Die Gastro-Guttenbergs
Nur die Ehrlichkeit adelt
Produkt-Fälscher, Ideen-Diebe und Etikettenschwindler gibt es auch in der Gastronomie. Der Betrug am Gast darf nicht länger geduldet werden, schon gar nicht vom Gast selbst.
Als Kurt-Theodor zu Guttenberg ankündigte, er wolle seinen Doktortitel an die Universität Bayreuth zurückgeben, nutzte er dabei eine altbekannte Finte aus der Gastronomie. Von dort tönt es auch immer wieder gerne, man habe die Sterne an den Michelin zurückgegeben – was dann verschnarchte Journalisten stets brav nachschreiben. In beiden Fällen gibt es jedoch kein Rückgaberecht. Nur die Uni selbst kann die Promotion aberkennen, nur der Gourmet Guide die vergebene Auszeichnung wieder streichen. Es ist auch eine Täuschung, wenn Ex-Sterne-Köche mit diesem Titel so werben, als wären sie noch im Besitz desselben. Wenn Fernsehanstalten wie der Hessische Rundfunk mit ihrem „Sterne-Koch“ Michael Beck werben, ist dies ebenfalls nicht reell, denn diese Auszeichnung erhielt er nur einmal und zwar vor 15 Jahren. Jede Auszeichnung in einem Gourmet Guide gilt nur für den Zeitraum eines Jahres und muss immer wieder neu erarbeitet werden.
Lügengastronomen servieren uns in den drei vier Monaten der Saison auch mit falschen Trüffeln das teuerste Lebensmittel der Welt. Wenn man sieht, wie viele italienische Lokale allein in Deutschland in der Lage sein wollen, weiße Trüffeln anzubieten, fragt man sich, wie es wieder einmal gelingen konnte mit der knappen Ernte die ganze Welt beliefern zu können. Die weißen Alba-Trüffel, die schon lange nicht mehr nur aus der Region stammen, werden von anderen weniger hochwertigen ersetzt und kommen eher selten aus dem Piemont. Mit Trüffelöl kann man ohnehin jede Pasta so schmecken lassen, wie der Gast glaubt, dass sie schmecken müsste. Trüffel lassen sich jedoch nicht natürlich konservieren, die so gerne verwendeten Öle verdanken ihren Duft der Chemie – einer aus Flüssiggas gewonnenen Substanz namens Bismethyltiometan.
Dabei riecht Trüffel viel mehr und besser als er tatsächlich schmeckt – dieser Ekstasestoff entfaltet seinen Zauber vor allem über die Nase. Ein Fall für Fälscher ist auch der aus dem Périgord stammende schwarze Trüffel. Die Jahresmenge von rund 30 Tonnen wird auf der ganzen Welt verteilt und ist in jedem besseren Restaurant zu haben, was schon rein rechnerisch niemals der Wirklichkeit entsprechen kann und nur der Gier geschuldet ist. Bei Preisen von mindestens 1000 € für das Kilo ist die Verlockung groß, den Stoff zu strecken – man lernt offenbar von Drogendealern. Betrügerische Händler mischen seit Jahren Himalaya-Trüffel unter die Knollen – aromafreie minderwertige Ware, die auf dem Schwarzmarkt 20 Euro kostet und meist aus China stammt. „Es merkt ja eh keiner“, ist der Wahlspruch von zu vielen Gastronomen.
Das gilt leider für so vieles. Deshalb wird auch weit mehr Bretonischer Hummer auf der Welt verkauft als es ihn überhaupt gibt. Deswegen bekommen die Gäste statt japanischem Kobe Beef meist australisches, amerikanisches oder kanadisches Wagyu, was so ähnlich ist, aber eben nicht dem Original entspricht. Nur Wagyu-Rinder, die in der japanischen Region Kobe aufgezogen, gemästet und geschlachtet wurden, dürfen den Namen Kobe tragen (ähnlich wie beim Champagner sind die Grenzen klar gesetzt). Echtes Kobe-Fleisch ist auf jeden Fall außerhalb Japans so gut wie nie zu bekommen. Auch hier darf man die Rechnung getrost ohne den Wirt machen – nur gut 3000 Rinder in Japan werden als Kobe-Fleisch deklariert.
Produktschwindel ist deshalb so verwerflich, weil damit Gäste nicht nur um Geld, sondern auch um den echten Geschmack betrogen werden. Wie unvergleichlich können weiße und schwarze Trüffel schmecken, wie einzigartig ist Caviar in seiner knackigen Perlung und einem nussigen Geschmack, der sich mit dem Duft einer frischen Meeresbrise mischt. Doch was bekommen Gäste in der Regel? Einen Haufen Matsch, der nach Jod und Moder riecht. Oder einen Pseudo-Caviar, der aus sogenannten Aquakulturen stammt und kaum noch so etwas wie einen Eigengeschmack aufweist.
Täuscher sind überall auf dem Vormarsch. Es ist wichtig, sich ihnen in den Weg zu stellen. Die Gäste müssen kritischer werden und dürfen sich nicht alles ungefragt vorsetzen lassen. Ob Imbissbude oder Gourmetrestaurant – von allen muss nachvollziehbar sein, woher die Ware kommt und von wem genau sie stammt. Manche Köche nennen in ihren Speisekarten die Herkunft der verwendeten Produkte und die Erzeuger. Das weckt nicht nur das Vertrauen, sondern auch den Appetit.
L.F.
Mit falscher Zunge
Großhändler und Köche sehen das Wörtchen „Seezunge“ manchmal eher als Gattungsbezeichnung für Plattfische. Wenn wir, die Gäste, eine solche bestellen, meinen wir ein Tier der Gattung solea solea. Wir bekommen aber zum Beispiel cynoglossus senegalensis. Oder „American sole“ aus der Familie der Achiridae. Niemand braucht ein großes Latinum, um zu erkennen, dass sich die Fische unterscheiden. Zunächst im Geschmack, so ein cynoglossus hinterlässt auf der Zunge nur einen faden Abglanz echten Seezungenaromas. Doch auch im Preis, denn der Wirt spart 60 bis 80 Prozent.
Aufgrund ähnlicher Körperform werden uns zuweilen preiswerte Klieschen (Limanda limanda) als Seezunge vorgesetzt, natürlich als Filets.
Undenkbar, weil jeder Koch doch einen Eid darauf schwört, dass er für seine Gäste nur das Beste will?
Laut offiziellen Zahlen aus dem „Service de la consommation et des affaires vétérinaires – Département de l’économie et de la santé – République et Canton de Genève“ aus dem Jahr 2008 sind in der Schweiz immerhin 14% des Wilds, 37 (!) % der Fleischzubereitungen und 17% der kontrollierten Fische nicht korrekt ausgezeichnet, dem Verbraucher wurden also andere, günstigere Tierarten angedreht als auf Etiketten und Gerichten ausgewiesen.
Das „chemisches und Veterinäruntersuchungsamt Sigmaringen“ testete Seezungen im Jahr 2003: Eine von acht Proben war ein Cynoglossus.
Und es geht noch schlimmer: Bei Stichproben in New Yorker Sushi-Restaurants und Fischhandlungen wurden massig Meerestiere unter falschem Namen verkauft: Tilapia wurde zu „Weißer Thunfisch“, Rogen vom „fliegenden Fisch“ stammte in Wahrheit vom Stint, vermeintlicher Red Snapper entpuppte sich auf dem Teller als alles Mögliche. Sieben von neun Snapper-Proben waren falsch. Zwei Schüler deckten den Fisch-Schwindel mittels DNA-Tests auf. Ob die Test bei europäischen Sushi-Adressen wirklich besser ausfallen würden?
J.Z.




















Der 1959er Latour war jedenfalls der Star des Abends, seine Komplexität, Fruchtfülle, Eleganz und der Nachhall waren nahezu unglaublich. Es ist ein kostbares Geschenk, so einem Wein begegnen zu dürfen und lange bevor ich in die Gehaltsklasse käme, mir diamantbesetzte Eierbecher leisten zu können, würde ich die vierstellige Summe in diesen Wein stecken. Wein Nummer fünf und sechs würden es schwer haben dachte ich: 1964 Léoville Las Cases und 1964 Haut Brion. Mein Geburtsjahrgang, den ich immer bedächtig verkoste. 1964 Léoville Las Cases ist mir zum dritten Mal begegnet, wobei er nie enttäuschte. Auch diese Flasche hatte alles, was man sich von einem bald 47 Jahren Bordeaux aus mittlerem Jahr erhoffen darf. Gesunde, lediglich etwas hellere Farbe mit braunem Wasserrand. Feinwürziges Bouquet, etwas Unterholz, am Gaumen reif, mit der immer noch feinen Süße guter Bordeaux-Weine. Der Wein bleibt ein Geheimtipp zum fairen Preis. Der 1964er Haut Brion war allerdings eine Klasse besser. Ein großer Klassiker kam zum Vorschein, sehr typisches Haut Brion-Bouquet, „steinig“, Jod, sehr geradlinig. Am Gaumen entwickelte sich anfangs ein leichter Muffton, der an Korkgeschmack erinnerte, den Wein aber weder dominierte oder gar negativ beeinträchtigte. Er gehörte zum Haut Brion, was für nicht so geschulte Zungen ungewohnt ist. Später kam eine angenehme Süße hinzu, der Wein blühte immer mehr auf und blieb bis zum Schluss in Bestform. Letzte Rotweine des Abends waren 1982 Léoville Las Cases und 1982 Haut Brion. Hier zeigte sich der Léoville Las Cases von seiner besten Seite, ein vom ersten Hineinriechen zum zur letzten Minute verführerisches Kraftpaket mit Reserven für mindestens weitere 20 Jahre. Tiefe Farbe, beeindruckendes Bouquet, eher wie ein Latour. Intensive, geballte Frucht, Eleganz, die volle Süße des Jahrhundertjahrgangs 1982. Der 1982er Haut Brion war eine Re-importflasche aus den USA, der Korken leider schon vollständig vollgesogen. Hier hatten wir schon bessere Flaschen getrunken. Er reicht auch in besserem Zustand kaum an seinen Nachbarn La Mission Haut Brion von 1982 heran, überzeugt aber dennoch mit einer Klasse und Eleganz, die andere Weingüter nie erreichen.





