Zwischen Suff
und Sinnlichkeit
Eine Lebenskulturmeile
mit Schandflecken
Von Ludwig Fienhold
Manchmal denkt man, dass so die Suff-Society aussieht. Das Nebeneinander von Kaputt und Charakter macht das Bahnhofsviertel noch immer aus. Die Corona-Krise hat die Situation leider deutlich verschlechtert und das Quartier noch mehr ins Elend driften lassen. Umso mehr muss man die Gastronomen schätzen, die nicht aufgeben und weiterhin engagiert präsent sind. Ganz oben Stanley Diamond, Bar Shuka, Pik Dame, Kinley Bar und das noch relativ neue Yaldy (siehe BISS-Artikel Bahnhofsviertel: Ist der Zug abgefahren?). Das einst viel gefeierte Viertel nimmt Schaden, der immer schwerer zu beseitigen ist. Die Politik lässt einen besonders interessanten und vibrierenden Stadtteil im Stich und muss endlich verstehen, dass die totale Verwahrlosung droht. Die wurde nicht durch läppische und zu kurz greifende Maßnahmen aufgehalten, sondern bislang vor allem durch die Gegenwart einer Gastronomie, die internationales und gutes Publikum anzog und immer noch anzieht. Das sind die Leuchttürme in der Düsternis, die im Grunde subventioniert gehörten.
Andrei Lipan
Im ebenso beliebten wie gefürchteten Moseleck trinken abenteuerliche Typen so lange an ihrem Bier, bis es warm wird. Im Yaldy kann man nur wenige Meter weiter auf den hohen Hockertischen der Straßenterrasse einen großartigen Gevrey-Chambertin von der Domaine Trapet trinken. Genau das macht nicht den Unterschied aus, genau das macht die Verbindung dieses so besonderen Quartiers aus. Das Zusammenleben unterschiedlicher Kulturen, auch der Ess- und Trinkkulturen.
Wenn man die Moselstraße entlanggeht und das Yaldy gleich neben dem Waschsalon sieht, glaubt man nicht, dass hinter den brüchigen Fassaden auch gute Weine aus Riedel-Gläsern getrunken werden. Einen großen Burgunder wie den von Trapet oder einen erstklassigen Chablis Montée Tonnerre von Laroche. Es gibt auch keinen livrierten Sommelier, sondern den saloppen Andrei Lipan, der sich mit T-Shirt und Sneakers wohl fühlt. Der Mitbetreiber des Yaldy hat ein Näschen für gute Weine und verfährt nach dem Motto „Learning by Drinking“.
Lamm
Oliver Selzer
Im Yaldy findet man auch gute und szenetaugliche Weine, wie den Bruno vom Karthäuserhof. Dahinter stecken Matthieu Kauffmann und Richard Grosche (Ex Reichsrat von Buhl), die von der Pfalz an die Mosel wechselten. Der Riesling Bruno flitzt saftig, mineralisch und spritzig über die Zunge und macht auch solo Spaß. Eine Weinkarte ist in Arbeit, bis dahin kann man sich Andrei Lipan anvertrauen.
Yaldy hat sich gut in Position gebracht. Mit seiner deutsch-französische Küche, die sich auch gerne orientalisch beeinflussen lässt, konnte Oliver Selzer inzwischen seinen eigenen Stil finden. Leicht dekorativ, vor allem aber produktbezogen. Die Lammhüfte mit Mais, Zimt und Pflaume gehört zu jenen Leckerbissen, auf die man immer Lust hat. Bei der feinen Polentaschnitte mit marinierten Flusskrebsen, Pfirsich, Sauerampfer und Ricotta freut man sich, einen Bruno im Glas zu haben und keinen Hugo. Tadellos auch die gebratenen Pfifferlinge, mit grünen Bohnen, Ingwer, Schafskäse und Kapuzinerkresse. Leichte, nicht überladene Tellergerichte, pfiffig präsentiert. Solche Gerichte machen Lust auf einen weiteren Teller und noch ein Glas Wein.
Flußkrebs-Polenta
Betrieben wird das Yaldy von Andrei Lipan und Michele Heinrich (Kinley Bar). Deshalb gibt es auch einige sehr gute gemachte Longdrinks und Cocktails. Das Team ist von der ersten Minute an gleich geblieben und eingespielt. Yaldy ist nicht nur ein bunter Vogel, sondern steht im Schottischen für freudige Erregung.
Yaldy, Moselstr. 15. Tel. 069 2400 5716, Di-Do 18-1 Uhr, Fr & Sa 18-2 Uhr. www.yaldy.bar.de
Photocredit: Barbara Fienhold