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Frankfurts Topitaliener Carmelo Greco wird sizilianischer

Die Regionalküche frischt auf

 

Carmelo Greco wird sizilianischer. Sein neuer Co-Küchenchef Benedetto Russo bringt einen neuen südlich geprägten Einfluss mit. Es gibt einige bemerkenswerte Gerichte für die wir uns begeistern konnten.

Mehr Sizilien auf dem Teller. Diese neue Tendenz beim Spitzenitaliener Carmelo Greco erfüllt sich in besonderer Weise bei den Tortelli. Die Pasta ist gefüllt mit einer spannenden Melange aus Wildfenchel, Sardellen, Safran, Zwiebeln und Pinienkernen. Die pikante Sauce aus Tunfisch, Zwiebel, Erbse und Tomate grundiert mit süffiger Raffinesse. Genau solche Gerichte hat man sich schon immer mehr bei Carmelo Greco gewünscht, mit solchen und ähnlichen Gerichten könnten sich auch andere Italiener aus der Masse hervorheben.

Tortelli

Sizilien liegt auch in cremiger Form der Mittelmeerinsel auf dem Teller, sieht pfiffig aus und schmeckt auch gut. Das würzige Potpourri aus Auberginencreme, Basilikumpesto, Caponatacreme, Kapern und Oktopusragout löffelt man ganz einfach mit etwas Brot. Diese schlichte Schönheit des Einfachen erinnert an die Anfangsjahre von Carmelo Greco in Frankfurt-Rödelheim. Dahinter steckt aber auch die neue regionale Handschrift, denn die Zutaten geben sich ganz sizilianisch: Die Stadt Trapani steht für Basilikumpesto, die Auberginencreme für Palermo, der Oktopus kommt aus Catania und die Vulkan-Insel Lipari gilt als das Kapern-Paradies von Sizilien.

Jakobsmuschel

Einer unserer Favoriten auf der neuen Karte ist die Jakobsmuschel mit Seeigelcreme, einer feinen Interpretation der Frankfurter Grünen Soße sowie einem Stück sizilianischer Orange on top. Erstklassig auch der Steinbutt mit softer Karottencreme, Wassermelone, Maracuja-Jus und in Salz gegarten sizilianischen Tomaten mit Safran-Fenchel-Schaum. Kombinationen mit Obst mögen wir sonst weniger, aber hier ergibt sich ein großes harmonisches Geschmackbild von subtiler Güte. Stets ein Highlight sind die phantasievoll präsentierten Gaumenhäppchen zum Start, Gänseleber mit Birnengele und Portweinreduktion oder Saiblingsmouse mit Räuchernote nebst Saiblingskaviar und Saiblingstatar.

Steinbutt

Sommelier Enrico Resta frischt die Weinkarte immer wieder mit neuen Entdeckungen auf. Derzeit schenkt er gerne Weine aus Sizilien aus, auch glasweise. Der Blanco Da Uve Nere 2022 vom Familienbetrieb Morgante ist ein weißgekelterter Rotwein, der herrlich nach Wiesenkräutern duftet und einen ganz eigenen Charakter aufweist. Für nettes Geld ein absolut schönes Fundstück. Das gilt auch für den ungewöhnlichen und ungewöhnlichen guten Rosé Villa Gemma von Masciarelli aus den Abruzzen, der hinreißend nach Kirschen und Walderdbeeren duftet. Ein kräftiger, fleischiger, saftiger Wein, den man leicht gekühlt trinken sollte.

Amuse

Der Service war nicht immer die Stärke im Restaurant, jetzt scheint aber wirklich so etwas wie ein Familienbetrieb entstanden zu sein, ein sizilianischer. Neben dem Co-Küchenchef Benedetto arbeiten auch sehr engagiert dessen Bruder Michele und seine Frau Claudia im Service.

Ludwig Fienhold

Fotos: Barbara Fienhold

Siehe auch BISS Artikel über Benedetto Russo, den neuen Co-Chef von Carmelo Greco

Restaurant Carmelo Greco, Frankfurt, Ziegelhüttenweg 1-3
Tel 069 606 089 67.
Montag – Freitag 12 – 14 Uhr, 18.30 – 22 Uhr
Samstag 18.30 – 22 Uhr.

www.carmelo-greco.de

 

 




So schmeckt Italien: Die Top Five von Frankfurt

Veränderungen an der Spitze und viel zu wenig Pasta

 

Von Ludwig Fienhold

Einige der Top-Italiener sind von der Bildfläche verschwunden, das fabelhafte Fabbri-ca (aus Altersgründen), das kreative Biancalani und das lebhafte A casa di Tomilaia (wegen der Pleite des Betreibers Tom Bock) sowie Sara Barbagallos schönes Promis (Insolvenz). Italien in Frankfurt ist derzeit eher eine Randerscheinung und oft von ärgerlicher Qualität. Selbst eine gute Pasta oder gar eine authentische Carbonara zu finden, ist mehr als schwierig. Von einem guten und à la minute zubereiteten Risotto ganz zu schweigen. Wir könnten aus den schlechten italienischen Lokalen spielend eine Top Fifty machen, wollen aber lieber die wenigen guten in einer Top Five würdigen.

Die Spitzenitaliener bieten leider viel zu wenig Pasta an. Sie denken, dass dies nicht zu Fine Dining passt. Das ist Quatsch. Gerade an den großen Klassikern der italienischen Küche kann man die Qualität und den Charakter eines Restaurants erkennen. Wenn wir italienisch essen gehen, muss Pasta einfach dabei sein. Vielleicht auch nur Pasta, das aber klein und fein. Das Wohnzimmerlokal Pasta Da Vini ist deshalb so besonders beliebt, weil es Pasta satt in allen Variationen anbietet. Und auch wir finden das wunderbar, weil sich hier jemand auf die Kernkompetenz der Italiener besinnt.

 

Carmelo Greco

Carmelo Greco und sein Team

Seit Jahren der Primus in Frankfurt und für uns auch in ganz Deutschland. Jetzt noch mehr, weil die Harmonie, die im gesamten und teilweise neuen Team herrscht, sich auch auf die Teller und die Atmosphäre überträgt. Schon die Appetithappen sind delikat, leicht und animierend. Ein Großteil der Mannschaft in Küche und Service ist inzwischen sizilianisch, was sich auch positiv auf die Speisekarte auswirkt, weil dadurch das Regionale mehr Betonung findet. Ein Klassiker der Küche Siziliens ist Pasta con Sarde, das bei Carmelo Greco weniger rustikal und weit spitzfindiger interpretiert wird: Tortelli mit Sardellen, Wildfenchel, Safran, Pinienkernen und Zwiebeln sowie Regusano-Käse in einer süffigen Sauce aus Thunfisch, Zwiebeln, Erbsen und Tomaten. Fabelhaft. Wein-Tipp: Bianco di Morgante aus Sizilien, ein mineralischer, salziger und ätherisch nach Wiesenblumen duftender Wein, der seinen vulkanischen Ursprung auf besonders schöne Weise ausatmet. Solche großartigen und keineswegs teuren Weine gibt es auch glasweise oder als Begleitung zum Menü. Mehr über Carmelo Greco in der nächsten BISS-Ausgabe.

Carmelo Greco, Frankfurt, Ziegelhüttenweg 1-3, Tel. 069   60 60 89 67.

 

Brighella

Küchenchef & Mitinhaber Leo Caporale

Feine Küche, freundlicher Service und gute Weine bieten ausreichend Gründe für einen Besuch. Und das seit über 30 Jahren. Immer gut sind die Wein-Events mit kreativ übersetzten Klassikern sowie die Trüffelwochen. Probier-Tipps: Bullen-Charolais-Filet mit Pfefferkruste in samtiger Jus, saftig fleischiger Steinbutt in delikater Gin-Creme-Sauce, Pasta mit Bottarga, geschmeidiges Raviolo gefüllt mit Bärlauch und Burrata. Trink-Tipps: Langhe Arneis von Ceretto aus dem Piemont, Valentino-Spumante, Poggio alle Gazze von Ornellaia.

Brighella, Frankfurt, Eschersheimer Landstr. 442, Tel. 069 53 39 92

 

Pasta Da Vini

Ganz viel Italien und vor allem die Toskana auf kleinstem Raum. Allerbeste frische Pasta. Mit Lammragout, Weißweinsauce & Miesmuscheln oder als Bolognese. Je nachdem, welche der talentierten Hausfrauen gerade kocht, wechselt das Angebot. Selbst die Gnocchi sind hier richtig gut und die Spaghetti alla Carbonara gibt es natürlich ohne Sahne und mit Bio-Ei vom Dottenfelder Hof. Die Saucen sind allesamt zum Wegschlecken. Rosi Stern, geborene Davini, ist in der Toskana verwurzelt und sorgt mit ihrem Team für einen netten, kompetenten Service. Die Atmosphäre: Eng, laut, heiter. Es gibt keine Speisekarte, die Preise machen auch nicht misstrauisch. Ohne Reservierung hat man keine Chance.

Pasta Davini, Frankfurt, Heiligkreuzgasse 9a, Tel. 069 57805106.

 

Settimo Cielo

Appetitliche Kleinigkeiten, gute Pasta, feine Fischspeisen. Schönes Wohnzimmerlokal. Gute kulinarische Leistungen in einer Kontinuität, wie sie für Frankfurter Italiener eher selten ist. Probier-Tipps: Gegrillte Seezunge mit frischen Kräutern, Ossobuco mit Polenta. Die Tagliolini mit Flusskrebsen in Hummersauce und die hausgemachten Kaninchen-Tortelloni mit schwarzem Trüffel gehören auch zu den Must-have.

Settimo Cielo, Frankfurt, Eckenheimer Landstr. 86, Tel. 069 59 67 38 08

 

Reuters

Für alle, die ehrliche Küche zu fairen Preisen schätzen. Keiner der Wichtigtuer mit Dottore-Gehabe. Freundlicher unverstellter Padrone, sympathischer Service. Nichts Schickes, auch nicht auf dem Teller. Wenn es den Aufschnitt von Schinken, Salami und Mortadella gibt, muss man zugreifen. Die Gerichte sind spannender als sie klingen, vieles ist hier eben Understatement. Probier-Tipp: Süßkartoffel/Pecorino Tortellini mit Limettenbuttersauce und Kabeljau mit toskanischem Schwarzkohlgemüse, Oliven und Speck. Trink-Tipp: Vermentino Maremma „Ben“ von Nittardi.

Reuters, Frankfurt Reuterweg 104, Tel. 069 95 51 77 19

 

Weitere Empfehlungen in Frankfurt

Vini da Sabatini, Grüneburgweg, lässiger Fine Dining Italiener: Lammkoteletts,  Spaghetti mit Bottarga und gute frisch aufgeschnittene Salami und Schinken. Sehenswert: Riesiges Fassadengemälde mit Eintracht Frankfurt Pokal.

Trattoria i Siciliani, Frankfurt, Walter-Kolb-Straße, Tel 069 61 99 33 21. Vor allem Gerichte und Weine aus Sizilien, der Heimat von Matteo, der dieses kleine Ecklokal ganz individuell führt.

Osteria L´isola Sarda, Rothschildallee, Sardische Deftigkeiten und sonst selten zu habende Bottarga.

Al Terrazzino, Rothschildalee, sympathischer Familienbetrieb mit Pasta & Holzofen-Pizza.

Napolimania, Gaußstraße, Minilokal mit sehr ordentlicher Pasta & guter Pizza.

Photocredit: Barbara Fienhold

 




Mamuschka: Erinnerung an eine extravagante Köchin

Im Kellerlokal Scarlet Pimpernel traf sich viel Prominenz 

 

„Eesst Kiiindärchen eesst!“ Ihr Schlachtruf ist Legende. Das Frankfurter Kellerlokal Scarlet Pimpernel in der kleinen Krögerstraße unweit des Eschenheimer Turms hat Küchengeschichte geschrieben und war das Wohnzimmer vieler Prominenter und Lebenshungriger. Die Rolling Stones und die Eagles schlemmten dort, Ray Charles, Elton John, Joe Cocker, Deep Purple, die Beach Boys, Ella Fitzgerald und der junge Michael Jackson. Sie alle schätzten das Private und Verschwiegene dieser wie kostbare Konterbande gehandelten Geheimadresse. Vor zehn Jahren starb die extravagante und mit fast 100 Jahren auch älteste Köchin der Welt.

Mamuschka mit Esther Ofarim

Mamuschka mit Esther Ofarim

Im Scarlet Pimpernel sah man stets viele Künstler – bekannte und brotlose, die sich an den Gargantua-Portionen zu sozialen Preisen satt essen konnten. Auch Rainer Werner Fassbinder und seine Schauspieltruppe kamen gerne noch zu später Stunde. Andreas Baader attestierte Mamuschka gute Tischmanieren, wobei sie nie verstand, wie aus einem so braven Jungen ein Terrorist werden konnte. Für Mamuschka waren alle Gäste gleich und ihre „Kiiindärchen“. Einen Lieblingsgast hatte sie aber doch: Harry Belafonte. Wegen seiner noblen, bescheidenen Art und seines umwerfend guten Aussehens. Viele Stars kamen im Schlepptau der Konzertveranstalter Fritz Rau, Marek Lieberberg und Marcel Avram, die wahrhaftig einen Narren an Mamuschka gefressen hatten und deren Schützlinge bei ihr sicher vor Paparazzi und anderen aufdringlichen Menschen sein konnten. Wer ins Scarlet Pimpernel kam, genoss den Schutz der Matriarchin. Niemand getraute sich auch auch nur über Umwege nach Autogrammen zu fragen. Zudem glaubte jeder, der hier Gast war, selbst ein Prominenter zu sein.

Als Marianne „Mamuschka“ Kowalew das Kellerlokal unter ihrem Wohnung am 1. November 1969 eröffnete, brannten im Kachelofen Holz und Briketts. Die schlichte Einrichtung war aus Schwartenbrettern zusammengenagelt, das Mobiliar wurde aus einer alten Mühle und einem verfallenem Bauernhof zusammengetragen. Große Kerzenleuchter und eine rot schimmernde Beleuchtung  sorgten für eine warme  stimmungsvolle Atmosphäre. Zentrum war die große offene Küche mittendrin, in der mit Feuer und Flamme die temperamentvolle Mamuschka in den wuchtigen Töpfen rührte und die Pfannen zischen ließ. „Nehmt, fresst, vermehrt euch und seid glücklich“. Mamuschka (ohne „t“) war ebenso originell und eigenwillig, wie die meisten ihrer Gäste, das schaffte eine besondere und homogene Atmosphäre. Erkennungszeichen waren ihre teilweise aberwitzigen Turbane, mal schick, mal mit Bananen bestückt. Mamuschka liebte alles, was glitzerte, raschelte und bei Bewegungen irgendwie Musik machte. Sie war eine unglaubliche Melange aus Gräfin Mariza und operettenhafter Zigeunerbraut. Wild und ungestüm und doch auch oft feinfühlig im Umgang mit anderen.

Die ihrem Sternzeichen Wassermann zugeschriebenen Eigenschaften wie Freiheitsliebe und Dynamik waren bei der polnischen Exzentrikerin besonders ausgeprägt. Marianne Kowalew wuchs in armen Verhältnissen im polnisch sprachigen Wilna in Litauen an der Grenze zu Weißrussland auf, türmte mit 17 von Zuhause, verliebte sich in den Spross einer reichen Industriellenfamilie aus Wilna, flüchtete Ende des Zweiten Weltkriegs nach Frankfurt, wo sie von der Gestapo verhaftet wurde. Nach der Geburt ihres einzigen Sohnes Peter früh Witwe geworden, eröffnete sie 1955 gemeinsam mit ihrem damaligen Lebenspartner ihr erstes Lokal in Frankfurt, die Gräfin Mariza. Es ist die Zeit des deutschen Wirtschaftswunders, Frankfurt wird mit der Luxusdirne Rosemarie Nitribitt Symbol des Aufschwungs und seiner Abgründe. Auch bei Mamuschka geht es turbulent zu, sie und ihr Liebhaber verspielen ihr gesamtes Vermögen. Ende der sechziger Jahre eröffnet sie dann mit ihrem Sohn Peter das Scarlet Pimpernel in der Krögerstraße 7.

Nie hat Mamuschka nach Rezepten oder den Wünschen anderer gekocht, sondern ließ sich nur von der eigenen Inspiration treiben. Ihr Herd erschien wie ein Schrein, um den sich die Gemeinde versammelte. Man futterte wie bei Muttern in ungehemmter Atmosphäre – meist zu viel. Damals wurde mehr Wodka als Wein getrunken – die Gäste wollten dass üppige Essen und natürlich auch ein wenig sich selbst auflockern. Es waren Gelage mit Wildschwein- und Hirschkeulen, die im Ganzen im Ofen gebacken wurden. Es wurde alles gleich am Herd aufgeschnitten und auf die Teller gepackt. Mit viel, viel guter fetter Soße  und prallen „Kneedeln“. Gefüllter Fasan, Karpfen und Borschtsch galten als Spezialitäten, Gulasch und Hackbraten waren noch beliebter. Einer der auf Borschtsch abonnierten Stammgäste war Franz Keller, streitbarer Gastronom und badische Winzerlegende vom Kaiserstuhl.

Mamuschka in ihrem Kellerlokal 2010

Mamuschka in ihrem Kellerlokal 2010

Eine Speisekarte gab es nicht, es wurde das gegessen, was auf den Tisch kam. Beim stattlichen Gutsherrenbuffet gab es kein Limit, die Gäste durften zulangen, so oft sie wollten und konnten. Für einen Pauschalpreis von 45 DM, inklusive Wodka und Kuchen, den man sich meist mit nach Hause nahm, weil der Magen wegen Überfüllung geschlossen hatte. Mamuschka kochte ihre polnisch-russischen Gerichte stets allein und besaß auch keinen Küchenhelfer in Gestalt einer Spülmaschine. Als alle Gäste gegangen waren, schleppte sie Geschirr und Bestecke wieder in ihre Wohnung zurück. Der Lokalname Scarlet Pimpernel basiert auf dem von den Kowalews geliebten Mantel- und Degen-Roman der ungarisch-englischen Baroness  Emmuska Orczy. Erkennungszeichen des Buchhelden ist die scharlachrote blühende Wildblume Scarlet Pimpernel – die auch eine Heilpflanze ist, „welche bei Melancholie und allgemeiner Verrücktheit helfen soll“.

Bei ihrem 90. Geburtstag tanzte Mamuschka barfuß durchs Lokal. Auch zur Buchmesse 2010 stand sie noch für ihre Gäste im Kellerlokal.  „Ich bin nicht verrückt, aber extravagant“, sagte sie oft. Und genau so hieß auch das damals erschienene Buch von Halldór Gudmundsson über sie und ihre Lebensrezepte. Mamuschka hatte zwar so etwas wie Heesters-Gene, doch kurz vor ihrem 100. Geburtstag verließen auch sie ihre Kräfte.

Ludwig Fienhold

 

Scarlet Pimpernel, Frankfurt, Krögerstraße 7, Tel. 069 61 41 81.  www.scarlet-pimpernel-club.com




Lachen und Trinken verboten: Ordnungs-Starrsinn im Frankfurter Vorzeigerevier Neue Altstadt

Gäste sind Störenfriede, Terrassen Krachmacher

 

Jetzt werden die Bürgersteige hochgeklappt

 

Frankfurts fotogenes Vorzeige-Revier, die sogenannte Neue Altstadt, hatte von Anfang an Probleme und zeigt immer mehr Risse. Jetzt werden dort die Bürgersteige hochgeklappt, gibt es ab 22 Uhr kaum noch Leben. Die Lokale schließen nicht nur ihre Terrassen, sondern gleich ganz. Und das ausgerechnet jetzt, wo die Sommersaison bei bestem Wetter startet und Menschen Lust aufs Flanieren, Plaudern und Trinken im Freien haben. Das Quartier ist nun abends das, was es schon immer war: Eine Kulisse. Das Ordnungsamt will es so. Der eine oder andere Anwohner auch. So wird alles zu Tode beruhigt.

Weinbar Ress

Dabei gibt es in der Innenstadt Lärm ohne Ende. An der Hauptwache, im Bahnhofsviertel und in Alt Sachsenhausen tobt die Party-Meute. Auf dem Römerberg finden mehrmals die Woche lärmende Veranstaltungen und Demonstrationen statt, nicht selten mit über 120 Dezibel wie jetzt beim Paulskirchenfest. Das Recht der Anwohner auf Ruhe interessiert dabei niemand. Die Neue Altstadt aber, in der abends ohnehin nicht allzu viel los ist, soll zu Tode beruhigt werden. Erstes Opfer ist die Weinbar vom Weingut Ress. Diese soll um 22 Uhr keinen Terrassenbetrieb mehr führen und auch innen für Ruhe sorgen. Nach den Worten des Betreibers Christian Ress sollen „soziale Geräusche“ wie „Unterhaltungen und Gelächter“ sogar im Innenbereich unterbleiben, bei Verstößen gegen genau definierte Lärmgrenzen drohen Bußgelder oder sogar die Schließung des Lokals. Demnach sollen selbst im Sommer Fenster und Türen geschlossen bleiben. „Wir müssen leider bis auf weiteres, auch am Wochenende, pünktlich um 22 Uhr schließen“, lässt Christian Ress wissen, wobei es da ja im Sommer fast noch hell ist. Offenbar haben sich Anwohner beim Ordnungsamt beschwert. Davon ist die gesamte Gastronomie in der Neuen Altstadt betroffen, doch keines der anderen Lokale wurde nach 22 Uhr so gut besucht wie die Weinbar von Ress und kann die Restriktionen des Ordnungsamts daher vielleicht eher verschmerzen.

Hühnermarkt

Christian Ress kann nicht verstehen, dass die Stadt einerseits rund 125 Millionen Euro aus dem städtischen Haushalt investiert, um einen „Besuchermagnet mit internationaler Relevanz“ zu erschaffen und dann anderseits die Gäste am späten Abend wieder vertreiben lässt, wenn diese die einmalige Atmosphäre der Neuen Altstadt bei einem Glas Wein genießen wollen. Nach den Vorstellungen der Stadt Frankfurt sollte aus der historisch mal mehr, mal weniger glücklich nachgebauten Neuen Altstadt „ein zentraler Ort der Begegnung für die Menschen“ werden. Dem widerspricht der Starrsinn des Ordnungsamts mit seinem weltfremden Vorgehen. Man kann Menschen nicht aus einem vergnüglichen Viertel verbannen, schon gar nicht nach 22 Uhr und in lauen Sommernächten. Vor allem am Wochenende beginnt für viele erst am späten Abend der vergnügliche Teil des Tages, gerade in der Hitze des Sommers. Auch internationale Gäste, zumal wenn sie aus Spanien oder Italien kommen, wissen die Gunst des späten Abends zu nutzen und werden solche Maßnahmen zu recht als provinziell empfinden. In der Gastronomie wird abgesehen davon nach 22 Uhr besonders viel Getränkeumsatz gemacht. Vor allem aber: Belebung ist nicht nur für die Stimmung gut, sie trägt auch zur Sicherheit bei – tote Viertel dagegen sind ein Sicherheitsrisiko.

Die Mieter, die mit voller Kenntnis über die Gastronomie in die Neue Altstadt einzogen, hätten wissen müssen, dass es in einem solchen Quartier, der von internationalem touristischen Interesse ist, auch lebhaft zugehen kann. Außerdem ist ein Großteil einer gewissen Geräuschkulisse nicht den Besuchern der Gastronomie anzulasten, sondern volltrunkenen Horden, die vom Saufquartier Alt-Sachsenhausen durch die Altstadt ziehen. Außerdem kommen auf dem Hühnermarkt auch gackernde Jugendliche zusammen, die sich ihre Vodkaflaschen selbst mitbringen, um Geld zu sparen, aber den Hühnermarkt als Kulisse zum Feiern beanspruchen.

Gute Nacht Freunde

Die Neue Altstadt. Schon der Name ist ein unsinniges Konstrukt. Besucher, die sich vor allem der Optik wegen einfinden, kennen das Viertelchen eigentlich nur im Vorbeigehen. Ein Blick hinter die hübschen Fassaden zeigt Risse im Gemäuer. Eine Schwachstelle ist ein Teil der Gastronomie, die sich zu sehr an Touristen orientiert. Drei Adressen aber heben sich positiv hervor, das Café von Hoppenworth & Ploch, die Weinbar vom Weingut Ress aus dem Rheingau und die Metzgerei Dey, die ihren Kunden einige Stehtische gönnt, wo früher die Schirne zu Hause waren, und deren Fleischwurst auch wirklich lobenswert ist.

Die Geschäfte in der Neuen Altstadt? Vor allem die Hunde scheinen geschäftig. Eine der wenigen Konstanten ist die Apotheke. Kopfschmerzmittel helfen aber nicht gegen das Gedränge, wenn viele Gruppen und ihre Tour Guides sich in den schmalen Gassen breit machen. Man muss jedenfalls ein rustikales Gemüt haben, um sich hier wohl zu fühlen. Hunde und leider auch Menschen schätzen die Neue Altstadt als Toilette. Die Toiletten am nahen Paulsplatz sind den Besuchern offenbar zu weit, wobei Ortsfremde den Weg nicht kennen. Es stinkt in diesem Viertelchen jedenfalls vieles derart zum Himmel, dass Gott schon längst aus allen Wolken gefallen sein müsste.

Ludwig Fienhold

Photocredit: Barbara Fienhold

A N Z E I G E

 

 




Essen gehen ist gut, zu Hause essen oft noch besser

Schlechte Gastronomie

bringt uns zum Kochen

 

Wir kochen wieder mehr zu Hause. Die Leistungen haben in erschreckend vielen Restaurants dramatisch abgenommen. Aufschwung spürt man vor allem bei den Preisen, während Küche und Service immer schwächer werden. Natürlich nicht überall, aber in einem unübersehbaren und erschreckenden Maß. Der Ärger bringt uns zum Kochen.

Das Rebgut im badischen Lauda-Königshofen ist eine „Weinherberge“ mit schönen Zimmern und einem adretten Restaurant. Wir hatten dort vor einigen Jahren hervorragend gegessen. Obwohl alles wie immer aussah, wurde der letzte Besuch zum Desaster, wir hatten es mit einem komplett neuen Team zu tun, was nicht gleich zu erkennen war. Aber  schon nach dem ersten und wenig appetitlichen Gang fragten wir den Service, ob der Küchenchef heute nicht am Herd stünde. Richtig: Angeblich war er krank, vielleicht kam er aber auch nicht, weil keine Reservierungen vorlagen und wir als Walk-ins die einzigen und auch noch überraschenden Gäste waren. Wenn eine Küchenmannschaft ohne Chef nicht gut genug ist, sollte man an einem solchen Tag erst gar nicht aufmachen. Wenn der Küchenchef glaubt, dass sein Team auch ohne ihn funktioniert, hat er sich verschätzt und zeigt sich als ahnungslos. Beide Versionen sind fahrlässig. Jedenfalls war ein Gang schlechter und dilettantischer als der andere. Wir hatten spontan auch noch ein Zimmer reserviert, was die Rechnung unnötig erhöhte, weil wir im guten Glauben waren, dass das Rebgut  noch immer eine gute Adresse wäre. Solche herben Enttäuschen sind längst keine Ausnahme und häufen sich inzwischen auf ein nicht mehr zu akzeptierendes Maß.

Wir hören oft, man sollte einem Lokal doch noch eine zweite Chance geben. Mit wie vielen Besuchen sollen wir unsere Zeit verschwenden und  und wie viel Geld sollen wir denn noch zum Fenster hinauswerfen, bis jemand endlich gut ist und eine zufriedenstellende Leistung liefert? Meist ist klar erkennbar, dass ein zweiter Besuch völlig überflüssig ist, da keine Qualität oder gar so etwas wie ein Talent vorhanden ist. Oft fragt man sich, was der Koch eigentlich von Beruf ist.

Die Negativerlebnisse häufen sich in einem nie zuvor erlebbaren Maß. Und das in allen Bereichen, vom einfachen Gasthaus bis zum Sternerestaurant. Die Gründe dafür sind bekannt, aber nicht zu akzeptieren. Fehlende Fachkräfte bei Küche und Service sind kein Anlass, die Gäste schlecht zu behandeln und auch noch Geld dafür zu verlangen. Oft sind die Probleme hausgemacht – die Größe der Speisekarte übersteigt die Kapazität in der Küche, um nur ein Beispiel zu nennenKurzum: Die positiven Besuche wiegen die gesamte Misere nicht mehr auf. Natürlich haben wir oft hervorragend gegessen: im 360 Grad in Limburg, dem Le Cerf im Schlosshotel Friedrichsruhe oder bei Lohninger in Frankfurt sowie vielen anderen mehr. Es gibt nach wie vor viele Lokale, die gut in der Küche und beim Service aufgestellt sind. Warum wohl gelingt es diesen und anderen nicht? Das alles ändert aber nichts am Eindruck, dass wir mit einem ungeheuren Qualitätsverlust in der Gastronomie zu tun haben – und das bei steigenden Preisen.

Während wir früher fünfmal in der Woche essen gingen, bleiben wir jetzt auch gerne zu Hause, um uns Enttäuschungen zu ersparen. Ich kann kochen, meine Frau noch viel besser. Vor allem italienisch, asiatisch oder amüsant deutsch. Sie bereitet Risotto à la minute zu, so wie man das hierzulande bei kaum einem Italiener bekommt. Vor allem nicht in solch  verschiedenen und kreativen Varianten. Und sie macht Pasta, wie wir sie  höchst selten außer Haus genießen können. Pasta mit würziger Nduja und karamellisierten Rotweinzwiebeln, authentische Carbonara mit Guanciale und zerstoßenem schwarzen Pfeffer oder feines Limonen/Carnaroli-Risotto. Beim Zuhause-Essen haben wir also gut zu essen, müssen uns nicht über schlechtem Service, mäßige und falsch temperierte Weine in schlechten Gläsern ärgern.

Wir wollen weder Zeit noch Geld verschwenden, wissen aber auch dass die Restaurants die letzten großen Bühnen der Erlebniskultur sein können und auch noch immer sind. Die Gastronomen sollten aber nicht nur ihre Probleme sehen, auch die Gäste haben mit den gestiegenen Preisen und anderen Missständen zu kämpfen, die uns eine unfähige Politiker eingebrockt hat. Die Gastronomen sollten wissen, dass wir manches schlucken, aber keinesfalls überzogene Preise für schwache Leistungen. Wir wollen nichts geschenkt bekommen, manchmal bedarf es ja nur ganz wenig. Freundlichkeit und ein Lächeln kosten nichts.

Ludwig Fienhold

 

 




Cool: Die besten Eissalons in Frankfurt

Die neue Nr.1:

La Dolce Vita in Oberrad

 

Das Firenze am Walther-von-Cronberg-Platz in Sachsenhausen, bislang Frankfurts bester Eissalon, musste leider wegen der Insolvenz des Betreibers Tom Bock aus wirtschaftlichen Gründen schließen, die Eisdiele Aroma in der Windmühlstraße im Bahnhofsviertel kommt auch nicht mehr zurück, der Hausbesitzer will die Fläche anderweitig nutzen. Der Betreiber, das Unternehmen Villa Vita in Marburg, hat aber auch keine Lust sich eine neue Bleibe zu suchen. Dafür haben wir eine neue Nr. 1., für uns ist das Eiscafé La Dolce Vita in Oberrad derzeit die beste Adresse in Frankfurt.

Wir haben uns diesmal auf die italienischen Eismacher konzentriert, weil sie uns geschmacklich und handwerklich am besten gefallen. Die Eissorten kosten in Frankfurt im Schnitt 1,60 – 2,00 €. Meist bekommt man mehr als eine normale Portion, egal ob gespachelt oder gekugelt wird. Der Preisanstieg ist zu verschmerzen, obwohl es besser wäre kleinere Portionen zu machen, damit man mehrere Sorten probieren kann. So ist man meist schon nach einer Portion satt. Vanille, Pistazie und dunkle Schokolade sind wegen der Rohstoffknappheit nicht immer zu bekommen. Oft  gibt es sie auch nur in eher schwacher Qualität. Bei den guten Eissalons sind sie nach wie vor ungeschönt und in echter Qualität zu haben, aber auch dann nicht unbedingt täglich.

1. Platz

La Dolce Vita, Oberrad, Offenbacher Landstr. 348

Dieser kleine sympathische Familienbetrieb macht ausgezeichnetes Eis und hervorragende Torten und Kuchen. Das Eis „Grüne Soße“ ist ein Geniestreich. Es wird auf der Basis der Kräuter der Oberräder Gärtnerei Schecker und Joghurteis hergestellt und ist so geschmeidig, zart und delikat kräuterwürzig, dass man es sich auch als eigenständiges Essen vorstellen kann. Der eine oder andere hat sich an diesem speziellen Eis versucht, doch niemand gelingt es so gut wie dem Dolce Vita von Mario Rosso und seiner Frau Sonia.

Joghurteis gibt es bei vielen, aber auch das gelingt dem Dolce Vita besonders gut. Unsere sonstigen Favoriten: Holunder, Kokos, Käsekuchen/Mango. Kugel 1,70 €. Wie sehr hier das Handwerk beherrscht wird, zeigen auch die fabelhaften hausgemachten Torten und Kuchen, allen voran Himbeere-Mascarpone und Käsesahne. Sogar das Tiramisu ist so wunderbar wie zu den Anfangszeiten der guten Italiener in Deutschland. Old School, solides Handwerk, Geschmackstalent. Hausgemachte Torten und Kuchen in dieser Qualität gibt es sonst kaum in der Stadt, schon gar nicht für 3,50 €.

Eiscafé Dolce Vita, Buchrainplatz/Offenbacher Landstr. 348, Tel. 069 96 86 42 79. Täglich geöffnet 10-21 Uhr, Sonntag 11-21 Uhr.

La Dolce Vita

 

2. Platz

Dolce, Innenstadt, Freßgass

Endlich wieder eine Adresse, die unsere angeschlagene Freßgass kulinarisch aufwertet. Wir haben im Dolce schon viel probiert, aber noch nie eine Niete gezogen. Geschmacklich top, Konsistenz und Temperatur perfekt. Besonders gut: Raffaelo, Karamell, Amarena, Pistazie, Amarena, Haselnuss, Cookies.

 

3. Platz

Milano, Sachsenhausen, Schweizer Str. 22

Nach einigen Ups and Downs scheint der Eissalon jetzt wieder stabiler in den Leistungen zu sein. Oft besucht, nie eiskalt erwischt worden. Die neue Sorte Holunder/Buttermilch ist extraklasse. Die Melange aus Guave, Maracuja und Limette sowie Karamell mit Fleur de Sel sind fabelhaft, auch Basilikum mit Zitrone muss man probiert haben, schmeckt an heißen Tagen noch besser.

 

 

 

 

 

 

4 . Platz

Fontanella, Bahnhofsviertel, Kaiserstr. 36

Dieser Eis-Salon, den es schon seit 1957 gibt, zeigt jahrelange stabile Qualität. Klassische Sorten und neue Kreationen sind durchweg top: Nussiges Opera, feines Panna Cotta, allerbestes Pistazie, schmelziges Cheesecake mit Karamell, aromatische Walnuss, feines Giotto, perfektes Kokos. Das ausgezeichnete Eis Tiroler Strudel besteht aus 18 verschiedenen Zutaten, darunter Apfel, Zimt, Kokos sowie in Malagawein getränkte Rosinen (gibt es leider selten). Die traditionellen Sorten wie Vanille, Haselnuss und Amarena sind auch immer eine Empfehlung.

 

5. Platz

Ostend Eis, Ostendendstr. 58

Adriano, der Eisheilige, betrieb ganz in der Nähe sein großartiges Eiscafé Pavone und war anschließend zwei Jahre Eismacher im Firenze am Walther-von-Cronberg-Platz. In seiner kleinen Eisdiele gibt es vor allem die Klassiker der italienischen Eiskunst: Vanille, Pistazie, Amarena, Haselnuss und andere mehr. Wenn es heiß wird schmeckt Limone-Basilikum besonders gut. Es gibt keine Kugeln, es wird nach alter italienischer Tradition gespachtelt. Adrianos Eiskreationen gehören längst zur Spitze des Eisbergs in der Stadt.

 

Weitere Empfehlungen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Siena

Nähe Zoo, Sandweg 1

Vanille, Kokos, Panna Cotta und vieles mehr sind zum Dahinschmelzen. Seit vielen Jahren von zuverlässiger Qualität. Freundlicher Service.

Michielin

Nordend-West, Eschersheimer Landstr. 46

Ein Eis wie aus Großmutters Zeit. Authentisch, klar in der Aussage und einfach wunderbar altmodisch. Haselnuss, Vanille, Erdbeere, Blutorange, Pfirsich, Pflaume, Zitronen-Eis aus sizilianischen Limonen sowie Tartufo, Pistazie und Cooky.

Christina

Nordend-West, Eckenheimer Landstr. 80/Ecke Wielandstr.

Gut sind Dulce de Leche und Zuppa Englese, auch Vanille, Pistazie, Haselnuss, Karamell und Stracciatella sind eine Empfehlung.

Alberto

Innenstadt, Nahe Konstabler Wache, Vilbeler Str. 34

Vanille und Pistazie sind eine Empfehlung, auch Sahne-Kirsch und Karamell. Neu und gut: Orange-Ananas-Ingwer.

L´Incontro

Sachsenhausen, Darmstädter Landstr. 50

Uncharmante Lage, aber solides Eis, vor allem die klassischen Sorten.

Text: Ludwig Fienhold 

Photocredit: Barbara Fienhold




Ahr-Wein: Eine schöne Entdeckung an der Biegung des Flusses

Weingut Burggarten: Kann denn ein Blanc de Noir wirklich so gut sein?

 

Man sollte die Ahr nicht nur als tödliches Flutschicksal sehen, sondern sie wieder mehr als lebendige Weinregion wahrnehmen. Es gibt dort viele bekannte Größen wie Adeneuer, Stodden oder Meyer-Näkel, man kann  aber auch noch Entdeckungen machen. Das Weingut Burggarten in Heppingen bietet ein gutes Beispiel, denn sein Blanc de Noir macht richtig Spaß.

Das Weingut erzeugt klassische Spätburgunder, einen bemerkenswerten Rosé, sogar einen überraschend guten Sauvignon Blanc, vor allem aber einen erstaunlichen Blanc de Noir. Diese Spezies halten wir eigentlich für ziemlich überflüssig und waren um so erstaunter, als wir diesem Exemplar von der Ahr begegneten. Dieser weiß gekelterter Spätburgunder aus dem Jahrgang 2022 ist von einer freudigen Frische und animierenden Saftigkeit, dass man sich damit den ganzen Sommer auffrischen möchte. Das ist kein Modetrunk für gelangweilte Aperol-Lümmel, sondern ein hochwertiges Erfrischungsgetränk. Cremig, dicht, elegant, schwungvoll und mit viel Wein im Mund. Kühle Stilistik und leichte Salzigkeit bringen eine schöne Leichtigkeit mit ein, die Aromen von Apfel, Limette und Mandarine schweben hindurch. Nichts ist penetrant an diesem Wein, alles fließt ganz harmonisch zusammen. Lebhaft, straff und voll Energie. Auch farblich strahlt dieser weiße Spätbürgunder Ausgeglichenheit aus, warmtönend goldfarben mit leichtem Kupferschimmer. Mit 11 € einer der preiswertesten Weine von Burggarten, für uns aber der heimliche Star.

Einen guten deutschen Rosé zu finden ist nicht einfach, der „Drei Brüder Rosé“, Jahrgang 2022, ist ein schönes Fundstück. Eine tolle Sommererfrischung, leicht, beschwingt, noch ein wenig moussierend. Angenehm dezente Frucht mit einem Hauch Walderdbeere, ohne jegliche Dropsigkeit. Gute Balance von Frucht und Säure, sehr ausgeglichen. Der Preis von 11 € entspannt auch. Die „Drei Brüder Kollektion“ (Blanc de Blanc, Cuvée Noir, Rosé, Reserve) bietet geschmacklich und preislich einen guten Einstieg ins Weingut Burggarten.

Beim Blanc de Noir plagen uns Vorbehalte, aber auch beim deutschen Sauvignon Blanc. Wir haben gute Gründe dafür, lassen uns aber gerne überraschen, wie im Fall vom Weingut Burggarten, das mit dem Heimersheimer Sauvignon Blanc 2022 ebenfalls eine gute Arbeit abliefert. Man spürt die typischen Aromen von Stachelbeeren und Maracuja, aber durch eine elegante Cremigkeit abgepuffert und dadurch überhaupt nicht so nervig wie dieser Bukett-Wein sonst sein kann. Es finden eher frische Düfte von Heu und Gras zur Nase und ein delikater Hauch Holunder. Zusammen ein schönes stimmiges Geschmacksbild. Auch bei diesem Wein erlebt man diese lebhafte und anregende  Saftigkeit, die einige Weine von Burggarten auszeichnet und den Trinkfluss ungemein erhöht.

Das Weingut Burggarten wird von der Familie Schäfer in der 4. Generation betrieben und umfasst 15 Hektar Rebfläche. Der größte Teil der Weine wird im Holzfass ausgebaut. 80 Prozent (Jahresproduktion 120.000 Flaschen) werden ab Hof verkauft. Zum Weingut gehören auch ein Gästehaus mit zwanzig Zimmern sowie eine Straußwirtschaft.

Ludwig Fienhold

 

Weingut Burggarten, Ahr, Heppingen (Bad Neuenahr-Ahrweiler). Landskroner Straße 61.Telefon: 02641 21280.

www.weingut-burggarten.de

 




Welcher Champagner passt zur Stimmung: Frischekick mit Zitrus oder Karamell mit Brioche?

Delamotte Jahrgangschampagner

bieten viele Überraschungen

 

Wenn Champagner im Glas ist, perlt auch die Stimmung. Das nutzten schon die französischen Könige und tischten bei ihren Festgelagen gerne Edelperlen auf. Bei der Krönung von Louis XVI. im Jahr 1775 war auch der Champagner von François Delamotte dabei. Seine Familie gründete 1760 das Unternehmen, das heute zu den ältesten Champagnerhäusern zählt. Die Kellerei befindet sich in Le Mesnil-sur-Oger im Herzen der Côte des Blancs, vis-à-vis vom legendären Salon, dem kostspieligsten und feinsinnigsten aller Champagner. Aber: Delamotte ist ein eigenständiger Champagner und nicht etwa der kleine Bruder vom großen Salon.

Die Kellerei besitzt fünf Hektar eigene Weinberge und wird zusätzlich von vielen Winzern beliefert, mit denen das Haus seit Jahrzehnten in den Gemeinden Oger und Avize zusammenarbeitet, die alle als Grand Cru klassifiziert sind. 1988 kam die prestigeträchtige Marke Salon dazu. Beide Champagner-Kellereien sind heute Teil der Laurent-Perrier-Familiengruppe.

Delamotte ist mit vier verschiedenen Qualitäten präsent, der Brut bietet als Einstiegschampagner bei einem Preis zwischen 33 und 35 € eine gute Zugänglichkeit. Gesteigert wird das Vergnügen mit dem Blanc de Blancs und noch mehr durch den Blanc de Blancs Millésimé, der ungewöhnliche Rosé ist neu im Repertoire.

Der Blanc de Blancs wird von einer beschwingten Zitrusfrische getragen und eignet sich bestens als Aperitif. Prägnante Mineralität, feiner Duft nach frischem Brot und Gebäck. Seine dichte Perlage verstärkt die Aromen und vermittelt ein gutes sauberes Mundgefühl. Mit einer Dosage von 7 g/l Restzucker ist er Brut, kurz vor Extra Brut. Interessantes Finale: Aus dem leeren Glas strömt ein Geruch aus Rosinen und Rum. Es gibt viele Speiseempfehlungen zu diesem und anderen Champagner: Zwei ganz einfach umzusetzende und überraschend passende sollte man aber unbedingt einmal probieren: Radieschen mit etwas Fleur de Sel oder Frankfurter Würstchen.

Die Blanc de Blancs Jahrgangschampagner werden nur in herausragenden Jahren erzeugt. Der aktuelle Jahrgang 2014 reifte fünf Jahre auf der Hefe, um ihm mehr Körper und Komplexität zu geben. Er ist rund, cremig, mild, harmonisch. Ein sehr ausgeglichener charmanter Charakter. Besonders geeignet für jene, die keine Säure mögen und denen Champagner oft zu spitz und zu kantig erscheinen. Bei ähnlicher Handschrift, hat der Jahrgangschampagner 2008 mit den Jahren ein anderes Wesen entwickelt. Anfangs begeisterte er durch Frische und Subtilität und zeigte eine enorme Saftigkeit, die den Trinkfluss animierend hielt. Doch gerade gute Champagner gewinnen mit den Jahren an Statur. Heute ist der 2008er ein würdevoll gereifter Champagner, der die Vorzüge des Alters offenbart. Jede Perle scheint voller Finesse. Er ist durchdrungen von zarten Karamelltönen, aparte Noten von Brioche und Nussbutter entweichen dem Glas und machen es sich im Mund gemütlich. Nichts für jene, die den Frischekick suchen, aber großartig für alle, die sich von sinnlichen Düften verführen lassen wollen. Wer auf eine Entdeckungsreise in die Seele des Champagner gehen will, wird vor allem bei gereiften weit tiefer eindringen können.

Der Brut Rosé von Delamotte ist ein ungewöhnlicher Vertreter dieser Spezies, was Duft, Geschmack und Farbe anbelangt. Er ist eine Assemblage aus Pinot Noir (80) und Chardonnay (20%). Feine Perlage, cremig, grazil, elegant. Die Farbe changiert von Kupfer ins Orange. Geschmacksnoten von Rhabarber, Mandarine, Orangenschale, Erdbeere, Roter Johannisbeere sowie Konditorei und ein Hauch von Rauch.

LF   

Delamotte, Le Mesnil-sur-Oger, 7 Rue de la Brèche d’Oger,

www.champagne-delamotte.com

Preise der Champagner von Delamotte 33 bis 65 €.

 

Photocredit: Delamotte, Fienhold

 




Die Villa Rothschild in Königstein hat wieder eröffnet

Neue Spitze: Philipp Schlosshauer ist Küchenchef, Dirk Schäfer General Manager

 

Nach über einem Jahr Ruhestand eröffnet die Villa Rothschild in Königstein wieder. Das Restaurant war geschlossen, es herrschte kein normaler Hotelbetrieb, man konnte das Haus und seinen Park nur als Eventlocation buchen. Ab 18. Mai ist das historische Kleinod nun wieder für alle zugänglich, mit einigen Veränderungen. Mit Dirk Schäfer hat das Hotel einen zumindest für die Öffentlichkeit sichtbaren neuen General Manager bekommen, Philipp Schlosshauer ist jetzt Küchenchef. Dirk Schäfer ist auch schon länger für das Schwesterhotel Falkenstein Grand als Direktor verantwortlich und tritt mit der Wiederbelebung der Villa Rothschild nun in seiner Doppelrolle hervor.

Philipp Schlosshauer

Der 34 Jahre alte gebürtige Brandenburger Schlosshauer wuchs in Luckenwalde nahe Berlin auf, wo sein Interesse an gutem Essen früh geweckt wurde. „Da die Mahlzeiten in unserer Schule schlecht waren, ging ich mittags immer mit Freunden zum Essen zu meinen Großeltern“, erzählt Philipp Schlosshauer. „Mein Großvater zog eigenes Gemüse und hielt Hühner im Garten, meine Großmutter war eine sehr gute Köchin. Von beiden habe ich viel gelernt.“

Die erste wichtige Station war für Schlosshauer Berlin, wo er im Vau, dem seligen und mit einem Michelin-Stern ausgezeichneten Restaurant von Kolja Kleeberg, seine Kochlaufbahn als Demi Chef de Partie startete. Nach einem Aufenthalt in Australien kehrte Schlosshauer als Chef de Partie ein weiteres Mal ins Vau zurück, bevor er 2016 als Junior Sous Chef ins damals von Tim Raue geführte Restaurant Sra Bua im Hotel Adlon wechselte. Es schlossen sich Stationen im Castello del Sole am Lago Maggiore, im Kempinski Hotel Berchtesgaden sowie im Regent Berlin als Sous Chef an. Von dort zog es ihn im Sommer 2020 in den Taunus ins Falkenstein Grand, das wie die Villa Rothschild ebenfalls zu den Broermann Hotels gehört. In der Villa Rothschild legt er nun seine erste Speisekarte im Restaurant vor, das ja im Titel „Grill & Health“ führt und entsprechend Wert auf Vegetarisches und Grillgerichte legt. Es gibt aber auch so interessante Speisen wie das auf Heu gegarte Kalbsfilet mit Ebbelwoi-Jus.

 

Photocredit: Barbara Fienhold, Villa Rothschild

 




Durst de Luxe: Das Restaurant Medici und seine stimulierende Weinkarte

Burgunder-Raffinessen, Raritäten, preiswerte Highlights

 

Das Frankfurter Restaurant Medici ist für seine gute Küche bekannt, der Keller kann aber auch Erstaunliches bieten. Die Weinkarte hat sich in den letzten Jahren gewaltig entwickelt. Große Burgunder von Romanée-Conti gehören hier allein wegen der alljährlichen Raritäten-Dinner zum Repertoire, doch auch sonst warten in unterschiedlichen Preisklassen Überraschungen. Hier einige Kelche, die man nicht an sich vorüberziehen lassen sollte

Die Domaine Tessier bietet so viele brillante und feinsinnige Weine, dass man sich allein damit einige schöne Abende machen könnte. Es sind puristische, mineralische, elegante, präzise austarierte Weine von  Harmonie und Finesse. Paradebeispiel ist der famose Meursault „Les Casse Têtes“ (230 €) vom Jahrgang 2019, aber auch der preiswerte „Les Herbeux“ beeindruckt (58 €). Von diesen Lustmachern gibt es gleich fünf verschiedene Varianten plus zwei Magnumgrößen.

Weiße Burgunder können mitunter durch einen zu forschen Einsatz von neuem Holz geschmacklich penetrieren und nerven. Marc Colin geht sehr feinfühlig damit um, seine Weine zeichnen sich durch blitzsaubere Reintönigkeit, Mineralität und Frische aus. Die Familie besitzt erstklassige Lagen in Chassagne und Santeney sowie Parzellen in den Grand Crus Weinlagen Batard-Montrachet und Corton-Charlemagne. Besonders ans Herz gewachsen sind dem Familienweingut die Weine von Saint Aubin. Von dort kommt der 1er Cru „Le Sentier du Clou“, Jahrgang 2003, von dem es nur wenige Flaschen gibt.

Das Restaurant Medici könnte leicht prahlen, aber das liegt den beiden Betreibern, den Brüdern Christos und Stamatios Simiakos, nicht. Allein die Auswahl an 45 Flaschen verschiedener Lagen und Jahrgänge vom legendären Romanée-Conti ist beeindruckend, die Jahrgänge reichen bis 2012 (siehe Artikel zum Raritäten-Dinner mit Romanée-Conti), bei Preisen zwischen 560 und 9.000 €

Burgunder sind der Schwerpunkt der vielfältigen Weinkarte. Darunter klangvolle Namen à la Coche-Dury, Lucien le Moine, Thomas Morey oder Etienne Sauzet. Mit Francois Mikulski geht es  preiswerter, aber immer noch sehr anspruchsvoll zu. Der Ausnahmewinzer, Nachbar von Coche-Dury, gilt noch als Geheimtipp. Die naturnahen, authentischen und glasklaren Weine von Francois Mikulski sind stets schnell vergriffen. Im Medici gibt es vier Offerten, Meursault und Saint Aubin Blanc sowie einen großartig geradlinigen, zitrusfrischen, dezent salzigen und zartcremigen Cremant zum sympathsichen Preis.

Große Namen allein machen noch keine große Weinkarte aus. Es muss auch gute Weine zu kleinen Preisen geben, was weit schwierigem umzusetzen ist. Gerade die preiswerten Weine sollten mit Sorgfalt ausgewählt werden, wie es hier  geschieht. Die Domaine A.F. Gros in Pommard hat vom guten Bourgogne Haute Côtes de Nuit bis zum großen Richebourg Grand Cru eine erstaunliche Kollektion zu bieten, wovon im Medici 13 Qualitäten bereitstehen. Schon der Pinot Noir/Bourgogne 2018 macht mit seiner delikaten Saftigkeit und unkomplizierten Art viel Freude (58 €).

Bemerkenswerte burgundische Weine gibt es auch bei uns, der Chardonnay von Bietighöfer aus der Pfalz gehört dazu. Diesen schmelzigen und leicht rauchigen Wein sieht man nicht oft auf den Weinkarten in Deutschland, im Medici ist er zu haben. Überhaupt gibt es dort ausreichend Weine, die ohne monetäre Anstrengungen und Fanfaren auskommen. Im Sommer muss es etwas Frisches und Beschwingtes sein, so wie ihn der Grüne Veltliner „Fels“ von Leth aus dem östereichischen Wagram verkörpert. Dass er zum karitativen Preis angeboten wird, animiert noch mehr. Vielleicht sollte man beim nächsten Besuch im Medici erst einmal auf die Weinkarte schauen und zuerst den Wein bestellen und dann erst das Essen. Die Küche hat seit fast 20 Jahren seine Qualität erhalten und kann bald ein großes Jubiläum feiern. Mittags kommen gerne die eher eiligen Businesspeople zum preiswerten Lunch, abends genießt man in Ruhe mehrere Gänge. Man kann aber auch ganz salopp und zwischendurch einen hervorragenden Schinkenteller bestellen, der stets top ist. Er läss sich ganz unkompliziert frisch aufgeschnitten auf der Terrasse gabeln oder an einem der Hochtische an der Bar, am besten natürlich mit einem Wein.

Ludwig Fienhold

Photocredit: Barbara Fienhold

Restaurant Medici, Frankfurt, Weißadlergasse 2, Tel. 069  21 99 07 94

Di – Sa 11.30 – 22 Uhr

www.restaurantmedici.de