Die Perle unter den Weinen
Champagner-Trend
Bio und Rosé
Wenn auch Champagner für Luxus und Lebensfreude steht, so schwankt doch seine Qualität wie bei jedem anderen Wein auch. Mal ist er Edelperle, mal nur ein Ballermann. Grundsätzlich gilt: So wenig wie es einen Porsche zum VW-Preis gibt, so wenig wird man einen anspruchsvollen Billigschampus erstehen können. Krug, Roederer Cristal und Dom Pérignon bilden das Dreigestirn am Champagner-Firmament. Jeder von ihnen ist groß, doch es ist ganz entscheidend herauszufinden, welcher am besten zum eigenen Temperament passt – der chevalereske Krug, der spitzfindige Roederer oder der faunische Dom Pérignon. Die einen mögen die seidige Frische eines Blanc de Blancs von Pierre Gimonnet, die anderen suchen das Barocke von Bollinger. Wer viel Statur braucht, freut sich an der Üppigkeit der Prestige-Cuvée Grande Sendree von Drappier. Wunderbar nach Leichtsinn schmeckt Charles Heidsieck, während Deutz stets zuverlässig den Grandseigneur unter den schäumenden Weinen vertritt.
Einer der ganz Großen unter den kleinen Champagner-Winzer ist der Mystiker Anselme Selosse, der als einer der ganz wenigen seine Grundweine in neuen Eichenholzfässern ausbaut. Seine Erzeugnisse entfachen Düfte aus Vanille, Zimt, Haselnuss und geröstetem Weißbrot. Gerade Biowinzer wie Selosse genießen das Vertrauen vieler Champagnerfreunde. Das Weinhandelshaus Vinaturel am Starnberger See hat sich auf biodynamische Produkte spezialisiert. Die Champagner von Franck Pascal, Francoise Bedel und Jérôme Prevost sind erstklassig und fair im Preis. Die Weine der kleinen Domaine von Prevost reifen in alten Eichenholzfässern in einem tiefen Luftschutzkeller aus dem 1. Weltkrieg. Die Champagner geraten authentisch und betörend leichtlebig, man muss sich stets schnell eine der raren 13.000 Flaschen sichern. Franck Pascals Brut Nature Cuvée de Réserve braucht viel Sauerstoff und zeigt erst dann seine ganze Qualität. Vanille und Brioche hat man oft als Aroma im Champagner, doch dieser erfrischt durch einen fein salzigen Abgang.
Auch unter den Öko-Winzern gibt es starke Unterschiede. Der Blanc de Blancs Extra Brut von Larmandier-Bernier, der delikat nach Vanille, Mandeln und Brioche duftet, ist zwar ein Kenner-Champagner, eignet sich aber auch geschmacklich und preislich bestens für Einsteiger. Die herausragenden Erzeugnisse von De Sousa lassen mit ihrer kernigen Frische die kalkhaltigen und mineralischen Böden der Champagne spüren und sind eher etwas für Kenner. Eine der großen Entdeckungen ist Egly-Ouriet aus der Grand Cru Lage Ambonnay. Michel Egly betreibt biodynamischen Anbau, baut dezent in Eichenfässern aus und setzt wie Anselme Selosse auf ungefilterte Weine. Das Ergebnis sind vitale, vielschichtige und harmonische Champagner mit zarter Perlage, die von einem feinen Vanilleton begleitet werden. Unter den fünf Sorten ist der Brut Tradition für Endverbraucher mit knapp 40 Euro der preiswerteste. Der Brut Millésime 2004 von Laherte Frères liegt sogar noch darunter und gefällt durch Extrakt, eine cremige Textur und Aromen von Vanille, exotischen Früchten und Rumtopf. Noch extravaganter ist der Brut Les Clos von Aurélien Laherte. Er verbindet die Rassigkeit der Champagne mit der Exotik der Karibik. Von Jacquesson kommen reintönige, feinperlende, finessenreiche und handwerklich präzise gearbeitete Champagner. Der Millésime 2000 ist vielschichtig und braucht viel Sauerstoff. Man sollte ihn in sehr großen bauchigen Weingläsern trinken oder sogar dekantieren. Oft heißt es, das letzte Glas ist das Beste. Das stimmt auch deshalb, weil viele Champagner sofort nach dem Öffnen getrunken werden und das letzte Glas am meisten Luft zum Entfalten bekommen hat. Also nach dem Plopp ruhig mit dem ersten Schluck etwas warten, dann schmecken alle Gläser gut.
Flüssige Antiquitäten
Rosé-Champagner vermitteln noch mehr als andere einen Hauch Verruchtheit. Sie sind wieder im Trend, weil ihre Qualität deutlich zugenommen hat und den Begriff Puffbrause vergessen lässt. Wegen ihrer hübschen Farbe sind Rosé-Champagner seit jeher bei Frauen besonders beliebt. Das ist mehr denn je der Fall, doch inzwischen wird er auch von Männern verstärkt akzeptiert und getrunken. Vor allem, wenn es sich dabei um Spitzenerzeugnisse handelt. Billecart-Salmon, Chartogne-Taillet, Selosse und Gosset sorgen mit Frische und Finesse sowie dezenten Aromen von Himbeeren, Waldbeeren und Mandeln für großes Trinkvergnügen.
Erstklassige Restaurants gönnen ihren Gästen gerne Außergewöhnliches. Dazu gehören auch gereifte alte Champagner und solche aus raren Rebsorten. Ein Edeltrunk von beinahe unwirklicher Finesse und feinstem Mousseux ist der Moutard, welcher in kleinster Edition aus der heute vergessenen und kaum noch vorhandenen Rebsorte Arbanne erzeugt wird. Für eine solch exzellente Spezialität sind knapp 50 Euro im Handel keineswegs zuviel. Auch sonst kommen von Moutard sehr gelungene und noch preiswertere Champagner. Ausgezeichnete Qualitäten sind bei zwei weiteren Familienbetrieben zu bekommen, die in Deutschland weitgehend unbekannt sind. Zu Aubry et Fils greifen Insider, welche keinen Allerweltsschaumwein, sondern exquisite Ware wollen. Die mit Künstleretikett ausgestattete und sehr duftige Cuvée Nicolas Francois Aubry reift 60 Monate auf der Hefe und wird nur in außergewöhnlich guten Jahren in limitierter Auflage erzeugt. Kräftiger, da in kleinen Eichenholzfässern ausgebaut, präsentiert sich der Brut Tradition, wogegen die Prestige-Cuvée Aubry de Humbert der Primus ist. Zudem können die Brüder Aubry mit weiteren in kleinsten Mengen abgefüllten Flaschen glänzen, von denen unter dem Etikett Le Nombre d´Or nur etwas 1000 bis 2000 Flaschen auf dem Markt sind und unter anderem aus den alten und seltenen Rebsorten Arbanne, Petit Meslier, Enfumé und Fromenteau erzeugt werden. Da Champagner letztendlich ein Wein ist, schmeckt er nicht nur in jungen Jahren, sondern auch in betagtem Zustand. Beim Fachhändler Jürgen Drawert vom Cave du Connaisseur in Berlin findet man viele großartige Edelperlen, die noch zu Großvaters Zeit abgefüllt wurden. Gereifte Champagner und ihre unvergleichlichen Aromen sind nur etwas für aufmerksame Genießer, die eher eine Kerze der Andacht als ein Feuerwerk zünden wollen.
Die Vorzüge des Alters
Nicht überall herrscht Jugendwahn. Beim Wein war schon immer das Alter gefragt, doch auch Champagner kann durch Reife überzeugen. Füssige Antiquitäten stehen bei Kennern hoch im Kurs. Moet & Chandon hat mit seiner Spitzenmarke Dom Pérignon die Oenothèque-Idee geboren, mit der auf einmalige Weise die Entwicklungsphasen und die Ebene der Reife dokumentiert wird. Angesprochen fühlt sich durch die Trouvaillen die Top-Hotellerie und -Gastronomie, beispielsweise Traube-Tonbach Baiersbronn, Schlosshotel Leerbach und Schloss Bensberg in Bergisch-Gladbach oder das Adlon in Berlin. Der seidig-elegante Dom Pérignon aus dem Jahr 1985 besticht mit Aromen von reifem Obst, Feigen, Mandeln und Zitrusfrüchten, die harmonisch zueinanderfinden. Der Dom Pérignon aus dem sonnigen Jahr 1973 zeichnet sich durch cremige Karamelltöne, einen Hauch Schokolade und eine nahezu erotische „Fruchtbarkeit“ aus. Der goldfarbene 64er verführt mit einem intensiven Aromenbukett aus Mango, Pfirsich, Sandelholz, Vanille, Rosinen und Trüffel. Beim bernsteinfarbenen Jahrgang 59, der schon seinerzeit die besten Voraussetzungen durch ideale Wetterbedingungen mitbrachte, breiten sich neben Karamell, Vanille und Honig orientalische Gewürze aus, die sich zu einem lang anhaltenden Geschmack verdichten. Die seltenen Kollektionsflaschen lagern in den Kellern von Epernay und Hautvillers. Die Anzahl ist äußerst limitiert, zudem haben die Raritäten ihren Preis. Je nach Jahrgang zwischen 125 und 500 Euro (Abgabepreis von Moet & Chandon an die Gastronomie). Die Lieferzeiten betragen zirka sechs Wochen, da die Flaschen nur auf Anfrage frisch degorgiert und vom Hefesatz befreit werden, der die Konservierung dieser kostbaren Cuvées über die Jahre sichergestellt hat.
Nobles und Deftiges
Ein großes Missverständnis ist der Glaube, dass Champagner zu allem passt. Gänseleber ist eine klassische Mesalliance, Schokolade erweist sich als wahrer Champagner-Killer. Und es muss wahrlich auch nicht immer Kaviar sein, zumal gerade dieser mit nur ganz ausgesuchten Edelperlen korrespondiert, die sich durch Körper und eine gewisse Süße hervorheben. Ausgezeichnet harmonieren jene regionalen Gerichte, wie sie die Winzer in der Champagne selbst bevorzugen: gefüllter Gänsehals, Schweinskopfsülze oder Potee champenoise – ein Pot au feu aus Kartoffeln, weißen Bohnen und Wurst oder Schweinefleisch. Fernsehkoch Stefan Marquard schwört auf Leberwurstbrot mit Löwensenf, fein geschnittenen Schalotten und Essiggurken zum Champagner. Und Thomas Martin vom Hamburger Restaurant Louis C. Jakob weiß, dass sich fruchtiger Champagner wunderbar mit der leicht süßlichen Sauce der Currywurst verträgt.
Ludwig Fienhold
Bezugsquellen
Champagner-Club, Kelkheim, Tel. 06195 725524. www.champagner-genuss.de
Extraprima, Mannheim, Tel. 0621 28652. www.extraprima-weinversand.de
Weinhalle, Nürnberg, Tel. 0911 525153. www.weinhalle.de
Vinaturel, Berg, Tel. 08151 908428. www.vinaturel.de
Wein-Art, Geisenheim, Winkeler Str. 93, Tel. 06722 71080. www.weinart.de
Cave du Connaisseur, Jürgen Drawert, Berlin, Tel. 030 49893543. www.caduco.de
Frankfurt Wein, Frankfurt, Wittelsbacher Allee 153, Tel. 069 40353086. www.frankfurt-wein.com
Weinhaus, Frankfurt, Grüneburgweg 49, Tel. 069 722780.
Wein-Teufel, Frankfurt, Im Trutz 51, Tel. 069 448989. Kleiner Hirschgraben 4, Tel. 069 448989. www.weinteufel.de
Aktuelle Weine, Frankfurt, Kettenhofweg 1, Tel. 069 71707601.