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Der Wirt haftet nicht für Vogelschiss

Im Hinterhof der

Frankfurter Kneipenkultur

 

Erinnerungen an das Lokal

Zu den drei Steubern

 

Wolfgang Wagner, der älteste Apfelweinwirt im süffigen Sachsenhausen, hatte vor drei Jahren mit 89 den Tresen für immer verlassen. Seine Ebbelwoiwirtschaft Zu den drei Steubern war das authentischste Lokal dieser sehr speziellen Spezies. Zu den Gästen gehörten nicht Touristen oder Flirtfuzzies, sondern Einheimische mit Durst aufs Wesentliche. Der selbstgekelterte Apfelwein war strikt gut, der Handkäs mit Musik einfach solide.  Das Glas mit den Soleiern mochte eher an die Gerichtsmedizin erinnern, gehörte aber unbedingt dazu.

Jedes Apfelwein-Lokal hat seine ganz eigenen Gesetze. Natürlich fällt man überall unangenehm auf, wenn man Handkäs mit der Gabel ist. Und selbstverständlich ruft man nicht nach einem Kellner, sondern wartet, bis er am Tisch vorbeikommt, weil ein echt Frankfurter Apfelweinkellner ohnedies schon zur Stelle ist, bevor man ihn herbeizitiert. Bei den Drei Steubern in der Dreieichstraße in Sachsenhausen fiel auf, wer in irgendeiner Form zu schnell ging, Bestellungen hektisch aufgab, und erwartete, dass diese auch noch umgehend kommen. Sachte, hieß hier das Leben, das unsere französischen Nachbarn mit Laisser-faire bezeichnen, die Jamaikaner durch „cool runnings“ gleichsetzen, während unsere ostafrikanischen Freunde dafür ein schönes „pole, pole“ anzubieten haben. Also bitte, ganz langsam hereinschlendern, in aller Ruhe abwarten, bis die Speisekarte kommt, und dann bedächtig bestellen – nur so war man bei den Drei Steubern an der richtigen Adresse. Hektische Business-Luncher mochten sich ihren Herzinfarkt woanders besorgen, hier wurde die Kontemplation eines Klosters gepflegt.

Die Drei Steuber waren eine der wenigen touristenfreien Zonen in Sachsenhausen und schotteten sich vorsichtshalber am Wochenende durch Schließung ganz ab. Dieses Lokal lag und liegt noch immer am Anfang (oder Ende, je nachdem, von welcher Seite man kommt) der umtriebigen Pfade. Es wirkte völlig unscheinbar wie eine Eckkneipe ohne Gesicht, und gab sich auch keine Mühe, irgendwie interessant auszusehen. Die Schankstube war eine Schankstube – und kein Stuhl mehr. Um die Theke herum standen die, die sich gerne unterhielten und keine Scheu hatten, wenn sich wer dazugesellte. Man war hier weder freundlich, noch unfreundlich, sondern bewegte sich zunächst in einer neutralen Zone. Nach einigen Minuten konnte es in die eine oder andere Richtung ausschlagen. Die Gesichter verrieten mehr Neugierde als Misstrauen. Mal sehen, was da auf uns zukommt, ließen die erahnen, die schon dasaßen, bevor das Lokal überhaupt seine Pforten öffnet, während man selbst geglaubt hatte, der erste zu sein.

 

Hinterhof mit Wäscheleinen-Romantik

 

Viele blieben im Schankraum, weil sie sich dadurch der Theke und der Küche näher glaubten. Im Hinterhof und seiner Wäscheleinen-Romantik sah man sich einer okkulten Verschrobenheit ausgesetzt, und rief in sich ungläubig-glücklich hinein: meine Güte, das es so was noch gibt!  Keine Heimatfolklore, kein Hauch Originalitätsputz. Eher Schrebergartenidylle mit einem Schuss Straußwirtschaft. Der Schoppen kam, wie es sich gehört, sehr schnell, alles andere hatte Zeit. Auch der schön durchgezogene Handkäs mit Musik wurde flink gebracht. Die warmen Speisen gaben allerdings vor, als würden sie erst noch aufwändig zubereitet. Wenn dann nach einer knappen Stunde das Presssäckchen mit Brot und Kraut kam, durfte man sich nicht wundern, dass dabei nicht mehr herausgekommen war als eine warme Wurst.

Die atmosphärische Verwehtheit zwischen Bescheidenheit und einer nahezu unwirklichen Jenseitigkeit, verlieh den Drei Steubern einen Kultstatus, nach dem andere ringen, obwohl sie nie eine solch unwillkürliche Authentizität erreichen können. Der wie ein Kunstwerk von Beuys dramatisch in Schieflage hindrapierte Garderobenständer im himmelsoffenen Hinterhof war reinste Lyrik. Und der Text daneben beste Prosa: „Für entwendete Garderobe, zerrissene Strümpfe, Vogelschiss und ähnliches Unbill, haftet der Wirt nicht.“

Ludwig Fienhold

Photocredit: Christian Schiller




Restaurant Medici: Große Genuss-Offensive mit Weinen aus dem Burgund

Raffinessen, Raritäten, preiswerte Highlights

 

Der Trend geht zum dreier Menü, ein Teller und zwei Flaschen Wein. So erlebt man das im Frankfurter Restaurant Medici inzwischen häufiger, weil die Weinkarte einfach dazu animiert. Es gibt 700 Positionen, darunter viele Knaller, Raffinessen und Raritäten, mit denen nur wenige Restaurants glänzen können. Vor allem im Burgund wird man fündig. Das hat sich herumgesprochen, auch bei Gastronomen, zumal diese gerne montags unterwegs sind, weil sie dann endlich einmal selbst auswärts essen gehen können. Das Medici setzt inzwischen gerne auf den Montag, wo die meisten guten Lokale geschlossen haben, und erlebt einen enormen Zulauf.

Dass man im Medici, einem der ganz wenigen guten Restaurants in der Innenstadt, eine bemerkenswerte Küche und freundlich-kompetenten Service in entspannter Atmosphäre erleben kann, sollte längst bekannt sein, das Restaurant feiert sein 20jähriges Bestehen. Für Kenner ist aber auch die Weinkarte von großem Interesse. Vor allem stört kein  Supersommelier, der die Gäste und Gläser mit seinem Wissen vollschüttet. Das Medici ist kein Wichtigtuer-Lokal, die Gäste sollen Spaß haben und auch große Wein lässig genießen können. Es sind beruhigend viele alltagstaubliche Weine zu bekommen, aber auch viele Spitzenweine zu fair kalkulierten Preisen.

Gänseleber

Der Saint-Aubin 2022 von Sylvain Bzikot springt mit Freude aus dem Glas und umarmt einen mit seiner geschmeidigen, spannungsgeladenen Duftigkeit. Saftig buttrig, aber nicht fett, schönes  Aroma aus Apfel, Birnen und Limetten, gepaart mit Brioche und Haselnuss sowie einer auffrischenden Salzigkeit. Ein markanter Chardonnay aus dem Burgunderdorf Puligny-Montrachet, das als Appellation weltberühmt ist.

Burgund ist eine verdammt teure Region, die Weinpreise steigen immer weiter in die Höhe. Die Weine von Sylvain Bzikot sind trotz ihrer großen Qualität noch erstaunlich bezahlbar. Den Chardonnay bekommt man eher selten, mit etwas Glück kann man ihn für rund 50 € entdecken. Der Preis von 95 € im Restaurant Medici ist alles andere als überzogen.

Bemerkenswert, wie stark sich die Weinkarte des Medici in den letzten Jahren entwickelt hat. Das Restaurant könnte leicht prahlen, aber das liegt den beiden Betreibern, den Brüdern Christos und Stamatios Simiakos, fern. Allein die Auswahl an 45 Flaschen verschiedener Lagen und Jahrgänge vom legendären Romanée-Conti ist beeindruckend, die Jahrgänge reichen bis 2012 bei Preisen zwischen 690 und 9000 € .

Höchst selten zu finden sind auch die Weine der Domaine Bernard-Bonin, im Medici werden gleich acht verschiedene Flaschen offeriert. Darunter auch der Meursault 1er Cru Les Charmes du Milieu 2021, der schwer zu bekommen ist und für Endverbraucher schon mal 900 € kosten kann. Aber selbst wenn man ihn etwas günstiger bekommen könnte, im Medici steht er für 720 € parat.

Nicht billig, aber durchaus bezahlbar, sind Burgunder wie der Antichtone von Benoit Ente, der einen mystischen griechischen Namen trägt (auf Deutsch: Gegenerde). Dieser Aligoté ist schlank, frisch, knackig und von dezenter Noblesse. Von der Domaine Olivier Guyot stehen einige  Spitzenweine parat, auch der feinduftige Vin de Bourgogne als preiswerte Alternative (69 €). Im Restaurant begegnet man den guten und großen Weinen mit respektablen Gläsern von Zalto und Riedel.

Auch das Champagner-Repertoire im Medici ist exzeptionell, Krug hat nicht jeder und schon gar nicht den absolut raren Salon, den man nur sehr selten auf einer Karte zu Gesicht bekommt. In diesem Segment gibt es oft spezielle Angebote, auch Champagner by the glass. Nur auf den ersten Blick extravagant: Krug Champagner in der kleinen 0,375 Flasche mit feinstem frisch aufgeschnittenen hauchdünnen Parmaschinken (185 €).

In einem guten Restaurant muss auch das Basis-Sortiment stimmen. Im Medici sind 22 offene Weine zu bekommen, darunter hochsolide wie der Grauburgunder von Groebe aus Rheinhessen. Die neuen Stehtische aus Olivenholz wirken einladend, gerade wenn man nur Lust auf ein Glas hat. Doch bei dieser schönen Weinauswahl wird es wahrscheinlich nicht dabei bleiben

Text: Ludwig Fienhold

Bilder: Barbara Fienhold

 

Restaurant Medici, Frankfurt, Weißadlergasse 2, Tel. 069  21 99 07 94

Mo – Fr 11.30 – 22 Uhr, Sa + So geschlossen.

www.restaurantmedici.de

 




Marbella: Neues japanisch-mediterranes Toprestaurant von Sternekoch Ricardo Sanz

Laguna Beach Club:

Neuer Hotspot,

der mit dem Lokal Kai

auch gastronomisch glänzt

 

Marbellas Golden Mile verschiebt sich immer mehr in Richtung Estepona. Jetzt hat mit dem neuen Laguna ein kulinarischer Lifestyle Tempel eröffnet, der mit dem japanisch-spanischen Kai seit einigen Tagen ein Toprestaurant bietet, dessen Mastermind Ricardo Sanz seit Jahren an verschiedenen Stellen für eine gekonnte Fusion-Küche sorgt. Für sein Restaurant in Madrid gab es einen Michelin-Stern, in Marbella hält es sich ebenfalls auf einem beachtlichen Niveau, wobei er sich dort auf ein gutes Team stützen kann.

Wolfsbarsch in Ponzusauce

Ricardo Sanz hatte einst mit dem Kabuki Raw im feudalen Hotel Finca Cortesin in der Nähe von Estepona ein extravagantes und kreatives japanisch-spanisches Restaurant geführt. Mit Kai geht er einen moderateren Weg, der mit einem weit größeren Publikum kompatibel ist, aber dennoch das Konzept von japanischer Küche mit spanischen und mediterranen Einflüssen spitzfindig umsetzt.

Es gibt Sushi, aber das Kai ist kein einfältiges Sushi-Lokal. Die meisten Happen werden auch nicht mit Soja-Sauce serviert, weil dies ihre Feinheit stören würde. Ein so filigranes Geschöpf wie der hauchdünn geschnittene Wolfsbarsch In einer Salsa aus Zitrus-Ponzu und Vanille benötigt wegen der feinen Schnitttechnik des Fischs und der Qualität des Grundprodukts keine weiteren störenden Elemente. Unter der Rubrik „Usuzukuri“ finden sich verschiedene zarte Fischstückchen, die jeweils mit anderen Ingredienzen serviert werden. Sehr schön auch die Sashimi mit der kanarischen Würzsauce Mojo Verde und angedeuteten Papas arrugadas. Weit interessanter als die üblichen Sushi sind im Kai die Varianten mit italienischem Guanciale-Speck, der sonst zur echten Carbonara gehört, oder solche mit Gänseleber oder einem Mini-Wagyu-Burger. Einen guten Querschnitt bekommt man bei dem Maki namens „Kai“ mit Wagyu, Gänseleber, Pilzen und Yakiniku-Sauce (im wesentlichen aus Soya und Mirin).

Ein tolles Team, professionell, freundlich und locker

Fabelhaft, was man aus iberischer Hausmannskost wie den Huevos Rotos machen kann, hier werden Bratkartoffeln und Ei mit saftig-zarten spicy Tunastücken serviert. Eines der schönsten Gerichte auf der Karte, das man sich auch gut teilen kann. Beim Japaner verzichten wir meist auf Desserts, hier wurden wir von köstlicher Sopa de Mango überrascht – einem mit Mangosaft übergossenen Kokos-Eis nebst Limette und Beeren mit Crunch.

Maki „Kai“

Ein Beach Club mit so anspruchsvoller Küche ist selten. Aber auch die Weinkarte glänzt mit einigen Ideen. Das Sake-Sortiment ist sehr gut, diese flüssige Feinkost passt im Grunde besser als alles andere zu einem anspruchsvollen japanischen Lokal. Neben ein paar Glitzer-Champagner – die einfach zu einem solchen Etablissement gehören wie jene, die sich damit wichtig machen, aber ihr Glas Dom Pèrignon ewig lange in der Sonne stehen lassen – gibt es auch gute Cava und Weine, die man sonst nicht überall findet. Das Weingut Friedrich Schatz in Ronda ist besonders bemerkenswert. Die Familie Schatz hat ihre Wurzeln in Südtirol und in Baden-Württemberg, siedelte sich vor gut 40 Jahren in Andalusien an und überzeugt rundum mit ihren ausdrucksvollen biologischen Weinen. Der trockene saftig-würzige Rosado, der im Kai auf der Karte steht, ist großartig – ein vitaler Rosé für Rotweinfreunde, der aber auch ausgezeichnet zu der Kai-Küche passt.

Charlotte, philippinische Wurzeln, in London geboren, arbeitet seit Jahren in Spanien

Das Team im Restaurant Kai ist gut geschult, tritt professionell und freundlich auf, ohne jede Affektiertheit, wie man sie gerne in solchen Clubs antrifft. Auf den ersten Blick könnte man meinen, hier wären Kandidatinnen für Germanys Next Topmodel im Einsatz, aber nichts spricht dagegen den Gästen sympathisch-hübsche Menschen zu gönnen, die auch noch versiert in ihrem Job sind.

Das Genießen wird den Gästen auch wegen der saloppen und entspannten Atmosphäre leicht gemacht. Die Tische in der Frontline mit Strandblick sind stets zuerst gebucht, einige Schritte nach hinten sitzt es sich aber auch gut und vielleicht etwas windstiller.

Zum Laguna Beach Club gehören derzeit das Restaurant Kai und das Lokal Sublim mit mediterraner Küche und Querwelt-Angeboten. Auch dort ist sehr einsatzfreudiges Servicepersonal zu erleben. Man sitzt mehr am Pool, die Lounge-Musik schlägt eher ruhige Wellen. Pool-Sonnenliegen kosten derzeit 100 € am Tag, am Wochenende ist es wie überall an der Küste tummeliger. Der Strand ist breit und schöner als an vielen Stellen an der Costa del Sol. Ab Juli soll er mit 200 Liegen ausgestattet sein.

Das Laguna hat gerade erst vor einigen Wochen eröffnet, das Restaurant Kai ist brandneu. Es gibt noch viele große Pläne, weitere gastronomische Outlets und eine Diskothek Pacha, wie in Ibiza, sollen im nächsten Jahr folgen. Das 2022 abgebrannte Laguna, damals kaum mehr als ein großes Holzhaus, ist völlig neu entstanden und stieg wortwörtlich wie der Phoenix aus der Asche.

Text: Ludwig Fienhold

Photocredit: Barbara Fienhold

Luftig, lustig, lecker

Laguna, Playa Padrón, Autovía del Mediterráneo, km 159. Estepona.

www.lagunacostadelsol.comwww.sublimbeach.com 

Telefon: 952 800 015. Geöffnet von 11 bis 20Uhr im Juni; von 11 bis 2 Uhr vom 21 Juni bis September.

Kai, täglich geöffnet von 12 bis 19 Uhr, ab 21, Juni 12 bis 23 Uhr. Tel. 951 178 561.

Das Restaurant Kai und der Beach Club Laguna liegt nicht einmal fünf Laufminuten vom Hotel Kempinski Bahia in Estepona entfernt.

Die Girls an der Rezeption, nicht nur attraktiv, auch super freundlich

Laguna Beach Club

Selbst die Toiletten sind stylish

Der Sommelier mit seinem Schatz, dem Rosé vom Winzer F. Schatz aus Ronda

Schwungvolles Entree

Mango-Suppe

Nigiri mit Guanciale und Gänseleber

Huevos Rotos mit Spicy Tuna

Huevos Rotos mit Spicy Tuna, auf zwei Tellern geteilt

Chili Crab

White Fish mit Mojo Verde

Maki „Kai“ mit Schatz-Rosé

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 




In diesem Rosé spielt die Musik: Hampton Water rockt den Wein-Markt

Bed of Rosé: Joint Venture von Jesse Bongiovi, Jon Bon Jovi und Gérard Bertrand

 

Keine Promi-Plörre, sondern Spaß auf sehr gutem Niveau

 

Der Rosé Hampton Water hat zwar weltbekannte Urheber, ist aber keine Promi-Plörre. Rockstar Jon Bon Jovi, sein Sohn Jesse Bongiovi und der ebenfalls populäre Weingutsbesitzer und ehemalige Profi-Rugby-Spieler Gérard Bertrand aus Südfrankreich haben gemeinsam einen Wein auf den Markt gebracht, der in den USA Erfolge feiert und in Deutschland immer häufiger in der Gastronomie zu finden ist. Wir haben Jesse Bongiovi in Frankfurt getroffen und sind etwas mehr in den Hampton Water eingetaucht.

Jon Bon Jovi, Jesse Bongiovi, Gérard Bertrand (v.l.n.r.)

Bei Jon Bon Jovi und seiner Familie wurde in den Hamptons kalifornischer Roséwein wie Wasser getrunken. Die Feste im Refugium der Rich & Famous sind legendär. Der Spruch „Wenn in den Hamptons gefeiert wird, ist New York besoffen“, gilt noch immer. Über die Qualität der Weine machte man sich keine großen Gedanken, erinnert sich Jesse Bongiovi. Man trank belanglose kalifornische Rosés mit leicht süßlichem Touch. Mit den Jahren wuchsen die Ansprüche und der Wunsch einen eigenen Wein zu machen. „Wir wollten einen Rosé auf den Markt bringen, aber keinen kalifornischen, sondern einen südfranzösischen, wo die besten Rosés zu Hause sind“, meint Jesse.

Der Hampton Water mag wegen seiner Story wie ein Sonnyboy erscheinen, aber er ist ein handwerklich seriös gemachter Wein südfranzösischer Provenienz. Ein bekannter Name hilft, nützt aber nichts, wenn das Produkt nichts taugt. Der Hampton Water bringt es fertig, junge Weinfreunde zu gewinnen und solche, die Rosé-Weine kritisch sehen, mehr als neugierig zu machen. Das attraktive Etikett mit dem hohen Wiedererkennungswert hilft beim Verkauf, wer so etwas in den Regalen mit allseits austauschbaren Labels sieht, wird schneller zugreifen.

Jon Bon Jovi & Jesse Bongiovi

Man will mit diesem süffigen Rosé südfranzösisches Savoir-Vivre und den lässigen Lifestyle der US-Ostküste einfangen. Die Trauben für den Wein (Grenache, Cinsault, Syrah, Mourvedre) stammen aus dem Languedoc. Im Haus in den Hamptons von Bon Jovi wurden Roséweine bislang als „rosa Saft“ getrunken. Ihr eigener Rosé ist aber kein „Bed of Roses“. Der Hampton Water Rosé hat eine forsche Frische, entfaltet diskrete Fruchtaromen von Erdbeere, Himbeere und leicht herber Mandarine, wirkt aber zu keiner Zeit blumig, sondern vor allem saftig, geschmeidig und anregend. In der Magnum schmeckt er noch besser, was ja grundsätzlich für Großflaschen zutrifft, die man deshalb auch zu Hause haben sollte. In der Fachwelt kommt der Rosé Hampton Water sehr gut an, im britischen Decanter wird er als „highly recommended“ empfohlen, vom US-Magazin Wine Spectator ebenfalls mit 90 Punkten als „hervorragend“ eingestuft.

Neues Etikett, altes Etikett (r.)

Für Jesse Bongiovo (so eigentlich die richtige Schreibweise des Namens) muss ein guter Rosé crisp, frisch und leicht sein und sollte ohne aufdringliche Aromen auskommen. „Ein leicht salziges Finale“, so Jesse, „macht ihn leichter und animiert zum nächsten Glas.“ Natürlich weiß er, dass der berühmte Name für Aufmerksamkeit sorgt. „Aber wenn die Qualität schwach ausfällt, ist ein Wein nach dem ersten Schluck vergessen.“

Hampton Water gibt es seit dem Jahr 2018. Laut Jesse werden weltweit 1,4 Millionen Flaschen verkauft. Mit 80 Prozent sind die USA der größte Markt, in Europa ist Deutschland führend, gefolgt von der Schweiz und Skandinavien. In der deutschen Gastronomie ist Hampton Water gut vertreten. Durchaus typisch dafür ist die Sansibar auf Sylt, weil dort neben Prominenten auch Weinkenner zu Hause sind.

Jon Bon Jovi, Jesse Bongiovi

Jesse Bongiovi lebt in Manhattan, wo es alles gibt nur keine Weinkeller. Er muss mit einem Kühlschrank auskommen. Er mag es weder süß noch sauer und trinkt am liebsten Pinot Noir und Sparkling Wine.

Man darf den knapp 30 Jahre alten Jesse nicht bloß als „Sohn“ betrachten, er hat seinen eigenen Kopf und ist eigentlich der Initiator von „Hampton Water“. Hinter seiner lässigen kumpelhaften Art steckt jemand, der Erfolg mit seinem Projekt haben will. Dass Jesse Betriebswirtschaft studiert hat und als ehemaliger Football-Spieler kampferprobt ist, mag dabei helfen. Und vielleicht auch die eine oder andere Flasche Hampton Water.

Ludwig Fienhold

 

Bezugs & Trinkquellen

Hampton Water gibt es beispielsweise in der Sansibar auf Sylt sowie in den Frankfurter Lokalen Gerbermühle, Vai Vai, Kabuki und Fortuna Irgendwo.

Bezugsquellen im Fachhandel:
Vini di Vini / Dreieich
Geschmackvoll – Interieur & Wein / Niederdorfelden
Wein & Wahrheit im Main Taunus Zentrum / Sulzbach

Distributeur für Wiederverkäufer in Deutschland:
Wein Wolf / Bonn

Photocredit: Hampton Water, Barbara Fienhold




Frankfurts Fresstempel Kleinmarkthalle: Dumm rumstehen und saufen

Für das Partyvolk

spielt Dreck keine Rolle

 

Die Kleinmarkthalle, der Bauch von Frankfurt, macht immer mehr Bauchschmerzen. Jeden Samstag feiern rund um den Eingang am Liebfrauenberg Hunderte von Menschen. Feiern? Eigentlich stehen sie nur dumm rum und saufen. Wenn es nur dabei bliebe. In unschöner Regelmäßigkeit werden zerbrochene Flaschen, viel Müll und noch mehr Gestank hinterlassen. Wer so viel in sich hineinschüttet wie diese Saufis, muss die ganze Flüssigkeit auch wieder rauslassen. Am besten gleich an Ort und Stelle oder um die Ecke. Das stinkt auch den Anwohnern ringsum gehörig. Sie wollen abends schon gar nicht mehr vor die Tür gehen, weil sie keine Lust haben in Scherben zu treten, zumal wenn sie mit ihren Hunden unterwegs sind

Die Frankfurter Saubermänner von FES sind oft im Einsatz, können aber nicht dauernd zur Stelle sein. Jetzt mischt sich die Politik mit ein, aber wie so oft wenig konstruktiv. Die einen wollen auch nach der Schließung der Kleinmarkthalle um 16 Uhr (samstags) Toilettenhäuschen aufstellen, wogegen das Denkmalamt Bedenken anmeldet, weil damit die denkmalgeschützte Kleinmarkthalle und das Territorium herum verunstaltet würde. Wie kommt es aber dann, dass unweit des Eingangs am Liebfrauenberg drei riesige Müllcontainer stehen, die auch keinen schönen Anblick bieten. Jedenfalls könnte man daneben auch die Klohäuschen hinstellen.

Fraglich ist aber, ob damit das Problem zu lösen ist. Denn für Menschen, ob besoffen oder nicht, für die Dreck keine Rolle spielt und für die der öffentliche Raum ohnehin ein einziges Klo zu sein scheint, gehören Manieren eher nicht zur Charakterbildung. Das Verhalten von vielen Menschen vor der Kleinmarkthalle ist nur ein weiteres Indiz für die zunehmende Verwahrlosung in der Stadt.

Vielleicht sollten die Lokale, die vom Partyvolk profitieren, wie etwa der Rolanderhof, sich freiwillig verpflichten oder verpflichtet werden, den desolaten Zustand einzudämmen oder gar nicht erst entstehen zu lassen. Beispielsweise mit einem so hohen Pfand auf Gläser und Flaschen, dass diese gerne wieder zurückgebracht werden.

Die Partyszene vor der Kleinmarkthalle entstand während der Isolation in der Corona-Krise, wie andere Auswüchse auch. Das schaffte Luft und Freiraum, der den Menschen durch die Restriktionen genommen wurde.

Die Betreiber der Marktstände sehen das Partyvolk nicht gerne, denn viele Menschen, gerade die älteren, wollen sich nicht durch die dicht an dicht stehenden Massen zwingen und bleiben zu Hause statt einzukaufen. Auch die salopp gemeine Sitte, mit gefüllten Gläsern durch die Kleinmarkthalle zu schlendern, ist keineswegs cool, sondern nur dämlich.

Ludwig Fienhold

Photocredit: BISS Magazin




Rosé Wein: Der Durst des Sommers

Unsere Favoriten für

Terrasse, Strand und Meer

 

Von Ludwig Fienhold

Rosé ist mehr als ein Wein, er ist der Duft und der Durst des Sommers. Oft ist er nur ein leichter beliebiger Lifestyle-Drink, er kann aber auch Qualität zeigen. Wir stellen einige unserer persönlichen Favoriten vor, die Geschmack und Persönlichkeit ins Glas bringen.

Azul Perdido

Auf der Kanaren-Insel La Palma brodeln die Vulkane noch immer, 2021 flossen wieder Lavaströme. Glühende Leidenschaft zeigt die Bodega Azul Perdido bei ihren ungewöhnlichen Weinen. Das Garagenweingut von Rüdiger Ewerth ist so individuell wie die ganze kleine Vulkan-Insel. Der Rosé wird aus autochthonen Rebsorten erzeugt, die es teilweise sonst kaum noch gibt: Negramoll, Listan Blanco, Albillo Criollo und Viajariego Blanco. Der Clarete, Jahrgang 2021, ist ein fleischiger, saftiger, kompakter, runder und weicher Rosé. Ganz trocken, keine kitschige Frucht, nur ein wenig Cranberry, Kirsche, Hibiskus sowie ein Hauch Kräuter. Lustmacher erster Klasse. Ein vitaler Stoff, auch für Rotweinfreunde. Für uns jedenfalls einer der besten Rosé-Weine auf diesem Planeten. Mit einem schönen lyrischen Namen. Azul Perdido, verlorenes Blau.

Marta & Juan von Titerok Akaet

Titerok Akaet nannten die Ureinwohner die feuerroten brennenden Berge des Timafaya-Vulkans auf Lanzarote. Das kleine Weingut gleichen Namens hat nur Gutes und Einzigartiges zu bieten. Oft sind Rosé-Weine nur Abfallprodukte der Rotweinherstellung, hier reiht er sich in die Linie der Topweine mit ein. Der Rosé Ye-Yé ist super saftig, wildbeerig und prall und verhilft zu einer dynamischen Trinkgeschwindigkeit. Gloriously unstoppable.

Die Domaine de Marchandise schenkt uns einen köstlichen, nach praller Lebensfreude und Sinnlichkeit schmeckenden Rosé-Wein ein. Er schwebt in perfekter Harmonie über die Zunge und zeigt sich frisch, saftig, dicht und präzise in Ausdruck und Aromatik, wobei ihn ein Hauch Waldbeeren und ein Touch Grapefruit abrunden. Der Rosé Côte de Provence  aus den Rebsorten Syrah, Grenache und Cinsault lädt durch seine kühle Noblesse zum Weitertrinken ein.

Jeany & Stephen von Mirabeau

Die Rosé-Weine von Mirabeau sind duftig, geschmeidig, elegant und so harmonisch, wie man sich das ganze Leben wünscht.  Sie lächeln freundlich, aber in einer erfreulich trockenen Art, denn alle Weine haben unter einem Gramm Restzucker, was Geschmack und Bekömmlichkeit steigert. Uns gefällt die ganze Palette, aber der fabelhafte Mirabeau Rosé Classic zeigt alles, was ein erstklassiger Wein dieser Provenienz an Eigenschaften mitbringen sollte. Er ist feinsinnig und anregend, seidig und saftig, blitzblank sauber und so anschmiegsam, dass er lange im Mund bleibt. Über allem schwebt ein Hauch von Pfirsich, Himbeere und Erdbeere, pointiert durch frische Kräuter und einen Touch Minze. Ein armer Tropf, wer davon nicht mehr als ein Glas haben möchte. Der Pure fällt ähnlich aus und gestaltet sich doch etwas anders. Bei ihm dominiert trotz seines zarten Blütendufts eine salzige Mineralität. Nuancen von rosa Grapefruit und Pfirsich bereichern den Wein auf ganz dezente Weise. Ein feiner delikater Stoff, wie er nur aus der Provence kommen kann.

 

Bezugsquelle für Top-Rosé, wie Titerok-Akaet und Azul Perdido: www.weinamlimit.de

www.maisonmirabeau.com

 

Photocredit: Maison Mirabeau, Barbara Fienhold




Dancing Nietzsche: Der verrückteste Rosé aller Zeiten

Oxer Bastegieta:

Ein großer Wein von

einem ungewöhnlichen

baskischen Winzer

 

Von Ludwig Fienhold

 

Der Baske Oxer Bastegieta hat mit seinem „Otto“, Jahrgang 2022, etwas ganz und gar Ungewöhnliches geschaffen. Schon das Flaschenetikett signalisiert schräge Kunstfertigkeit: Friedrich Nietzsche im Ballettröckchen. Besser hätte man den lebenstollen Philosophen und sein gleichzeitig feines Wesen nicht einfangen können. Vor allem hätte es dem spitzfindigen Metaphysiker gefallen so kunstvoll auf einem Flaschenetikett zu erscheinen, zumal auf einem so irren Wein.

Genau so schmecken Nietzsches Dionysos-Dithyramben, besser kann man seine tiefgreifenden Gedanken nicht verflüssigen. Sinnlich, amüsant, rhythmisch und ganz und gar faunisch. Diesem Rosé entströmt ein exzentrisches Potpourri: Walderdbeeren, Süßholz, Rosenblätter, Kirsche, kandierter Rhabarberkuchen, Rumtopf, Karamell.
Letzte aufblühende Süße von verwelkenden Grabblumen. Wahnwitzig, schräg und doch saubere seriöse Arbeit. Hedonistisch, ein großes Glas voll Morgenröte. Ganz viel Nietzsche im Kopf. Trunkener Philosoph. Tanzender Zarathustra. Der Rosé basiert auf verschiedenen Rebsorten wie Garnacha, Graciano und Mazuelo, vor allem aber Tempranillo. Den 100 Jahre alten Rebstöcken werden nur winzige Erträge abgewonnen (20 hl/ha). Spontanvergärung, 10 Monate Ausbau in gebrauchten 100 Liter Tonneau. Es gibt nur 1000 Flaschen von diesem einzigartigen Wein (Preis 39 €).

Oxer Bastegieta ist ein Extremindividualist. Seine Weine sind allesamt Persönlichkeiten mit ganz eigenen Charakteren. Es sind viele schwierige Figuren darunter, doch keine langweilt. Oxer bevorzugt autochthone Rebsorten und schöpft vor allem aus der Region Rioja Alavesa, dem baskischen Teil des Weinanbaugebiets Rioja, wo besonders spannende Weine ihre Herkunft haben. Mit den klassischen altbekannten und oft in routinierter Langeweile versinkenden Rioja-Weinen hat diese Region wenig gemein. Oxers Weinzentrum bewegt sich in und um Laguardia.

Die Familie von Oxer Bastegieta betreibt ein Restaurant, er selbst hat Weinbau und Önologie studiert. Die Weinberge werden biologisch bewirtschaftet, beim Pflügen kommen noch Maultiere zum Einsatz. Derzeit werden knapp fünf Hektar bewirtschaftet, vorzugsweise mit autochthonen Rebsorten. Gärung und Reifung finden in den unterschiedlichsten Gefäßen statt, Edelstahltank, Betonei, Tonamphoren, Ex-Sherry-Fässer, Fässer und Eichenfässer unterschiedlicher Größe.

Oxer Bastegieta stammt aus dem Küstendorf Gernika/Guernica im Baskenland, das durch Picassos gleichnamiges Bild weltberühmt wurde. Bei den Namen und der Etikettierung seiner Weine besinnt er sich auf Schriftsteller, Dichter, Künstler und Musiker. Aber auch er selbst ist auf seine Weise ein Wein-Genie.

 

 




News im Frankfurter Eis-Krimi: Eis Christina heißt jetzt Dio Mio

Adriano, der Eisheilige, spachtelt jetzt die neuen Sorten

 

Mio Dio! Was für ein Gezänk um einen Eissalon. Die Familie Spadotto gab nach insgesamt 50 Jahren an der Eckenheimer Landstraße ihr Eis Christina auf und übergab an die Gastronomin Sara Saravini und ihren Mann Maurizio Grande. Diese nannten den neuen Eissalon dann Gelateria Christina, was den Vorbesitzern und vielen Stammgästen zu ähnlich erschien, weshalb sie so etwas wie geistigen Diebstahl empfanden. Die Spadattos hinterließen auf ihrem Anrufbeantworter eine Klageansage und warnten vor den neuen Pächtern. Der Eisverkauf lief in den ersten Tagen schleppend, aus den einstigen Schlangen an Besuchern wurden spärliche Einzelkunden. Jetzt gab es einen Knall, die Besitzer und Geldgeber, ein deutsches Ehepaar, trennten sich schlagartig von Sara Saravini und ihrem Partner. Aber nicht wegen des schlechten Verkaufs. Es gab massivere Gründe, das Verhältnis war zerrüttet. Auch Stefano Motta ist nicht mehr Geschäftsführer und Gelatiere im Eissalon, der sich nun Dio Mio nennt. Regie beim Eismachen führt inzwischen Adriano, der Eisheilige, der bereits im Pavone gegenüber der EZB erstklassige Kreationen herausbrachte und später im Firenze am Walther-von-Cronberg-Platz die Spitze des Eisbergs bildete.

Adriano, der Eisheilige

Der Eissalon Mio Dio hat handwerklich nichts mehr mit den Lokalen der beiden Vorgänger gemeinsam. Im neuen Mio Dio werden 24 Sorten täglich frisch im Eissalon hergestellt, die kleine Manufaktur kann man von der Theke aus durch die Glasscheibe gut einsehen. Es gibt keine Kugeln, es wird nach alter italienischer Tradition gespachtelt. Zu haben sind Ricotta-Eis, Joghurt-Heidelbeer oder Walnuss-Feige, aber uns gefällt besonders gut Fior di Latte, die reinste Eis-Form überhaupt. Sie war zuvor in Frankfurt nur im Firenze zu bekommen und ist auch jetzt wieder ein Alleinstellungsmerkmal .

Mio Dio

Adriano ist für die Eis-Qualität verantwortlich, die Einrichtung hat er nicht zu verantworten. Die schlichte Ausstattung von einst ist einem süßlichen Interieur gewichen. Es wurde alles viel teurer als zuvor ausgestattet, aber deshalb nicht besser. An dieser Stelle wurde unnötig viel Geld investiert, wo doch jeder wissen sollte, dass im Nordend solcher Quietschschick überhaupt nicht gut ankommt.

Dort liebt man eher rustikale und kauzige Lokalitäten mit persönlicher Handschrift. So wie das winzige Pizza Peppe nebenan, wo Eis Christina im Juli 1974 startete, bevor es 2002 ein paar Meter weiter zog.

Ludwig Fienhold

 

Gelateria Dio Mio, Frankfurt Nordend, Eckenheimer Landstraße 78.

Photocredit: Mio Dio, Fienhold/BISS Magazin




Adieu Michel Briedé: Die Weinbar ist dicht

Frankfurt verliert

eine sehr gute Adresse

 

Die Vinothequé Michel Briedé in Frankfurt ist geschlossen. Sie hat sich in vier Jahren als Institution etabliert, letzten Endes aber nicht genügend Umsatz generieren können, um die steigende Miete auffangen zu können. Den Niederländer Michel Briedé zieht es wieder nach Amsterdam, wo er in der Logistikbranche arbeiten wird und Wein nur noch privat genießen will.

Es gab über 100 handverlesene Weine, die meisten sogar glasweise. Einzigartig in Frankfurt und weit darüber hinaus. Solche individuellen und ambitionierten Lokale gibt es nur wenige in Deutschland. Michel Briedé war ein Wein-Scout. Er wurde getrieben von der Entdeckungsfreude nach neuen guten Weinen, die er auf der ganzen Welt fand. Seine Favoriten fand er in Europa, dort auch in England und den Niederlanden. Vom slowenischen Spitzenweingut Edi Simcic konnte er allein acht verschiedene Sorten anbieten. Es gab jedenfalls Weine, die man sonst vergeblich sucht.

Briedés Frau Katya sorgte für einfache, aber gute Leckerbissen, die verschiedenen Pfannkuchen und die Bitterballen waren ein Must-have. Im bürgerlichen Wohnviertel in der Vogtstraße gab es einige Weinfreunde in der Nachbarschaft, doch die meisten Gästen kamen von weiter her. Michel Briedé hielt nichts mehr in Frankfurt, wobei ihm die Stadt inzwischen langweiliger und schmutziger erschien als vor der Corona-Krise.

Nicht nur die mühsam aufgebaute Weinbarszene in der Stadt hat eine bemerkenswerte Adresse verloren. Es ist zu befürchten, dass solche mit großem persönlichem Engagement geführten Lokale zur Rarität werden, weil steigende Mieten und Betriebskosten immer weniger Lust machen, aber auch die ewig wuchernde Bürokratie der Fantasie die Flügel stutzt. Sehr entscheidend für den Erfolg von anspruchsvollen Weinbars ist aber auch die Location, auf die unmittelbare Nachbarschaft ist kein Verlass, die macht es sich auch gerne auf preiswerte Weise zu Hause gemütlich.

Ludwig Fienhold




Bussaco in Portugal: Historisches Hotel-Juwel mit Weinen der Königsklasse

Flüssige Patina, Geschichte zum Trinken

 

Im neogotischen Bussaco Palace ist die Zeit an einer besonders schönen Stelle stehen geblieben. Die Gäste flanieren durch die Hallen eines märchenhaften Ensembles, das wie eine Kreuzung aus Schloss und Kathedrale wirkt und nahezu unwirklich erscheint. Auch der verwunschene Zauberwald, der zum Schloss gehört, atmet Geschichte. Lange waren die eigenen Weine exklusiv für die Hausgäste reserviert, inzwischen kann man sie auch in Deutschland bekommen. Alles stark limitiert, denn insgesamt gibt es jährlich nur knapp 20.000 Flaschen.

Das zur Legende gewordene Hotel wurde 1885 für den letzten portugiesischen König errichtet und 1917 von der Familie de Almeida zum Luxus-Hotel umgebaut. Es liegt auf einem Hügel im Herzen des Bussaco-Nationalparks. Könige, Königinnen und Staatsoberhäupter bezogen Quartier, ausschließlich sie kamen in den Genuss der Palace-Weine. Nicht nur das Palace hat etwas von zeitloser Schönheit und Würde, auch die Weine sind von klassischer, fast schon archaischer Natur.

Die Trauben stammen aus den Regionen Dão und Bairrada. An der uralten Herstellungsweise hat sich nicht viel geändert. Die reifen Trauben werden bis heute in traditionellen Steintrögen, den Lagares, mit Füßen gestampft. Die Weine werden in Fudern oder auch in 300­ Liter-­Fässern ausgebaut. Als Weinberater hat das Bussaco Palace Dirk van der Niepoort gewinnen können, einen Großmeister der Weinelite Portugals. Ihm ist es zu verdanken, dass Hendrik Thomas Hamburger Unternehmen „Wein am Limit“ zu den ganz wenigen auf der Welt gehört, das diese Weine auch außerhalb des Hotels vertreiben darf.

Bussaco Palace

Die Weine, ob Rot, Weiß oder Rosé, brauchen viel Luft, man sollte sie karaffieren und nicht zu warm trinken. Die Weine sind „old school“, nicht üppig und konzentriert, sondern schlank und eher dezent. So oder so ähnlich könnten sie auch zu königlichen Zeiten geschmeckt haben. Bussaco (international) oder Buçaco (portugiesisch) will den Spirit von früher einfangen und bewahren.

Warum wir gerade den Rosé des Bussaco-Trios vorstellen? In dieser BISS-Ausgabe geht es ausschließlich um das Thema Rosé und die besonderen Vertreter dieser Spezies. Außerdem ist dieser Rosé eine Rarität, die nicht in jedem Weinjahr erzeugt wird. Der Rosé wurde 2017 erstmals nach rund 100 Jahren wieder gekeltert. Insgesamt drei Mal, 2017, 2019 und 2020. Dieser Wein tanzt nicht nur einen Sommer, er kann gut reifen.

Wir wollen den Wein ganz gewiss nicht heilig sprechen, aber er hat wirklich etwas vom Odeur einer Kathedrale, von in Stein gehauener Geschichte. Flüssige Patina. Er ist steinig, straight, trocken. Ein Hauch Steinobst, etwas Cranberry, nichts Quietschiges. Eigentlich ein Anti-Rosé. Den Preis von 79 € wird nicht jeder verstehen, aber man trinkt mit dieser Rarität eben auch Geschichte.

Ludwig Fienhold

 

Bezugsquelle: Wein am Limit, www.weinamlimit.de

Photocredit: Bussaco Palace