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Lachen und Trinken verboten: Ordnungs-Starrsinn im Frankfurter Vorzeigerevier Neue Altstadt

Gäste sind Störenfriede, Terrassen Krachmacher

 

Jetzt werden die Bürgersteige hochgeklappt

 

Frankfurts fotogenes Vorzeige-Revier, die sogenannte Neue Altstadt, hatte von Anfang an Probleme und zeigt immer mehr Risse. Jetzt werden dort die Bürgersteige hochgeklappt, gibt es ab 22 Uhr kaum noch Leben. Die Lokale schließen nicht nur ihre Terrassen, sondern gleich ganz. Und das ausgerechnet jetzt, wo die Sommersaison bei bestem Wetter startet und Menschen Lust aufs Flanieren, Plaudern und Trinken im Freien haben. Das Quartier ist nun abends das, was es schon immer war: Eine Kulisse. Das Ordnungsamt will es so. Der eine oder andere Anwohner auch. So wird alles zu Tode beruhigt.

Weinbar Ress

Dabei gibt es in der Innenstadt Lärm ohne Ende. An der Hauptwache, im Bahnhofsviertel und in Alt Sachsenhausen tobt die Party-Meute. Auf dem Römerberg finden mehrmals die Woche lärmende Veranstaltungen und Demonstrationen statt, nicht selten mit über 120 Dezibel wie jetzt beim Paulskirchenfest. Das Recht der Anwohner auf Ruhe interessiert dabei niemand. Die Neue Altstadt aber, in der abends ohnehin nicht allzu viel los ist, soll zu Tode beruhigt werden. Erstes Opfer ist die Weinbar vom Weingut Ress. Diese soll um 22 Uhr keinen Terrassenbetrieb mehr führen und auch innen für Ruhe sorgen. Nach den Worten des Betreibers Christian Ress sollen „soziale Geräusche“ wie „Unterhaltungen und Gelächter“ sogar im Innenbereich unterbleiben, bei Verstößen gegen genau definierte Lärmgrenzen drohen Bußgelder oder sogar die Schließung des Lokals. Demnach sollen selbst im Sommer Fenster und Türen geschlossen bleiben. „Wir müssen leider bis auf weiteres, auch am Wochenende, pünktlich um 22 Uhr schließen“, lässt Christian Ress wissen, wobei es da ja im Sommer fast noch hell ist. Offenbar haben sich Anwohner beim Ordnungsamt beschwert. Davon ist die gesamte Gastronomie in der Neuen Altstadt betroffen, doch keines der anderen Lokale wurde nach 22 Uhr so gut besucht wie die Weinbar von Ress und kann die Restriktionen des Ordnungsamts daher vielleicht eher verschmerzen.

Hühnermarkt

Christian Ress kann nicht verstehen, dass die Stadt einerseits rund 125 Millionen Euro aus dem städtischen Haushalt investiert, um einen „Besuchermagnet mit internationaler Relevanz“ zu erschaffen und dann anderseits die Gäste am späten Abend wieder vertreiben lässt, wenn diese die einmalige Atmosphäre der Neuen Altstadt bei einem Glas Wein genießen wollen. Nach den Vorstellungen der Stadt Frankfurt sollte aus der historisch mal mehr, mal weniger glücklich nachgebauten Neuen Altstadt „ein zentraler Ort der Begegnung für die Menschen“ werden. Dem widerspricht der Starrsinn des Ordnungsamts mit seinem weltfremden Vorgehen. Man kann Menschen nicht aus einem vergnüglichen Viertel verbannen, schon gar nicht nach 22 Uhr und in lauen Sommernächten. Vor allem am Wochenende beginnt für viele erst am späten Abend der vergnügliche Teil des Tages, gerade in der Hitze des Sommers. Auch internationale Gäste, zumal wenn sie aus Spanien oder Italien kommen, wissen die Gunst des späten Abends zu nutzen und werden solche Maßnahmen zu recht als provinziell empfinden. In der Gastronomie wird abgesehen davon nach 22 Uhr besonders viel Getränkeumsatz gemacht. Vor allem aber: Belebung ist nicht nur für die Stimmung gut, sie trägt auch zur Sicherheit bei – tote Viertel dagegen sind ein Sicherheitsrisiko.

Die Mieter, die mit voller Kenntnis über die Gastronomie in die Neue Altstadt einzogen, hätten wissen müssen, dass es in einem solchen Quartier, der von internationalem touristischen Interesse ist, auch lebhaft zugehen kann. Außerdem ist ein Großteil einer gewissen Geräuschkulisse nicht den Besuchern der Gastronomie anzulasten, sondern volltrunkenen Horden, die vom Saufquartier Alt-Sachsenhausen durch die Altstadt ziehen. Außerdem kommen auf dem Hühnermarkt auch gackernde Jugendliche zusammen, die sich ihre Vodkaflaschen selbst mitbringen, um Geld zu sparen, aber den Hühnermarkt als Kulisse zum Feiern beanspruchen.

Gute Nacht Freunde

Die Neue Altstadt. Schon der Name ist ein unsinniges Konstrukt. Besucher, die sich vor allem der Optik wegen einfinden, kennen das Viertelchen eigentlich nur im Vorbeigehen. Ein Blick hinter die hübschen Fassaden zeigt Risse im Gemäuer. Eine Schwachstelle ist ein Teil der Gastronomie, die sich zu sehr an Touristen orientiert. Drei Adressen aber heben sich positiv hervor, das Café von Hoppenworth & Ploch, die Weinbar vom Weingut Ress aus dem Rheingau und die Metzgerei Dey, die ihren Kunden einige Stehtische gönnt, wo früher die Schirne zu Hause waren, und deren Fleischwurst auch wirklich lobenswert ist.

Die Geschäfte in der Neuen Altstadt? Vor allem die Hunde scheinen geschäftig. Eine der wenigen Konstanten ist die Apotheke. Kopfschmerzmittel helfen aber nicht gegen das Gedränge, wenn viele Gruppen und ihre Tour Guides sich in den schmalen Gassen breit machen. Man muss jedenfalls ein rustikales Gemüt haben, um sich hier wohl zu fühlen. Hunde und leider auch Menschen schätzen die Neue Altstadt als Toilette. Die Toiletten am nahen Paulsplatz sind den Besuchern offenbar zu weit, wobei Ortsfremde den Weg nicht kennen. Es stinkt in diesem Viertelchen jedenfalls vieles derart zum Himmel, dass Gott schon längst aus allen Wolken gefallen sein müsste.

Ludwig Fienhold

Photocredit: Barbara Fienhold

A N Z E I G E

 

 




Essen gehen ist gut, zu Hause essen oft noch besser

Schlechte Gastronomie

bringt uns zum Kochen

 

Wir kochen wieder mehr zu Hause. Die Leistungen haben in erschreckend vielen Restaurants dramatisch abgenommen. Aufschwung spürt man vor allem bei den Preisen, während Küche und Service immer schwächer werden. Natürlich nicht überall, aber in einem unübersehbaren und erschreckenden Maß. Der Ärger bringt uns zum Kochen.

Das Rebgut im badischen Lauda-Königshofen ist eine „Weinherberge“ mit schönen Zimmern und einem adretten Restaurant. Wir hatten dort vor einigen Jahren hervorragend gegessen. Obwohl alles wie immer aussah, wurde der letzte Besuch zum Desaster, wir hatten es mit einem komplett neuen Team zu tun, was nicht gleich zu erkennen war. Aber  schon nach dem ersten und wenig appetitlichen Gang fragten wir den Service, ob der Küchenchef heute nicht am Herd stünde. Richtig: Angeblich war er krank, vielleicht kam er aber auch nicht, weil keine Reservierungen vorlagen und wir als Walk-ins die einzigen und auch noch überraschenden Gäste waren. Wenn eine Küchenmannschaft ohne Chef nicht gut genug ist, sollte man an einem solchen Tag erst gar nicht aufmachen. Wenn der Küchenchef glaubt, dass sein Team auch ohne ihn funktioniert, hat er sich verschätzt und zeigt sich als ahnungslos. Beide Versionen sind fahrlässig. Jedenfalls war ein Gang schlechter und dilettantischer als der andere. Wir hatten spontan auch noch ein Zimmer reserviert, was die Rechnung unnötig erhöhte, weil wir im guten Glauben waren, dass das Rebgut  noch immer eine gute Adresse wäre. Solche herben Enttäuschen sind längst keine Ausnahme und häufen sich inzwischen auf ein nicht mehr zu akzeptierendes Maß.

Wir hören oft, man sollte einem Lokal doch noch eine zweite Chance geben. Mit wie vielen Besuchen sollen wir unsere Zeit verschwenden und  und wie viel Geld sollen wir denn noch zum Fenster hinauswerfen, bis jemand endlich gut ist und eine zufriedenstellende Leistung liefert? Meist ist klar erkennbar, dass ein zweiter Besuch völlig überflüssig ist, da keine Qualität oder gar so etwas wie ein Talent vorhanden ist. Oft fragt man sich, was der Koch eigentlich von Beruf ist.

Die Negativerlebnisse häufen sich in einem nie zuvor erlebbaren Maß. Und das in allen Bereichen, vom einfachen Gasthaus bis zum Sternerestaurant. Die Gründe dafür sind bekannt, aber nicht zu akzeptieren. Fehlende Fachkräfte bei Küche und Service sind kein Anlass, die Gäste schlecht zu behandeln und auch noch Geld dafür zu verlangen. Oft sind die Probleme hausgemacht – die Größe der Speisekarte übersteigt die Kapazität in der Küche, um nur ein Beispiel zu nennenKurzum: Die positiven Besuche wiegen die gesamte Misere nicht mehr auf. Natürlich haben wir oft hervorragend gegessen: im 360 Grad in Limburg, dem Le Cerf im Schlosshotel Friedrichsruhe oder bei Lohninger in Frankfurt sowie vielen anderen mehr. Es gibt nach wie vor viele Lokale, die gut in der Küche und beim Service aufgestellt sind. Warum wohl gelingt es diesen und anderen nicht? Das alles ändert aber nichts am Eindruck, dass wir mit einem ungeheuren Qualitätsverlust in der Gastronomie zu tun haben – und das bei steigenden Preisen.

Während wir früher fünfmal in der Woche essen gingen, bleiben wir jetzt auch gerne zu Hause, um uns Enttäuschungen zu ersparen. Ich kann kochen, meine Frau noch viel besser. Vor allem italienisch, asiatisch oder amüsant deutsch. Sie bereitet Risotto à la minute zu, so wie man das hierzulande bei kaum einem Italiener bekommt. Vor allem nicht in solch  verschiedenen und kreativen Varianten. Und sie macht Pasta, wie wir sie  höchst selten außer Haus genießen können. Pasta mit würziger Nduja und karamellisierten Rotweinzwiebeln, authentische Carbonara mit Guanciale und zerstoßenem schwarzen Pfeffer oder feines Limonen/Carnaroli-Risotto. Beim Zuhause-Essen haben wir also gut zu essen, müssen uns nicht über schlechtem Service, mäßige und falsch temperierte Weine in schlechten Gläsern ärgern.

Wir wollen weder Zeit noch Geld verschwenden, wissen aber auch dass die Restaurants die letzten großen Bühnen der Erlebniskultur sein können und auch noch immer sind. Die Gastronomen sollten aber nicht nur ihre Probleme sehen, auch die Gäste haben mit den gestiegenen Preisen und anderen Missständen zu kämpfen, die uns eine unfähige Politiker eingebrockt hat. Die Gastronomen sollten wissen, dass wir manches schlucken, aber keinesfalls überzogene Preise für schwache Leistungen. Wir wollen nichts geschenkt bekommen, manchmal bedarf es ja nur ganz wenig. Freundlichkeit und ein Lächeln kosten nichts.

Ludwig Fienhold

 

 




Cool: Die besten Eissalons in Frankfurt

Die neue Nr.1:

La Dolce Vita in Oberrad

 

Das Firenze am Walther-von-Cronberg-Platz in Sachsenhausen, bislang Frankfurts bester Eissalon, musste leider wegen der Insolvenz des Betreibers Tom Bock aus wirtschaftlichen Gründen schließen, die Eisdiele Aroma in der Windmühlstraße im Bahnhofsviertel kommt auch nicht mehr zurück, der Hausbesitzer will die Fläche anderweitig nutzen. Der Betreiber, das Unternehmen Villa Vita in Marburg, hat aber auch keine Lust sich eine neue Bleibe zu suchen. Dafür haben wir eine neue Nr. 1., für uns ist das Eiscafé La Dolce Vita in Oberrad derzeit die beste Adresse in Frankfurt.

Wir haben uns diesmal auf die italienischen Eismacher konzentriert, weil sie uns geschmacklich und handwerklich am besten gefallen. Die Eissorten kosten in Frankfurt im Schnitt 1,60 – 2,00 €. Meist bekommt man mehr als eine normale Portion, egal ob gespachelt oder gekugelt wird. Der Preisanstieg ist zu verschmerzen, obwohl es besser wäre kleinere Portionen zu machen, damit man mehrere Sorten probieren kann. So ist man meist schon nach einer Portion satt. Vanille, Pistazie und dunkle Schokolade sind wegen der Rohstoffknappheit nicht immer zu bekommen. Oft  gibt es sie auch nur in eher schwacher Qualität. Bei den guten Eissalons sind sie nach wie vor ungeschönt und in echter Qualität zu haben, aber auch dann nicht unbedingt täglich.

1. Platz

La Dolce Vita, Oberrad, Offenbacher Landstr. 348

Dieser kleine sympathische Familienbetrieb macht ausgezeichnetes Eis und hervorragende Torten und Kuchen. Das Eis „Grüne Soße“ ist ein Geniestreich. Es wird auf der Basis der Kräuter der Oberräder Gärtnerei Schecker und Joghurteis hergestellt und ist so geschmeidig, zart und delikat kräuterwürzig, dass man es sich auch als eigenständiges Essen vorstellen kann. Der eine oder andere hat sich an diesem speziellen Eis versucht, doch niemand gelingt es so gut wie dem Dolce Vita von Mario Rosso und seiner Frau Sonia.

Joghurteis gibt es bei vielen, aber auch das gelingt dem Dolce Vita besonders gut. Unsere sonstigen Favoriten: Holunder, Kokos, Käsekuchen/Mango. Kugel 1,70 €. Wie sehr hier das Handwerk beherrscht wird, zeigen auch die fabelhaften hausgemachten Torten und Kuchen, allen voran Himbeere-Mascarpone und Käsesahne. Sogar das Tiramisu ist so wunderbar wie zu den Anfangszeiten der guten Italiener in Deutschland. Old School, solides Handwerk, Geschmackstalent. Hausgemachte Torten und Kuchen in dieser Qualität gibt es sonst kaum in der Stadt, schon gar nicht für 3,50 €.

Eiscafé Dolce Vita, Buchrainplatz/Offenbacher Landstr. 348, Tel. 069 96 86 42 79. Täglich geöffnet 10-21 Uhr, Sonntag 11-21 Uhr.

La Dolce Vita

 

2. Platz

Dolce, Innenstadt, Freßgass

Endlich wieder eine Adresse, die unsere angeschlagene Freßgass kulinarisch aufwertet. Wir haben im Dolce schon viel probiert, aber noch nie eine Niete gezogen. Geschmacklich top, Konsistenz und Temperatur perfekt. Besonders gut: Raffaelo, Karamell, Amarena, Pistazie, Amarena, Haselnuss, Cookies.

 

3. Platz

Milano, Sachsenhausen, Schweizer Str. 22

Nach einigen Ups and Downs scheint der Eissalon jetzt wieder stabiler in den Leistungen zu sein. Oft besucht, nie eiskalt erwischt worden. Die neue Sorte Holunder/Buttermilch ist extraklasse. Die Melange aus Guave, Maracuja und Limette sowie Karamell mit Fleur de Sel sind fabelhaft, auch Basilikum mit Zitrone muss man probiert haben, schmeckt an heißen Tagen noch besser.

 

 

 

 

 

 

4 . Platz

Fontanella, Bahnhofsviertel, Kaiserstr. 36

Dieser Eis-Salon, den es schon seit 1957 gibt, zeigt jahrelange stabile Qualität. Klassische Sorten und neue Kreationen sind durchweg top: Nussiges Opera, feines Panna Cotta, allerbestes Pistazie, schmelziges Cheesecake mit Karamell, aromatische Walnuss, feines Giotto, perfektes Kokos. Das ausgezeichnete Eis Tiroler Strudel besteht aus 18 verschiedenen Zutaten, darunter Apfel, Zimt, Kokos sowie in Malagawein getränkte Rosinen (gibt es leider selten). Die traditionellen Sorten wie Vanille, Haselnuss und Amarena sind auch immer eine Empfehlung.

 

5. Platz

Ostend Eis, Ostendendstr. 58

Adriano, der Eisheilige, betrieb ganz in der Nähe sein großartiges Eiscafé Pavone und war anschließend zwei Jahre Eismacher im Firenze am Walther-von-Cronberg-Platz. In seiner kleinen Eisdiele gibt es vor allem die Klassiker der italienischen Eiskunst: Vanille, Pistazie, Amarena, Haselnuss und andere mehr. Wenn es heiß wird schmeckt Limone-Basilikum besonders gut. Es gibt keine Kugeln, es wird nach alter italienischer Tradition gespachtelt. Adrianos Eiskreationen gehören längst zur Spitze des Eisbergs in der Stadt.

 

Weitere Empfehlungen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Siena

Nähe Zoo, Sandweg 1

Vanille, Kokos, Panna Cotta und vieles mehr sind zum Dahinschmelzen. Seit vielen Jahren von zuverlässiger Qualität. Freundlicher Service.

Michielin

Nordend-West, Eschersheimer Landstr. 46

Ein Eis wie aus Großmutters Zeit. Authentisch, klar in der Aussage und einfach wunderbar altmodisch. Haselnuss, Vanille, Erdbeere, Blutorange, Pfirsich, Pflaume, Zitronen-Eis aus sizilianischen Limonen sowie Tartufo, Pistazie und Cooky.

Christina

Nordend-West, Eckenheimer Landstr. 80/Ecke Wielandstr.

Gut sind Dulce de Leche und Zuppa Englese, auch Vanille, Pistazie, Haselnuss, Karamell und Stracciatella sind eine Empfehlung.

Alberto

Innenstadt, Nahe Konstabler Wache, Vilbeler Str. 34

Vanille und Pistazie sind eine Empfehlung, auch Sahne-Kirsch und Karamell. Neu und gut: Orange-Ananas-Ingwer.

L´Incontro

Sachsenhausen, Darmstädter Landstr. 50

Uncharmante Lage, aber solides Eis, vor allem die klassischen Sorten.

Text: Ludwig Fienhold 

Photocredit: Barbara Fienhold




Die Villa Rothschild in Königstein hat wieder eröffnet

Neue Spitze: Philipp Schlosshauer ist Küchenchef, Dirk Schäfer General Manager

 

Nach über einem Jahr Ruhestand eröffnet die Villa Rothschild in Königstein wieder. Das Restaurant war geschlossen, es herrschte kein normaler Hotelbetrieb, man konnte das Haus und seinen Park nur als Eventlocation buchen. Ab 18. Mai ist das historische Kleinod nun wieder für alle zugänglich, mit einigen Veränderungen. Mit Dirk Schäfer hat das Hotel einen zumindest für die Öffentlichkeit sichtbaren neuen General Manager bekommen, Philipp Schlosshauer ist jetzt Küchenchef. Dirk Schäfer ist auch schon länger für das Schwesterhotel Falkenstein Grand als Direktor verantwortlich und tritt mit der Wiederbelebung der Villa Rothschild nun in seiner Doppelrolle hervor.

Philipp Schlosshauer

Der 34 Jahre alte gebürtige Brandenburger Schlosshauer wuchs in Luckenwalde nahe Berlin auf, wo sein Interesse an gutem Essen früh geweckt wurde. „Da die Mahlzeiten in unserer Schule schlecht waren, ging ich mittags immer mit Freunden zum Essen zu meinen Großeltern“, erzählt Philipp Schlosshauer. „Mein Großvater zog eigenes Gemüse und hielt Hühner im Garten, meine Großmutter war eine sehr gute Köchin. Von beiden habe ich viel gelernt.“

Die erste wichtige Station war für Schlosshauer Berlin, wo er im Vau, dem seligen und mit einem Michelin-Stern ausgezeichneten Restaurant von Kolja Kleeberg, seine Kochlaufbahn als Demi Chef de Partie startete. Nach einem Aufenthalt in Australien kehrte Schlosshauer als Chef de Partie ein weiteres Mal ins Vau zurück, bevor er 2016 als Junior Sous Chef ins damals von Tim Raue geführte Restaurant Sra Bua im Hotel Adlon wechselte. Es schlossen sich Stationen im Castello del Sole am Lago Maggiore, im Kempinski Hotel Berchtesgaden sowie im Regent Berlin als Sous Chef an. Von dort zog es ihn im Sommer 2020 in den Taunus ins Falkenstein Grand, das wie die Villa Rothschild ebenfalls zu den Broermann Hotels gehört. In der Villa Rothschild legt er nun seine erste Speisekarte im Restaurant vor, das ja im Titel „Grill & Health“ führt und entsprechend Wert auf Vegetarisches und Grillgerichte legt. Es gibt aber auch so interessante Speisen wie das auf Heu gegarte Kalbsfilet mit Ebbelwoi-Jus.

 

Photocredit: Barbara Fienhold, Villa Rothschild

 




Schrader Cellars: Der sanfte Riese aus dem Napa Valley

Müssen gute Weine

teuer sein,

müssen teure Weine

gut sein?

 

 

Müssen gute Weine teuer sein, müssen teure Weine gut sein? Die Weinwelt ist voller Fragen, denen man sich nur schluckweise nähern kann. Die kalifornischen Cabernet Sauvignon von Schrader werden im Schnitt zwischen 360 und 418 Euro gehandelt, der amerikanische Wein Advokat Robert Parker hat sie mit hohen und höchsten Bewertungen gepusht.

Eine Probe der Weine im Sofitel an der Alten Oper in Frankfurt gab Einblicke in den hochpreisigen Schrader-Kosmos. Es war die erste Präsentation dieser Weine in Europa. Der Schrader T6 aus dem Jahrgang 2018 aus der Weinlage Beckstoffer To Kalon ist ein durchaus typischer und geschmeidiger Vertreter dieses speziellen Weinguts in Oakville. Er ist gut, gut gemacht. Gefällig, ein Everybodys Darling, nur nicht von jedem Darling bezahlbar. Ein mentaler Wein, der schon im Kopf entstand und so designt wurde. Eine gute Wahl für Society-Trinker. Er ist zwar schnell im Glas präsent, wird aber mit jeder Minute besser.

Auch beim Schrader RBS 2018 merkt man, dass er viel Luft benötigt oder noch besser gleich dekantiert werden muss. Der CCS gleichen Jahrgangs ist von ähnlicher Stilistik. Bei jedem Schluck fragt man sich, warum es ausgerechnet derart technische Buchstaben sein müssen, die als Titel auf dem Etikett zu sehen sind (sie stehen für Klone). Das weckt keine Sinnlichkeit.

Ein bedingt sinnlicher, vor allem aber sehr schicker Wein ist der Schrader CCS aus dem Jahrgang 2019. Feinfruchtig, elegant, harmonisch. Mehr Begeisterung löst der gereifte Schrader RBS aus dem Jahr 2014 aus. Ein sanfter Riese aus dem Napa Valley, wo ja viele Weine entstehen, die Kraft über Alkohol oder durch Booster-Aromatik beziehen. Laute Weine eben und keine dezenten feinsinnigen Vertreter. Der RBS 2014, die Wiederholung dieses Kürzels ist entsetzlich, aber notwendig, wirkt durchaus frisch und ist doch schön gealtert. Cassis, Maulbeere, saftige Zwetschge, schwarze Kirsche, ein Hauch orientalische Würze. Seidig, schlank, elegant und alles andere als fett.

Es gibt in Frankfurt kein Restaurant mit diesen Weinen und auch sonst sind sie nicht wirklich in der Gastronomie präsent. Die Kalkulation ist problematisch, selbst wenn man sie nur unwesentlich im Verkauf an den Gast im Preis aufschlagen wollte. Schrader Cellars Weine sind in erster Linie „Collectors Choice“, für Sammler bestimmt, die sie in privatem Kreis genießen.

Ludwig Fienhold

 




Mutter Ernst: Das einzige Gasthaus in der Innenstadt von Frankfurt

Power Portionen

mit Emotionen

 

Frankfurt ist voll von flachen austauschbaren Lokalen, in denen sich die Aperol Spritz Generation zuflötet. Gerade die Innenstadt hat nur ganz wenige Adressen mit Charakter zu bieten. Die Mutter Ernst ist eine davon. Der Umzug hat ihr nicht geschadet, obwohl das kleine kauzige Lokal in der Alten Rothofstraße natürlich eine Patina hatte, die man nicht so einfach ersetzten kann. Jahrzehntelang parkten dort Frauen ihre Männer, um in der benachbarten Goethestraße oder ein Steinwurf weiter in Ruhe einkaufen zu können. Die neue Adresse in der Rahmhofstraße liegt zwar in der Nähe, aber doch nicht ganz so günstig, wobei in Frankfurt nur wenige Meter über Plus oder Minus entscheiden können. Die Fangemeinde ist jedoch mit dem Lokal umgezogen. Ihr ist das Essen wichtig, die handfesten Klassiker des Hauses.

Dazu gehört ganz weit oben die Frikadelle, die es nur freitags gibt. Dadurch macht man sie rar und noch begehrter. Diese Frikadelle ist keine Schönheit, doch wie so oft geht es ja um die inneren Werte. Jedenfalls hat dieser riesige Klops eine schöne krosse Kruste und ein saftiges würziges Innenleben. Einfach klasse, muss man haben. Das Rippchen mit Kraut und Püree zählt ebenfalls zu den Evergreens der Mutter Ernst. Das Fleisch ist so zart und saftig, dass man meint, noch mehr davon essen zu können. Man meint es aber nur bis kurz vor dem letzten Bissen. Die Portionen sind groß. Auch sehr gut sind die Sülze und das panierte Kotelett. Die Preise sind karitativ, gerade in Frankfurt, gerade in der Innenstadt.

Eine schrullige und willkommene Begleiterscheinung: Vor jedem Essen wird Brot mit Senf aufgetischt. Kein Gedeckpreis, einfach so. Beim ersten Mal denkt man vielleicht an spanische Verhältnisse, aber bei Mutter Ernst ist man noch großzügig.

Jetzt haben wir das halbe Repertoire gelobt, aber es ist auch noch Platz für Verbesserungen. Die Frankfurter Grüne Soße war nicht schlecht, aber etwas zu fad. Auch die Bratkartoffeln, die meist zu matschig ausfallen, kann man besser machen. Nett fanden wir, dass der Wunsch eines Gastes nach nur einer einfachen Portion Kartoffelsalat ohne Murren erfüllt wurde. Steht ja auch in der Küche parat, doch viele Lokale sind trotzdem nicht so flexibel. Bei Wein und Bier entscheiden wir uns für den Apfelwein vom Fass von der Kelterei Wenzel aus Altenstadt – süffig, unkompliziert, ein treuer Begleiter.

Sehr nett und sympathisch wird man stets vom Service begleitet. Immer ein Lächeln, auch bei großem Andrang. Wieso hat die Mutter Ernst so angenehmes Personal, wieso schaffen das viele andere nicht?

Ludwig Fienhold

 

Mutter Ernst, Frankfurt, Rahmhofstr. 2-4, Tel. 15 34 16 10.

Täglich 11 – 23 Uhr, Sonntag geschlossen.