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Frankfurt: Make Bahnhofsviertel Great Again

Trash as Trash can:

Engagierte Gastronomen,

lahme Politiker

 

Es sah einmal so aus, als würde das Frankfurter Bahnhofsviertel als Vorzeigeprojekt gastronomischer Entwicklungen für ganz Deutschland und darüber hinaus ein Vorbild sein können. Auch die New York Times hatte es als spannenden Hot Spot ausfindig gemacht. Viele Gastronomen haben sich engagiert und wurden letztendlich von der Politik im Stich gelassen. Stellenweise versinkt das Viertel in unerträglichem Dreck, hie und da blühen aus dem Morast aber auch  schöne und seltene Pflänzchen auf. Das neue Ciccione ist ein gutes Beispiel dafür.

Andrei Lipan vom neuen Ciccione

Es ist mutig in einem Viertel, das durch die Stadt hoffnungslos vernachlässigt wird, ein neues Lokal zu eröffnen. Andrei Lipan hat es mit seinem Ciccione getan (siehe BISS-Artikel „Pizza unplugged mit Top-Weinen“). Genau gegenüber ist das Yaldy zu Hause eine besonders bemerkenswerte Adresse, die umgeben von Bierschwemmen gute Weine anbietet, zudem spannende Cocktails und eine sympathische Küche. Die Kombination aus Wein & Cocktail-Bar und Restaurant ist einzigartig, das Ambiente hat rustikalen Vintage-Charme. Solche wackeren Adressen halten das Bahnhofsviertel noch aufrecht.

Ciccione

Kaum zu glauben, dass im Bahnhofsviertel einmal ein Toprestaurant wie das Stanley Diamond entstehen konnte. Die Betreiber James und David Ardinast hatten es geschafft, Gäste anzulocken, denen es zwar ziemlich Mühe machte sich durch das Drogenmilieu zu kämpfen, doch als Ziel unerschütterlich dieses außergewöhnliche Restaurant vor Augen hatten. Das Stanley Diamond konnte vom Start weg mit einem engagierten Team überzeugen. Die Chefs de Cuisine Alex Nixdorf und danach Beate Braun sowie die muntere Sommelière Nina Birk leisteten im Quartier Pionierarbeit erster Klasse. Nicht zu vergessen die großartigen Barkeeper, die hier mitten im Lokal an ihrer halbrunden Theke sogar mitunter vom guten Wein ablenken konnten. Heute wird das Lokal nur noch als Eventlocation genutzt.

Auch das von den Ardinast-Brüdern geführte heitere und hübsche Maxie Eisen in der Münchner Straße ist nicht mehr und wurde inzwischen zu einem Edel-Döner. Ungeachtet dessen bleibt die Münchner Straße die originellste, wuseligste und interessanteste Zeile im Bahnhofsviertel. Die liebenswerte intime Mey Weinbar in der Elbestraße, die einst eine Bar mit Puff-Separee war, hat den Besitzer gewechselt. Cemal Aksan, der gute Weine und sogar einen mehr als ordentlichen türkischen Sekt anbieten konnte, führt jetzt nur noch das gleich um die Ecke liegende und einen Besuch werte Fischlokal Hamsilos. Jetzt haben jüngere Betreiber übernommen, die am Wochenende mit DJ-Abenden punkten wollen, aber weniger mit Weinwissen.

Nanas Ramen

Im Nana´s Ramen (gleich um die Ecke vom Stanley) gibt es leider keinen Wein, aber gute Küche und einen gutgelaunten Service. Bei den Einstiegshappen hat uns am besten Takoyaki gefallen, drei gegrillte und mit Gemüse und Oktopus gefüllte Weizenteigbällchen. Ramen gibt es in drei Varianten, von klassisch bis sehr würzig. Wir fanden die Tantan-Variante „Tokio Art“ herausragend, saftige dicke Nudeln mit leichtem Biss in einem delikaten Sud, der von Walnuss- und Sesamtgeschmack dominiert wurde. Mitgetragen wurde die mächtige Riesenschüssel geschmacklich zudem von Hackfleisch, gekochtem Gemüse, Sojasprossen und Frühlingszwiebeln. Zuvor war an gleicher Stelle das Restaurant Imori Kaiseki zu Hause, das sich nicht lange hielt, weil es einfach zu teuer war für diese Gegend.

Yaldy

Plan der Stadt war es, durch gute, junge und lebendige Gastronomie ein Korrektiv zur Verwahrlosung des Viertels zu installieren. Müll erzeugt Müll, Gastronomie mit vielen Gästen aber nicht unbedingt Sauberkeit und Ordnung. Das Vorhaben ging jedenfalls nicht auf. Die Gastronomen, die jeden Abend und jeden Morgen übelsten Unrat vor ihrer Tür und anderes mehr beseitigen mussten, wurden mit ihren Problemen allein gelassen. Noch immer stinkt es an vielen Stellen so gewaltig, dass man sich mit Schrecken und zugehaltener Nase abwendet. Mehr Polizei und verstärkter Einsatz von Müllfahrzeugen, Überwachungskameras? Ein Ansatz. Die Probleme sind seit Jahren bekannt, die Überlegungen dazu kümmerlich. Soll jetzt nur noch niemand auf die Idee kommen, die millionenfach vergeudeten Corona-Masken als Mundschutz für das Bahnhofsviertel einzusetzen.

Ludwig Fienhold

Fotos: Barbara Fienhold

 

Weitere Bahnhofsviertel Adressen

Kinly Bar, Lichtblick in der düster umwölkten Elbestraße. Klassiker und fabelhafte kreative Eigenkreationen.

Bar Shuka, Niddastraße 56. Ein Teller voll Tel Aviv und lebhafte Stimmung.

Yok Yok, Kiosk für Standhafte, man steht mit Bierdosen und Flaschen so herum und amüsiert sich. Wird bald  von der Münchner Straße gegenüber vom Hauptbahnhof einziehen.

Neckarvillen, sehenswertes historisches Hotel-Juwel in der Neckarstraße mit Grill-Restaurant und attraktiver Bar.

7 Bello, Niddastraße 82, Kult-Pizzeria, eng, laut und immer in Feierlaune. Aber die Pizza ist einfach gut.

GO by Henssler, Düsseldorfer Straße 1-7, schicke kalifornische Sushi und unschicker Umgebung.

Toh-Thong, gutes Thai-Lokal mit Klassikern wie Phad Graphao, Düsseldorfer Straße 23.

Fontanella, Kaiserstr. 35, einer der besten Eissalons in der Stadt.

Eventlocation Alte Textilfabrik von Cooking Ape, Taunusstraße 19, sehenswert und denkmalgeschützt, Fabrik-Loft-Atmosphäre (Bild ganz oben).




Das wird Trend: Pizza unplugged mit Top-Weinen

Ciccione:

Neue und gute Adresse

im Frankfurter

Bahnhofsviertel

 

Das neue Ciccione im Frankfurter Bahnhofsviertel ist weit mehr als nur eine weitere Pizzeria. Zum einen schmeckt die Pizza ganz anders und wird auch nicht wie herkömmlich zubereitet, zum anderen gibt es auch gute, handverlesene und korrekt temperierte Weine. Und gute Gläser von Riedel. In welcher Pizzeria gibt es das schon?

Endlich bewegt sich wieder etwas Positives im lädierten Frankfurter Bahnhofsviertel. Gegenüber vom Revier-Primus Yaldy hat gerade das Ciccione eröffnet. Andrei Lipan, der das Yaldy mit aufgebaut hat und dort vor allem für die Weine zuständig war, hat sich vis-à-vis selbständig gemacht. Es gibt keine große runde Pizza, sondern kleinere viereckige Stücke, von denen zwei durchaus ausreichen. Ein Segen für alle, denen eine ganze Pizza immer zu viel war. Wenn auch der italienische Name „Fettsack“ (Ciccione) anderes vermuten lässt, so fällt die Pizza viel leichter, luftiger, krosser und weniger käselastig aus. Derzeit gibt es sie in fünf Varianten (5,50 – 7 €), wobei sich die Stücke gut variieren lassen und der Gast die Auswahl zwischen verschiedenen Geschmacksrichtungen hat. Die gefüllte Ripiena mit Mortadella, Mozzarella und Pistazien-Olivenöl ist momentan der Bestseller. Gut ist auch die Rindersalami mit San Marzano Tomaten, Mozzarella und Parmesan. Für Fortgeschrittene zu empfehlen: Pizza mit Pfifferlingen, Sardellen, Kapern, Kirschtomaten und Gremolata.

Die eigentliche Überraschung sind aber die Weine, die auch jedem Restaurant gut zu Gesicht stehen würden. Der Spumante Brut „Ombra“ vom Ausnahmewinzer Nicola Gatta aus der Franciacorta-Region zeigt auf ganz individuelle Art Klasse. Feine Perlage, cremige Struktur, Aromen von Äpfeln, Brotkruste und Gebäck. Unfiltriert sowie biodynamisch nach dem Mondkalender erzeugt. Immer eine sichere Bank sind die Champagner von Gimonnet (hier ein Pinot Noir/Chardonnay), die wie ganz selbstverständlich zur Pizza passen. Es stehen aber auch sechs Offerten glasweise parat, die beiden Rosés haben so viel Charakter, dass sie den Sommer und das Essen bereichern: Gris de Grenache von der Domaine de Vigier (saftig und wunderbar trocken) und Rosé von Kampf aus Rheinhessen (auch gut und trocken, aber eher ein Darling für alle). Das kleine Team des neuen Lokals, das weit mehr als eine Pizzeria ist, tritt sehr einsatzfreudig auf, wie man das auch aus anderen guten Lokalen kennt, hier aber vielleicht nicht erwartet. Bravo! Andrei Lipan hat ein gutes Händchen für Weine und Menschen.

Das neue Ciccione trägt keine korrekte eigene Hausnummer, ist aber dennoch leicht in der Moselstraße zu finden. Yaldy, Miele Wash World und die Fleischerei Göbel liegen gleich gegenüber. Auf der Straßenterrasse erlebt man das Bahnhofsviertel hautnah. Passanten aus hundert Nationen ziehen vorbei und aus den an der Ampel haltenden Wagen tönt Musik, die man sonst eher weniger hört.

Ludwig Fienhold

Ciccione, Frankfurt, Moselstraße. Mo-Fr. 12 – sold out, 18 – sold out, Sa 17 – sold out, So zu.

Fotos: Barbara Fienhold




Kulturschock: Die Bolognese wird verändert

Italien versetzt Genießer

in Aufregung

 

Rezept-Pfusch oder notwendige Erneuerung?

 

Das Ragù alla Bolognese ist in Italien ein Kulturgut. Jetzt wurde das Rezept erstmals nach 40 Jahren verändert. Es dürfen inzwischen Zutaten verwendet werden, an denen Puristen und Traditionsbewahrer schwer zu schlucken haben. Denn für die gibt es nur ein klassisches Rezept und alles andere ist keine Bolognese. Zündstoff für eine hitzige Debatte.

Über rund 3000 Rezepte wacht in Italien eine staatliche Instanz, die „Accademia Italiana della Cucina“. Deren Aufgabe ist es, die Tradition der italienischen Küche zu bewahren und an nachfolgende Generationen weiterzugeben.

Nach dem ursprünglichen Rezept durfte für die Bolognese-Soße nur Kronfleisch vom Rind verwendet werden. Jetzt ist auch Rinderhack oder gemischtes Hack aus Rind und Schwein erlaubt. Statt selbstgekochter Rinderbrühe können nun auch Gemüsebrühe oder sogar Brühwürfel verwendet werden. Nicht erlaubt sind Kalbfleisch oder reines Schweinefleisch, geräucherter Speck, Knoblauch, Rosmarin, Petersilie und andere Gewürze außer Salz und Pfeffer. Das aktualisierte Rezept sieht auch mehr Fleisch im Verhältnis zur Menge der Tomaten vor, was auch gut ist, denn die meisten strecken die Soße mit viel zu viel Tomaten beziehungsweise Tomatenmark.

Zur Anreicherung der Soße können laut „Accademia Italiana della Cucina“ neuerdings auch Hühnerleber, Salsicciareste, gekochte Erbsen und Pilze verwendet werden. Man darf sich künftig sogar zwischen Rot- und Weißwein zum Ablöschen entscheiden, bislang sollte man nur Weißwein wählen. Nicht schlüssig geklärt ist die Frage, ob man Olivenöl oder besser ein mehr geschmackneutrales Öl verwenden soll, Olivenöl kann sich schnell in der Vordergrund spielen. Dem Rezept nach ist Olivenöl gestattet, in Bologna ist Olivenöl bei der Bolognese aber eigentlich eher verpönt.

Gibt es so etwas wie die einzig wahre Bolognese? Erbsen, Pilze  oder Hühnerleber empfinden wir nicht als Bereicherung. Tomatenmark aber auch nicht. Der Geschmack entscheidet.

LF

 




Ragù alla Bolognese: Ein großer Klassiker und wie man ihn noch besser machen kann

Im Brighella kommt das Ragù saftig und nicht säuerlich auf den Tisch

 

Deutschlands Lieblingsgericht, Spaghetti alla Bolognese, gibt es in Italien nicht und schon gar nicht in Bologna, der Hauptstadt der fresslustigen Region Emilia-Romagna. Dort wird man sie auch nur mit Tagliatelle erleben. Ragù alla Bolognese ist ein großer Klassiker – und doch kann man diesen so variieren, dass er noch besser schmeckt. Wir haben ein schönes Beispiel dafür.

So gut eine Bolognese auch sein kann, uns ist sie meist zu fett, zu trocken oder durch den Einsatz von Tomatenmark zu säuerlich. Leo Caporale vom Ristorante Brighella in Frankfurt macht für uns ein umwerfend gutes Ragout zur Pasta. Es ist dem alla Bolognese ähnlich und doch ganz anders. Leo nennt es deshalb auch Kalbs/Rinder-Ragù. Es ist saftig, bestens gewürzt und intensiv im Geschmack. Es ist auch nicht fettig oder wird nach einer Weile trocken. Es ist einfach ganz wunderbar. Das Ragout besteht aus Rind und Kalb, unter Beachtung der unterschiedlichen Garzeiten (in der original Bolognese werden Fleisch von Schwein und Rind und auch Wurstreste sowie anderes mehr verwendet). Küchenchef Leo stützt sein Gericht auf Gemüsebrühe und schmeckt mit den Zutaten Sellerie, Karotten, Zwiebeln, Thymian, Salz und Pfeffer ab. Im Gegensatz zur Bolognese wird bei ihm kein Tomatenmark und auch kein Wein verwendet. Tomatenmark und Wein machen eine Bolognese säuerlich, weshalb zur Eindämmung Milch verwendet wird. Das Ragù im Brighella wurde von all diesen Störfaktoren befreit. Es ist kraftvoll, fleischig und ganz gezielt auf den reinen harmonischen Geschmack ausgerichtet.

Im Brighella gibt es zum Kalbs/Rinder-Ragù Maccheroncini. Diese aus der Region Marken stammende Nudelsorte passt besonders gut zum Ragù und schmiegt sich an die Fleischsauce an, ohne sie auszutrocknen. Wir kennen kaum ein anderes Gericht, das für 16 € so viel Freude macht. So schmeckt Italien.

Ludwig Fienhold

Brighella, Restaurant & Hotel, Frankfurt, Eschersheimer Landstraße 442, Tel. 069 53 39 92.

www.ristorante-brighella.de

Fotos: Barbara Fienhold




Gisbert Kern ist neuer Direktor im Rheingauer Hotel Schloss Reinhartshausen

Die Neueröffnung des Hotels ist für Ende 2023 geplant

 

Noch empfängt das Schlosshotel in Eltville-Hattenheim im Rheingau keine Gäste, aber es bewegt sich etwas: Gisbert J. Kern ist neuer General Manager und will das Haus endlich wieder mit neuem Leben erfüllen. Nach seiner Tätigkeit als Arcotel Area Manager Berlin kehrt er in seine hessische Wahlheimat zurück, um das Opening von Schloss Reinhartshausen vorzubereiten.

Das Haus, das wie ein weißer Riese oberhalb eines kleinen Weinbergs mit Blick auf den Rhein thront, hat 53 Zimmer und Suiten, drei Restaurants und 13 Veranstaltungsräume für Tagungen, Hochzeiten und Events. Die Wiedereröffnung ist für Ende 2023 geplant, 2024 soll das Schlosshotel durch einen exklusiven Day-Spa ergänzt werden. Die neue Sektboutique und -bar vom Sekthauses Sôlter sowie der weitläufige Schlossgarten sind bereits seit Mai geöffnet. Wo jetzt der Sekt perlt war einst das Spitzenrestaurant Marcobrunn zu Hause, das der selige aber unvergessene Alfred Friedrich zur besten Adresse im Rheingau machte.

Gisbert Kern

„Es bereitet mir große Freude, beim Entstehungsprozess dieses großartigen Hotelprojektes federführend mitzuwirken. Wir möchten das Schloss Reinhartshausen wieder zu einem kulinarischen Begegnungsort machen“, erklärt Gisbert J. Kern.

Der gebürtige Baden-Württemberger hat als General Manager unter anderem das Ameron Frankfurt Neckarvillen Boutique Hotel und das Wyndham Grand Frankfurt eröffnet sowie das Lindner Hotel & Residence Main Plaza Frankfurt am Main geführt. Vorher war er in der Main-Metropole als Sales Director im Hotel Hessischer Hof tätig.

„Mit Gisbert J. Kern konnten wir einen erfahrenen Hotelmanager gewinnen, der nicht nur im Frankfurter Raum bestens vernetzt ist, sondern auch großes Gespür für das Schloss Reinhartshausen mitbringt“ sagt Hevar Berzenji, Geschäftsführender Gesellschafter des Hotel Schloss Reinhartshausen. „Er kennt die hohen Erwartungen anspruchsvoller Hotelgäste und passt als weltgewandter, feingeistiger Gastgeber perfekt zu unserem besonderen Haus.“

Zweiter Mann im Eröffnungsteam ist der Rheingauer Matthias Tepel in der Position des Business Development Manager. Er verfügt über langjährige Erfahrung in der Hotellerie, unter anderem war er als Head of Sales für Vienna Hotels tätig, zuletzt bekleidete er die Funktion des Sales Director bei der Frankfurter Hotelgruppe Flemings.

Das Hotel Schloss Reinhartshausen befindet sich im Besitz des Unternehmers Dana Hussein Qadir, die Geschäftsführung der Hotel Schloss Reinhartshausen Betriebs GmbH obliegt Hevar Berzenji. Die Sanierung des Hotels war 2022 für ein halbes Jahr unterbrochen worden, da es vorübergehend als Flüchtlingsunterkunft genutzt wurde. Die Wiedereröffnung des Hotels ist für Ende 2023 mit 80 Mitarbeiter:innen geplant.

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Dani García: Der Sternekoch und das arme Würstchen

Kulinarische Turbulenzen

und gute Adressen

am Málaga Airport

 

Der ehemalige 3-Sterne-Koch Dani García aus Marbella ist vielbeschäftigt, aber wohl auch überfordert. Jedenfalls hat er nicht jeden seiner Betriebe im Blick. Kurz nachdem er den dritten Michelin-Stern für sein nach ihm benanntes Restaurant in Marbella erhielt, das gleich neben „Aldi“ lag, verkündete er 2019 den Abschied vom elitären Küchenstil und proklamierte die Vorzüge der Burger. In Marbella, das der „Spiegel“ immer noch einen „Badeort“ nennt, hat der 47 Jahre alte García seitdem nicht viel bewegt. Als Visitenkarte der neuen Einfachheit könnte sein Lokal im Flughafen von Málaga dienen, doch geht der Gast dort auf Crash-Kurs.

foodies von Enrique Tomas

Es ist nichts dagegen zu sagen, dass ein kreativer Spitzenkoch sich auch eines Imbiss-Lokals annimmt. Ganz im Gegenteil, er könnte dort ja zeigen, dass sich auch als einfach geltende Speisen originell und gut zubereiten lassen. Auf dem Bild der  „Sugerencias“ sieht die Imbiss-Wurst (im Bild oben) noch ansprechend aus, doch was dann auf den Teller kommt ist ein hundsmiserabler Hot Dog. Eine solch blasse Wurst kennt man eher als Weißwurst, die aber weit besser schmecken kann. Das Exemplar am Flughafen ist völlig geschmacksneutral, seltsam weich und gerade einmal lauwarm. Als Topping gibts krümelige Reste aus der Chipstüte. Für 9,90 € eine Dreistigkeit, die der Gaunerei gleichzusetzen ist.

foodies von Enrique Tomas

Der zur Zeit angenehmste Ort am Aeropuerto Málaga ist das „foodies“ von Enrique Tomás, unter dessen Namen rund 100 Filialen in Spanien und darüber hinaus betrieben werden. Frisch aufgeschnittener iberischer Schinken in unterschiedlichen Qualitäten bis hin zum gereiften Bellota, gute Käse, schöne Cava wie Perelada (preiswert) und Gramona (teurer aber immer noch preiswert) und andere feste und flüssige Delikatessen mehr kann man in ruhiger Atmosphäre genießen, weil der Massentourist hier nicht angesprochen wird.

Einen guten Kaffee findet man nicht und schon gar nicht so einfach im Vorbeigehen auf dem Flughafen, der bei Costa ist der beste, den wir kennen, wobei man ihn in angenehmer Umgebung trinken kann.

Der Flughafen von Málaga gehört mit über 20 Millionen Passagieren jährlich zu den wichtigsten in Spanien. Es wundert aber auch nicht, dass viele Reisende sich ihren Proviant selbst mitbringen und überall in der Abflughalle verspeisen, selbst dort, wo Lokale ihren Betrieb haben, gerade bei Dani Garcia.

LF

Fotos: Fienhold




Ay Caramba: Service-Clash in Spanien

Gute Mitarbeiter sind auch

in Marbella eine Rarität,

aber es gibt sie

 

Selbst im serviceschwachen Spanien ist ein solch gruseliger Zombie-Service wie im Marabierta  in San Pedro bei Marbella selten. Gäste werden hier wie Störenfriede behandelt, die den mürrisch-schläfrigen Service aufzuwecken drohen. Wir wollten uns die Kellner mit einer Flasche Cava Granoma Imperial nett trinken, was aber auch nicht gelang, weil man ihn entweder aus viel zu kleinen und schmalen Gläsern oder gleich aus Rotweinhumpen trinken musste.

Spanische Kellner bedienen nicht gerne, sie sind zu Höherem geboren und hassen im Grunde ihren Beruf. Deshalb verachten sie stellvertretend für ihren Fehler die Gäste. Die Kellner sind entweder so träge, als hätten sie bereits die Wüste von Tabernas durchquert, oder so schnell, dass man seine Teller mit dem Essen festhalten muss. Unter allen Servicekräften in der Welt erscheinen die aus Spanien am merkwürdigsten, ja oft sogar am überflüssigsten. Als Gast würde man sich sein Essen lieber selbst am Pass an der Küche abholen.

In den spanischen Touristenorten wechseln viele Mitarbeiter im Service nach nur einer Saison, niemand fühlt sich in dieser Zeit für irgendetwas verantwortlich. Die gespielte Lässigkeit ist längst zu einer systematischen Nachlässigkeit geworden. In den Beach Bars und Chiringuitos versucht man mit lauter Musik von Servicefehlern abzulenken – die Rufe der Gäste hört ja niemand. Aber die Nachlässigkeiten sind längst auch in den Spitzenrestaurants angekommen. Es herrscht mitunter eine Arroganz, die diametral den eigenen Leistungen gegenübersteht. Selbst hohe Trinkgelder werden höchstens mit einem zustimmenden angedeuteten Kopfnicken entgegengenommen.

David von der G-Wine Bar

Auch der völlig unzulässigen „Glaskultur“ steht der Service gleichgültig gegenüber. Die meisten Kellner können es nicht verstehen, wenn man für Rotwein andere Gläser als für Weißwein möchte und für Cava/Champagner keine schmalen Flöten, sondern eher bauchige Gläser verlangt. Im Großraum Marbella und überhaupt an der ganzen Costa del Sol ist es ratsam, sich beim Lokalbesuch seine eignen Gläser mitzubringen, sonst wird man um sein Trinkvergnügen gebracht.

Dass es auch anders geht, dokumentieren positive Beispiele aus Estepona, San Pedro und Ronda. Das servicestarke Kempinski in Estepona zeigt in seinem Beach Restaurant Spiler wie einsatzfreudig weibliche, aber auch männliche Mitarbeiter sein können. Vorbildliche Wein- und Serviceleistungen offenbart die G-Wine Bar in San Pedro, das beste Lokal dieser Spezies zwischen Malaga und Estepona. Eine vorbildliche Weinkarte, gute Wein/Cava-Gläser und korrekte Trinktemperatur sind dort eine Selbstverständlichkeit. Beratungen, woanders mangels Kenntnissen gar nicht erst möglich, gehören zur gastronomischen Grundausstattung. Ebenso der Probierschluck und die Frage, ob diesen der Mann oder die Frau haben möchte. Dass man bei den offenen Weinen mit der ganzen Flasche an den Tisch kommt, ist in der G-Wine Bar natürlicher Gästeumgang.

Thais & Benito vom Tragatá in Ronda

Die „Mitarbeiterin des Jahres“ entdeckten wir im Tapas-Lokal Tragatá in Ronda, das von Benito Gómez geführt wird, der in dem spektakulären Felsennest oberhalb von Marbella noch das 2-Sterne-Restaurant Bardal betreibt. Mit einem solch breiten Lächeln wie von der herzlichen und professionellen Thais wurden wir in keinem Lokal an der Sonnenküste begrüßt. Sie führte mit einer beschwingten Leichtigkeit durchs kulinarische Programm und wusste jeden Gang bis ins Detail lustvoll zu erklären. Dass die mehrsprachige Mitarbeiterin auch über die Weine gut Bescheid wusste, machte sie uns noch sympathischer. Man erlebt selbst in den spanischen Tourismushochburgen noch gute Servicekräfte, man braucht neben Entdeckungsfreude nur viel Geduld und Geld, bis man sie gefunden hat.

Ludwig Fienhold

Fotos: Barbara Fienhold




Junges Talent: Benedetto Russo ist oben angekommen

Wer ist der neue Chef im Restaurant Carmelo Greco?

 

Carmelo Greco, einer der besten Köche in Deutschland, hat seinen bisherigen Sous-Chef Benedetto Russo befördert und wird jetzt mit ihm eine gleichberechtigte Doppelspitze bilden. Der 27 Jahre alte Russo ist wie Greco gebürtiger Sizilianer. Das Frankfurter Spitzenrestaurant soll dadurch gestärkt und noch eindeutiger positioniert werden.

„Benedetto hat mir in den vergangenen Jahren maßgeblich den Rücken freigehalten und auch unseren Küchenstil weiterentwickelt. Seine unermüdliche Kreativität und seinen Ehrgeiz möchte ich belohnen und ihn gleichwertig an meiner Seite wissen“, kommentiert Greco seine Entscheidung. Der gebürtige Sizilianer Russo sorgt für mehr süditalienische Einflüsse im Menü.

Carmelo Greco selbst kam zwar ebenfalls in Sizilien zur Welt, doch da er bereits als Fünfjähriger mit seiner Familie ins Piemont zog, wurde er durch die norditalienische Küche geprägt. Er sieht in der gleichwertigen Zusammenarbeit große Chancen: „Meine Gäste kennen von uns bisher vor allem die norditalienischen Klassiker wie Agnolotti oder Vitello tonnato, die ich seit vielen Jahren modernisiere und auf ein neues Level hebe. Umso spannender ist es, sie nun auch mit Neuem und vielleicht sogar Unbekanntem zu überraschen.“

Carmelo Greco (l.) und Benedetto Russo

Der neue Küchenchef Benedetto Russo wurde 1996 in Palermo geboren und wuchs dort auch auf. Nach dem Umzug seiner Familie vor zwölf Jahren nach Deutschland machte er eine Ausbildung im sardischen Restaurant L’Opera in Hofheim am Taunus. Dann zog es ihn erst einmal zurück in die Heimat, er arbeitete in verschiedenen Sternerestaurants auf Sizilien. Seit 2017 ist er Teil des Teams von Carmelo Greco, 2019 wurde er dessen Sous-Chef. Greco erinnert sich: „Er hat bei uns ein Praktikum gemacht, weil ich keine offene Stelle hatte, er aber unbedingt bei uns arbeiten wollte. Danach kam er ein ganzes Jahr lang einmal im Monat zum Essen, bis ich ihn endlich eingestellt habe. Seine Hartnäckigkeit hat mich sehr beeindruckt.“

Russo kam nicht allein. Seine Frau Claudia unterstützt das Team mittlerweile im Office und sein Bruder Michele leitet den Service. Greco freut sich, dass er sich ab sofort die Rolle des Küchenchefs mit einem jungen Talent teilt: „Ich schätze an Benedetto seine natürliche Begabung und seine Passion. Er erinnert mich daran, wie ich im gleichen Alter mit derselben Leidenschaft hart gearbeitet habe, um dorthin zu kommen, wo ich heute bin.“ Dem neuen Küchenchef Russo liegt vor allem der Nachwuchs am Herzen. „Zum ersten Mal in der Geschichte des Restaurants haben wir zwei Auszubildende gleichzeitig. Ich möchte das weitergeben, was ich selbst an Förderung in der Küche bekommen habe.“

Fotos: Thorsten Weigl, Barbara Fienhold

W E R B U N G

 




Historisches Hotel-Juwel: Aus Althoff wird Lume

Aber die Probleme im Bahnhofsviertel

bleiben die gleichen

 

Die denkmalgeschützten Neckarvillen gehören zu den attraktivsten Gebäuden der Stadt, die Althoff-Gruppe hatte etwas besonders Schönes im Auge als sie dort die Hotelführung übernahm. Die Lage im Bahnhofsrevier war aber von Anfang an sehr problematisch, der Jürgen-Ponto-Platz vor dem Hotel ist ein Treffpunkt für tragische Gestalten aus der Schattenwelt und nicht in Einklang mit den Gästen des Hauses zu bringen. Frankfurt hat die Probleme im Bahnhofsviertel auch nach Jahren nicht einmal ansatzweise gelöst.

Das ehemals unter dem Namen Ameron Neckarvillen bekannte Hotel der Althoff-Gruppe im Frankfurter Bahnhofsviertel will sich unter dem Namen „Lume“ neu aufstellen. Dies könnte man italienisch als „Licht“ oder „Leuchte“ verstehen, doch die Hotelbetreiber denken komplizierter und in englisch: Luxurious, Urban, Modern, Experience. So oder so wird das Hotel Teil der Marriott Bonvoy’s Autograph Collection Hotels.

Das Hotel hat 133 Zimmer und Suiten und verfügt mit dem Restaurant Le Petit Royal Frankfurt, einem Ableger des bekannten Grill Royal in Berlin, und der French Bento Bar über zwei ansprechende Lokale. An deren Konzept soll nichts geändert werden. Unklar bleibt aber, wie man künftig die Frankfurter weit mehr als bisher für die beiden Lokale gewinnen möchte, denn diese sind für das Bahnhofsviertel kaum zu begeistern, da sich die Zustände dort drastisch verschlimmert haben. Die Gäste des Grill Royal blicken direkt auf den problematischen Jürgen-Ponto-Platz, an dem das Gegenteil von Lichtgestalten zusammenkommen.

Das Hotel sollte seine Gäste auch nicht über die Lage in die Irre führen. Schirn Kunsthalle, Goethestraße oder die Zeil sind natürlich „fußläufig“ zu erreichen, aber der Weg dorthin ist weit länger als dies suggeriert wird. Ohne Taxi läuft da nichts.

LF




Frankfurts Topitaliener Carmelo Greco wird sizilianischer

Die Regionalküche frischt auf

 

Carmelo Greco wird sizilianischer. Sein neuer Co-Küchenchef Benedetto Russo bringt einen neuen südlich geprägten Einfluss mit. Es gibt einige bemerkenswerte Gerichte für die wir uns begeistern konnten.

Mehr Sizilien auf dem Teller. Diese neue Tendenz beim Spitzenitaliener Carmelo Greco erfüllt sich in besonderer Weise bei den Tortelli. Die Pasta ist gefüllt mit einer spannenden Melange aus Wildfenchel, Sardellen, Safran, Zwiebeln und Pinienkernen. Die pikante Sauce aus Tunfisch, Zwiebel, Erbse und Tomate grundiert mit süffiger Raffinesse. Genau solche Gerichte hat man sich schon immer mehr bei Carmelo Greco gewünscht, mit solchen und ähnlichen Gerichten könnten sich auch andere Italiener aus der Masse hervorheben.

Tortelli

Sizilien liegt auch in cremiger Form der Mittelmeerinsel auf dem Teller, sieht pfiffig aus und schmeckt auch gut. Das würzige Potpourri aus Auberginencreme, Basilikumpesto, Caponatacreme, Kapern und Oktopusragout löffelt man ganz einfach mit etwas Brot. Diese schlichte Schönheit des Einfachen erinnert an die Anfangsjahre von Carmelo Greco in Frankfurt-Rödelheim. Dahinter steckt aber auch die neue regionale Handschrift, denn die Zutaten geben sich ganz sizilianisch: Die Stadt Trapani steht für Basilikumpesto, die Auberginencreme für Palermo, der Oktopus kommt aus Catania und die Vulkan-Insel Lipari gilt als das Kapern-Paradies von Sizilien.

Jakobsmuschel

Einer unserer Favoriten auf der neuen Karte ist die Jakobsmuschel mit Seeigelcreme, einer feinen Interpretation der Frankfurter Grünen Soße sowie einem Stück sizilianischer Orange on top. Erstklassig auch der Steinbutt mit softer Karottencreme, Wassermelone, Maracuja-Jus und in Salz gegarten sizilianischen Tomaten mit Safran-Fenchel-Schaum. Kombinationen mit Obst mögen wir sonst weniger, aber hier ergibt sich ein großes harmonisches Geschmackbild von subtiler Güte. Stets ein Highlight sind die phantasievoll präsentierten Gaumenhäppchen zum Start, Gänseleber mit Birnengele und Portweinreduktion oder Saiblingsmouse mit Räuchernote nebst Saiblingskaviar und Saiblingstatar.

Steinbutt

Sommelier Enrico Resta frischt die Weinkarte immer wieder mit neuen Entdeckungen auf. Derzeit schenkt er gerne Weine aus Sizilien aus, auch glasweise. Der Blanco Da Uve Nere 2022 vom Familienbetrieb Morgante ist ein weißgekelterter Rotwein, der herrlich nach Wiesenkräutern duftet und einen ganz eigenen Charakter aufweist. Für nettes Geld ein absolut schönes Fundstück. Das gilt auch für den ungewöhnlichen und ungewöhnlichen guten Rosé Villa Gemma von Masciarelli aus den Abruzzen, der hinreißend nach Kirschen und Walderdbeeren duftet. Ein kräftiger, fleischiger, saftiger Wein, den man leicht gekühlt trinken sollte.

Amuse

Der Service war nicht immer die Stärke im Restaurant, jetzt scheint aber wirklich so etwas wie ein Familienbetrieb entstanden zu sein, ein sizilianischer. Neben dem Co-Küchenchef Benedetto arbeiten auch sehr engagiert dessen Bruder Michele und seine Frau Claudia im Service.

Ludwig Fienhold

Fotos: Barbara Fienhold

Siehe auch BISS Artikel über Benedetto Russo, den neuen Co-Chef von Carmelo Greco

Restaurant Carmelo Greco, Frankfurt, Ziegelhüttenweg 1-3
Tel 069 606 089 67.
Montag – Freitag 12 – 14 Uhr, 18.30 – 22 Uhr
Samstag 18.30 – 22 Uhr.

www.carmelo-greco.de