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Jubel ohne Trubel: 10 Jahre BISS

Zwischen al dente

und dolce far niente

 

10 Jahre BISS. Und noch immer alle Zähne. Natürlich hätten wir das Jubiläum unseres kulinarischen Internet-Magazins gerne gefeiert, aber die Corona-Politik zwingt uns zu einer eher intimen Gedenkstunde.

So bleibt uns der bedächtige Jubel ohne Trubel. Wir freuen uns und mit uns eine stetig wachsende Leserschaft, die das Individuelle, Kritische, Unliebsame und auch Ironische schätzt. Etwas Ähnliches wie BISS gibt es weder im Internet, noch bei den Print-Medien. Wir sind anders, und wir sind gerne anders. Restaurantkritiken und andere kritische Berichte, wie sie bei uns stehen,  werden in den herkömmlichen Magazinen, ob Food oder Lifestyle nicht mehr veröffentlicht, meist mit Rücksicht auf wirtschaftliche Interessen.

Wir werden zu einer inneren Einkehr veranlasst, würden aber viel lieber in die Lokale einkehren, die uns verwehrt bleiben – aus nicht gerechtfertigten Gründen. Wir wollen das BISS-Jubiläum selbstverständlich noch feiern. An einem sonnigen Tag und mit richtigen lachenden Gesichtern.

Ludwig & Barbara Fienhold und BISS-Team 




Tantris: Benjamin Chmura wird Nachfolger von Hans Haas

Neues Konzept mit

zwei Restaurants

 

Benjamin Chmura, zuvor Chef de Cuisine im legendären französischen Drei-Sterne-Restaurant Troisgros bei Roanne, wird Nachfolger von Hans Haas im Münchner Tantris. Der 31 Jahre alte Chmura hat in einigen Spitzenrestaurants gearbeitet, darunter die Auberge de l’Ill“ der Familie Haeberlin im Elsass und das Pariser Le Cinq im Hotel George V zu Zeiten von Frédéric Simonin und Éric Briffard. Bei Troisgros war er über drei Jahre Küchenchef. Das Tantris soll nach Umbauarbeiten im Sommer 2021 wieder eröffnet werden.

Benjamin Chmura (oben im Bild mit den Tantris-Eigentümern Eichbauer) ist gebürtiger Kanadier, wuchs aber in Brüssel auf. Er ist Sohn eines bekannten israelischen Dirigenten, seine Mutter ist Deutsche, weshalb er mehrsprachig zu parlieren versteht. Chmura hat sein Team europaweit rekrutiert und wird die noch offenen Positionen in der Küche in den nächsten Monaten nach und nach besetzen.

Sabine & Felix Eichbauer, Benjamin Chmura, Hans Haas, Siggi Schelling, Matthias Hahn (v.l.n.r.)

Seit zwei Jahren war klar, dass sich Hans Haas aus dem Münchner Tantris verabschieden würde. Die Tantris-Eigentümer Sabine und Felix Eichbauer stellten sich schon damals die Frage, wie ihr Restaurant für die Zukunft gewappnet und personell aufgestellt werden soll. 50 Jahre eines solch großen kulinarischen Erbes sind eine Herausforderung. Das Tantris soll nach einer Renovierungsphase im Sommer 2021 wieder eröffnen – mit zukünftig zwei eigenständigen und gleichwertigen Restaurants. In dem einen soll weiter die große Oper mit kreativen Menüs stattfinden. Das neu hinzukommende Restaurant im Gartensalon des Gebäudes wird die fünf Jahrzehnte umspannende kulinarische Geschichte des Tantris mit seinen Küchen-Klassikern widerspiegeln. Dort rücken Service und Gäste noch enger zusammen, denn es wird eine gute Sitte wiederbelebt und die Kunst des Präsentierens, Tranchierens und Vorlegens zelebriert. Der Küchenchef für das neue Restaurant im Gartensalon steht noch nicht fest.

Neu im Team ist Matthias Hahn, der als Executive Chef eingesetzt wird und somit für die gesamte Kulinarik im Tantris verantwortlich ist. Siggi Schelling, die Souschefin von Hans Haas wird sich mit einem eigenen Lokal in München selbstständig machen. Hans Haas hat vor, sich noch mehr seiner Kunst zu widmen. So fertigte er beispielsweise aus dem Unterkiefer eines Kalbskopfs eine Skulptur an. Könnte auch ein schönes Schmuckstück für das neue Trantris sein.

Ludwig Fienhold

Photocredit: Agency People Image, Michael Tinnefelt

 

 

 

 

 




Manchmal liegt auch im Keller Geld: Jäger der flüssigen Weinschätze

Nicos Hornivius handelt mit trinkbaren Antiquitäten & unentdeckten Kostbarkeiten

 

Nicos Hornivius geht in den Keller, um zu lachen. Es muss natürlich ein Weinkeller sein. Am besten einer, in dem viele gute und spezielle Flaschen lagern, damit er Freude hat. Nicos ist Weinexperte, begutachtet und taxiert Weinsammlungen, damit deren Besitzer über den Wert eine Expertise bekommen. Schließlich sind Weine längst eine Wertanlage geworden. Nicos kauft aber auch ganze Keller. Meist von privaten Sammlern, die nicht selten aus Altersgründen keine rechte Lust mehr auf Wein haben. Oder er kauft Weine von Gastronomen, die ihre Bestände reduzieren und zu Geld machen wollen. Nicos ist ständig auf der Suche nach Weinschätzen.

Bei seiner Nachforschung auf flüssige Antiquitäten stößt der Weinfachmann auf große Bordeaux und Burgunder sowie prominente Italiener. Immer auf der Suche ist er nach Spitzen wie Petrus, Latour, Mouton Rothschild, Lafite Rothschild, Romanée Conti oder Sassicaia. Aktuell fahndet Nicos nach Château Pavie, der zwar nicht im Weinolymp thront, aber wegen seiner Qualität auch sehr viele Liebhaber hat. Interessant für den Weinhändler sind zudem Großflaschen von Château Montrose aus den Jahrgängen 1982, 1989, 1990, 2003 sowie 2009 und 2010. An dieser detaillierten Suche sieht man bereits, wie speziell das Thema ist.

Nicos Hornivius stöbert durch hochwertige Weinsammlungen und Weinkeller, kauft aber auch einzelne Flaschen. Er ist seit 1996 mit seinem Unternehmen Francfort Tradehouse in Mörfelden-Waldorf zu Hause. Nicos sammelt selbst besondere Weine und ist nicht nur Händler, sondern auch Genießer. Genau das macht vielleicht den Unterschied.

Francfort Trade House, Jourdanallee 16,
Mörfelden-Walldorf, Tel. 06105 71073
info@fthouse.de

www.fthouse.de

 




Darf´s etwas mehr sein? Der Gault & Millau Deutschland 2021 und sein Nährwert

Anspruch frisst

Wirklichkeit auf

 

Der neue Gault & Millau Deutschland 2021 ist da und mit ihm machen sich wieder Ärger und Freude breit. Bei den Köchen und sicher auch beim Leser. Es ist mühsam, darüber zu debattieren, warum Klaus Erfort (Gästehaus Klaus Erfort in Saarbrücken) und Christian Jürgens (Überfahrt am Tegernsee) von 19,5 Punkte auf 19 Punkte herabgestuft wurden und damit den Küchenolymp verlassen mussten, während der allseits überbewertete Tim Raue so kritisch beschrieben wird, dass man eher 17 Punkte erwartet hätte.

Keine gute Idee ist es auch, die kleineren Auszeichnungen (13/14 Punkte) ganz verschwinden zu lassen, denn sie boten gerade den sonst gerne vernachlässigten Lokalen die Möglichkeit auf ihr Engagement aufmerksam zu machen. Nicht wenige Köche im Gault & Millau haben davon abgesehen so klein angefangen und sich dann hochgearbeitet. Und: Adressen, die früher 13 oder 14 Punkte erhalten hätten, bekommen jetzt gleich überzogene 15 Punkte und bringen so die Balance der einst vernünftig angelegten Struktur ins Taumeln.

Sprachlich merkwürdige Verzückungen

Im neuen Gault & Millau 2021, der erstmals bei Burda erscheint, sind nur halb so viele getestete Lokale aufgeführt wie zuvor. Die anderen werden lediglich kurz beschrieben, wobei man sich fragt, wieso an dieser Stelle Kommentare stehen, die einen Besuch suggerieren, aber wohl nur auf Informationen der Gastronomen oder älteren Tests beruhen. Welchen Mehr- oder Nährwert soll das haben? Welche Information für den Leser bedeutet die Begeisterung für große Weinkarten mit über 1000 Positionen, wenn nicht ein wenig genauer begründet, wird, warum diese so beeindruckend sein sollen. 50 handverlesene Weine können letztlich mehr Professionalität zeigen als 1000 wahllos ausgesuchte.

Das sind Scharmützel gegenüber der Kriegsbereitschaft, die der neue Chefredakteur des Gault & Millau, Christoph Wirtz, selbst ausgesprochen hat: Man wolle „deutlich journalistischer“ werden, meinte er mit Blick auf die vorangegangenen Jahre des Gault & Millau. Sind es Sätze wie „Und tanzen mit den Temperaturabstufungen aus lauwarmen Steinpilzen und dem kalten Sud Ringelreihen““, die Qualitätsjournalismus zeigen? Wollen wir wirklich von einem Tester oder gar Journalisten wissen, ob er eine „positive Verzückung auf die Lippen gezaubert bekam“? Ist es journalistisch, den Leser ständig mit den gleichen dröhnenden Begriffen zu überfüttern und immerfort „herrlich“, „fulminant“, „formidabel“, „süffig“ oder „hinreißend“ in die Welt zu schreien, oft mehrmals in nur einem einzigen Text? Viele Kritiken wirken trotz solcher Weckrufe gerade seltsam hohl und sprachlos, nicht wenige dilettantisch. So laienhaft kennt man das eher von Stadtblättern, wie dem Journal Frankfurt.

Geistloser Spuk

Der ständige Gebrauch von Ausrufezeichen verschafft den Restaurantkritikern keineswegs mehr Gehör und offenbart nur, dass sie solche verbalen Krücken brauchen, um sich bemerkbar zu machen und ihre von ihnen als bedeutsam empfundenen Sätze besser zu kennzeichnen. Wer hätte außerdem gedacht, dass es zu klassisch als Steigerung „ultraklassisch“ gibt. Oder meint der Autor vielleicht „altmodisch“? Dann sollte er einfach deutlich journalistisch werden. Auch beim ständigen Abfackeln von geschmacklichen „Feuerwerken“ gehen wir lieber in Deckung statt weiterzulesen. Man könnte mit diesen und noch weit mehr Beispielen ganz herrlich und ultraklassisch Ringelreihen tanzen.

Der Gault & Millau Deutschland von einst schaffte es in klaren präganten Beschreibungen ein Lokal und seine Küche zu charakterisieren. Jetzt gefällt man sich bevorzugt in bloßen Aufzählungen, von dem, was auf den Tisch kam und erfährt, dass der Tester mächtig viel gegessen hat. Den Gault & Millau Deutschland von einst kennzeichneten geistreiche Formulierungen, heiterer Wortwitz, feinsinnige Pointen und messerscharfe Kritiken. Diese lebendige Würze gepaart mit journalistischer Kompetenz und Glaubwürdigkeit waren überhaupt erst die Voraussetzungen für die Qualität und Existenzgrundlage dieses Gourmet Guides. Nein, früher war nicht alles besser, der Gault & Millau aber schon.

Ludwig Fienhold




Manfred Kohnke spießt Gourmet Guide auf

Ex-Gault Millau Chef findet Unbegreifliches

 

„Hochqualitativen Food-Journalismus mit hoher kulinarischer Kompetenz“ will der Burda Verlag in seinem neuen Gault & Millau 2021 servieren. Deswegen hat er als neuer Herausgeber die bisherige Guide-Praxis verändert. Er präsentiert zwar wie die Vorgänger 1000 Adressen. Bewertetet aber nur noch 500 Restaurants mit 15 bis 19,5 Punkten und beschreibt sie in mehr oder weniger langen neuen Texten. Die übrigen 500 gibt’s als punktlose Empfehlungen in knappen Texten, die zumeist den Eindruck erwecken, als seien diese Restaurants, Ausflugslokale, Gasthäuser, Weinbars etc. gar nicht getestet worden. Es gibt unzählige Beispiele, wie man jetzt nonchalant Texte aus der letzten Ausgabe des Gault & Millau eingekürzt übernommen hat.

Meinten Burda und der neue Chefredakteur, Dr. Christoph Wirtz, auch diese Text-Praxis des nach wie vor rund 40 € kostenden Guides, als sie nach Übernahme der Lizenz gebetsmühlenartig Neuerungen verkündeten: „Der Gault & Millau wird künftig deutlich journalistischer als kritischer, kompetenter und völlig unabhängiger Lotse durch die Qualitätsgastronomie in Deutschland“?

Das völlig unabhängige Urteilen wird sicherlich nicht dadurch beeinträchtigt, dass sein Chefredakteur im Handelsregister des Amtsgerichts Freiburg mit der CWC – Christoph Wirtz Consulting GmbH eingetragen ist (HRB 713081), die „Beratung und Dienstleistung in den Bereichen Public Relations, Marketing und Kommunikation einschließlich der Entwicklung und Umsetzung langfristiger oder projektbezogener Konzepte in den Bereichen Food & Beverage, Hotellerie & Gastronomie“ anbietet, oder dass er Festredner ist, wenn der höchstdekorierte Küchenchef Christian Bau eine Ehrung erhält. Es verhilft aber dem Gault & Millau vielleicht dazu, dass er bei Bau als dem einzigen Spitzenkoch in der Lage ist, über den künftigen Küchenstil zu orakeln: die herausfordernde Vereinbarung der japanischen Beschränkung auf Reduktion und Konzentration mit der großen französischen Klassik. Dass Baus größter Konkurrent, Klaus Erfort in Saarbrücken, letztes Jahr im Gusto abgewertet wurde, für den Wirtz damals laut eigener Aussage bei Erfort testete, und nun im Gault & Millau die Höchstnote einbüßte, hat sicherlich nur rein kulinarische Gründe.

Verwundert darf man über andere Gault & Millau-Bewertungen sein, wenn dessen neue Tester die Kompetenz ihrer Urteile selbst in Frage stellen, in dem sie die Bewertung als Ergebnis eines einmaligen Besuchs schildern. Obwohl sie bei Manfred Schwarz in Kirchheim „aufgrund eines Missverständnisses“ nicht die Gerichte des „Gourmetbetriebs“ probieren konnten, sondern mit denen des „Urgeschmacks der Pfalz“ vorliebnehmen mussten, bewerten sie ausdrücklich das Gourmetrestaurant mit 15 Punkten. Im Hirschen in Sulzburg, dessen Note auf 18 Punkte erhöht wurde, aßen die Tester nur das Fischmenü – und weil ihnen das wohl selbst nicht zur gesicherten Urteilsbegründung reichte, bestellten sie zwischendurch noch ein Tatar. Und wenn in Königsbronn „leider unsere Reservierung verwechselt“ wurde und man deshalb im Gasthaus statt im Gourmetrestaurant essen musste, dann „hoffen wir, dass wir nächstes Mal mehr Glück haben und setzen die Bewertung aus“.

Manchmal geben sie zu, dass sie beim Testen lieber an ihr Wohlbefinden als die Interessen ihrer Leser denken. In Koblenz fanden sie in Schiller’s Manufaktur für die Erhöhung auf 17 Punkte und zur Information der Leser weder Käse noch Dessert nötig, sondern nahmen lieber ein Stück getrüffelten Gänseleber-Gugelhupf. Ihre Kompetenz offenbaren sie auch in der Hofstube in Schmallenberg, wenn sie mitteilenswert finden: „Man schaut in die offene Küche, wo das im Umfang variable Menü à la minute vollendet und angerichtet wird.“ Ebenso sinnig ist für die Leser dieser Satz zur Speisemeisterei in Stuttgart: „Den Autor der letztjährigen Kritik dieses Führers mag es freuen, dass sein Wunsch nach mutiger Würze erhört wurde.“ Tieferer Einblick in Tester-Eitelkeiten wird im Hirschen in Remchingen geboten: „Nach der Lobhudelei in der letztjährigen Ausgabe – inklusive Hochstufung – stimmte uns traurig und machte uns nachdenklich, was als lieblos angerichtete Vorspeise vor uns stand.“ Der Schöpfer dieses Gerichts darf in einem Text aus Limburg hinreichend Wiedergutmachung empfinden, falls alle Leser diesen Satz über einen dortigen Koch verstehen: „Stilistisch muss er in dem Spagat zwischen Fehling-Filigranität und Nagy-Rustikalität noch mehr seine eigene Richtung finden.“

Nicht jedem begreiflich könnten Sätze wie diese sein: „Uns scheint, als habe Küchenchef Torsten Michel ebendort nochmals einen Schub erhalten, denn, ohne Küchenpsychologie: Hier – das ist ganz seins!“ – „Gedankt sei dem Herrn, dass knusprig gebratener Schweinebauch und gegrillter Pulpo … durch Zartheit und abgestimmte Würzung ins gewohnt tiefgeschmackliche Fahrwasser zwischen Gasthausrustikalität und Gourmetanspruch zurückkehrten.“ – „Beim Dessert aus Schokolade, Sanddorn und nicht wahrnehmbarer Tonkabohne glänzte die Küche mit Handwerk und Komplexität.“ – „Bekäme dieses Haus ein Schulzeugnis, es kriegte lauter Zweien – und hätte, aller mathematischen Logik zum Trotz, in der Summe eine Eins verdient.“

 

 

 

 

 

Klar verständlich ist hingegen der dem Gault & Millau bislang fremde Boulevard-Jargon, der ein aufwendig eingerichtetes Restaurant in Hannover, Münstertal oder St. Wendel einen Laden nennt, der brummt oder am Laufen gehalten wird. Neu sind auch Formulierungen wie „schon eine Einstimmung zeigte klar, wo bei ihm der Hammer hängt“, „die Latte liegt extrem hoch“, „aromatisch schwach auf der Brust“, „läuft zur Höchstform auf“ oder „hat sich einen Koch ins Boot geholt“. Die Süddeutsche fand den Tonfall im neuen Guide „flapsiger“, in der Frankfurter Allgemeinen hingegen erkannte der stellv. Feuilletonchef „stilistische Qualität“.

So kennerisch ist die FAZ auch, wenn sie Wirtz sagen lässt: „Es gibt keine Exekutionen und nichts Persönliches mehr.“ Ob das auch die Köche und Kellner finden, die Folgendes über sich lesen? „Einbruch der Banalität“ (und das bei 18 Punkten!), „ahnungs- und kopfloser“ oder „mitleiderregend unsicherer Service“, „die ‚in Zusammenarbeit mit dem Weinhändler‘ entwickelte Karte zeigt ein entsprechend uninspiriertes Sammelsurium meist mittelmäßiger Tropfen“. Und der vorne im Guide als Gastgeber Geehrte nimmt es ganz gewiss nicht persönlich, wenn er hinten über seine Gerichte liest: „„Nicht alles, was aus der Küche kommt, ist von höchster Verfeinerung geprägt, manches vertrüge auch handwerklich ein wenig mehr Sensibilität und akkuratere Garpunkte“. Weniger profund fällt hundertfach das Positive aus: Statt detaillierter Würdigung liest man pauschales Lob wie wunderbar oder herrlich in diesem Guide öfter als in den letzten zehn Ausgaben zusammen. Bei größerer Wortmächtigkeit „zeigt sich die Küche voll auf der Höhe“, „zaubert (Kalbstafelspitz mit Meerrettich-Terijaki) eine positive Verzückung auf unsere Lippen“ oder ist „ein fast monochromes Feuerwerk, das nicht bunt glitzerte“ als subtile Anerkennung gemeint.

Sucht man nach einem kulinarischen Credo dieses neuen Gault & MIllau, dann findet man es auf Seite 585, wo einem Koch eine Schmährede in den Mund gelegt wird: gegen allzu üppige mediale Elogen für „Pinzetten-Köche“ und andere vermeintliche Nichtskönner, gegen fusselbärtige Hipster, die ihre hochartistischen Fermentationsergebnisse unter staunendem Beifall einer urbanen Jüngerschaft auf genderneutralen Töpferwaren verabreichen, oder gegen wildtätowierte Zwanzigjährige, die sich im strahlenden Instagram-Glanz an einer Neuerfindung des heißen Wassers versuchen. Dem folgt die redaktionelle Anmerkung, dass der Koch „nicht ganz unrecht hat“. 55 Seiten weiter outet sich die Wirtz-Equipe nach einem „animierend klassischen Menü“ mit Terrine von der Gänseleber, provenzalischer Fischsuppe, Atlantik-Seezunge ‚Müllerin‘ und Rehrücken unverklausuliert: „Ein echtes Sehnsuchtsziel für Menschen mit intaktem gastronomischem Sensorium… Wenn wir wieder mal irgendwelchen modernistisch-gequirlten Mist mit großer Geste und philosophischem Überbau vorgesetzt bekommen, träumen wir von diesem Hirschen!“

Wer nach Alternativen oder Gleichgesinnten des Hirschen sucht, findet auf den Seiten mit den Restaurantkritiken auch bis zu 40% unbedruckten weißen Raum. Von diesem ungewohnten Erscheinungsbild versuchen die Buchmacher mit 64 bunten Postkartenfotos aus deutschen Städten und Landschaften abzulenken. So sieht man in Berlin zwar kein einziges Gericht aus den bewerteten Restaurants, aber sechs Stadtansichten.

Manfred Kohnke

Unser Gastautor Manfred Kohnke war von 1983 bis 2012 Chefredakteur des deutschen Gault & Millau, dann Herausgeber bis 2017.  Seit neuestem betreibt er eigene eigene Webseite unter dem Titel „Schmankerl, Kochkunst, Esskapaden“: https://www.schmankerl-kochkunst-esskapaden.de

Photocredit: Hubert Burda Media

 




Corona und kein Ende: Wo bleibt der Marsch der deutschen Köche & Gastronomen?

Alarmruf  französischer Spitzenköche

 

Portugals Topköche treten in den Hungerstreik

 

Wieso melden sich immer die Falschen zu Wort? Das wird auch jetzt wieder in der Corona-Krise deutlich. Die deutschen Spitzenköche, die Vorbildfunktion haben und ihre Stimme erheben könnten, schweigen lieber. Auch sonst verhält sich die Gastronomie so ruhig, als gäbe es sie schon gar nicht mehr. Fürchtet sie, dass Kritik bestraft wird und dann gar keine finanzielle Unterstützung kommt, obwohl die Hilfen ohnehin gar nicht, zu spät oder unzureichend fließen? In Frankreich haben sich längst Spitzenköche und Topgastronomen zusammengeschlossen und einen offenen Brief an Präsident Macron verfasst (siehe unten). In Portugal treten prominente Köche jetzt sogar in den Hungerstreik, um gegen die Corona-Politik zu demonstrieren.

Das deutsche Fernsehen ist ein Meister der Luftblasen und lädt gerne jene ein, die aus der gleichen Seife gemacht sind. Also Tim Mälzer. Als Fernsehkoch steht er gut im Futter und bekommt nicht einen Hauch von den Existenzängsten zu spüren, welche die echten Köche draußen im Land haben. Dafür inszeniert er sich und seine Krokodilstränen beim Small Talker Lanz in einer Peinlichkeit, die so absurd erscheint, wie das ganze Corona-Szenario.

Der Politiker Karl Lauterbach aka Karlchen überall ist seit der Corona-Krise zum Gesundheitsapostel aufgestiegen. Dass ausgerechnet er, der seine eigene Hygiene nicht für beachtenswert hält (wobei wir uns gar nicht an seinen Zähnen festbeißen wollen) über Hygienemaßnahmen schwadroniert, ist ebenso bedenklich wie symptomatisch für die ganze Diskussion: Wieso melden sich immer die Falschen zu Wort. Es ist dieser Lauterbach, der die Restaurants als „Brandbeschleuniger“ der Corona-Pandemie diffamiert hat und damit eine ganze Branche in Verruf brachte, gegen besseren Wissens, denn es ist längst bewiesen, dass gerade die Restaurants zu den sichersten Plätzen des Landes gehören.

Wir vermissen auf allen Ebenen kluge Köpfe und sehen nur noch Abrissbirnen, die Trümmer hinterlassen. Wie hätten Rudolf Augstein (Der Spiegel), Henri Nannen (stern), Frank Schirrmachen und Marcel Reich-Ranicki (FAZ) auf die Corona-Politik reagiert, was hätten sie Merkel und ihrem Rasputin Drosten entgegnet? Jedenfalls weit mehr als die meisten Medien in diesen Tagen, die auf Hofschranzenniveau arbeiten.

Es fällt auf, wie viele Deutsche die Neue Züricher Zeitung lesen. Schon seit langem, aber jetzt noch mehr. Sie ist mitunter eine Stimme der Vernunft. Die NZZ konterte der deutschen Corona-Politik mit so viel Besonnenheit und Schärfe, wie man es sich auch hierzulande bei den Medien wünschen würde. Bissiger, aber nicht weniger fundiert, ist der Auftritt des grundsätzlich sehr lesenswerten Portals Die Achse des Guten von Dirk Maxeiner und Hendrik M. Broder. Dort kommen die Journalisten und Mediziner zu Wort, die sonst in den Medien keinen Platz bekommen. Mehr wichtige Artikel und Statements zum Thema Corona findet man nirgendwo. Leider auch nicht in der einst kritisch-aufmüpfigen und immer mehr staatstragend werdenden taz, die in einem Verherrlichungstext über Karl Lauterbach doch tatsächlich zu dem Schluss kommt, dass dieser „seinen Körper im Griff zu haben scheint“.

In Deutschland gab es zaghafte Proteste der Gastronomie, wie die immerhin kunstvolle Inszenierung der „Leeren Stühle“ (siehe oben im Bild auf dem Frankfurter Römerberg). Die Köche, vor allem jene, die durch ihre herausregende Stellung Gewicht haben, müssen sich aber viel schärfer zu Wort melden. Dass Zehntausende mit Kochlöffeln auf Töpfen und Pfannen schlagend vor den Berliner Reichstag ziehen, mag ein ebenso schönes wie unrealistisches Bild bleiben, sollte aber eine denkbare Möglichkeit aufzeigen. Es dürfen sich nicht immer die Falschen zu Wort melden, es wird höchste Zeit, dass sich die Richtigen Gehör verschaffen.

Ludwig Fienhold

 

Alarmruf französischer Spitzenköche

 

In Deutschland wird ständig die Solidarität gepredigt, aber nicht gelebt. Schon gar nicht in der Gastronomie. Dort scheint jeder sein eignes Süppchen zu kochen. In Frankreich ist das anders. In einem offenen Brief an Präsident Macron macht sie in einem „Alarmruf gegen die Ausgangssperre“ ihrem Unmut Luft. Unterschrieben haben 36 Köche und 36 Gastronomen aller Kategorien sowie die Arbeitgeberverbände der Branchen. Darunter etwa die Drei-Sterne-Chefs Alléno, Frechon, Gagnaire, Kobayashi oder Savoy sowie die Gastgeber Laurent Gardinier (Les Crayères in Reims und Taillevant in Paris), André Terrail (Tour d’argent in Paris) oder  Multigastronom Laurent de Gourcuff. Aus dem gemeinsamen Text: „Diese Ausgangssperre ist für die bereits von vielen Krisenmonaten zerstörte Gastronomie der letzte Schlag… Wir befürchten, dass wir uns niemals erholen können. Vor Ihrer Ankündigung hatten wir bereits Bedenken, dass 30% unserer Restaurants bis Ende des Jahres bankrottgehen würden. Nun wird es viel schlimmer werden.

Cafés, Bars, Bistros, Brasserien, Restaurants, Gourmetadressen sind Anziehungspunkte im Leben eines Stadtviertels. Sie sind ein Bollwerk gegen Isolation, Stätten der Geselligkeit und des Gemeinschaftsgefühls … Wie viele andere Teile der Kultur unseres Landes zählen wir zum Reichtum Frankreichs und Stolz der Franzosen. Nun ist unsere Lebensart, die so einzigartig und einmalig auf der Welt ist, in großer Gefahr… Wir haben kein Bargeld mehr. Wir sind in Papierkram ertrunken.“

Damit die französische Gastronomie noch eine Zukunft habe, so die Köche und Gastronomen, müsse eine Lösung gefunden werden, dass zumindest der erste Abendservice aufrechterhalten werden könne. Weiter heißt es in dem offenen Brief: „Wir bitten Sie, Gästen, die vor 21 Uhr kommen, das Abendessen zu ermöglichen. Wir würden garantieren, dass sie spätestens um 23 Uhr nach Hause zurückzukehren. Aber auch dann wird unsere Branche hart getroffen. Wir brauchen weitere Sofortmaßnahmen, beispielsweise ein Moratorium für unsere Pacht und die Annullierung von Arbeitgeberbeiträgen während der Corona-Einschränkungen.“




Drink Big: Das Medici startet Weincloud

Über 1000 Flaschen: Spaßweine, Raritäten

und reife Jahrgänge

 

Das Restaurant Medici, eine der besten und beliebtesten Adressen in Frankfurt, hat jetzt eine beachtliche Offensive gestartet und mit der Weincloud einen eigenen großen Wein-Shop online eröffnet. Es stehen über 1000 Flaschen bereit, darunter seltene Jahrgänge und Raritäten. Für normale Weinfreunde und für Kenner eine Fundgrube, vieles zu erstaunlichen Preisen. Die Weincloud kommt zur richtigen Zeit, denn im November und Dezember wird so viel Wein getrunken, wie zu keiner anderen Zeit, um so mehr, wo jetzt die Lokale geschlossen wurden.

Über den Wolken muss die Auswahl wohl grenzenlos sein. Die neue Weincloud bietet ein enormes Sortiment von mehr als 1000 verschiedenen Flaschen, vom heiteren Zechwein bis zur hochspeziellen Rarität. Spätestens seit dem großen Romanée-Conti Dinner Ende letzten Jahres haben sich die Betreiber des Medici auch als Weinschmecker bekannt und beliebt gemacht. Bei der Weincloud handelt es sich keineswegs um die erweiterte Weinkarte des Restaurants, es ist ein weit größeres und vor allem eigenständiges Projekt. Wer in der Weincloud stöbert, merkt gleich, dass dies keine Luftnummer ist. Es gibt viele Weingüter mit einer Jahrgangstiefe, wie man sie selten im Handel findet. Meist stößt man dort auf die jeweils aktuellen Jahrgänge, in der Weincloud vom Medici entdeckt man aber auch viele alte und gut gereifte Jahrgänge. Bei Rotweinen ist dies wichtig, aber auch bei Rieslingen.

Restaurant Medici

Der private Weinfreund, inzwischen auch die meisten Gastronomen, kaufen sich keine Flaschen mehr, die erst in vielen Jahren trinkbar sind. Die einen wollen schnell und spontan zur Flasche greifen können, die anderen nicht unnötig Kapital binden und ihren Gästen das vorsetzen, was eine optimale Trinkreife besitzt. Burgund ist stark bei der Weincloud vertreten, allein von der Domaine Ponsot sind 66 verschiedene Flaschen und Jahrgänge gelistet, bis runter zum Jahrgang 2006. Auch bei einem Châteauneuf-du-Pape kann der Jahrgang zum Genuss oder Verdruss führen, jüngere Jahrgänge zeigen sich oft noch verschlossen. Die Domaine Raymont Usseglio, Xavier Vignon und Château de Vaudieu sind für ihre außergewöhnlichen Châteauneuf-du-Pape bekannt, die von Parker hoch bewertet wurden, vor allem aber auch vom Preis sehr genussfreundlich ausfallen. Ein anderer spannender Wein von Raymont Usseglio, der Grenache La Creation 2017, wird von Parker mit 96 Punkten ausgezeichnet und ist mit 19,90 € animierend kalkuliert. Der wunderbar stoffige und feinwürzige Syrah vom Rhone-Winzer Stéphane Ogier ist ein Prachtexemplar und für 16,20 € besonders leistungsstark. Sein Côtes du Rhône Le Temps est Venu 2015 (91 Parker Punkte) bietet für 9,50 € viel Geschmack für kleines Geld.

Seltene Weine & faire Preise

Vom Ausnahmeweingut Joh. Jos. Prüm von der Mosel sind 50 Weine gelistet, darunter viele schön gereifte Riesling bis zum Jahrgang 2002. Alles bezahlbar. Äußerst selten zu finden sind die Weine von Hyde de Villaine aus dem kalifornischen Napa Valley, von denen auch nur wenige Kisten nach Deutschland gelangen. Ihre eher kühle französische Prägung mit Frische und Finesse ist kein Zufall. Die Boutique-Winery ist ein Gemeinschaftsprojekt von Aubert de Villaine, Mitinhaber der Domaine de la Romanée-Conti, und dem amerikanischen Cousin seiner Frau Pamela, Larry Hyde. Der französische Weinmacher Stéphane Vivier setzt deren Visionen handwerklich perfekt um.

Champagner & andere Perlen

Es lohnt sich zusätzlich nach der Raritätenliste zu fragen, die nicht online zu sehen ist. Neben großen Weinen offeriert Weincloud auch jede Menge preiswerte Spaßweine. Wem es gelingt aus dem Meer der schäumenden Mittelmäßigkeit einen der allerbesten unter den Prosecchi herauszufischen, der hat unser Vertrauen gewonnen. Valeriano Bortolin (Fratelli Bortolin) erzeugt flaschenvergorene Spumante und nicht tankvergorenen Perlwein, den Unterschied kann man schmecken. Seine erstklassigen Spumante (brut und extra dry) sind unsere absoluten Favoriten dieser Spezies (neben Nino Franco) und werden für 9,70 € und 12,90 € angeboten. Auch diese Perlen wird man sonst kaum in Deutschland entdecken. Jedenfalls genau der richtige Überzeugungsstoff für Prosecco-Hasser. Einen guten Crémant zu finden, ist auch nicht leicht. Francois Mikulski, der für seine Weißweine gefeiert wird, zeigt mit seinem Crémant de Bourgogne blanc brut wie man blitzsauberen Stoff in die Flasche bekommt, und das für einladende 15,40 €. Ob man die Korken knallen oder ploppen lässt, man muss nur für eine gute Qualität im Haus sorgen. Das ist beim Champagner nicht anders, unter dessen prestigeträchtigen Namen auch flaue Marken mitsegeln. Man kann bei der Weincloud groß mit Vénus Brut Nature Blanc de Blancs Grand Cru von Agrapart einsteigen oder sich für kleinere Champagner-Winzer zu kleineren Preisen entscheiden: Fabrice Bertemès, Eric Collinet, Pierre Paillard oder Pertois Moriset (alle unter 30 €). Der preiswerteste Champagner des Sortiments kommt von Jean Pernet aus dem weltbekannten Mesnil sur Oger, sein Brut Tradition verschlingt mit 21,30 € kein Konto und macht sich als Everybody´s Darling beliebt, ohne nur banal zu blubbern.

Ludwig Fienhold

 

Zielgruppe der Weincloud sind private Genießer, aber auch professionelle Käufer aus der Gastronomie, Hotellerie sowie Feinkostläden aller Art (für die es eine eigene Preisliste gibt). Lieferungen im Frankfurter Stadtgebiet ab einem Bestellwert von 75 € frei Haus, nur im November und Dezember zum Kennenlernen (sonst ab 250 €).

Weincloud, Genuss mit Jahrgangstiefe

info@dieweincloud.de

Restaurant Medici, Frankfurt, Weißadlergasse 2,

Tel. 069 – 21 99 07 94

info@restaurantmedici.de

www.restaurantmedici.de

www.dieweincloud.de

 

Photocredit: Restaurant Medici, Domaine Usseglio




Plopp Up: Champagner & Co gut und günstig

Unsere Perlen

für jetzt und danach

 

Von Ludwig Fienhold

Champagner, Cremant, Spumante, Sekt oder Cava – die Welt befindet sich zwar gerade wenig in Feierlaune, sollte aber trotzdem das Genießen nicht verlernen, um ein gutes Stück Lebenskultur aufrecht zu erhalten. Unsere persönlichen Perlen sind nicht nur für die Festtage und den Jahreswechsel gedacht, sondern haben darüber hinaus Bestand. Schenken Sie sich Zeit, schenken Sie Vertrauen, schenken Sie nach.

Champagner

Natürlich gehören Salon und Krug zur Krone der Champagner-Schöpfung. Aber man kann auch Freude an Champagner haben, die preislich animieren, wobei weniger Glamour nicht fehlende Qualität bedeutet. Didier Gimonnet ist ein Meister des Blanc de Blancs, seine Chardonnay-Perlen sind temperamentvoll unbekümmert und so voller leichter Lebhaftigkeit, dass man mit jedem Glas Lust auf das nächste bekommt. Seidige Mousseux, kühle Stilistik und dezente Zitrusfrische zeichnen den Champagner Cuis 1er Cru Blanc de Blancs aus, und das für nette 29 €. Nicht selten entdeckt man unter den unbekannten Champagnerwinzern eine Perle. Etwa den Blanc de Blancs Grand Cru Roy Soleil von Philippe Gonet, dessen Grundweine teilweise in gebrauchten Eichenfässern reifen, was in der Champagne eher ungewöhnlich ist. Bestes Lesegut aus der Grand Cru Lage Le Mesnil. Dieser cremige und opulente Gonet duftet delikat und schmeckt ziemlich sexy. Größeres bauchiges Glas benutzen. Preis: 33 €.

Der kleine Familienbetrieb Mouzon Leroux betreibt biodynamischen Anbau, noch mit Pferdepflug. Alle Cuvées liegen in der Grand Cru Klasse. Beim L´ Atavique Grand Cru Extra Brut (28 € ), einer Assemblage aus Pinot Noir und Chardonnay, macht sich die Delikatesse ganz sanft und leise bemerkbar. Nichts drängt sich hier übersprudelnd auf. Feine Perlage, dicht, kühl, frisch und schlank. Animierend und ideal für das erste Glas vor dem Essen und das letzte nach, was auch immer. Dosage Extra Brut mit nur 2  Gramm Restzucker.

Der Champagner von Fabrice Bertemès Brut Tradition 1er Cru zeigt  Statur und noch mehr schwungvolle Eleganz für ganz und gar sympathische 21,90 €. Champagnerwinzer Eric Collinet liegt mit seiner Cuvée Temporis Extra Brut aus Pinot Noir und etwas Chardonnay im Frischwärtstrend der ausgeprägt mineralischen Champagner, kleidet ihn aber nicht kalkig-streng und weit eher sanft ein. Ein sehr guter Champagner für unter 30 €. Die Weine von Soutiran reifen mindestens fünf Jahre in der Flasche, bevor sie degoriert werden. Man nimmt sich Zeit, damit das Resultat Finesse und Dichte zeigen kann. Der Blanc de Blancs Brut Grand Cru greift mit jenen Noten aus Brioche, Karamell und Vanille nach uns, die angenehm schmeichelnd und mundfüllend Lust verbreiten (27  €). Der Champagner Vendémiaire Brut 1er Cru Blanc de Blancs von Yannick Doyard bietet enorm viel Qualität für sein Geld (37,90 €). Er duftet einladend nach frischem Brot, Brioche, Nuss und Zitrusfrucht. Überaus konzentriert, saftig, straff, expressiv, mit trocknem Biss.

Veuve Fourny verbindet auf sehr elegante Weise die Tradition eines kleinen Betriebs mit der mondänen Art großer Weltklassekellereien. Pure Sinnlichkeit, drahtige Spannung, Erfrischung auf höchstem Niveau. Der Champagner Grande Reserve Brut 1er Cru von Veuve Fourny packt genau mit jener Finesse und Frische zu, die man von einem sehr guten Champagner erwartet. Durch seine geschmeidigen Cremigkeit döst er nicht in der Mundhöhle, sondern bewegt sich elastisch beschwingt wie eine Cancan-Tänzerin und belebt die Sinne. Dabei wirkt die elegant kalibrierte Cuvée aus Chardonnay und Pinot Noir von Premier Cru und Grand Cru Lagen rund um Vertus, in Nachbarschaft zum berühmten Le Mesnil-sur-Oger, sehr entspannt und ausgeglichen. So viel Finesse und Charakter muss den Preis von 35 € als karikativ erscheinen lassen.

Cremant

Die meisten Cremants, die im Handel und in Lokalen angeboten werden, sind ziemlich Blubberlutsch. Zu süß, zu sauer, zu flach. Francois Mikulski, der für seine charaktervollen, entspannten und saftigen Weißweine gefeiert wird, zeigt mit seinem Crémant de Bourgogne blanc brut wie man blitzsauberen Stoff in die Flasche bekommt, und das für einladende 15,40 €. Wer von diesem Cremant weniger als drei Gläser trinkt, hat ihn nicht verstanden.

 

Spumante

Klar, Italiener sind mitunter Schaumschläger, aber ihre Spumante können ernstzunehmende Perlen sein. Wir hätten dutzendfach Empfehlungen, müssen es aber bei zwei etwas anderen Vertretern belassen. Der Valentino-Spumante Brut Zero, ein besonders feinperliger und dezent nach Birne duftender Edel-Schaumwein aus Chardonnay, weckt als Aperitif und Essensbegleiter Begeisterung und vermag jeden grantigen Gast zu sedieren. Ebenfalls ohne falsche Freundlichkeit kommt der Franciacorte 1701 Brut Nature aus (viel Chardonnay, etwas Pinot Noir). Er reift über 30 Monate auf der Hefe und präsentiert sich charaktervoll, eigenwillig und mit glasklarer Präzision (26 €).

 

Cava

Cava Pedregosa, Petit Cuvée: Cava wird leider unterschätzt. Dabei füllt gerade diese Spezies genau die richtige Lücke, Qualität vorausgesetzt. Wenig Säure, geradlinig trocken, dichte Perlage. Es gibt Spitzencavas, die ziemlich nah am Champagner sein wollen, es gibt aber auch Cavas, die einfach nur Spanien repräsentieren möchten. Einer der reintönigsten, feinsten Cavas ist der klarlinige Pedregosa, der ein Taschengeld kostet. Ein Cava, der nur Cava sein will, kein Sekt und kein Champagner. Wir hatten ihn einst im originellsten Restaurant Marbellas entdeckt, dem kreativen Tapas-Lokal Back. Preis: 5,90 €.

Niko Brander von Griesel Sekt

Sekt

Von der Sektkellerei Griesel in Bensheim gibt es ein Dutzend Sorten, in verschiedenen Qualitäten zu unterschiedlichen Preisen (14,50 – 34 €). Der Blanc de Noirs Brut, ein Sekt aus den roten Trauben Pinot Noir und Pinot Meunier, die jedoch weiß gekeltert werden, ist ein Charmeur der Extraklasse. Cremig und beschwingt, weich perlend, mit saftigem Trinkfluss und den für viele Champagner typischen Noten von Nussbutter und Brioche, weckt er gleich beim ersten Schluck helle Freude. Der Blanc de Blancs, eine Cuvée aus Chardonnay und Weißburgunder, animiert mit viel Stoffigkeit, zartem Schmelz und feiner Salzigkeit zu einem Glas mehr. Der würzig-wollüstige Rosé aus Spätburgunder und Schwarzriesling ist nach den Worten von Niko Brandner die „Cash Cow“ des Hauses, aber „ohne Kitsch“, wie so viele andere dieser Art. Die Grande Cuvée Zero Dosage bietet mit den Rebsorten Chardonnay, Pinot Noir und Pinot Meunier eine Melange nach Vorbild aus der Champagne, wobei dieses feinsinnige Meisterwerk viele Franzosen in den Schatten stellt

 

Eine kleine Auswahl an Weinhändlern

 

Weincloud, www.dieweincloud.de

Karl Kerler, www.karl-kerler.de

K & U Weinhalle, www.weinhalle.de

Photocredit: Barbara Fienhold




3-Sterne-Koch übernimmt Waldhotel Sonnora

Clemens Rambichler geht in schweren Zeiten mutig voran

 

Clemens Rambichler (im Bild), seit 2017 Küchenchef im Drei-Sterne-Restaurant Sonnora, wird das Waldhotel ab Januar 2021 übernehmen und gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Magdalena Brandstätter führen. Damit wechselt das legendäre Gourmet-Refugium, das 40 Jahre von der Familie Thieltges betrieben wurde, seine Besitzer. Nach dem frühen Tod des Drei-Sterne-Kochs Helmut Thieltges im Jahr 2017 übernahm Rambichler im Juli 2017 die Leitung der Küche und konnte diese höchste der Sternebewertungen halten. Das Waldhotel Sonnora wird vom 31. Dezember 2020 bis 18. Februar 2021 schließen und diese Zeit auch für die Renovierung der 20 Zimmer nutzen. Die ehemalige Patronin Ulrike Thieltges bleibt dem Hotel vorerst als Stütze erhalten.

Erinnerungen an Helmut Thieltges: Wie aus einer

Familienpension ein Drei-Sterne-Restaurant wurde

Wer im dunklen Tannenwald in der Südeifel im Verborgenen zu drohen bleibt, muss schon gehörig pfeifen, um auf sich aufmerksam zu machen. Oder so gut kochen können wie seinerzeit Helmut Thieltges. Das moselnahe Waldhotel wurde aber nicht über Nacht zum Wallfahrtsort für Gourmets aus aller Welt. Thieltges hatte nicht bei Eckart Witzigmann gelernt und auch nicht gemeinsam mit Heinz Winkler in den Pfannen gerührt. Er stand lieber gemeinsam mit seiner Mutter am Herd, als andere bei den Großmeistern der Zunft in die Lehre gingen. Im starken Familienbund entwickelte Helmut Thieltges ein sicheres Gespür für feinfühlige Zubereitungen und die Harmonie der Aromen. Seinen Gerichten wohnte eine Kraft und Zärtlichkeit inne, die weit über das souverän Handwerkliche hinaus ging – die Brust von der Challans-Ente mit Gewürzhaut in Limonen-Ingwer-Sauce gehörte zu jenen kulinarischen Höhenflügen, bei denen selbst weitgereiste Feinschmecker abheben mussten.

Ade Roulade, Hallo Hummer

Als das Sonnora 1978 als kleines Ferienhotel mit zwanzig Zimmern eröffnete, versuchten Helmut Thieltges und seine Mutter Anna Maria „einfach nur gut zu kochen“, weil sie damit auf sich und ihre abgeschiedene Lage im Wald irgendwo zwischen Trier und Koblenz aufmerksam machen wollten. Die Mutter hatte sich zuvor zumindest schon innerhalb der Region in ihrer „Fremdenpension“ mit Rinderrouladen und Rotkraut einen Namen gemacht. Doch da Ende der siebziger Jahre auch die Deutschen so langsam an der Haute Cuisine Gefallen fanden, kochten Mutter und Sohn für ihre Waldhotel-Gäste der damaligen Zeit entsprechend moderne Gerichte, wie Seezunge in Moselrieslingsauce und Sauté vom Hahn. Es gab jedoch Tage, da fand nicht ein einziger den Weg in den Tannenwald nach Dreis bei Wittlich. Doch es dauerte nicht allzu lange, da musste man Wochen im voraus reservieren, um am Abend einen der vierzig Plätze zu bekommen, vor allem an den Wochenenden.

Waldhotel Sonnora

Bis zum ersten Stern im Jahre 1982 arbeiteten Mutter Anna Maria und Sohn Helmut noch gemeinsam in der Küche. Wenn Thieltges auch bodenständig wirkte, so tüftelt er immer wieder ungewöhnliche Geschmacksvariationen à la „gegrillter Hummer auf Galettes von Schweinsfüßchen mit Linsencreme und Barolo-Essig“ aus. Seine fleischig-saftigen Seezungenfilets wurden der Speisekarte nach schlicht von „marinierten Gartenkräutern“ begleitet, die sich jedoch als eine köstliche Melange aus weißem Port, Olivenöl, Champagneressig, Lorbeer, Basilikum, Estragon, Kerbel, Schnittlauch und Dill entpuppten. Hinter jedem mit scheinbarer Leichtigkeit entworfenen Gericht steckte tiefe Leidenschaft und Detailbesessenheit. Klassiker wie die Gugelhupf-Terrine von Taubenbrust und Gänsestopfleber und das Törtchen vom Rinderfilet-Tatar mit Kaviar auf Kartoffelrösti offenbaren das einfach Geniale. Dieser Evergreen steht neben anderen Klassikern der Küche auch noch immer auf der Karte und gilt als unantastbar.

Ein Restaurant mit Betten

Der Name „Sonnora“ klingt ein wenig italienisch, hat aber einen ganz anderen Hintergrund. Da der alten Pension der  Familie Thieltges namens „Haus Elisabeth“ eine zweite mit gleichem Türschild in die Quere kam und Konkurrenz machte, wollte man sich umbenennen. Inspiriert durch die Tochter eines amerikanischen Nachbarn, die „Sonnora“ (mit einem „n“) hieß, wurde die Pension kurzerhand umgetauft. „Sonnora“, so sahen es die Thieltges, drückt das Sonnige und das Sonore, wohlklingend aus.

„Das Restaurant belegt uns die Zimmer“ erzählte Helmut Thieltges. Neunzig Prozent der Gäste übernachteten auch, meist jene, die für den Abend im Restaurant reserviert hatten. Mittagsgäste, die oft aus der Region und dem ebenfalls nicht weiten Luxemburg kamen, machten sich eher wieder auf den Heimweg – obwohl auch ihnen angesichts der opulenten Weinkarte ein führerscheinsicheres Ruhekissen anzuraten gewesen wäre. Mehr als 600 Flaschen stehen bis heute darauf, davon über 100 aus der Mosel-Saar-Ruwer Region. Es gibt nicht viele Plätze, wo man solch wunderbar gereiften Rieslinge bekommt.

Wegen der Sterne flippen wir nicht aus

Das Waldhotel Sonnora strahlte stets eine milde Freundlichkeit aus, wobei Ehefrau Ulrike Thieltges erfrischend unkompliziert auftrat und wie alle anderen im Haus keine Star-Allüren und weihevollen Gourmetpalast-Attitüden an den Tag legte. Mitunter konnte es herzlich volkstümlich werden, vor allem, wenn Senior Vinzenz Thieltges zum Frühstück die Drehorgel erklingen ließ. Mutter Thieltges zog im weißen Kittel ihre Kreise, um die vielen Blumen zu pflegen, die wöchentlich für 250 Euro eingekauft wurden. Sie freute sich mit typischem Adenauer-Schalk im Blick über den erworbenen Ruhm, verlor aber nie ihre lässig-rheinische Haltung: „Wegen der Sterne flippen wir nicht aus.“

Damals sah man noch Usambaraveilchen auf gehäkelten Deckchen. Und auch die Flaschen „Echt Kölnisch Wasser“ auf den Toiletten gibt es nicht mehr. Erinnerungen aber sind weniger flüchtig als Duftwasser und können jederzeit aufgefrischt werden: Die Legende lebt weiter.

Ludwig Fienhold

 

Helmut Thieltges

Waldhotel Sonnora, Dreis bei Wittlich, Aufm Eichelfeld 1, Tel. 0 65 78 406 oder 9 82 20

www.hotel-sonnora.de

Photocredit: Waldhotel Sonnora




Café Hauptwache: Kampf um ein heiß begehrtes Objekt in Frankfurt

Ein Lokal wird zum Politikum

 

Die Politik kocht gerne ihr eigenes Süppchen. Mehr zum Thema Essen hat sie selten beizutragen. Politiker sind so gut wie nie Genießer, urteilen aber über Restaurants. Derzeit vor allem, weil sie diese schließen lassen. Das fällt ihnen deshalb leicht, weil sie ohnehin selten in Restaurants zu Gast sind, schon gar nicht in den Guten.

In Frankfurt am Main wurde die Gastronomie ebenfalls stets ignoriert, plötzlich aber wird sie zum Ziel einer merkwürdigen Begutachtung. Das Café Hauptwache, so urteilt die FDP, sei zu touristisch und preislich unakzeptabel. Deshalb wäre ein Betreiberwechsel von Vorteil. Das Café Hauptwache wird seit 20 Jahren von Sam Kamran geführt, der alles andere als Everybodys Darling ist und sich mit seiner militanten Veganer-Offensive ziemlich vergaloppierte. Aber er hat gerade die letzten Jahre das Café Hauptwache eben nicht nur bei Touristen beliebt gemacht, sondern auch die Frankfurter gewonnen. Der Kaffee war tadellos, man fand eine Handvoll guter Weine, und beim Essen wurde man auch fündig, die Weißwürschtl waren sogar erstaunlich gut. Einen solch netten und flinken Service findet man außerdem auch nicht oft in der Stadt, schon gar nicht in solchen Großbetrieben wie dem Café Hauptwache. Das wussten auch die Kollegen aus der Gastronomie zu schätzen, die hier täglich zu Gast waren.

Das denkmalgeschützte Café Hauptwache ist nicht nur ein bedeutender historischer Ort in Frankfurt, es auch die zentralste Adresse überhaupt. Es gibt nicht viele Plätze, wo man länger die Sonne genießen kann. Und: Dieses Lokal bot auch auf der Terrasse in den kalten Monaten durch Heizstrahler und Decken eine warme Bleibe für Gäste. Das alles wissen die Politiker nicht, weil sie dort nie oder selten waren.

Verwaltet wird das Café Hauptwache vom Amt für Bau und Immobilien (Liegenschaftsamt), der Hauptpächter ist die Radeberger Gruppe (Binding). Der Vertrag mit der Brauerei läuft im Oktober 2021 aus, entsprechend der mit dem Gastronomen Sam Kamran. Danach soll die Pacht neu ausgeschrieben werden. Wir werden das alles sehr genau verfolgen, denn bislang hat die Stadt selten eine glückliche Hand bei der Vergabe von Pachtverträgen in der Gastronomie gehabt. Wir möchten in diesem Zusammenhang nur an zwei besonders gravierende und blamable Fälle erinnern: Bis heute ist es nicht gelungen, eine Gastronomie im Ratskeller des Rathauses zu etablieren, was vor allem an den absurden Preisvorstellungen für die Pacht liegt. Ganz in der Nähe zerfällt zusehends in der Braubachstraße das Steinerne Haus, eines der letzten alten Wirtshäuser der Stadt, das längst renoviert gehört. Das Gebäude wird langsam zur Ruine.

Ludwig Fienhold

Photocredit: Barbara Fienhold