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Urlaubsgefühle: Italien findet jetzt am Main statt

Drei Lokale und eine lange Terrasse mit eigenem Boot

 

Die Barca auf der Terrasse der Demarchi Winebar ist die schönste Sommertheke Frankfurts. Letztes Jahr stand das Boot noch unten am Fluss, inzwischen ist es Teil einer Neuinszenierung und wurde zum Wahrzeichen italienischer Lebensfreude in der Stadt. Demarchi Winebar, Osteria & Shop heißt das Lokal in voller Länge, das früher vor allem eine Cocktailbar war. Das dazugehörige Nachbarlokal A Casa di Tomilaia ist weitgehend so, wie man es seit Jahren kennt, wobei die Gäste aus der gleichen Küche versorgt werden. Das Restaurant Biancalani und seine kreative Küche sind derzeit nur noch exklusiv als Private Dining und Cooking Club für 10 bis 25 Gäste buchbar.

Die Servicemitarbeiter flitzen gut gelaunt von Tisch zu Tisch. Allen voran die altbekannten Gästebetreuer Giuseppe, Saimir und Jerry. Die einstige Demarchi Bar ist noch wiederzuerkennen und doch deutlich aufgebessert worden. Die Gäste sitzen zwischen Weinregalen, Weinklimaschränken und Feinkost gleich neben der Barca. Die vier intimen Terrassen-Tische in der Demarchi Winebar sind von individueller Art und meist schnell ausreserviert. Man ist nicht nur von einem x-beliebigen Sortiment italienischer Kolonialwaren als nette Deko umgeben, sondern von bemerkenswerten Erzeugnissen aus eigener Produktion, allen voran die Weine und das Olivenöl aus der Toskana.

Gazpacho

Gazpacho kann eine ziemliche Gurke sein, die maurisch-andalusische Kaltsuppe feiert aber gerade im Sommer allerorten ihre Hochzeit. In der Demarchi Winebar fällt sie derart köstlich und harmonisch aus, wie man das nur sehr selten erleben darf. Allein dafür: Bravo! Mit einem großen Teller und dem nicht nur farblich passenden Ziggy Spumante wird man allein schon glücklich. Vitello Tonnato kennt man vor allem deshalb, weil man es nach Jahrzehnten des Qualitätsmangels so gut wie nie bestellt. Im Gastro-Duo A Casa di Tomilaia & Demarchi Winebar wird aber ein rosa gebratene Kalbstafelspitz von bester Qualität mit feiner Thunfischcreme, Wachtelei und Kapern serviert. Sehr schön auch die „Weiße Tommasino“ Pasta mit Knoblauch, Peperoncino, Zwiebeln und Oliven aus eigenem Anbau. Als „Don Tommasino“ gibt es das Gericht noch in einer kräftigeren und scharfen Version.

Pasta Mare Mare

Auf der Weinkarte stehen ausschließlich Erzeugnisse von den eigenen Weingütern in der Toskana oder befreundeten Winzern. Der Spumante Ziggy, eine Hommage an David Bowie, ist ein Blanc de Blancs aus Hundertprozent Chardonnay und wird nach dem klassischen Champagnerverfahren hergestellt. Ein richtiger Brut Nature mit null Dosage. Der feincremige Ziggy flimmert wie ein Sommertag, seine vibrierende Aromatik erfrischt. Auf der Karte finden sich verschiedene Rosé, wie sie jetzt zum Wetter passen, aber manchmal muss es ein Rotwein sein. Unser Tip: der Syrah von Stefano Amerighi, der sich gut zum geschmorten würzigen Ragout vom Wildschwein macht.

Branzino

Immer eine gute Wahl sind die Pici-Pasta mit Sugo vom Rind und Kalb und die Pappardelle mit würzigem Ragout vom Wildschwein. Dass die Carbonara an dieser Stelle nicht mit Kochschinken und Sahne, sondern mit Pancetta, Ei, und Pfeffer zubereitet wird, braucht man eigentlich kaum erwähnen. Ein Must-have ist das Gericht Mare Mare mit Polpo, Garnelen und Muscheln in einem Sud aus Meeresfrüchten und Weißwein. Nicht mehr von der Karte wegzudenken sind ebenso Bistecca Fiorentina und das panierte Kalbskotelett. Die Standardkarte wird täglich durch neue mündliche Annoncen ergänzt. Beispielsweise einem sehr guten Branzino oder zartem Rinderfilet mit Risotto und kräftiger Jus. Desserts gibt es einige Gute, in diesen Tagen passt aber das Eis vom Salon Firenze nebenan perfekt, zumal man sich so das Schlangestehen sparen kann.

Die Lokale A Casa di Tomilaia, Demarchi Winebar und Biancalani sowie der Eissalon Firenze liegen in Reih und Glied nebeneinander und gehören allesamt zum Bock/Demarchi Clan, dessen Kopf Tom Bock ist, der in Frankfurt und in der Toskana lebt. Die Weine, das Olivenöl und vieles mehr kommt aus den eigenen Betrieben in der Toskana. All das gibt es im Shop zum Mitnehmen für Zuhause. Das hervorragende Olivenöl und die hausgemachte Pesto sollten es zumindest sein.

Ludwig Fienhold

Photocredit: Barbara Fienhold

 

Demarchi Winebar, Osteria & Shop

Walther-von-Cronberg-Platz 9

Tel. 069 68 97 76 20

Di – Sa 17 – 1 Uhr, So + Mo geschlossen

www.acasadi.de

 

A Casa di Tomilaia

Walther-von-Cronberg-Platz 9

Tel. 069 6897 76 25

Di – Sa 17 – 24 Uhr,

So + Mo geschlossen

www.acasadi.de

 

Biancalani

Private Dining & Cooking Club

Für 10 – 25 Personen

Walther-von-Cronberg-Platz 9

Tel. 069 68 97 76 15

www.acasadi.de




Brot im Restaurant: Klotzen oder krümeln?

Immer mehr Restaurants hängen den Brotkorb höher

und lassen sich die Leistung bezahlen

 

Backen soll keine

brotlose Kunst sein

 

Als Ingo Holland noch sein Sternerestaurant in Klingenberg am Main hatte, servierte er vor dem Essen bis zu acht verschiedene hausgemachte Brotsorten. Anfangs waren wir begeistert, doch schon bald mussten wir uns zwischen dem Brot und dem eigentlichen Essen entscheiden. Zu oft erlagen wir der Neugierde und mussten neue Brotsorten probieren, waren danach aber schon ziemlich satt. Wir wollen auch gar nicht erst ergründen, wie viel Brot bei einem solche offensiven Angebot in den Abfall wandert, denn einmal  auf den Tisch der Gäste gestellt, muss es entsorgt werden. Noch immer werden in vielen gehobenen Restaurants voller Stolz verschiedene und oft auch hausgemachte Brotsorten präsentiert, aber längst nicht mehr gratis.

Im fabelhaften Steirereck in Wien rollt bei den Gästen ein Wagen mit über 20 Sorten vor, wobei allein schon das Blutwurstbrot glücklich macht. Besonderheit: Das Brot wird frisch am Tisch der Gäste aufgeschnitten. Das verführt natürlich, bei manchen sogar zu einer Brot-Orgie. Patron Heinz Reitbaier verlangt dafür auch einen stattlichen Couvertpreis von 7,50 €. Für den Aufwand ist das verständlich. Aber würden drei Sorten nicht ausreichen?  Viel Abfall gibt es bei der gebotenen Qualität angeblich nicht. Außerdem hält gutes Brot zwei Tage, Sauerteigbrot bis zu einer Woche. Sollte dann immer noch etwas übrig bleiben, verschiebt es das Steirereck in sein Landgut in Pogusch in die Obersteiermark, wo sich die Schweine daran erfreuen.

Im Spitzenrestaurant Taubenkobel im österreichischen Burgenland schaffte man schon vor Jahren das Gratisbrot ab, sehr zum Ärger einiger Gäste. Längst kommt es wieder auf den Tisch, frisch duftend aus dem Holzkohleofen. Die hausgemachte und karamellisierte Butter macht daraus ein unwiderstehliches Gericht.

Beim Einsatz von Brot im Restaurant scheint es zwischen klotzen und krümeln nicht viel Platzt zu geben. Braucht man aber wirklich einen Brot-Butler, der vor dem Essen eine längere Abhandlung über die verschiedenen Brotsorten des Hauses vorträgt? Natürlich macht das Spaß, aber eher in einem normalen Lokal und nicht in einem Sternerestaurant mit großem Menü. Ein Lokal mit pfiffiger Spezialisierung, wo es nur gutes Brot, erstklassige Butter, Käse und Schinken gäbe, kann mit tollem Brot punkten und die Gäste nur damit zufrieden stimmen.

Bevor man viele Brotsorten bereithält, sollte man besser ein einziges und richtig gutes Brot anbieten. Man muss sich auch über die Frage, ob Graubrot oder Weißbrot Gedanken machen. Zu einem Olivenöl passt kein Graubrot. Saucen wiederum steht ein Weißbrot besser, nicht selten will man ja eine besonders gute Jus noch auf diese Weise auftunken. Saucen und Weißbrot sind eine glückliche Allianz und brauchen keine Ergänzung durch eine andere Brotsorte.

Doch es hat sich längst ein anderes Brot-Bewusstsein entwickelt, dass der Verschwendung Vorschub leistet. In diesen Lokalen wird Brot als eigenständiges Gericht, als Vorspeise eingesetzt. Das funktioniert natürlich nur dort, wo Qualität auf den Tisch kommt.

Wenn man bedenkt, dass Gäste in Italien, Spanien oder Österreich selbst für minderwertigen Einsatz einen sogenannten Gedeckpreis zu zahlen haben, ist das Umdenken im Lokal A Casa di Tomilaia nachzuvollziehen. Bei vielen Lokalen in Italien wird das Couvert ja nur für Gewürzmühlen und Zahnstocher erhoben, was sich die Gäste stillschweigend gefallen lassen.

Dennis Aukili

Dennis Aukili hat Geschmackstalent. Genau das unterscheidet einen guten von einen sehr guten Koch. Aber Dennis kann auch backen. Seine Brote im Backstuben-Café mehlwassersalz im Frankfurter Museum für Moderne Kunst sind fabelhaft, selbst das Baguette. Die großen Favoriten sind das vitale Sauerteigbrot und das saftige Dinkel-Emmer-Brot. In Dennis Aukilis turbulent kreativen Lokal Chairs in Frankfurt gibt es das wunderbare hausgemachte Sauerteigbrot mit selbstgemachter Butter als eine Art Vorspeise, aber nicht einfach so, sondern als eigene Position für 5 €. Das spart dem Gastronomen nicht allein Ausgaben, sondern schärft das Bewusstsein der Gäste, dass Brot etwas Besonderes ist und alles andere als eine Selbstverständlichkeit zum Nulltarif. Auch in der Emma Metzler am Frankfurter Museumsufer steht ein gutes Sauerteigbrot mit Sesambutter für 4 € auf der Speisekarte. Genau der richtige Weg zu einem neuen Umgang im Restaurant, weil er die Wertschätzung für gutes Brot fördert.

Ludwig Fienhold

 

Photocredit: Lea Lüdemann (4 x Brot im mehlwassersalz), 
Barbara Fienhold (1 x Dennis Aukili)



Golden Kron: Edelwirtshaus mit famosen Evergreens

Neu besucht,

immer noch gut

 

Schön tafelt es sich im lauschigen Innenhof

 

Ein schattiges, lauschiges Plätzchen im Freien mit schöner Atmosphäre? Und auch noch mit genüsslichem Essen und guten Weinen? Ja, gibt´s das denn?  Gibt es im dörflichen Frankfurter Stadtteil Alt-Eschersheim. Die Golden Kron, eines der ältesten Wirtshäuser der Stadt und einst eine einfache Apfelweinwirtschaft, ist längst als Edelwirtshaus bekannt und lockt mit lustvollen Gerichten, die Alfred Friedrich zubereitet, der einst im legendären Frankfurter Bückenkeller als Küchenchef zwei Michelin-Sterne am gastronomischen Himmel glänzen ließ.

Klar, es gab Turbulenzen, die aber mal ausnahmsweise nichts mit Corona zu tun hatten. Friedrich und sein Geschäftspartner und Sommelier Pit Punda trennten sich überraschend (wie in BISS berichtet) und werden auch nicht mehr zusammenfinden. An Pundas Stelle berät nun Chantal Friedrich die Gäste, die ihren Mann schon seit Jahrzehnten begleitet, unter anderem in den Restaurants Humperdinck (Frankfurt) und Marcobrunn (Rheingau). Für die Golden Kron steuert sie auch selbstgemachte Marmeladen bei. Der freundliche Vincenzo, zuvor Frankfurter Botschaft und Emma Metzler, unterstützt im Service.

Kalbstafelspitz Golden Kron

Die Speisekarte bietet gerne die Evergreens, die für die meisten Gäste als lebenswichtig gelten. Dazu gehören das wunderbare Wiener Schnitzel, das saftige Backhändel, der konfierte rosa Kalbstafelspitz und der tolle Zwiebelrostbraten. Es gibt auch immer wieder Kombinationen, die gewagt oder ungewöhnlich klingen, aber bei einem großen Küchenchef wie selbstverständlich wirken können. Ein solcher Teller ist der Duroc-Schweinebauch mit Odenwälder Handkäs, Radieschen und hauchdünnen Apfelscheiben. Eine andere Variante ist ebenfalls ein Must-have: Spanferkelbauch vom Schwäbisch-Hällischen Landschwein mit roter Wildgarnele, Blutwurst und Cannellini-Bohnen. Ganz famos außerdem die schlotzigen Ravioli mit Salsicciafüllung, feinsten Graupen und Belper Knolle im würzigen Zwiebelsud. Eines der schönsten Desserts der letzten Wochen: Aromatische Mara de Bois Erdbeeren vom Obsthof Schneider mit ausgebackener Holunderblüte und Holunderschaum.

Landschwein

Es gibt ausreichend gute Weine aus Deutschland, Österreich und Frankreich, aber auch der  Apfelschaumwein „Wildlinge auf Löss“ von Andreas Schneider und der Hausschoppen vom Fass des Apfelweinpioniers Jörg Stier machen aus Durst ein Vergnügen.

Ludwig Fienhold

 

Golden Kron, Frankfurt, Alt-Eschersheim 58. Tel. 069 95 10 68 86

Di –Sa 17 – 22 Uhr, So 12 – 21 Uhr, Mo nur nach Absprache.

www.goldenkron.de

 

Photocredit: Barbara Fienhold



Neueröffnung Allgaiers im Westend: Lokal für Weinfreunde

400 Flaschen, schönes Kellergewölbe, hübsche Terrasse

 

Das Frankfurter Westend müsste eigentlich Little Italy heißen, die Übermacht der Lokale dieser Prägung ist deutlich. Um so besser, dass Stefan Allgaier mit seiner deutsch-französischen Küche das noble Viertel nicht verlassen hat und nur von der Liebigstraße auf die andere Seite des Westends in die Feuerbachstraße zog. Dort drücken und nerven ihn weder der Mietpreis, noch der Vermieter. Im neuen und schön ausgestatteten Allgaiers war vorher das italienische Leon zu Hause.

Stefan Allgaier (im Bild oben) ließ die Korken knallen und feierte im exklusiven Kreis die Neueröffnung seines Restaurants, das er gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Marina Witte führt. Sie ist für den Service verantwortlich, während Stefan Allgaier die Küche führt, wobei der langjährige Mitarbeiter Jean Lazare Mburanumwe noch immer an seiner Seite am Herd steht. Das Restaurant war auch schon in den Vorjahren für seine Weinkompetenz bekannt und zeigt dies auch jetzt wieder mit rund 350 Offerten, die wohltemperiert aus den vier Klimaschränken kommen. Europäische Weine stehen klar im Vordergrund, vor allem deutsche und französische. Auch die schäumende Weine wurden ganz nach persönlichen Vorlieben ausgesucht, neben einem sehr guten Sekt vom Gut Hermannsberg von der Nahe sind gleich drei verschiedene und herausragende Champagner von Roger Coulon zu haben, den man hierzulange eher selten findet. Württemberg findet auf den Weinkarten verschwindet gering statt, auch im Allgaiers gibt es nur eine Position, die aber erstklassig ist: der Lemberger von Rainer Schnaitmann.

Stefan Allgaier

Das Souterrainlokal im hübschen Weinkellerlook verfügt über 40 Plätze, auf der Terrasse können 18 Gäste bewirtet werden. Die Oldtimer-Berkel-Aufschnittmaschine aus dem Jahr 1926 wird gut ins Licht gesetzt. Sie ist nicht nur Deko, sondern liefert präzise und hochfein geschnittenen Schinken, derzeit wunderbaren Parma und Jamon Iberico. Damit und einem gutem Wein kann man bereits glücklich sein, doch gibt es noch andere Begehrlichkeiten, beispielsweise die fleischigen Utah Beach Austern, die keineswegs in den USA zu verorten sind. Bei der Landung der Alliierten in der Normandie im Zweiten Weltkrieg war dies der Deckname für einen französischen Küstenabschnitt. Neben einem Flammen-Gasherd hat sich Stefan Allgaier auch einen Beefer Grill angeschafft, der dem Fleisch noch mehr Aroma und Würze geben soll. Auf Küchenklassiker wie Tournedos Rossini, gegrillten Pulpo mit Birnen, Bohnen und Speck oder gefüllten Ochsenschwanz mit frischen Pfifferlingen, Zuckermais und Burgunderjus wird man auch im neuen Allgaiers nicht verzichten müssen. Ins ehemalige Allgaiers in der Liebigstraße ziehen Massimo Sparrago und seine Frau Rebecca Kuppel ein, Massimo Sparrago ist Souschef der Villa Merton in Frankfurt.

LF

Allgaiers, Frankfurt, Feuerbachstr. 5, Tel. 069  98 95 66 11.

Mo – Fr. 12 – 14.30 Uhr, 18 – 22 Uhr (Küche), Sa 18-22 Uhr, So zu.

www.allgaiers.eu

 

 

 

 

 

 

 

Photocredit: Barbara Fienhold




Ein Tisch im Kornfeld

Das Landwehrstübchen:

Lokal mit Urlaubsgefühl

am Rand der Stadt

 

Mitten in einem Gestrüpp aus Feldern, Wiesen und Kleingärten am Rande der Stadt steht ein kleines gastliches Häuschen. Wäre es nicht ein Lokal mit realem Essen und Weinen, könnte man es für ein Fabelwesen halten, so unwirklich steht es plötzlich vor einem. Aber aufgepasst: Es ist kein normales Lokal, sondern ein Versteck, das Navi oder Pfadfindersinn erfordert. Der Patron, Peyman Far, führt sein Landwehrstübchen mit Engagement und Schalk. Jetzt wurden zwei neue junge Köche eingestellt, die der alten Linie zwar treu bleiben, sie aber behutsam auffrischen wollen.

Yannick & Jona

Yannick Frischberger und Jona Bonnet haben die Hotelküche verlassen, weil sie ihnen keinen Spielraum gab, schon gar keinen kreativen. Im Frankfurter Landwehrstübchen wird ihnen mehr freie Hand gelassen. Mit Melonen-Kaltschale, geräucherter Kirschtomate, Johannisstrauchöl und Senfsaat gelingt der sommerliche Einstieg sehr gut. Auch das Landschwein, mit Apfel, Kartoffel und Pistazie passt bestens zum rustikalen Charme des Landwehrstübchen.

Landschwein

Nein, das Landwehrstübchen ist keine Fine Dining Adresse, sondern  weit eher eine Abtauch-Destination für gestresste Städter, die sich in schöner Atmosphäre bei unkomplizierten Essen entspannen wollen. Die kleine Terrasse bietet jedenfalls viel Urlaubsgefühl. Unter den Weinen gefällt uns beispielsweise der Grüne Veltliner von Rudi Pichler. Es gibt auch noch den einen oder anderen guten Tropfen, wobei die Karte ruhig noch besser werden darf.

Ja, wir haben manche Kritik vernommen, weil das Lokal nur Bargeld akzeptiert. Auf der Webseite wird dies auch so mitgeteilt, wer aber liest das schon alles. Man sollte also gleich bei der Reservierung nachfragen, ob dem noch so ist oder auch andere Zahlungsmittel möglich sind.

LF

Gastgeber Peyman Far

Landwehrstübchen, Frankfurt

Sachsenhäuser Landwehrweg 371
Tel. 069 635440.

www.landwehrstuebchen.de

 




Lokal in Flammen: Frankfurt trauert um das Blaue Wasser

Das kleine Paradies am Mainufer wurde zerstört

 

Als ob Corona nicht schon genug wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Schaden anrichtet, jetzt wurde auch noch eine der schönsten Locations im Rhein-Main-Gebiet durch einen nächtlichen Brand zerstört. Der Schaden soll sich auf 350.000 € belaufen. Laut Feuerwehr kann Brandstiftung ausgeschlossen werden, ist der Brandherd in der Küche auszumachen. Nun droht dem Blauen Wasser im Osthafen der Abriss.

Ein Grundstück, ein Lokal unmittelbar am Main ist äußerst selten. Das Blaue Wasser hatte einen Charme, wie man ihn eher in Südfrankreich vermuten würde. Diese verwegene Mischung aus Sinnlichkeit und Fröhlichkeitkennt man aus Filmen des letzten Jahrhunderts, aber weniger aus dem wirklichen Leben. Es gibt kein anderes Lokal in Frankfurt mit einem solchen flirrenden Flair. Dass es über Nacht ausgelöscht wurde, macht traurig – Blaues Wasser mit schwarzem Trauerrand.

Das Blaue Wasser war zuvor ein abseitiges Bordell, bevor es als Blaues Wasser zur absoluten In-Location wurde. Laster gab es in zweifacher Hinsicht, denn Radfahrer waren seinerzeit auf der Franziusstraße nicht unterwegs, sondern vor allem Lastwagen. An den F35 FKK Beach Club erinnerten nicht nur die Gogo-Stangen, das ganze Haus hatte einen Hauch von Verruchtheit, der den Besuch noch reizvoller machte.

Bei der Eröffnung im Jahr 2016 hatten die Betreiber noch ganz andere Pläne, das abenteuerlich wirkende Anwesen sollte zu einem Kulturzentrum mit Musikveranstaltungen werden. Für Hochzeiten, Firmenfeiern und andere Events wurde es schon recht schnell gerne gebucht. Man hätte an diesem zauberhaften Ort auch nur Würstchen und viel Wein und andere Alkoholika verkaufen können, doch man wollte die Gäste auch mit gutem Essen locken. Auf der Speisekarte standen bevorzugt Grillgerichte, wie sie zu einem solchen „Strandlokal“ bestens passen. Egal, was auf den Tisch kam, man spüre das Engagement, es gut machen zu wollen, was sich im Lauf der Jahre noch steigerte. Küchenchef war in der Anfangszeit Mario Schmehle, ein Mitarbeiter von Mario Lohninger und seinem unweit betrieben einzigartigen Silk & Micro im Cocoon Club.

Matthias Martinsohn war einst Geschäftsführer des Cocoon Clubs und führte das Blaue Wasser unter anderem mit Goran Petreski, dem auch das sehr erfolgreiche VaiVai gehört. In der Eröffnungsphase des Blauen Wassers hieß es, dass man die städtische Liegenschaft im Erbbaurecht übernehmen wolle. Wenn eine entsprechende Genehmigung vorläge, wolle man das Gebäude abreißen und eine Kultur- und Eventstätte bauen. Das Gebäude, das nun wahrhaftig abgerissen wird, stand all die Jahre unversehrt an Ort und Stelle. Die Betreiber wurden vielleicht vom großen Erfolg selbst überrascht, denn eine stark vom Wetter abhängige Open-Air-Location hätte auch in der Hochsaison ins Wasser fallen können.

Die Betreiber wollen das Lokal so schnell wie möglich wieder aufbauen und eröffnen. Vielleicht wird das Blaue Wasser wie Phoenix aus der Asche steigen. Doch eine solche Patina, ein derartiger Shabby-Chic ist nicht beliebig reproduzierbar. Ähnlich wie bei der abgebrannten Schwarzwaldstube in der Traube Tonbach.

Ludwig Fienhold

Photocredit: Barbara Fienhold