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Der Koch des Jahres

Alpenküche Reloaded

Von der Alm an die Spitze

Von Ludwig Fienhold

Nach Stationen in Paris, Los Angeles und New York hat sich Mario Lohninger bei uns in sechs Jahren an die Spitze gekocht, führt inzwischen drei Restaurants in Frankfurt und will vor allem eines: Hemmungslos kochen.

Es gibt kein Erfolgsrezept, aber eine Matrix, eine Urmaterie im Leben eines Kochs. Dieser Mutterstoff heißt Geschmackstalent und entwickelt sich innerhalb einer Umgebung und Familie, in der Sinnlichkeit erfahrbar wird. So war es bei Mario Lohninger, der wie Jahrhundertkoch Eckart Witzigmann im Salzburger Land aufwuchs. Lohningers Eltern führten in der Bergwelt von Leogang das Lokal Sonnrain. Eingebettet in ein beschauliches Alpenpanorama, belebt durch den Duft von saftigen Wiesen und frisch gebackenem Brot, und gestärkt durch einen Vater und eine Mutter, die Qualitätsstreben mit Gefühl vorlebten, lernte Mario früh seine Sinne zu schärfen. Sein erster Lehrmeister war Vater Paul, der immer noch gemeinsam mit ihm am Herd steht. Das bodenständige Fundament prägte Mario Lohninger, bei Meistern wie den Obauers in Werfen bei Salzburg, Guy Savoy in Paris, Wolfgang Puck in Los Angeles und Hans Haas im Münchner Tantris kultivierte er sein Können. Wenngleich er nicht davon beherrscht wurde, so muss Lohninger doch der Gedanke gefallen haben, weit mehr als nur ein sehr guter Küchenchef zu werden – ein Starkoch etwa. Das schaffte er dann auch in New York, wo er im superschicken Restaurant Danube von David Bouley mit Kavalierspitz, Schlutzkrapfen und Rinderbäckchen in Zweigelt-Sauce zum Liebling der Society wurde. „Die New Yorker Gourmets weinen Freudentränen in ihre Schnitzel“ dichtete damals die Presse. Lohningers Küche allein hätte den nimmersatten Celebrities der Stadt vielleicht nicht genügt. Es bedurfte noch seiner ureigenen Qualitäten: Charme, Gewitztheit und einer Prise Showtalent. Dass Mario Lohninger mit seinem modischen Zopf und teurer Designergarderobe auffiel, unterfütterte seinen Ruf als Kreativer. Caterings für US-Präsident Bill Clinton gehörten fast schon zum Alltag. Ungewöhnlicher war sein Einsatz am 11. September 2001 mit Gasmaske am Ground Zero, wo er mit 200 Helfern 30.000 Essen am Tag für die Rettungsmannschaften kochte.

Gemeinsam mit seinen Eltern Erika und Paul sowie dem DJ und Danube-Stammgast Sven Väth wagte er sich dann an das ungewöhnlichste gastronomische Objekt in Deutschland und eröffnete im Sommer 2004 in Frankfurt den gigantischen Musikpalast Cocoon-Club mit seinen Restaurants Silk und Micro. Im Silk, wo der Gast in milchigem Mondscheinlicht mit dezent sphärischer DJ-Musik auf eine genussvolle Space Odyssey geschickt wird, hat Lohninger seine Vision von einem modernen Restaurant konsequent umgesetzt. Nicht an Tischen, sondern auf lümmeltauglichen weißen Ledergarnituren wird eine extrovertierte Küche serviert, die Gang für Gang mit präzisen, ausgefeilten und bestens abgeschmeckten Miniaturen verblüfft – Gänseleber mit Geröstel von Carabinero-Garnelen, karamellisierte Jakobsmuschel mit Babycalamari in Ananas-Kapern-Sud oder Mispelstrudel und Fichtensprossen-Eis. Mario Lohninger fehlt es bei aller Exzentrik nicht an Geschmackstiefe. Das Silk spricht keineswegs nur feinsinnige Gourmets und juvenile Künstler an, sondern auch nach nonkonformistischen Menüs und unkonventioneller Atmosphäre lechzende Geschäftsleute. Im Restaurant Mikro nebenan ist es auch nicht so, dass tanzende Kellner zu dröhnenden Hip-Hop-Beats Speisen servieren, die vom Discjockey auf dem Plattenteller angerichtet wurden. Die Gäste tafeln an großen Edelholztischen oder Schauplätzen unmittelbar an der Küche. Serviert werden die Lieblingsspeisen von Mario Lohninger aus aller Welt, von filigranem Sushi bis zum kraftvollen US-Steak von der Morgan Ranch mit hausgemachten Pommes Frites und Sauce Béarnaise.

Trotz polyglotter Speisenwelt besinnt sich Mario Lohninger auf seine Wurzeln und hat vor einigen Monaten ebenfalls in Frankfurt eine Edelbeisl eröffnet, die schlicht den Familiennamen trägt. Auch dort möchte er „hemmungslos kochen“. Dabei stehen vor allem die Gerichte seiner Heimat Österreich auf der Karte. Umwerfend schlotziges Ochsenbackerl-Gulasch mit Topfenspätzle, luftig souffliertes butterzartes Wiener Schnitzel sowie prächtiges Ochsenfilet aus dem Bergheu. Jetzt wurde der 37 Jahre alte Mario Lohninger vom Gourmet Guide Gault Millau zum Koch des Jahres 2011 gekürt. Eine Auszeichnung, die ihn „wahnsinnig stolz“ macht. Doch unter „hemmungslos kochen“ versteht Lohninger auch, sich frei machen von Kritikern und Gästen. Er will vor allem das ungehindert und ungebremst kochen, was ihm selbst am besten schmeckt.

Die Adressen:
Lohninger, Frankfurt, Schweizer Str. 1, Tel. (069) 24 75 57 860.
www.lohninger-restaurant.net

Cocoon Club, Restaurant Micro und Silk, Frankfurt, Carl-Benz-Str. 21, Tel. (069) 90 02 00.
www.cocoonclub.net




Maria jetzt schmeckt’s ihm

Das neue Restaurant von Carmelo Greco hat Biss

Von Ludwig Fienhold

Frankfurts bester Italiener, Carmelo Greco, verließ nach über 18 Jahren überraschend die Osteria Enoteca. Was hat sein neues Restaurant an Überraschungen zu bieten?

Carmelo Greco haut nicht gerne auf die Pauke, sein Instrument ist eher das tiefgreifende Violoncello. An dieser Tonart hat sich nichts geändert, und doch spielt jetzt hier eine andere Musik. Vor allem öffnet sich der Feinmotoriker nun mit Spagat mehr zur Mitte hin und ist noch Italienischer geworden. Damit wird er auch für die Traditionalisten interessanter, denen er zuvor ein wenig zu extravagant erschien. Populistisch ist die Küche Grecos keineswegs, dazu baut er zu viel auf Ecken und Kanten. Mit Tagliolini al Tartufo und Spaghetti alle Vongole veraci schafft sich Carmelo Greco in allen Lagern Freunde. Eines der schönsten Gerichte auf der neuen Karte sind die cremigen Blutwurstravioli mit Gänsestopfleber und Sauerkraut. Der saftige Steinbutt wird von Pinienkernen, Rosinen und kandierten Tomaten elegant eskortiert, wobei die Süße dezent ausfällt und nicht überlagert. Delikat auch die gebratenen Jakobsmuscheln auf einer feinen Sauce vom Epoisse-Käse. Für eine moderne italienische Küche steht das Carpaccio vom Loup de Mer auf Scampi-Polenta mit Petersilienöl und einigen Tupfern Rotwein-Balsamico-Reduktion. Carne su Carne ist ein alter Schlager aus Osteria-Zeiten, der immer gefällt: Carpaccio und Tatar vom Simmentaler Rinderfilet mit Sbrisolona, Krümelkuchen aus Mandeln und Parmesan. Die Paccheri-Pasta mit in Rotwein geschmortem Perlhuhn-Ragout und Artischocken ist bestens gewürzt. Nudeln und Risotto fallen sehr al dente aus. Grundsätzlich darf man Gerichte mit Schmackes erwarten. Nur dem Milanese vom Milchkalbskotelett am Knochen hätte man mehr Temperament gewünscht und eine weniger dicke und fade Panade. Am meisten tüftelt Carmelo Greco beim Amuse bouche und den Vorspeisen. Da gibt es dann einen sehr gut abgestimmten Suppencocktail aus Rucola, Ingwer und Limone, Tunfisch mit einem Kranz aus gestutzten Röhrennudeln, Mozzarella-Jakobsmuschelkugel mit Ananas oder ein wachsweiches Ei mit Fleur de Sel und weißem Trüffel. Wo es gutes Brot gibt, muss man sich zügeln, um nicht schon gleich satt zu sein. Bei Carmelo Greco liegt neben den hausgemachten Grissini viel Gutes im Körbchen, doch die stets frisch zubereiteten Mozzarella-Brötchen sind so lecker, dass es kein Halten gibt. Carmelo Greco kocht derzeit vielleicht weniger komplex und sehr moderat, doch auch weit unangestrengter und entspannter als in der Osteria Enoteca. Es scheint, als bringe er noch mehr das auf die Teller, was ihm auch selbst gut schmeckt. In der Induktionsküche arbeitet Carmelo Deiana als Souschef, der früher das gleichnamige Ristorante in Oberursel führte. Geschäftspartner von Carmelo Greco sind Chester Sauri, der die Leiter und das Gallo Nero in Frankfurt sowie die Fattoria in Mörfelden-Waldorf betreibt. Und Guido Giovo, dessen Wein-, Lebensmittel- und Delikatessenhandel in Mühlheim am Main eine feste italienische Größe im Rhein-Main-Gebiet ist.

Die Speisekarte im neuen Lokal von Carmelo Greco ist angenehm kompakt, alles andere wäre gerade in der Anfangsphase auch fahrlässig. Man kann insgesamt unter 23 Gerichten wählen, wobei das Degustationsmenü (5 Gänge für 74 €) dem Angebot à la carte entspricht. Das Mittagsmenü für 29 Euro ist sozialverträglich – drei Gänge und sogar noch ein Amuse gueule. Die überschaubare Weinkarte bietet viel bezahlbare und gefällige Mittelklasse, mit 24 Euro wird der Einstieg zur Flasche leicht gemacht. Sieht man vom Hauschampagner Ruinart und einigen schäumenden Verwandten ab, sind ausschließlich italienische Weine zu haben. Die Preise bereiten wenig Kopfzerbrechen, für 68 Euro erhält man auch einen sehr guten Terre Brune aus Sardinien, der für Endverbraucher auch schon über 35 Euro im Geschäft kostet. Die Weinauswahl muss nicht mehr in die Breite gehen, aber in die Tiefe. Für Individuelles ist jedenfalls noch viel Platz. Für einen persönlichen, munteren und aufmerksamen Service sorgen Peggy Braun und ihr italienisches Team, zuvor war sie unter anderem bei Juan Amador in Langen. Das Ambiente in Grecos neuem Domizil mit 48 Plätzen wird durch edles Grau und mächtige schwarz-güldene Lampen bestimmt. Die Zink-Theke und der begehbare Weinklimaschrank zeigen Stil, aber auch die silbergrauen weichen Tischdecken und Servietten. Die kleine Raucherlounge wurde hübsch mit Sessel und Couch ausgestattet. Nette Details, wie die Kala in der Zimtstange auf dem Tisch,  fallen ebenfalls angenehm auf. Schon gleich vom Start weg eines der schönsten und besten Lokale der Stadt.

Ristorante Carmelo Greco, Frankfurt
Ziegelhüttenweg 1-3
Tel. 069 606 089 67
www.carmelo-greco.de.
Küche: Montag-Freitag, 12-14 Uhr, 18.30-22 Uhr, Samstag, 18.30-22 Uhr. Vorspeisen 14-18 €, Hauptgerichte 26-32 €.

Carmelo Greco

Carmelo Greco in seinem neuen Ristorante

Aus Frankreich wird Italien

Vom Bistrot 77 zu Carmelo Greco

Es war nur eine Frage der Zeit, wann Küchenchef Carmelo Greco und Patron Roland Brzezinski getrennte Wege gehen würden. Bei beiden hatte sich in letzter Zeit eine gewisse Müdigkeit bemerkbar gemacht, die nur durch einen professionellen Einsatz überdeckt wurde.

Die Geschäftspartner betrieben die Osteria Enoteca seit 1992 gemeinsam. Die Osteria ist mit einem Stern im Michelin und 17 Punkten im Gault Millau das bestbewertete italienische Lokal in Frankfurt und durfte sich rein mathematisch auch als Primus inter pares in ganz Deutschland fühlen. Nicht wenige meinten, dass viele wegen der Küche von Carmelo Greco zu Gast waren, aber weit mehr wegen des als eigenwillig empfundenen Auftritts von Roland Brzezinski fernblieben. Das aber wird der Geschichte dieses Ausnahmelokals nicht gerecht. Roland Brzezinski war der unverzichtbare Coach von Carmelo Greco und hat diesen gerade in den ersten Jahren in Frankfurt erst auf den richtigen Weg gebracht. Auch sein außergewöhnliches Verständnis für italienische Weine und eine Kenntnis, die weit über das hinausgeht, was sonst Lokale dieser Spezies bieten, zeichnen Brzezinski und die Weinkarte der Osteria aus. Roland Brzezinski arbeitet inzwischen mit Farrokh Okhovat-Esfehani als Küchenchef weiter und setzt nach wie vor auf eine hochwertige Küche. Der neue Mann am Herd arbeitete zuvor unter anderem in der Villa Kennedy und im Gargantua in Frankfurt sowie in der Villa Philippe in Kronberg. Die Osteria wird es weit schwerer haben, an die großen Jahre anzuknüpfen. Ex-Partner Greco kann  unbeschwerter in neuem Ambiente bei günstigerer Lage agieren – wenngleich beide Lokale Lichtblicke in einer eher öden Umgebung sind.

Die neue Konstellation von Guido Giovo und Carmelo Greco ist im Grunde eine alte Konstante. Die beiden sind im selben Dorf im Piemont groß geworden, wobei der väterliche Giovo das Talent von Greco schon früh erkannte und ihn vor zwanzig Jahren nach Frankfurt holte. Durch das neue Restaurant von Carmelo Greco wird das über sieben Jahre leerstehende Bistrot 77 wiederbelebt. Sieht man einmal vom Boden ab, erinnert nichts mehr an das einstige, von manchen als Badezimmerlokal empfundene Domizil, das seinerzeit Dernier cri war. Die früheren Betreiber des Bistrot 77, Guy und Dominique Mosbach, führten ihr Lokal über 20 Jahre und gehören zu den Pionieren des Küchenwunders in Deutschland. Längst haben sich die beiden mit dem Grünen Baum in Neu-Isenburg etabliert. Der Wechsel von der Gourmetküche zum gutbürgerlichen Lager war von Anfang an recht erfolgreich. Die Mischung aus hessisch und elsässisch ist bemerkenswert, man darf Austern und Foie Gras erwarten, aber auch Ochsenbrust mit Frankfurter Grüner Soße.




Ein kugelrunder Weltbürger

Der Knödel

Von August F. Winkler

Eine Zeitlang hatte es den Anschein, als leide der Knödel unter einem ähnlichen Imageproblem wie die Operette. Jeder hört diese gesungenen Sachertorten gerne, aber kaum einer mag sich dazu bekennen. Auch dem Knödel ermangelte es über viele Jahre hinweg an öffentlichem Zuspruch; speziell frankophile Restaurantkritiker ignorierten diesen Klassiker. Hinzu kam das Vorurteil, er sei schwer und mache dick. Doch auf einmal, gleichsam über Nacht, eroberte sich der Knödel die Speisekarten selbst der feinsten Restaurants. Seine kulinarische Majestät, der Knödel, ist rund, wohlschmeckend und der originellste Beitrag zur Küche, also ein echtes Kulturgut wie etwa der Tiroler Speckknödel, der unwiderstehlich gen Himmel dampft.

Erstaunlich an der Geschichte ist, dass sich der Aufstieg des Knödels vom Trauerkloß zum Wonneproppen des 21.Jahrhunderts sachlich nicht exakt begründen lässt. Ein auslösendes Moment war gewiss der Trend zu Omas Küche, genauer: die zeitgemäße Reform der klassischen gutbürgerlichen Rezepturen. Dass Köche heute sparsamer wirtschaften und im Knödel ein ideales Gericht zur Resteverwertung sehen, mag ebenfalls die Renaissance begünstigt haben. Viele Gerichte entstanden, wie man weiß, als Antwort auf die Frage: Was tun mit den Überbleibseln?

Allerdings reichen weder Ökonomie noch kulinarischer Regionalismus für sich allein aus, um die triumphale und vor allem urplötzliche Wiederkehr des Knödels zu belegen. Sogenannte Füllgerichte gibt es zuhauf auch in anderer Form. Jedenfalls kommt heute kein Koch, der etwas auf sich hält, am Knödel vorbei. Wir begegnen dem Semmelknödel, dem Serviettenknödel, dem Erdäpfelknödel, dem Griesknödel, dem Germknödel, dem Krebsknödel, dem Brennesselknödel, dem Grammelknödel, dem Polentaknödel, dem Kasknödel, dem Fleischknödel, dem Leberknödel, dem Topfenknödel, dem Mohnknödel und weiteren Knödelgenossen.

Das sind alles Klassiker, ehrenwert und ausgereift. Die kann man nicht mehr verbessern, allenfalls verändern, was spielfreudige Köche auch tun. So gibt es beispielsweise Gemüseknödel (in feiner Rindsuppe mit Sherry), Entenknödel (mit Morcheln), Lammfleischknödel (auf Gabelkraut), Hummerknödel (in Safransauce). Auffallend an diesen modernen Designer-Knödeln ist, dass ihre Größe sich umgekehrt proportional zum Ansehen des Lokals verhält. Bündiger gesagt: je feiner das Haus, desto kleiner die Knödel. Auf der Karte stehen sie niedlich als Klösschen oder Knöderl.

Erfahrene Feinschmecker erinnern sich des „Wiesbadener Knödels“, den Hans-Peter Wodarz vor über zwanzig Jahren zusammen mit Herbert Langendorf, seinem langjährigen Küchenchef, in der „Ente vom Lehel“ entwickelt hat. Das Ding, zusammengesetzt aus Semmeln, Eiern, Kalbskopf, Bries und Hummer, wurde in Mineralwasser gekocht und mit der Frankfurter Kräutersauce serviert – ein bisserl prätentiös, aber ungemein delikat. Apart schmeckt nach wie vor bei Schuhbeck in München der Brezenknödel, der, wie’s der Name suggeriert, eben mit Brezeln anstelle von Semmeln zubereitet wird – eine allseits bestaunte Kreation, die dem Schuhbeck zurecht den Ehrentitel eines „Dr. Knödel“ eingebracht hat.

Historisch gesehen ist der Knödel eine eher unbekannte Größe. Niemand weiß genau, wann und wo von wem der erste Knödel geformt worden ist. Die älteste bildliche Darstellung eines Knödels befindet sich in der Burgkapelle von Hocheppan nahe Bozen. Das Fresko aus dem 12. Jahrhundert zeigt neben dem Wochenbett Marias eine Wehmutter, die in der einen Hand ein Kochgeschirr mit fünf kugelrunden Knödeln hält und mit der anderen einen Knödel zum Mund führt. Mit Sicherheit ist anzunehmen, dass es weit früher knödelähnliche Speisen gegeben hat. Die runde, mit Händen leicht formbare Gestalt lud geradezu zwingend zur Erfindung der Teigkugel ein. Jedenfalls tauchte der Urknödel aus den Töpfen des Mittelalters scheinbar plötzlich und ohne Vorwarnung in der böhmischen, bayerischen und österreichischen Küchengeschichte auf, wahrhaft, nahrhaft und vor allem rund.

Präziser lässt sich die etymologische Wurzel bestimmen. Danach leitet sich der Knödel vom Althochdeutschen „chnodo“ übers mittelhochdeutsche „knode“ oder „knote“ her. Als „Knoten“ bezeichneten die alten Deutschen eine kleine Bergform, mit der die Knödel verglichen wurden. Küchengeschichtlich dürfte der Knödel zwischen Brei und Brot liegen. Urmutter der Klöße und Klümpe (Dumpling sagt der Engländer, Quenelle der Franzose) ist der Mehlknödel, gefolgt vom Brotknödel, wohingegen der Kartoffelknödel logischerweise die jüngste Variante ist: besonders beliebt in seiner Form als süßer Früchteknödel, gefüllt mit Pflaumen, Erdbeeren oder Aprikosen, gewälzt in heißer Butter und Semmelbröseln, bestäubt mit Puderzucker.

Im „Lexikon der Ernährungskunde“, 1926 im Wiener Verlag Julius Springer herausgegeben, werden Knödel schlicht so definiert: „… sind gesottene oder gebackene Ballen von sehr verschiedener Zusammensetzung und Größe, die in der Küche aus freier Hand geformt werden und nach ihren Hauptbestandteilen mannigfache Spezialnamen führen. Knödel schlechtweg sind in Wasser oder mit dem Gemüse zusammen gekochte Kugeln aus Weizenmehl mit Milch, Butter und Eiern.“ Dass ist korrekt definiert, vermittelt aber nicht den Hauch jenes Glücksgefühls, das Knödelianer immer wieder aufs Neue empfinden, wenn das Objekt ihrer sinnlichen Sehnsucht verheißungsvoll dampfend in der Schüssel zu Tisch getragen wird.

Ein Knödel ist gewiss nur ein Knödel, was die Form betrifft. Der Inhalt jedoch ist variantenreich wie kaum eine andere Speise. Die Wiener bereiten die nach ihrer Stadt benannten Semmelknödel mit Semmeln, Butter, Eier, Milch, Zwiebeln, Petersilie und Salz zu, während andernorts zusätzlich oder anstelle der Butter auch durchwachsener Speck beigemengt wird. Die Frage, ob es auch Schnittlauch sein darf, ferner ein Stäubchen Muskat, wird leidenschaftlich diskutiert. Tiroler Knödel werden laut der alten Frau Sacher auf der Basis von Semmelknödeln gemacht, mit Fett statt Butter geschmiert und mit Selchfleisch gefüllt. Daneben gibt es Bauernrezepte, die ausdrücklich Speck vorsehen.

Im „Kochbuch für Alle“ von Küchenchef Franz Ruhm, dem berühmten österreichischen Koch, findet sich auf Seite 12 ein Hirnknöderl: „In 50 Gramm Butter rührt man nach und nach ein ganzes Ei und einen Dotter recht schaumig ein, bringt ein halbes passiertes Kalbshirn dazu und würzt mit Salz und Pfeffer. Das Ganze wird mit weißen Semmelbröseln zu einer halbfesten Masse vermischt, aus der man nach kurzem, Anziehenlassen kleine Knöderl formt, die in Salzwasser sechs bis acht Minuten langsam gekocht werden. Nachdem sie abgeseiht und überkühlt wurden, dienen sie als Einlage in eine Rinderkraftbrühe.“

Von Ruhm stammt auch das heute weitgehend vergessene Rezept für Farceknöderl: „Man lässt 2 Eßlöffel Wasser mit ein wenig Fett aufkochen, verrührt darin einen Esslöffel Mehl und röstet dies, bis sich die Masse vom Geschirr löst. Nach dem Auskühlen vermischt man die Panade mit 150 Gramm sehnenfreiem Kalbfleisch, um beides zusammen ein paar Mal recht fein zu faschieren. Die Farce wird hernach mit 2 Eidottern, etwas Salz, Pfeffer und geriebener Muskatnuss tüchtig abgerührt und zum Schluss mit 1 Teelöffel Kognak verbessert. Diese Masse formt man zu Knöderln, setzt die in eine wenig gefettete Kasserolle, bringt ganz wenig Suppe daran und lässt die Kugeln zugedeckt sehr langsam 10-12 Minuten mehr ziehen als kochen, um sodann mit der entsprechenden Suppe überbrüht zu Tisch zu kommen. Je nach Art und Bezeichnung der Suppe findet entweder Rind-, Kalb- oder Schweinefleisch, bei Schinkenfarceknöderl rohes mageres Selchfleisch Verwendung.“

Weitere Spezialitäten sind Leber-, Pilz- und Fischknödel. Selten wird einem heute noch der Heidenknödel vorgesetzt, zubereitet aus Buchweizenmehl, Weißbrotwürfel, Fett, Zwiebel, Wasser, Ei, Salz, gesotten in einer Rindssuppe. Aus gekochten und rohen Kartoffeln werden die Waldviertler Knödel gemacht, auch „Grüne Knödel“ genannt. Zahlreiche Varianten gibt es vom Serviettenknödel, der in seiner klassischen Version eigentlich eine Semmelknödelmasse (ohne Mehl, viel Butter und etwas Muskat) ist, die als Rolle und umhüllt von einer Serviette in Salzwasser gegart wird. Der Palffy-Knödel wiederum wird, angereichert mit Speck, als Riesenknödel in der selbstverständlich bebutterten Serviette gekocht.

Der Phantasie sind beim Knödelmachen also kaum Grenzen gesetzt. Andererseits sollte man nicht zu kühn experimentierten. Ein Klassiker wie der Wiener Semmelknödel ist vollendet komponiert und bedarf keiner neuen Töne. Er schmeckt frisch vom Herd zu gekochtem Rindfleisch ebenso gut wie zu Geselchtem oder einem großem Braten. Und wenn ein Knödel übrig bleibt, freue man sich auf den nächsten Tag: Kalte Semmelknödel, dünnblätterig geschnitten und in der schweren Eisenpfanne in heißer Butter knusprig geröstet, sind, gewürzt mit Salz sowie Schnittlauch und eventuell übergossen mit verquirltem Ei, eine köstliche Vulgarität, basierend auf dem Motto von Tante Therese: „Jeder Knödel ist rund, aber nicht alles Runde ist ein Knödel.“

Ein Semmelknödel-Grundrezept

(Zwölf Knödel)

  • 12 altbackene Semmeln („Knödelbrot“)
  • 20 cl Milch
  • 2 Schalotten, fein geschnitten
  • 60 g Butter
  • 3 EL Speck, durchwachsen
  • 3 Eier
  • Salz, Pfeffer, Muskat

Die Semmeln in Scheiben schneiden und mit der lauwarmen Milch übergießen. Die Schalotten in Butter andünsten, den Speck auslassen und beide zu den Semmeln geben. Die Eier verquirlen, über die Semmeln gießen und zu einer homogenen Masse kneten. Mit Salz, Pfeffer und Muskat nach individuellem Gusto abschmecken. Knödel formen und in siedendem Salzwasser garen. Je nach persönlichem Geschmack kann man die Masse mit zerhackter Petersilie oder etwas frischem Liebstöckelkraut aromatisieren.

Für Serviettenknödel die Masse in ein Tuch einrollen und in Salzwasser 20 bis 30 Minuten pochieren.

Gemüseknödel:

Von zwei Semmeln die Rinde abschneiden. Zwei Eidotter nebst 1/8 Liter Milch sowie Muskatnuss, Salz und Pfeffer über die Semmeln geben und alles tüchtig miteinander vermengen. Das Gemüse (eine Karotte, eine gelbe Rübe, eine Broccolirose) klein schneiden, aus zwei Eiklar einen Schnee schlagen und beides unter die gut durchweichten Semmeln mischen. Die Knödel in einer Rindsuppe fertig garen und in dieser Suppe, die mit trockenem Sherry nach Gusto abgeschmeckt worden ist, servieren.

Lammfleischknödel im Polentateig auf Gabelkraut:

Ein halbes Kilo mageres Lammfleisch faschieren und mit Zwiebel, Knoblauch sowie frischem, klein gehacktem Thymian, Salz und Pfeffer kurz anrösten. Die Masse erkalten lassen und daraus kleine Knödel formen. Anschließend 15 Dekagramm Butter mit drei ganzen Eiern schaumig rühren. Mit 15 Dekagramm Maisgrieß gut durchmengen und nach Geschmack würzen. Die Lammfleischknödel mit der Polentateigmasse umhüllen, in kochendes Wasser einlegen und cirka eine halbe Stunde köcheln lassen. Sauerkraut (Menge nach Belieben) waschen und kurz aufkochen lassen, danach mit Speckwürfel und zerdrückten Knoblauchzehen vollenden, mit den Knödeln servieren.

Bärlauchknödel: (vier Portionen)

Sechzig Gramm Butter mit drei Eigelb schaumig rühren. 150 Gramm Grieß, 60 Gramm Semmelbrösel, ein halbes Päckchen Backpulver, 500 Gramm Topfen mit Salz, Muskat und Pfeffer würzen. Drei Eiklar zu Schnee schlagen und unter die Masse heben. Eine Handvoll (nach Belieben auch mehr) Bärlauch blanchieren, ausdrücken, hacken und ebenfalls untermischen. Aus der Masse nun Knödel formen und die ca. 15 Minuten lang in Salzwasser leise köcheln lassen. Herausnehmen, mit brauner Butter betröpfeln, geriebenen Parmesan darüber überstreuen – und genießen.

Polentaknödel: (vier Portionen)

Kleinwürfelig geschnittener Selchspeck (50 Gramm) wird in einer Rein goldgelb geröstet, mit ¼ Liter Milch aufgegossen und gesalzen. In die kochende Milch unter ständigem Rühren 100 Gramm Maisgrieß einfließen lassen und so lange unter weiterem Rühren ausdünsten, bis sich die Masse vom Boden löst. Erkaltet mit einem Ei vermengen und daraus Knödel formen. Sollte sich die Masse nicht oder nur schwer formen lassen, ein bis zwei Esslöffel heißes Wasser untermischen. Die Knödel nun in siedendes Salzwasser einlegen und nicht zugedeckt 15 Minuten langsam bis zur Vollendung kochen lassen.

August F. Winkler

August F. Winkler

August F. Winkler schreibt so gerne wie er liest, zuletzt erschienen seine Bücher „100 beste Köche“ im Umschau Buchverlag und das „Genusslexikon“ im B3 Verlag




Bloody Hell!

Helgo Karrer musste seine Wein-Kost-Bar in der Wiesenstraße im Frankfurter Nordend aufgeben. Nicht einmal ein Jahr ging es gut. Seine rechte Hand Stefan Brum strich schon vor einigen Monaten die Segel und arbeitet wieder als Sommelier im Jasper´s in Sachsenhausen. Karrer übernahm das schlichte Weinlokal von Fernsehkoch Mirko Reeh, der dort ebenfalls scheiterte. An den Weinen kann es nicht gelegen haben, die hatte der gelernte Konditor, Hotelfachmann und Weinhändler Karrer überlegt ausgesucht. Auch das Essen, das André Großfeld aus seinem Restaurant in Friedberg anfänglich vorgefertigt lieferte, war völlig in Ordnung. Insgesamt fielen die Preise moderat aus. Aber: Es mangelte es an der Präsenz von Karrer in seinem eigenen Lokal. Auch die Lage, die fehlende Terrasse und die Parkplatzsituation waren nicht günstig. Vor allem aber entstand in der kärglichen Atmosphäre keine gute Stimmung, die zu erhöhtem Konsum und längerem Verweilen eingeladen hätte. Geld für neues Mobiliar und eine Umgestaltung war offenbar nicht vorhanden. Helgo Karrer steht jetzt in den Diensten von Sterne- und Fernsehkoch Alexander Herrmann im fränkischen Wirsberg bei Bayreuth.




Well Done!

Was nimmt man von einer Genussmesse außer einem vollen Magen mit nach Hause? Bei Guido Giovo, der in Mühlheim am Main Weine, Lebensmittel und Delikatessen in großem Stil verkauft, erlebt man viel Gutes. Ausgezeichnete Schinken, Mortadella, Olivenöle sowie leckere Stückchen aus der eigenen Konditorei sind bei seinen zweimal im Jahr stattfindenden Verkostungen die hochsolide Grundausstattung. Die 10 Euro sind kein Eintritt, sondern eine Spende an wechselnde soziale Organisationen. Dafür gibt es nicht nur zu essen, sondern auch fast 200 Weine zu probieren, wobei die Winzer eigens aus Italien anreisen. Highlight: Die aparte Silvia Vannucci und ihre Rotweine. Auf ihrem Weingut Piaggia in der Toskana wird ein sehr guter Sangiovese erzeugt, doch noch beeriger, kraftvoller und strukturierter ist der Poggio De´Colli aus hundertprozent Cabernet Franc.




Gregorelli’s in Frankfurt

Wer veralbert wen?

Ein Kritiker is nich ein Idiot. Ein Kritiker seh, was passieren in Küche. In diese Lokal, es waren zwei, drei Köche schwach wie Flasche leer! Diese Köche beklagen mehr als Spiel. Wissen Sie, warum dies Italien-Mannschaften kaufen nicht diese Köche? Weil haben gesehen viele Male dumme Essen. Gregorelli! Is Jahre hier und hat gespielt seine Spiel. Was erlauben Gregorelli? Ich bin müde jetzt der Vater dieser Köche. Ich habe immer die Schulde über diese Köche! Ich habe fertig!

Statt einer Kritik am Ristorante Gregorelli´s, Frankfurt, Meisengasse 12,  frei übersetzt nach Giovanni Trapattoni.