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Kampf gegen No-Shows: Sterne-Koch Christian Bau reserviert nur noch gegen Vorkasse

Verlust von Lebensmitteln

und Geld soll verhindert werden

 

Schluss mit „No-Shows“ und der Verschwendung wertvoller Lebensmittel: Christian Bau führt als erster Drei-Sternekoch bei Tischbuchungen für Wochenenden und Feiertage eine Vorkasse ein und möchte damit auch Kollegen den Weg bereiten. Das Nicht-Erscheinen von Gästen macht die täglich notwendige Kalkulation von den in der Sterneküche benötigten hochwertigen Zutaten zunichte. „Die Verschwendung dieser zu hundert Prozent frischen Lebensmittel bewirken ideell und betriebswirtschaftlich einen hohen Schaden“, klagt Bau Die Konsequenz für Christan Bau daraus ist: An Freitagen und Samstagen sowie am Vorabend eines Feiertags und am Feiertag selbst zieht das Victor’s Fine Dining by Christian Bau ab 1. März pro Gast per Kreditkarte 200 Euro vorab ein. Erscheinen die Gäste nicht zum gebuchten Termin und kann der Tisch kurzfristig nicht nachbesetzt werden, behält das Restaurant die Pauschale pro Person ein. Erleichtert wird das Buchungsprozedere ab 15. Februar 2020 über das online Reservierungssystem Seatris.

Christian Bau, Victor´s Fine Dining

„Leider zwingen uns die Erfahrungen aus dem vergangenen Jahr zu diesem Schritt, denn die Rate an No-Shows und kurzfristigen Absagen haben über die letzten Monate weiter zugenommen. In unserem kleinen Restaurant entstehen mit jedem freien Tisch rund zehn Prozent Umsatzeinbußen“, erklärt Christian Bau. „Nachdem wir gleichzeitig für Reservierungen eine Vorlaufzeit von rund drei Monaten und lange Wartelisten haben, ist es umso ärgerlicher, wenn ein Tisch an begehrten Wochenend- oder Feiertagterminen trotz Buchung leer oder unterbesetzt bleibt.“ Er bedauert die Notwendigkeit seines Vorgehens, rechnet aber mit Verständnis, denn der Trend trifft die gesamte Branche. „Mit der Einführung der Vorkasse, möchte ich auch Kollegen motivieren, ähnliche Vereinbarungen einzuführen.“

Christian Bau kauft selbstverständlich in den Mengen ein, die den vorliegenden Buchungen entsprechen. „Wenn schließlich weniger Gäste da sind, als ursprünglich kalkuliert, wirkt sich das betriebswirtschaftlich aus Sicht von Einkauf, Personalplanung und Betriebskosten spürbar negativ aus“, erläutert Christian Bau. „Außerdem ist es für mich untragbar, wenn wir in Zeiten des nachhaltigen Denkens und bewussteren Verbrauchs wertvolle Lebensmittel verschwenden.“

Es formieren sich deutschlandweit immer mehr Gastronomen gegen die Plage der No-Shows. In Frankfurt beispielsweise werden in einigen Restaurants Buchungen nur gegen Angabe der Kreditkartendaten getätigt. Die Brüder James & David Ardinast, die mehrere Lokale in der Stadt führen, sprechen von bis zu 20% an No-Shows, die für wirtschaftlichen Schaden sorgen. Sie und weitere 60 Betriebe wollen künftig No-Show-Gebühren einziehen, wenn die Gäste nicht erscheinen oder nicht rechtzeitig absagen.

Photocredit: Lukas Kirchgasse

 




Julian Stowasser verlässt das Frankfurter Weinsinn und wird Küchenchef im Lakeside in Hamburg

Wechsel in den Sterne-Restaurants

Weinsinn & Gustav

 

Julian Stowasser verlässt das Restaurant Weinsinn im Frankfurter Bahnhofsviertel und wird am 1. März Küchenchef im Lakeside im Hamburger Hotel Fontenay. Stowasser begann im Juni 2018 im Weinsinn und legte dort einen famosen Start hin. Nachfolger im Weinsinn wird Daniel Pletsch, bislang Souschef im Gustav, wobei der dortige Küchenchef Jochim Busch als Head Chef federführend für beide Restaurants sein wird. Die neue Speisekarte wird ab 26. Februar im Weinsinn zu erleben sein. Die Frankfurter Topadressen Weinsinn (im Bild) und Gustav werden beide von Matthias Scheiber & Milica Trajkovska Scheiber geführt. „Julian Stowasser geht auf eigenen Wunsch“, erklärt knapp Matthias Scheiber. Der Einsatz des bewährten Gustav-Souschefs Pletsch war sicher die schnellste und wirtschaftlichste Lösung. An den Konzepten der Restaurants soll sich nach den Worten der Scheibers nichts ändern.

Daniel Pletsch

Das Sterne-Restaurant Weinsinn in Frankfurt hat einen regen Küchenchefwechsel zu verzeichnen. André Rickert arbeitet längst sehr erfolgreich im Bidlabu nahe der Frankfurter Freßgass, Alexandre Sadowczyk wurde nach nur drei Monaten ausgewechselt und hat inzwischen mit dem l´ Ecume in Frankfurt sein erstes eigenes Restaurant eröffnet. Für ihn rückte am 1. Juni 2018 Julian Stowasser nach, ein hochmotiviertes Talent, das gleich am ersten Tag mit einem feinsinnigen Menü und aromatischem Tiefgang einen fabelhaften Eindruck machen konnte.

Julian Stowasser (r.)

Der 33 Jahre alte Julian Stowasser war vier Jahre Souschef von Jan Hartwig, der im Bayerischen Hof mit dem Atelier ein veritables 3-Sterne-Restaurant führt. Davor kochte er in den beiden ebenfalls mit 3 Michelin-Sternen hoch ausgezeichneten Restaurants Bareiss in Baiersbronn und Aqua in Wolfsburg. Eigentlich wollte das mit einem Stern dekorierte Lakeside in Hamburg „keine Gourmetküche“ mehr fahren, besann sich nun aber überraschend anders und setzt auf den „ambitionierten Stowasser und seine klare Handschrift“, dem man auch eine Steigerung auf zwei Sterne zutrauen darf.

Ludwig Fienhold

 

 

 

 




Gastronomie im Frankfurter Ratskeller: Das Ratzhaus verschläft eine Chance

Gähnende Leere

in Keller und Köpfen

 

Bei der Diskussion um die längst überfällige Bewirtschaftung des seit mehr als fünf Jahren leer stehenden Ratskellers im Römer wird von der lokalen Presse das Wichtigste übersehen, ignoriert oder einfach nur ungefragt stehen gelassen. Der Hauptgrund für den blamabel lange Leerstand des durchaus begehrten Objekts sind die unglaublichen Preisvorstellungen der Stadt Frankfurt, die den Ratskeller lieber ein ungenutztes Kellerdasein führen lassen will als ihn zu vermieten, was an das weitläufig bekannte Immobiliengeschehen in der Stadt erinnert. Die Stadt verlangt für den Ratskeller eine Miete von rund 25.000 €, was sich kein normaler Gastronom leisten kann und selbst für Kettenbetriebe schwer zu schlucken ist. Wenn die Stadt nicht von solchen absurden Preisvorstellungen abrückt, dürfte sie kaum einen guten, langfristigen, seriösen und wirtschaftlich denkenden Mieter finden. Die veraltete Technik im Ratskeller ist für die Gastronomie eine weitere Bürde. Die Küche muss vom Pächter selbst ausgerüstet werden.

Dabei haben sich durchaus nicht wenige Gastronomen für das schöne Kellergewölbe interessiert, die sich aber durch den Wahnsinnspreis abschrecken ließen. Es sind auch weiter Kandidaten im Spiel, doch hat noch niemand den Zuschlag bekommen. Jeder kocht bei der Vergabe sein eigenes Süppchen und will sich dennoch nicht die Finger verbrennen. Natürlich passt in den Ratskeller kein Sushi-Lokal oder ein Pasta-Pizza-Konzept, fast alle wollen so etwas wie ein gutes deutsch-hessisches Wirtshaus mit zeitgemäßer Ausrichtung. So etwas gibt es zumindest auf gutem Niveau in der ganzen Stadt nicht und wäre eine Bereicherung.

In dem schönen denkmalgeschützten Kellergewölbe gab es noch nie eine bemerkenswerte Gastronomie, über den Betrieb einer Kantine kam man in alle den Jahren nicht hinaus. Dabei befindet sich der Ratskeller in bester prominenter Lage. Mit Römerberg und Paulsplatz vor der Tür liegt er im Zentrum der Stadt. Für eine kurze Zeit gab es sogar einmal Terrassenplätze an der Braubachstraße mit Blick auf die Paulskirche.

Der Oberbürgermeister Peter Feldmann, das Bauamt und das Amt für Bau und Immobilien haben bei der Vermietung des Ratskellers Entscheidungsgewalt. Doch es bewegt sich nichts. Das müde Frankfurter Ratzhaus: Wie aber kann man den Verantwortlichen in den Hintern treten, wenn sie alle dauernd darauf sitzen?

Ludwig Fienhold

 

Photocredit: Barbara Fienhold

 

 




Michelin Frankreich: Krisen, Prozesse, Korruptionsverdacht

Sternendämmerung

Der Michelin hat schon

bessere Zeiten erlebt

 

Von Jörg Zipprick

 

Die letzten 12 Monate waren keine gute Zeit für den Guide Michelin. Die Auswahl 2019 blieb eher wegen der Sterneverluste im Gedächtnis. Erstmals wandten sich Köche ostentativ vom Guide ab und zogen den Kenntnisstand der Inspektoren in Zweifel. Alain Dutournier vom Carré des Feuillants gab eine Reihe aufsehenerregender Interviews. Es folgte ein Prozess mit den früheren Drei-Sterne Koch Marc Veyrat. Natürlich ging auch dieser Koch nicht davon aus, Sterne einklagen zu können, vielmehr suchte (und sucht) Veyrat nach einem Weg, den Guide zu zwingen seine Kriterien und Besuchszyklen offen zu legen.

Unterdessen brodelte es in Asien: Der Koreanische Fernsehsender KBS widmete mehrere Sendungen einem mutmaßlichen Sterneverkauf. Eine Zusammenfassung in englischer Sprache findet sich hier:

https://www.youtube.com/watch?v=f_QjuBOgXzo&app=desktop

Pikant: Verdächtig ist neben dem Weinhändler und Wine-Advocate Mitarbeiter Ernest Singer auch Alain Fremiot, der für Michelin die Märkte Asiens erschließen sollte. In der Szene ist Fremiot kein Unbekannter: Sein Name fällt im Zusammenhang mit dem Ostend Queen-Skandale von 2005, bei dem ein im Bau befindliches Lokal mit einem „Bib Gourmand“ ausgezeichnet wurde. Alain Fremiot hat den Guide inzwischen verlassen, war aber zum fraglichen Zeitpunkt im Amt. Und auch der Wine Advocate gehört inzwischen dem Unternehmen Michelin. Und: Auch in Korea sind jetzt Prozesse anhängig.

Es folgten die Unruhen um die Sterneverluste von Vissani in Italien und Bocuse in Frankreich. Auch Gianfranco Vissani, ein Urgestein der italienischen Küche, kritisierte den Guide lautstark in der Presse. Im Hause Bocuse hält man still, Schüler, Vertraute und Geschäftspartner des Meisters reden hinter verschlossenen Türen jedoch von einem „Verrat des Guide Michelin an der französischen Küche“.  Besonders zügig versicherte das Unternehmen GL Events aus Lyon, das unter anderem die „Bocuse d’Or“ Wettbewerbe veranstaltet, seine Unterstützung. Mit einem Umsatz von über einer Milliarde Euro ist GL Events nicht nur in Lyon eine Größe. Périco Legasse, ein französischer Restaurantkritiker, meinte gar, der Guide Michelin habe vor aller Augen Selbstmord begangen.

3 Sterne Chef Kei

Kurz danach erklärte Spitzenkoch Alain Dutournier dem Magazin Paris Match, dass seine Fehde mit dem Guide Michelin ihm nicht weniger als sechs Steuerprüfungen eingebracht habe. Früher hätte die Branche über so etwas gelächelt. Heute hält man einen Zusammenhang zumindest für möglich, was vielleicht auch damit zu tun hat, dass der junge Patron des Guides über einen Spitznamen verfügt. „Le Jivaro“ lässt er sich nennen. Frei übersetzt: Der Kopfabschneider.

Bereits im Oktober 2017 hatte die Washington Post das neue Finanzierungsmodell des Guide Michelin einer breiteren Öffentlichkeit vorgestellt. Länder und Tourismusbehörden von Ländern wie Singapur, Südkorea und Thailand zahlen Millionen für „ihren“ Guide. Die Region Kalifornien zog 2019 nach. Doch würden Tourismusbehörden den Guide bezahlen, wenn die Sterne eher spärlich funkeln? Etliche Insider fragen sich, wie hier wohl die Verkaufsgespräche aussehen.

Hier klicken: (https://www.washingtonpost.com/news/food/wp/2017/10/24/south-korea-paid-big-money-to-commission-its-michelin-guide-does-that-mean-u-s-cities-could-do-the-same/)

Wer hat nun beim Michelin 2020 gewonnen, wer hat verloren? Die neuen Drei-Sterne-Häuser heißen Christopher Coutanceau in La Rochelle, Glen Vieil und Jean-André Charial vom L’Oustau de Baumanière in Les Baux und Kei Kobayashi vom Kei in Paris (Bild oben rechts).

Weiterführende Lektüre: www.michelinscars.com

Photocredit: Relais & Châteaux La Rochelle, Kei Kobayashi




Das neue Greco in Frankfurt: Pasta & Pizza machen hier glücklich

Wenn Essen einfach nur

Spaß machen soll

 

Auf Pasta und Pizza hat man fast immer Lust. Entsprechende Lokale scheint es an jeder Ecke zu geben, doch die wenigsten sind wirklich gut. Saro Barbagalo zeigte in seinem verblichenen Promis, wie es geht. Und nun steht er im neuen Greco an der Berger Straße in Frankfurt am Herd und macht wieder mit Pasta & Pizza Lust. Pasta macht glücklich, strahlt er. Und bei ihm sind wir es auch.

Saro Barbagallo am Pizzaofen

Pasta darf nicht zu glatt und gewollt elegant daherkommen wie ein geschniegelter Vorstadtcasanova. Pasta muss bei aller Perfektion ein klein wenig derb und knackig sexy sein. Saro schafft genau das. Mit Spaghetti alla puttanesca, der Pasta „nach Hurenart“ sowieso. Dieses Gericht aus der süditalienischen Heimat des Pasta-Paten wird mit einer scharf-würzigen Tomatensauce, Peperoncini, Knoblauch, Sardellen, Oliven und Kapern zubereitet. Aber so, dass alle Komponenten harmonisch zusammenfinden und eine Rustikalität der gefühlvollen Herzhaftigkeit entsteht. Gleiches gilt für die Strozzapreti, den „Pfaffenwürger“. Die gedrehte kurze Nudel liebt Ragouts und Saucen, im Greco wird sie unter anderem mit Salsiccia und Aubergine zubereitet. Ein Highlight ist die Pasta con Sarde aus der sizilianischen Heimat von Saro Barbagallo. Die saftigen Mezzi Paccheri vereinen sich hinreißend mit Wildfenchel, Sardinen/Anchovis, Frühlingszwiebeln, Peperoncini, Rosinen, gerösteten Pinienkernen und in Olivenöl geschwenkten Semmelbröseln. Dieses Gericht steht nicht auf der Karte, wird aber auf Nachfrage gern zubereitet. Muss man erwähnen, dass die Pasta von Saro Biss hat?

Pizza aus dem goldenen Ei

 

Eine Besonderheit ist auch der rotierende und mit Gas betriebene Pizzaofen von Morello Forni, in den sechs große Pizzen auf einmal passen, die in drei Minuten fertig sind. Das wie eine Sturmhaube schön glänzende Prachtexemplar leistet gute Arbeit, die Pizza kommt knusprig und saftig auf den Tisch. Wir mögen es etwas schärfer, die Diavolo mit San Marzano Tomaten, roten Zwiebeln, leichter Fior di Latte/Kuhmilch-Mozzarella und pikanter Spianata-Salami ist klasse. Die neapolitanischen San-Marzano-Tomaten aus der Dose eignen sich übrigens gerade für eine Pizza weit besser als etwa frische Exemplare, zumal sie ihr Aroma auch durch Konservierung kaum verlieren. Für viele Pizzabäcker sind diese Tomaten deshalb genau die Richtigen.

Einen guten Wein so rein zufällig zu finden ist im neuen Greco nicht einfach, der ganz schwache Rosé Frizzante gehört jedenfalls nicht dazu. Mehr Freude hat man mit dem Falanghina von Donnachiara oder dem sizilianischen Syrah von Timineri. Und, welch Seltenheit bei einem Italiener, es gibt sogar den Provence-Rosé von Minuty, der immer eine gute Wahl ist. Nicht gut gewählt ist der Name „Greco“, der einfach seit vielen Jahren in Frankfurt und darüber hinaus mit dem Spitzenitaliener Carmelo Greco verbunden ist. Da hätte es Alternativen gegeben, aber wir gehen ohnehin einfach zu Saro.

Ludwig Fienhold

 

Greco, Frankfurt, Berger Str. 15, Tel. 069 79127025.

www.greco-frankfurt.de

 

 

 

 

 

 

 

 

 




Weinschirn am Römerberg im neuen Look wieder eröffnet

Das kleine charmante Weinlokal hat sich deutlich verbessert

 

Bislang war die Weinschirn ein Lokal alten Zuschnitts, nun hat es ein Facelift hinter sich, das eine adrette Weinbar daraus macht. 30 Weine und Schaumweine stehen parat, alles wirkt luftiger und schöner als zuvor. Das Lokal hat täglich geöffnet und wird gerade am Wochenende stark besucht. Oben in einer kleinen Galerie ist noch zusätzlich Platz, die ersten schönen Tage ließen die Gäste auch vor der Tür rund ums Fass feiern. Bald werden die neuen Terrassenmöbel geliefert, belebt sich das Terrain mit Blick auf die Schirn Kunsthalle. Die Weinschirn ist leider der einzige Lichtblick in den Arkaden hinter der Historischen Ostzeile am Römerberg.

Antje & Marcel

Die Betreiber Antje und Marcel versuchen den elastischen Spagat, die alten Gäste weiter anzusprechen und gleichzeitig neue zu gewinnen. Das Publikum hat sich schon jetzt spürbar verjüngt. Es schätzt die lockere Atmosphäre, bei der man schon mal mit den Nachbarn auf Tuchfühlung kommt. Eine wuchtige Garderobe, an der man umständlich seinen Mantel heraussuchen muss, existiert nicht mehr. Jetzt gibt es überall Haken, was Platz und Nerven spart.

Der bedeutendsten deutschen Rebsorte, dem Riesling, wird eine Bühne geboten. Nick Köwerich und Lothar Kettern von der Mosel sind dabei, zudem Bicking von der Nahe und Zimmer-Mengel aus Rheinhessen. Sogar der hier in Frankfurt auf den Weinkarten trotz seiner Qualität selten zu findende Achim von Oetinger aus dem Rheingau ist mit seinem Riesling Alte Reben vertreten. Bei den Roten wird man auch fündig, wobei der Tinto „Fabelhaft“ von Dirk Niepoort aus Portugal ein großer Schmeichler ist, der einfach alle umarmt. In der Weinschirn bekommt man die „Frankfurt Edition“, auf der unter anderem Goethe, Apfelwein und Struwwelpeter zu sehen sind. Wenn es die Laune erfordert, greift man gerne zum Sekt, hier vorzugsweise zum schäumenden Riesling Reichsrat von Buhl aus der Pfalz. Vorbildlich: Die Preise werden gleich entsprechend den Größen 0,1/0,2/Fl. auf der Karte genannt. Flammkuchen mit Speck oder Lachs, Käse, Tiroler Schinken und Sauerteigbrot bereiten den Weinen eine nette Begleitung. Das fabelhafte Sauerteigbrot kommt übrigens von „mehlwassersalz“ , in der Stadt inzwischen eine Größe.

LF

 

Weinschirn, Frankfurt, Römerberg 8, Tel. 069 27 24 31 13.

Mo-Sa 11-23 Uhr, So 14-21 Uhr.

www.weinschirn.de

Photocredit: Barbara Fienhold

 




Schloss-Koch Martin Scharff: Keine Lust mehr auf den Michelin-Stern

Die Heidelberger Schlossweinstube verändert drastisch das Konzept

 

Absage an Instagram & Pinzetten-Küche

 

Nach 28 Jahren Michelin-Stern erlaubt sich Martin Scharff eine drastische Neupositionierung seines Restaurants Schlossweinstube in Heidelberg. Mit der aktuellen Entwicklung der Sterneküche kann er sich nicht mehr identifizieren: zu inflationär und einheitlich. Stattdessen will er gute deutsche Küche bieten. Einfach, aber nicht anspruchslos, und vor allem preiswerter als bisher. Der Michelin hat in seiner neues Ausgabe 2020 nicht auf die Veränderungen reagiert und der Schlossweinstube erneut einen Stern verliehen.

Über 28 Jahre hat er – und einst als Jüngster seiner Zunft in Deutschland – den Stern behaupten können. Doch ab 1. April wird sein Restaurant Schlossweinstube im Schloss Heidelberg völlig anders aufgestellt: „Ich möchte zurück zu meinen eigentlichen Wurzeln, mir wieder mehr Freiheit schaffen, ohne die Grundlagen der Sterneküche berücksichtigen zu müssen“, sagt er. Seit über acht Jahren ist Scharff Herr über das komplette gastronomische Angebot im Schloss Heidelberg. Dazu gehört die Sattelkammer, die Vinothek, die Backstube genauso wie die Schlossweinstube. Ins Schloss strömen täglich mehrere tausend Touristen. Zudem ist sein Unternehmen Catering-Partner für Hochzeiten und Events ebenso wie für zahlreiche externe Veranstaltungen. „Aber wir kochen in erster Linie für die Heidelberger, die Region und den anspruchsvollen Tagestouristen. Das möchte ich wieder mehr in den Fokus rücken.“

Martin Scharff

Mit der aktuellen Entwicklung der Sterneküche kann sich der 56 Jahre alte Martin Scharff nicht mehr identifizieren: „Für mich ist das mittlerweile schon sehr optische Uniformität und hat oftmals nichts mehr mit klassischem Handwerk zu tun. Ich möchte weg von der verspielten Dekoriererei, der Pinzettenküche und Kressemanie und wieder zurück zum Basis-Geschmack.“ Er nennt es eine regionale Jahreszeitenküche im Dialog mit der Welt. „Ich schätze die moderne, deutsche Küche, die von besten regionalen und saisonalen Produkten lebt und auf Basis der klassischen französischen Küche auf höchsten Niveau zubereitet wird.“

Gleichzeitig schöpfe er viel Kreativität aus Produkten, Rezepten und Gewürzen der Länder, die er bereist habe. So finden sich in Zukunft auf der Speisekarte seine Lieblingsgerichte, wie Variationen vom Kalb oder klassische Schmorgerichte, aber eben auch weltoffene Interpretationen, wie Ceviche von der Odenwälder Lachsforelle.  „Ich habe keine Lust mehr, immer wieder zu hören, dass man sich Sternküche nicht oder nur selten leisten kann. Meine Kochkunst soll nicht mehr nur einer kleinen Zahl von Gästen zukommen, ich möchte wieder mehr Menschen erreichen.“ Daher will Scharff sein Restaurant auch preislich attraktiver machen: Ab sofort soll es ein regionales 3-Gänge-Menü für circa 50 Euro sowie das Degustationsmenü für unter 100 Euro geben. À la Carte-Hauptgerichte beginnen dann bereits ab 24 Euro. Weiterhin wird es über das Jahr hinweg ein kulinarisches Programm in der ganzen Schlossgastronomie geben, wie jetzt im April sein Gourmet & Wein Festival, für das er in diesem Jahr seinen alten Lehrmeister Harald Wohlfahrt gewinnen konnte.

Natürlich weiß Martin Scharff, dass man einen Stern nicht einfach wieder an den Michelin zurückgeben kann –  man bekommt ihn, man verliert ihn. Durch seine Konzeptveränderung erzwingt er jedoch geradezu, dass er aussortiert wird. Außerdem wird die Schlossweinstube ab 1. April nur noch freitags und samstags geöffnet haben und damit aus dem Raster des Michelin fallen, bei dem nur Lokale eine Chance auf eine Auszeichnung haben, die an mindestens drei Tagen in der Woche Gäste bewirten. Die Schlossweinstube muss jetzt aber noch ein Jahr mit dem Michelin-Stern leben.

FB

Photocredit: Schlossweinstube Heidelberg




Gyoza: Trend aus Paris kommt nach Frankfurt

Gefüllte Teigtaschen als Imbiss für Gourmets

 

In Paris gibt es viele von ihnen, jetzt hat auch Frankfurt sein erstes Gyoza-Lokal. Die Teigtaschen à la japonais gelten als niveauvoller Imbiss. Sie sind in Japan bekannt, wurden aber in ähnlicher Form schon viel länger in China hergestellt, wo man sie als Dim Sum kennt. Die wichtigste Frage aber lautet: Schmeckt das? Und ja, die Dinger schmecken gut. So gut, dass man sie auch essen muss, und zwar nicht nur einmal. Die größte Überraschung aber: Die drei Weine, die es gibt sind sehr gut gewählt und passen zu den Teigtaschen.

Die feinen saftigen Dumplings sind jetzt in Frankfurt in der nagelneuen Gyoza Factory von Ludovic Levoux (Bild oben rechts) im Grüneburgweg zu bekommen. Er bietet verschiedene Varianten an (Rind, Schwein, Garnele, vegetarisch). Am besten sind die Teigtaschen mit Schwein (Lauch, Ingwer, Sake, Yuzu). Sehr gut auch die süße Variante mit Apfel-Birne-Füllung und Bourbon Vanille Sauce. Zu den salzigen Dumplings sind verschiedene Tunken zu bekommen: Ponzu, Sweet Chili, Yuzu-Mayonnaise. Die Teigtaschen werden kurz angebraten und gedämpft und bleiben dadurch zart und saftig, nur das Dessert Dumpling wird leicht frittiert, gerät aber auch sehr fein und gut. 8 Stück 5,90  –  6,90 €. In der Gyoza Factory kann man auf die Schnelle etwas essen, doch die meisten nehmen sich die Happen mit nach Hause, denn der Stehimbiss lädt trotz der guten Weine von Höfflin und Joern nicht zum gemütlichen Verweilen ein.

 

Gyoza, Frankfurt, Spohrstr. 17./Ecke Glauburgstraße

 

Photocredit: Barbara Fienhold




Was macht eigentlich Bordeaux?

Die berühmte Weinbauregion

hat ihr Problem noch immer

nicht richtig erkannt

 

Einige wenige Weine von Weltformat bestimmen weitgehend das Image von Bordeaux. Um Mouton Rothschild & Co braucht man sich auch kaum Sorgen zu machen, die Elite führt ein unbekümmertes Dasein und wird nahezu unkritisch begleitet. Die Basis, die gehobene Mittelklasse, ist in Deutschland weitgehend unbekannt und spielt auch auf den Weinkarten der meisten Restaurants keine große Rolle. Die Märkte in China, England oder den USA sind schon lange nicht mehr stabil und auch in Frankreich selbst gibt es genügend gute Alternativen zum Bordeaux.

 

Warum ändert sich nichts?

 

Als hilflos anmutende Gegenmaßnahmen werden folkloristische Feste veranstaltet, die eher Ballermanncharakter haben und keineswegs dazu taugen, das Niveau und den Absatz zu heben. Auf der anderen Seite gibt es Verkostungen, die sich an den Handel, die Gastronomie und die Fachpresse richten. So jetzt auch wie bei der Präsentation der Grands Crus Classés von Saint-Emilion, die vom Tre Torri Verlag und seinem Fine Weinmagazin im Gesellschaftshaus des Frankfurter Palmengartens aufgezogen wurde. Es ging ruhig und gesittet zu, alle hatten ausreichend Zeit ohne Gedränge mit den 33 ausstellenden Betrieben ins Gespräch zu kommen. Zur Probe standen vor allem die Jahrgänge 2016 und 2017, einige Weingüter hatten dankenswerter Weise auch ein paar ältere Flaschen dabei.

 

Zu teuer, zu wenig sexy

 

Auch die Eloquenz und der Charme der oft weiblichen Vertreterinnen konnte über die Grundproblematik der Bordeaux-Weingüter nicht hinwegtäuschen. Bordeaux, inklusive Saint-Emilion, hat zu lange mit einer persönlichen und preislichen Überheblichkeit abgeschreckt. Die Preise, die gerade im Vergleich mit anderen guten Weingütern in der Welt noch höher erscheinen, sind aber nicht die einzige Bremse. So gut wie alle der zur Verkostung stehenden Weine der Jahrgänge 2016 und 2017 waren noch viel zu jung für ein genussvolles Trinken. Nahezu alle Weingüter meinten, dass dieser Level frühestens in fünf, wenn nicht zehn Jahren erreicht sein würde. Welcher Gastronom will sich eine solche Kapitalbindung noch antun und tote Ware lange im Keller lagern? Welcher Händler kann seinen Privatkunden klar machen, dass diese noch viele Jahre zu warten hätten, gerade bei einer großteiligen Klientel von deutlich über 60 Jahren? Die jungen Weintrinker sind ohnehin längst woanders fündig geworden und warten nicht darauf, bis ein Bordeaux-Wein so weit ist, dass man ihn mögen kann. Die schnelle Verfügbarkeit ist in unserer schnelllebeigen Zeit nun einmal die Realität. Da macht Wein keine Ausnahme. Die alten Weintrinker sind schon lange bei den großen Bordeaux angekommen und verharren wie auf Krückstöcken auf ihnen, den jungen Weinfreunden sind Bordeauxweine einfach nicht zugänglich und sexy genug.

Ludwig Fienhold

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Cuisine Creole: Mauritius-Küche bringt Sonne nach Frankfurt

Adrien Hurnungee würzt das Weinbistro gang & gäbe

mit spannenden und modernen Gerichten

seiner Heimat

 

Es wird bunt, lebendig und amüsant, wenn Adrien Hurnungee seine Küche ins graue Frankfurt bringt und am 21. Februar im Weinbistro gang & gäbe ein Vier-Gang-Menü präsentiert. Mit dabei hat er Mangobutter, Zuckerrohrstaub, Sanddorn, Zimtblüten, schwarze Papayakerne, salziges Nougat, gelierte Jackfruit und viele Exotika mehr. Asiatische, indische und afrikanische Einflüsse lassen auf Mauritius die unterschiedlichsten Aromen überraschend harmonisch zusammenkommen. Einige Insel-Klassiker werden modern interpretiert, andere nur dezent modifiziert. Bei Adrien Hurnungee wirken die Gerichte nie überspannt, sondern sehr natürlich. Anders, aber nicht artig.

Adrien Hurnungee

Gastkoch Adrien und gang & gäbe Chef Juan-Enrique Weinhold werden an diesem Abend an einer Front Cooking Station mitten im Lokal arbeiten und die Gäste live mit Leckerbissen und kulinarischen Gesprächen unterhalten. Learning by eating. Bereits der Starterlöffel stimmt gut ein und macht Lust auf mehr: Konfierte Garnele auf Rote-Bete-Creme mit Kaffee. Begleitend werden einige Dips serviert, mit dabei pikante Mangobutter und eine wunderbare weiße Bohnensalsa, die mit Kardamom, Königskümmel, Kreuzkümmel und Sternanis gewürzt wird. Der Schellfisch badet in einem köstlichen Sanndorn-Marsala-Sud, eine rote Linsencreme wird durch Zimtblüten beseelt. Feinfühlige Kombinationen und dezente Prononcierungen, nie laut und doch ausdrucksvoll. Meist spicy, aber ohne plumpe Schärfe. Auch ein Kalbsrücken kann entzücken, wenn er so zart wie bei Adrien Hurnungee gerät und in einer famosen Kalbs/Quittenjus serviert wird.

Zum Menü kann man aus der sehr guten Weinkarten bestellen oder sich mühelos begleiten lassen. Das gang & gäbe hat eine ausgezeichnete Auswahl von fünf Weinen und Schaumweinen getroffen, darunter der erstklassige Crémant von Clement Klur und der fabelhafte kräuterwürzige Carignan von Pierre Cros aus Südfrankreich. Die Weinbegleitung wird an diesem Abend zum Freundschaftspreis von 34 € angeboten.

Adrien Hurnungee lernte gang & gäbe Betreiber Juan-Enrique Weinhold während deren Zeit bei Kofler & Kompanie kennen, seitdem verbindet die beiden eine kreative Freundschaft. Adrien war lange Zeit Partner vom innovativen Koch Coach Heiko Antoniewicz. Er wurde auf Mauritius geboren, wo bereits sein Vater einer der Topköche war. Seit 1998 lebt der ausgebildete Koch Adrien Hurnungee in Deutschland und ist mit seiner naturbeseelten Küche der Gewürze und Aromen gerne auf Tournee.

Ludwig Fienhold

 

gang & gäbe Weinbistro, Frankfurt, Walther-von-Cronberg-Platz 1,

Tel. 069 5800 505 17.

Cuisine Creole, Freitag 21. Februar, 18.30-23 Uhr.

Menü 59 € inkl. Wasser und Espresso, Weinbegleitung 34 € (optional).

Reservierung zwingend erforderlich, die Teilnehmerzahl ist limitiert.   

 

 

Das Menü
Starterlöffel: Konfierte Garnele // Rote-Bete-Creme mit Kaffee

Begleitend zum Menü: Brot Konfusion // Bohnensalsa à la mauricien // Pikante Mangobutter

Verführerisches von der Insel: Vielfalt vom Gemüse Achar // Linsencreme // Gelierte Jackfruit // Bananenchip gewürzt mit Meersalz

Ein Hauch von Meer: Pochierter Schellfisch // Cassava-Sellerie-Creme // Sanddorn-Marsala-Sud // Korianderöl // Wildkräuter

Kulinarischer Blick nach Mauritius: Bol renversé neu interpretiert: Kalbsrücken // Purple Curry // Geröstete Vadouvan-Graupen // Pochiertes Bio-Ei // Gundermann-Minzen-Jus // Schwarze Papayakerne

Süße Kindheitserinnerungen: Ananas creóle // Vanille Polenta // Süße Avocado // Verbrannter Zuckerrohrstaub // Salziges Nougat aus den Wolken