Santi Santamaria in seinem Heimatort Sant Celoni unter großer Beteiligung der Öffentlichkeit feierlich verabschiedet.

Der erst letztes Jahr eröffnete Hotelkomplex Marina Bay Sands in Singapur, in dem Santi Santamaria in seinem Restaurant jetzt einen Herzinfarkt erlitt.

Wir haben Santi Santamaria erst kürzlich in Dubai ein letztes Ma(h)l erlebt, wo er mit dem Ossiano ein sehr spannendes Restaurant im Hotel Atlantis betrieb. In diesem Dinner-Aquarium spielt eigentlich die Optik die Hauptrolle – wenn der Hai fast schon ins Weinglas am Tisch zu schwimmen scheint, schlagen leicht Wellen der Begeisterung. Doch das Restaurant zeigt auch Qualität. Im Hotel Atlantis sind zudem andere Starköche zu Hause, Locatelli lässt dort aber ebenfalls nicht nur unter seinem Namen arbeiten, sondern überprüft regelmäßig die Qualität seiner Mannschaft – die auch entsprechend erstklassige Arbeit leistet. Auch Santi Santamaria war mehrmals im Jahr im Hotel, um sein Restaurant dort zu betreuen und persönlich am Herd zu stehen. Als wir ihn beim letzten Ma(h)l in Dubai trafen, erschien er entspannt und lebenslustig. Dieser in sich ruhende Teddybär wirkte keineswegs erschöpft. Santi war im Grunde kein Jet-Setter, wurde aber letztlich durch seine weltweite Arbeit dazu. Der Katalane stammte aus einem 200 Jahre alten Familienbetrieb in der spanischen Provinz und wurde schnell in die Welt katapultiert – sieben Restaurants sind nicht nur eine Herausforderung, sie machen vielleicht den Horizont größer, aber auch das Herz schwächer.

Restaurant Ossiano im Hotel Atlantis in Dubai

Das Ossiano ist das gastronomische Aushängeschild des Hotels Atlantis – ein arabisches Neuschwanstein. Die Menüpreise liegen zwischen 160 und 200 Euro. Zwischen den bestellten Gängen werden auch noch kleine Gerichte zum Nulltarif serviert. Ein erstklassiger Appetithappen ist das Sashimi von der Gelbschwanzmakrele mit Pesto. Insgesamt neigt die Küche eher zu kräftiger Zubereitung und großen Portionen. Der Seeteufel war sehr festfleischig und delikat und schwamm in einem ausgesprochen intensiven Fond. Santi Santamaria war ein Meister der Fonds. Bei diesem gehaltvollen katalanischen Fischtopf namens Suquet wird auch nicht mit Knoblauch gespart. Dieses Signature-Gericht schmeckte in Santis Hauptrestaurant Can Fabes nicht anders als in Dubai. Leichter zeigten sich Octopus mit geräucherter Paprika sowie Königskrabbe mit Couscous, Yoghurt und Curry. Der Wolfsbarsch (mit Auberginen, Artischocken und Kartoffeln) präsentierte sich saftig-zart und beinahe noch glasig in Vollendung. Santi Santamaria war an diesem Abend in Dubai und stand selbst am Herd. Er schritt nicht beifallheischend die Tische ab, sondern gönnte sich nach getaner Arbeit einen letzten Schluck an der Restaurantbar.




Letzte Worte eines
Molekular-Kritikers

Besuch im Drei-Sterne-Restaurant Can Fabes von Santi Santamaria

Der Bauernsohn Santi Santamaria aus Sant Celoni begann vor über 25 Jahren als Autodidakt in der eigenen Kneipe. „Hier im Can Fabes koche ich, woran ich glaube.“ Sein Glaube galt dem Produkt, dem unverfälschten Geschmack der guten Zutaten. Das Restaurant Can Fabes erscheint wie ein kleines Bauernhaus in einer Provinzstadt. Innen lockt eine rustikale Stube ebenso wie modernes Design mit offener Küche. Fünf kompromisslos designte Zimmer beherbergen die Gäste, die einige der 325 Referenzen von der Weinkarte kosten möchten. Santi mochte eigentlich alles: Die winzigen Angulas, die Glasaale. Die kleinen Tintenfische von der Küste des Mittelmeeres. Die gelatineartigen Innereien vom Kabeljau. Das Bresse-Geflügel von Miéral. Seinem Personal gönnte er mittags besseres Essen als andere Restaurants ihren Gästen. Für seine Gäste suchte er schon am frühen morgen kiloschwere „Denti“-Fische mit blitzenden Augen direkt am Hafen aus. „Die kommen nie aufs Eis“, meinte der joviale Katalane mit der buccholischen Figur und dem immerwährenden Drei-Tage Bart. „Das würde sie verbrennen. Und alles wird direkt am Abend serviert.“ Eines aber mag Santi gar nicht: „Astronautenfutter. Wenn man sich anschaut, was die Köche heute auftischen, kann einem der Appetit vergehen. Pastillen und Tabletten. Viele junge Köche wissen nicht mehr, wie man ordentlichen Fonds macht.“ Santi Santamaria wußte, wovon er redete, denn  sein Fond wäre anderswo eine Suppe für Feinschmecker gewesen: Ein ganzes Brathuhn schwamm darin, und zwei Kilo schieres Kalbfleisch, dazu eine Überdosis gesundes Grünes.

Santi Santamaria (rechts) und sein Nachfolger Xavier Pellicer

Kein Zweifel, Santi war ein Produkt-Fetischist. Einer, der noch wusste, dass gute Küche bei guten Zutaten beginnt. Ein Koch von der Liste der aussterbenden Arten: Pacaud in Paris gehört dazu oder Roellinger in Cancale. Doch der Mann aus Sant Celoni nördlich von Barcelona, dessen Nachname stark nach deutschem Schlager klingt, geht noch einen Schritt weiter: Fast scheint es, als hätte er damals sein „Raco de Can Fabes“ rund um die guten Zutaten errichtet. Rechts stehen drei gläserne Kühlschränke: Im ersten warten zarte Lämmer, saftige Rinderkoteletts, Geflügel und Foie Gras, im zweiten knackige Gemüse, im dritten das Obst. Das Restaurant hatte Aura und Geschichte. „Mein Vater wurde hier geboren, ebenso wie mein Großvater und ich“ berichtete Santi. „Wir waren eine Bauernfamilie. Mein Vater erkrankte schwer, meine Mutter arbeitete als Näherin in einer Fabrik. Mit 15 musste ich dazu verdienen. Wir hatten nicht viel.“ Wenn die Mutter in der Fabrik war, kochte der Vater „Und seine Freunde liebten auch das Kochen. Ich dachte immer, alle Männer kochten.“ Als er 23 war, eröffnete er mit seiner Frau eine kleine Kneipe: „Es war die Zeit nach der Franco-Ära. Neu gewonnene Freiheit! Ich wollte mein Hobby zum Beruf machen, Freunde empfangen, einen Ort kreieren, wo verkannte Poeten Dichterlesungen halten um danach illegale Substanzen zu rauchen.“ Wie jedes Lokal das allein für Freunde bestimmt war, endete Santis Abenteuer nach einem Jahr in einer Beinahe-Katastrophe. „Wir waren ein Alltagsrestaurant, servierten für 150 Peseten, nach heutiger Währung etwa zwei Euro. Wenn unsere Gäste feierten, gingen sie anderswo hin um dort viel Geld zu lassen. Natürlich wollten wir auch ein Restaurant zum Feiern werden.“ Auch das ging Anfangs mangels Kochkenntnissen gründlich daneben. „Zum Glück arbeitete nicht weit von hier ein französischer Koch namens Philippe Serre. Der war mal bei Nouvelle-Cuisine-Erfinder Michel Guérard gewesen und brachte mir die Grundlagen bei.“ Abgesehen von diesem Schnellkurs war Santamaria Autodidakt. „Die ganze spanische Küchenrevolution, von der man so viel liest, ist von Autodidakten losgetreten worden“ erklärte er „Und ich hatte den Vorteil, dass ich schon als Kind den guten Geschmack unserer katalanischen Zutaten auf der Zunge hatte. Ich möchte  feine Gerichte mit rustikaler Spitze; dem althergebrachten Geschmack ein modernes Image verpassen. “Das Zwiebelküchlein auf Blätterteig mit einer supersaftigen, leicht geräucherten Makrele, ist so ein Gericht: Das Raucharoma liefert die „bäuerliche Komponente“, die perfekte Garung und der hauchzarte Teig liefern die Verbindung zur Haute-Cuisine.

Restaurant Can Fabes

Angulas, die traditionellen Glasaale, servierte Santi Santamaria mit Knoblauch, Petersilie und chinesischen Fadennudeln für die Textur. Und die Gemüse! Wir genossen bei Santi Santamaria die besten Erbsen unseres Lebens, angerichtet mit Erbsblüten auf festem Erbspüree, sozusagen Erbse hoch Drei. „Die kommen vom Bauern nebenan. Das klingt jetzt banal, aber hier gibt es eine winzige Gegend, in der die Erbsen besser als anderswo gedeihen.“ Der grüne Spargel ergänzt wunderbar den Kaviar mit Petoncles. Santi war ein Meister der Gemüse und in dieser Disziplin besser als jeder Chef, der mit seinem eigenen Garten angibt. Riesiger Kaisergranat mit Gnocchi, Kabeljau auf seinen Innereien mit den letzten schwarzen Trüffeln aus Spanien, Foie Gras in der Salzkruste, das alles las sich banal, weil Santi Santamaria keine Reime um seine Gerichte drechselte. Natürlich meisterte Santamaria die Garzeiten perfekt, natürlich verstand er sich aufs Würzen, selbstverständlich war er ein „Verpackungskünstler“, egal ob er Lamm in Ton oder Foie Gras in Salz verpackte. Aber letztendlich ging es immer wieder ums Produkt und seine Qualität. Das erklärt, warum er den Feinschmecker-Lesern drei Gänge mit Fleisch und Geflügel serviert: „Weil den meisten Küchen zum Thema Fleisch nichts einfällt. Und ich hier den Wert der guten Zutaten demonstrieren kann.“ Hier, die Foie Gras in der Salzkruste „Das ist nicht einfach Salz, da ist Thymian und Knoblauch drin. Wenn sie das Rezept mit einer schlechten Leber versuchen, kann es sein, das sie einfach wegfließt.“ Die Raffinesse des Rezeptes liegt im Detail: So wird die Leber auf einem Grill angebraten, der mit indonesischer Bio-Kohle, gepresst aus Kokosnuss-Haut befeuert wird. „Wer Kochen verstehen will, muss die unterschiedlichen Garmethoden meistern“ erklärte Santi mit ruhiger Geste „ Wir haben Elektrizität, Gas und Feuer zur Verfügung. Einen Dampfofen, einen Mischofen, dazu Grillspieß, Plancha und Grill. Der Geschmack einer Pfanne ist etwas anderes als der Geschmack eines Holzfeuers. Wenn man das verstanden hat, bringen Technik und Methodologie nicht weiter.“

Mit seiner „Zurück zu den Wurzeln“ Philosophie hatte es Santi Santamaria weit gebracht. Zwei Kinder hat er fast nebenbei groß gezogen: Sein Sohn ist Pferdezüchter, seine Tochter studiert Wirtschaft. Einen eigenen Weinberg besaß er auch „Zwei Hektar zum Experimentieren.“ In der Vanguardia schrieb er wöchentliche Glossen über Gastronomie, zudem hatte er eine Horde Bücher über seine kulinarischen Reisen verfasst. Ihn bedrückte die Entwicklung der modernen Küche. „Die Gegend nördlich von Sant Celoni gehört zu den Hauptstädten der Chemieindustrie: Geschmacksverstärker, künstliche Aromen und jetzt auch noch Nahrungsmittelparfums.“  Das stank für Santi Santamaria zum Himmel.

Jörg Zipprick




Wo sind die Götterspeisen?

Auf der Suche nach der ehrlichen Küche

Wer in Teufels Küche gerät, darf keine Angst vor Hitze haben. Insofern ist Jörg Zipprick ein Teufelsbraten. Er hat jetzt ein ganz heißes Eisen angefasst. Der Restaurantkritiker spießt jene Kochpraktiken auf, die den Gästen etwas vorgaukeln und nahezu unbekannt sind. Seinen Recherchen nach arbeiten viele in der Gastronomie mit Aromen und Zusatzstoffen, die illegal, schädlich und vor allem die reine Heuchelei darstellen. Vor allem Spitzenköche haben eine Vorbildfunktion und sollten sich handwerklich nur auf saubere Qualitäten besinnen. Wenn aber schon diese mit fragwürdigen Stoffen arbeiten, wie soll es dann erst in normalen Lokalen aussehen?  Das neue Buch von Jörg Zipprick, der auch für den stern besonders kritische kulinarische Berichte schreibt, bietet auf  288 Seiten viel Stoff, vor allem Zündstoff.

Jörg Zipprick, Autor der satanischen Gastro-Verse

Jörg Zipprick erzählt in dem Buch auch über seine kulinarische Laufbahn als Gastronomie-Journalist (Vif, Feinschmecker, Wein-Gourmet, Financial Times) Der Autor lebt seit vielen Jahren in Paris, der angeblichen Hauptstadt der Gourmets. Jörg Zipprick liebt seine Wahlstadt zwar, betrachtet sie aber viel kritischer als rosarot verliebte Eiffelturmbesucher. Das 288 Seiten starke Buch beginnt noch recht vergnüglich mit guten Restauranterlebnissen, wird dann aber zunehmend spitzer. Die sogenannte Molekularküche ist offenbar ein hochexplosives Gemisch. Im Zentrum der Kritik steht dabei die damit einhergehende Industrialisierung der Küche. Nach Zippricks Einschätzung wird es auch bei Spitzenköchen immer selbstverständlicher künstliche Aromen, Zusatzstoffe und bequeme Industrieprodukte einzusetzen, einige werben ja auch ganz offen dafür. Sehr viel beschäftigt hat sich der Autor nicht nur mit Johann Lafer oder Alfons Schuhbeck, Gegenstand ist vor allem immer wieder Ferran Adrià, der große spanische Molekular-Mogul.

Viele Köche, die Hilfsmittel oder Texturas einsetzen, betonen immer wieder, dass diese nicht gesundheitsschädlich sind. Jörg Zipprick aber möchte, dass trotzdem auf derlei Gaukelei verzichtet werden soll, weil damit ein Stück ehrliches Handwerk verloren ginge. Jörg Zipprick geht auch mit Kritikern ins Gericht, weil zu viele einfach zu unkritisch wären und sich bei Köchen nur beliebt machen wollten. Auch für die Lobredner der Molekularküche hegt Jörg Zipprick keine Sympathie. Unschwer zu erkennen ist dabei vor allem der frühere Freestylemusiker und jetzige Gastro-Anatom Jürgen Dollase aus dem Ruhrgebiet.

Wenn die Gourmet Guides Gault Millau und Michelin erscheinen, ist das Geschrei bei den Köchen immer groß. Bei dem Buch „In Teufels Küche“, das in diesen Tagen im Frankfurter Eichborn erscheint, wird dies ebenfalls so sein. Laut Zipprick hat es massive Einschüchterungsversuche gegeben, mit dem Ziel das Buch zu verhindern. Beschimpfungen ist er ohnehin gewohnt. Manchmal wird eben doch so heiß gegessen, wie es gekocht wurde.

 

 

Interviev mit Restaurantkritiker

Jörg Zipprick

BISS Zeitung: Bis jetzt hieß es doch immer, man habe noch nie so gut in Deutschland essen können wie heute. Und plötzlich sitzen wir in Teufels Küche?

Jörg Zipprick: Es gibt einen Sittenverfall in der Gastronomie. Gerade Spitzenköche haben als hochrangige Vertreter ihrer Zunft eine Vorbildfunktion. Wenn diese für Industrieprodukte werben und in ihrer Küche Zusatzstoffe, künstliche Aromen und Geschmacksverstärker verwenden, wird sich das weiter nach unten fortsetzen und verbreiten.

BISS Zeitung: Durch Hilfsmittel lässt sich sehr schnell ein Geschmack herstellen, der mit konventionellen Methoden mühsamer ist. Das könnte die Arbeit am Herd grundsätzlich verändern.

Jörg Zipprick: Am Ende dieser Entwicklung steht, dass die Handwerklichkeitverloren geht. Es ist ja viel einfacher in die Trickkiste zu greifen. Es gibt eine spanische Firma, die allein 190 verschiedene Aromastoffe und andere Helferlein verkauft. So geht das Wissen um Produkte verloren.

Fernsehkoch Johann Lafer

BISS Zeitung: Stickstoff  beispielsweise wird inzwischen auch in Szenelokalen und Bars verwendet. Vieles, was gestern undenkbar gewesen wäre, wird unbekümmert auf allen Ebenen eingesetzt.

Jörg Zipprick: Die Nahrungsmittelindustrie versucht über die Topgastronomie Zusatzstoffe salonfähig und für alle vertretbar zu machen.

Pierre Gagnaire

BISS Zeitung Wir haben in Deutschland sehr viele Topküche, deren Können unbestritten ist.

Jörg Zipprick: Aber man muss sich Sorgen um die Produktqualität machen. Große Köche, die beste Zutaten versprechen, kaufen drittklassige Ware oder tricksen ihre Gäste aus. Eine Kliesche (Art Rotzunge) wird als Seezunge serviert, Abfälle werden als Stopfleber verkauft, veredelt wird mit glutamathaltigen Gewürzmischungen. Während früher ein Koch ein guter Handwerker war, muss er heute ein Medienprofi sein, der Kochen vielfach nur noch vorspielt. Köche, die Produktqualität selbst nicht mehr erlebt und zerlegt haben, sind auch leichter Opfer skrupelfreier Lieferanten.

BISS Zeitung: Etikettenschwindel scheint ein beliebter Sport zu sein. Einen falschen Trüffel kann man eher erkennen als versteckte Zusatzstoffe, die bislang auch nicht deklariert werden müssen.

Jörg Zipprick: Es muss eine klare Kennzeichnung aller verwendeten Zusatzstoffe und Labor-Aromen geben, auch und gerade auf den Speisekarten der Spitzengastronomie.

BISS Zeitung: Es ist doch die Aufgabe von Journalisten und vor allem der Restaurantkritik auf solche Missstände hinzuweisen.

Jörg Zipprick: Es gibt zu wenige kundige Vorkoster und zu viele Claqueure gernegroßer Herdmeister, bei denen Private Equity Fonds (außerbörsliches Eigenkapital) eingestiegen sind, die als Anzeigenkunden Einfluss auf die Berichterstattung nehmen wollen. Internationale Hotelketten, die Spitzenköche beschäftigen, oder Industriepartner, – deren Würste, Saucen, Süppchen – der Koch gegen einen ordentlichen Obolus rühmt, drohen bei kritischer Berichterstattung den Redaktionen schnell mit einem Anzeigenboykott.

BISS Zeitung: Malen Sie nicht den Teufel an die Wand? Heißt das sogar am Ende, dass Sie nicht mehr Gourmetrestaurants besuchen und nur noch Würstchenständen vertrauen?

Jörg Zipprick:  Es gibt sie noch, die erstklassige Gourmetküche. Und die muss auch nicht immer teuer sein. Auch das steht in diesem Buch.

Jörg Zipprick

In Teufels Küche

Ein Restaurantkritiker packt aus

Eichborn Verlag

288 Seiten
19.95 €

 




Flüssige Meisterwerke

Weinraritäten mit Überraschungen

Schon oft habe ich mich kolossal darüber geärgert, wenn auf Raritätenproben die Weine Flight für Flight durchgejagt werden, als gäbe es kein Morgen. Da stehen dann vier, fünf Gläser nebeneinander, die im Eiltempo erfasst, verkostet und bewertet werden müssen. Anfangs kommt der geschulte Gaumen noch mit der Melange aus Aromen des Weines, der Speisen sowie der oftmals durch den Raum wabernden Damen- und Herrendüfte klar. Mit jeder weiteren Runde steigt der Alkoholpegel, während parallel dazu die Aufmerksamkeit der Teilnehmer abnimmt. Gegen Ende solcher Abende werden große Weine einfach nur noch geschluckt, als würde am nächsten Tag das Mindesthaltbarkeitsdatum ablaufen. Häufig hätte jeder einzelne Wein einen Abend für sich verdient gehabt.

Kürzlich haben wir bei einer Raritätenprobe von Grand Cru Select in Rüdesheim einen entschleunigten Weg gewählt. Als Aperitif gab es einen 1982er Billecart Salmon Grande Cuvée. Dieser 1992 degorgierte Champagner stand goldgelb mit sehr feiner Perlage im Glas. Anfangs noch verhalten im Bouquet, blühte er ein paar Minuten später auf – feine Röstaromen, Nusstöne und am Gaumen elegante Weinigkeit. Ein sehr guter Tropfen auf dem Höhepunkt seiner Entwicklung. Fortan folgten Rotweine, zuerst 1990er Cos d’Estournel und 1990er Montrose. Leider hatte der Cos d’Estournel flüchtige Säure, am Gaumen wirkte er, als hätte er einen leichten Essigstich, da half auch die über Stunden währende Beobachtung nichts, die Flasche war nicht perfekt, man konnte nicht ansatzweise erkennen, dass es sich um einen berühmten Wein aus großem Jahrgang handelt. Es blieb zum Glück die einzige Enttäuschung des Abends. Der 1990er Montrose ist ein monumentaler Wein, der anfangs kurz in der Karaffe betörend duftete, dann im Glas aber umgehend in einen Dornröschenschlaf fiel. In den kommenden Stunden veränderte sich der Montrose und gegen Mitternacht hatte er die Fülle, Kraft und Ausstrahlung, auf die man gehofft hatte. Geduld ist der Schlüssel zum Glück, auch wenn der Wein nicht nach jedermanns Geschmack war, so blieb seine Größe unbestritten. Als nächstes Set kamen 1959er Margaux und 1959er Latour auf den Tisch. Beides keine perfekten Füllhöhen, der Füllstand Upper-Top-Shoulder war altersgemäß aber gut. Die Korken waren völlig durchweicht, keine Chance, sie an einem Stück aus der Flasche zu bekommen. Dennoch waren beide Weine fehlerfrei, der Margaux war sofort präsent: Sehr feines Bouquet, farblich deutlich reif, am Gaumen sehr filigran, kein Kraftprotz, wunderbare Eleganz, allerdings mit einem Hauch von Zerbrechlichkeit, die sich durch eine Spur Oxidation (Heu/Luftton) bemerkbar machte. In diesem Zustand hat der Wein sicherlich seinen Höhepunkt überschritten, auch wenn er im Glas den ganzen Abend über lebendig blieb und keineswegs abbaute. Der 1959er Latour hingegen ist ohne jeden Zweifel ein Jahrhundertwein. Völlig intakte, satte Farbe und ein Duft, der mit jeder Nuance auf einen grandiosen Bordeaux hindeutete. Blind hätte ich ihn wesentlich jünger eingeschätzt, er erinnerte in seiner Intensität eher an den Jahrgang 1982. Was für eine kleinkarierte, groteske Vorstellung, diesen 1959er in ein Punkteschema zu pressen. Haben Sie schon mal gehört, dass jemand einem Picasso oder Monet 98 Punkte gegeben hätte?

Der 1959er Latour war jedenfalls der Star des Abends, seine Komplexität, Fruchtfülle, Eleganz und der Nachhall waren nahezu unglaublich. Es ist ein kostbares Geschenk, so einem Wein begegnen zu dürfen und lange bevor ich in die Gehaltsklasse käme, mir diamantbesetzte Eierbecher leisten zu können, würde ich die vierstellige Summe in diesen Wein stecken. Wein Nummer fünf und sechs würden es schwer haben dachte ich: 1964 Léoville Las Cases und 1964 Haut Brion. Mein Geburtsjahrgang, den ich immer bedächtig verkoste. 1964 Léoville Las Cases ist mir zum dritten Mal begegnet, wobei er nie enttäuschte. Auch diese Flasche hatte alles, was man sich von einem bald 47 Jahren Bordeaux aus mittlerem Jahr erhoffen darf. Gesunde, lediglich etwas hellere Farbe mit braunem Wasserrand. Feinwürziges Bouquet, etwas Unterholz, am Gaumen reif, mit der immer noch feinen Süße guter Bordeaux-Weine. Der Wein bleibt ein Geheimtipp zum fairen Preis. Der 1964er Haut Brion war allerdings eine Klasse besser. Ein großer Klassiker kam zum Vorschein, sehr typisches Haut Brion-Bouquet, „steinig“, Jod, sehr geradlinig. Am Gaumen entwickelte sich anfangs ein leichter Muffton, der an Korkgeschmack erinnerte, den Wein aber weder dominierte oder gar negativ beeinträchtigte. Er gehörte zum Haut Brion, was für nicht so geschulte Zungen ungewohnt ist. Später kam eine angenehme Süße hinzu, der Wein blühte immer mehr auf und blieb bis zum Schluss in Bestform. Letzte Rotweine des Abends waren 1982 Léoville Las Cases und 1982 Haut Brion. Hier zeigte sich der Léoville Las Cases von seiner besten Seite, ein vom ersten Hineinriechen zum zur letzten Minute verführerisches Kraftpaket mit Reserven für mindestens weitere 20 Jahre. Tiefe Farbe, beeindruckendes Bouquet, eher wie ein Latour. Intensive, geballte Frucht, Eleganz, die volle Süße des Jahrhundertjahrgangs 1982. Der 1982er Haut Brion war eine Re-importflasche aus den USA, der Korken leider schon vollständig vollgesogen. Hier hatten wir schon bessere Flaschen getrunken. Er reicht auch in besserem Zustand kaum an seinen Nachbarn La Mission Haut Brion von 1982 heran, überzeugt aber dennoch mit einer Klasse und Eleganz, die andere Weingüter nie erreichen.

Insgesamt ein denkwürdiger Abend, der zeigte, worauf es bei einer gelungenen Weinprobe ankommt: Jedem Wein genügend Zeit widmen, niemals zu viele Weine probieren. Keinen Wein voreingenommen verkosten oder gar parallel nachlesen, was andere Genießer, die auch nur Menschen mit ihrem eigenen, individuellen Geschmack sind, darüber geschrieben haben.

Hans-Jürgen Teßnow




Tapas La Trinca löst die schwarze Café-Bar ab

Braucht die Schweizer Straße Spanisches?

Von Ludwig Fienhold

Die schwarze Café-Bar, einst als Künstlerlokal mit existentialistischer Aura gedacht und später nur noch ideenlos geführt, war vor 25 Jahren ein interessanter Treffpunkt und Ort gepflegter Melancholie. Die Besucher der nahen Museen mochten das Rollkragen-Niveau und die leicht anspruchsvolle Affektiertheit der Kellner, die damit eine mäßige Küche zu kaschieren sich getrauten. Das dunkle enge Neo-Klaustrophobie-Lokal machte schmale Lippen, die kleinsten Toiletten der Stadt erforderten große Geschmeidigkeit. Die letzten Jahre war es ruhig um den einst beliebten Klassiker geworden, am Ende stand das schwarze Design nur noch für traurig-traurig. Das klarlinige Interieur und die schönen Stuckdecken, dieses elegante Understatement der gelassenen Farben und Formen, war 1986 hochmodern – und ist es auf wunderbar zeitlose Art immer noch. Verantwortlich dafür ist der Architekt der gehaltvollen Strenge, Max Dudler, der auch die Neue Deutsche Börse in Frankfurt entworfen hat. In das künstlerisch wertvolle Ambiente der Café-Bar wird jetzt eine Tapas-Bar einziehen. Leider erweisen sich dabei die neuen Betreiber als Kulturschänder und wollen das Lokal anders gestalten – sehr zum Ärger des Architekten Max Dudler, der vor Wut schäumt. Außerdem verspricht das neue Lokal auch kein kulinarisch ansprechender oder gar anspruchsvoller Ort zu werden. Man sollte zwar mit Vorababschusskritiken ebenso zurückhaltend sein, wie mit Vorschusslorbeeren. Doch gibt es gute Gründe, die an der neuen Tapas-Bar namens La Trinca zweifeln lassen, obwohl sie auf den schönen Namen „Rausch“ hört.

Es existiert bereits von den gleichen Betreibern eine solche Bar mit diesem Namen in der Frankfurter Kleinmarkthalle. Gleich neben dem Gemüsestand der Familie Friese am Haupteingang ist ein unverhältnismäßig großer Stand aufgebaut worden, der schon eher einem Lokal gleicht. Mit Sitzplätzen und einem großen Thekenbereich. Die Auslage mit den verschiedenen Tapas erscheint, als wären diese für eine Prüfung im Dschungelcamp ausgedacht worden. Was denkt sich eigentlich jemand, wenn er solch appetitzügelnde, fahle, ältliche und teilweise eingetrocknete Happen anbietet? Glaubt er, in Frankfurt lebten nur bekiffte und selbst das noch ganz lustig findende Althippies, alles in sich hineinfressende Hartzler und Banker, denen Geld, aber nicht ordentliches Essen wichtig ist? Die Gerichte sehen nicht nur elend aus, sie schmecken auch so. Es gibt Öliges, Fettiges, Trocknes, Ungewürztes, Liebloses, Lebloses. Allein die Pampe aus Kartoffeln, Mais, Thunfisch, Eiern, Zwiebeln und weiß der Teufel noch was, ist ein Fall für die Genfer Menschenrechtskommission. Die Chorizo besteht aus viel Fett und wenig Aroma, bei den Albondigas-Hackfleischballen erinnert man sich wieder, wie schlecht selbst immer noch Convenience-Gerichte ausfallen können. Dass in der Kleinmarkthalle nicht richtig gekocht, sondern nur aufgewärmt werden kann, darf keine Entschuldigung für schlechte Leistungen sein. Wir bemängeln hier auch keine falschen Garzeiten, sondern die fehlende Produktqualität. Die Weine haben größtenteils Tankstellenniveau. Es ist ja bei uns fast schon zum Rechtfertigungsgrund geworden, bei angeblich kleinen Preisen nichts erwarten zu dürfen. Doch vier Euro für ein Tappa-Tellerchen sind keineswegs wenig, sondern genau genommen vier Euro zuviel. Vielleicht besinnen sich ja die Gastronomen und werden auf der Schweizer Straße besser sein wollen. Wer aber solche Angebote wie in der Kleinmarkthalle macht, der muss sich nicht wundern, wenn man ihm mit allergrößtem Misstrauen begegnet.  Warum zudem schon wieder Tapas, das war vor zehn Jahren schon nicht mehr originell? Die Tapas-Invasion brachte meist zweifelhafte Ergebnisse. Immerhin: Das Destinos in Bornheim hat sich passabel gehalten. Und die Casa Pintor im Nordend ist eine der ganz wenigen  authentischen Tapas-Lokale, in denen es inzwischen sogar gute Weine gibt.

Max Dudlers klassische Café-Bar

Die Schweizer Straße in Frankfurt Sachsenhausen steht für eine selten gewordene Lebensqualität. Lokale und Geschäfte reihen sich in einer kaum sonst zu erlebenden unterhaltsamen Mischung aneinander. Schicke Boutiquen, knackige Apfelweinwirtschaften, Meyers Feinkost, Dulces schöne Süßwerke, Lohningers allerbeste Österreichküche. Und selbst für einen Woolworth ist noch Platz. Es macht bislang noch nicht viel aus, dass sich in die Perlen auch Läden einreihen, die den Glanz etwas matt werden lassen. Noch stimmt das Verhältnis, doch es gibt immer mehr Vermieter, die den schnellen Profit vorziehen und durch hohe Mietpreise eine Fehlentwicklung einleiten, an deren Ende Kettenbetriebe und andere gesichtslose Geschäfte stehen könnten, die Geld aber keine Kultur besitzen. Solche Vermieter sind aber letztlich geschäftsdumm und kurzsichtig: Wenn die Qualität der Schweizer Straße Schaden nimmt, leben auch Mieter in einer weit weniger hochwertigen Umgebung und ziehen weg oder erst gar nicht hin, was sich ebenso für die Geschäfte negativ auswirkt und diese unbelebt lässt.




Was Boris Becker nicht über den Grill Royal weiß

Grill Royal in Berlin

Der Grill Royal in Berlin ist ein schickes Steakhouse mit Promi-Appeal. Boris Becker wurde hier von der Petz-Presse beim Flirten erwischt. Was waren das noch für Zeiten, als der junge Tennisspieler im Frankfurter Jardin oder in Jimmy´s Bar mit einem Eye-Break seine Bekanntschaften übers Netz ziehen konnte, ohne dabei gefilmt zu werden. Warum sucht sich Herr Becker aber auch immer die auffälligsten und bekanntesten Lokale aus. Uns ist der Grill Royal wegen seiner Sternchen schnuppe. Wir mögen ihn auch wegen seines sehr guten und professionellen Internetauftritts. Die Gastronomen vom Grill Royal sind so souverän, dort nicht nur positive Stimmen zu zitieren, sondern auch die Kritiker – beispielsweise den Gault Millau, der das Lokal „Grill banal“ nennt.

Daumen Hoch

Well Done

Pellegrino verwässert

Bald gibt es mehr Restaurantführer als Restaurants. Auch Auszeichnungen werden so inflationär vergeben, dass man sie kaum noch als etwas Besonderes wahrnimmt. Einer unter vielen Guides ist die „Kulinarische Auslese“ von S.Pellegrino, die nach eigenen Angaben die Ergebnisse der „bekanntesten Restaurantführer in einem eigenen Ranking“ zusammenfasst. Welche Restaurantführer dies sind und wie genau dieses Ranking entsteht wird nicht bekanntgegeben. Man kann sich aber auch ohne das ein Bild machen, etwa am Beispiel vom Rhein-Main-Gebiet. Das dort mit drei Sternen Juan Amador in Langen führend ist, lässt sich vielleicht noch nachvollziehen, dann aber wird die Rangordnung unrealistisch: Patrick Bittner, Francais, Frankfurt (Rang 34), Rainer Christoph, Villa Rothschild, Königstein, (Rang 54); Alfred Friedrich, Tigerpalast, Frankfurt (Rang 78), Mario Lohninger, Silk, Frankfurt (Rang 94).

Daumen Runter

Bloody Hell!




Neues Ziel für Gourmets

Harald Schmitt wechselt vom Nassauer Hof zum Hotel Hohe Düne

Harald Schmitt, 24 Jahre als Küchenchef und Food & Beverage Manager das kulinarische Gewissen des Nassauer Hofs in Wiesbaden, wurde Direktor des mondänen Ostsee-Hotels Hohe Düne in Rostock-Warnemünde. Das Yachting- und Spa-Resort hat ein gutes Profil als Wellness-Hotel, ist aber gleichzeitig zu einer herausragenden Genussadresse geworden.

Harald Schmitt freut sich auf ein „ungewöhnliches“ Hotel. Es war für ihn keine leichte Entscheidung mit dem Nassauer Hof fast schon eine Familie zu verlassen, doch mit 52 Jahren bleibt nicht mehr viel Zeit, das Schiff noch in eine andere Richtung zu lenken. Schmitt konnte unter zahlreichen Angeboten wählen, wobei es im Fall von Warnemünde für ihn nicht mehr viel zu überlegen galt. Ausschlag gaben für ihn die „erstklassige Location“ und der „kulinarisch hohe Anspruch“ des Hotels. Zudem sind Schmitt privat geführte Hotels lieber, hätte er sich eine Zukunft in einem Gruppenhotel nur schwer vorstellen können. Der gebürtige Badener und Liebhaber hessischen Apfelweins begann seine Laufbahn mit einer Lehre bei Hermann Bareiss im Kurhotel Mitteltal in Baiersbronn, es folgten Stationen bei Katzenbergers Adler in Raststatt, Eckart Witzigmanns Aubergine in München und Günter Scherrers Restaurant San Francisco im Hotel Hilton in Düsseldorf. Im Nassauer Hof begann Harald Schmitt als Küchenchef des Restaurants Orangerie, ab 1995 war er als Gastronomischer Direktor für die gesamten kulinarischen Leistungen des Grandhotels verantwortlich, wobei er in dieser Zeit vor allem das Gourmet-Restaurant „Ente“ modernisierte. In den letzten Jahren fungierte er zudem als Direktor, doch im Mittelpunkt seines Handelns stand stets die Gastronomie.

Das Hotel Hohe Düne liegt auf einer Landzunge unmittelbar am weißen Strand von Warnemünde. Die im September 2005 eröffnete Anlage besteht aus dem Luxushotel nebst Residenzen sowie einer Marina mit 750 Liegeplätzen und einem Kongresszentrum von 3200 Quadratmetern. Der riesige Komplex wurde mit einem Gesamtvolumen von 120 Millionen Euro errichtet. Eigentümer ist der Investor und Vorstand der Odin AG Per Harald Lökkevik aus Norwegen. Das Hotel gleicht einem Luxusliner, die 368 Zimmer und Marmorbäder mit Fußbodenheizung wurden stilvoll und dezent maritim gestaltet. Die Gäste erleben auf 4200 Quadratmetern eine Wellnesslandschaft, die sie in die verschiedenen Badekulturen der Welt entführt. Das große Schwimmbad (22 x 10 m) schmückt ein offener Kamin, die Dachterrasse hat Blick auf die Ostsee. Gleich elf Restaurants und Bars mit unterschiedlichen Themen und Konzepten bieten Abwechslung wie auf einem Kreuzfahrtschiff. Das Restaurant „Der Butt“ von Tillmann Hahn wird hoch bewertet – 1 Stern im Michelin, 17 Punkte im Gault Millau. Bevor der im hessischen Darmstadt geborene Küchenchef nach dem G8-Gipfel vom Grand Hotel Heiligendamm in das Hotel Hohe Düne wechselte, arbeitete er in den legendären Schweizer Stuben in Wertheim sowie bei Dieter Müller in Bergisch Gladbach und Heinz Wehmann im Landhaus Scherrer in Hamburg. Das Hotel Hohe Düne ist nicht klassifiziert, entspricht aber einem Haus der 5-Sterne-Luxusklasse.

Harald Schmitt, Nassauer Hof Anchorman Karl Nüser und der neue Food & Beverage Manager Alexander Dörr (v.l.n.r.)

Harald Schmitts Nachfolger als Wirtschaftsdirektor im Nassauer Hof ist der 36 Jahre alte Alexander Doerr. Der gebürtige Wiesbadener absolvierte eine Ausbildung zum Restaurantfachmann im Hamburger Hotel Vier Jahreszeiten und sammelte dort seine ersten beruflichen Erfahrungen als Commis de Rang im Doc Cheng’s und im Mandarin Oriental Hôtel du Rhône in Genf. Der Betriebswirt und Absolvent der renommierten amerikanischen Cornell University engagierte sich über viele Jahre im Bereich F&B bei Four Seasons und machte nach Berlin Station auf den Malediven, in Ägypten und Hawaii. 2007 übernahm er im Park Hyatt Zürich die Position des Assistant Director F&B und später die des Director F&B. Von dort aus ging es für Alexander Doerr als Wirtschaftdirektor und stellvertretender Direktor des Nassauer Hof zurück in die alte Heimat. Es wird nicht einfach für ihn in die Fußstapfen einer Branchengröße wie Harald Schmitt zu treten. Doch Alexander Doerr bringt nicht nur Elan und gutes Rüstzeug mit, er hat wie sein Vorgänger ebenfalls Schuhgröße 46.

Ludwig Fienhold