Big Apple: Furioser Schaumwein vom Bretonen Sasha Crommar
Cider World:
Kastanie, Ingwer, Birne und auch etwas Apfel
Die neue Cider World hat mit der alten Frankfurter Apfelweinmesse nur noch wenig gemeinsam. Schon das Erscheinungsbild ist ein völlig anderes. Der Ratskeller im Rathaus Römer passte zum Heimatschoppen, das Gesellschaftshaus im Palmengarten signalisiert Weltstädtisches. Auch die Protagonisten selbst haben sich verändert. Michael Stöckl zeichnet nach wie vor verantwortlich, Andreas Schneider ist nicht mehr dabei. Die Aussteller werden immer internationaler, man sieht kaum noch das Wort „Apfelwein“ und fast nur noch den Begriff „Cider“. Die juvenile Truppe zieht auch ein jüngeres Publikum an, das vorher in dieser Stärke nicht anzutreffen war. Unter den fachlichen Gesichtspunkten der Qualität ist diese Messe aber keineswegs besser geworden. Viel Süßes, Klebriges und Absurdes ist zu erleben, wie der völlig groteske Sparkling Wine von Brinkhalls aus Finnland. Schön, dass auch Japaner vertreten sind, aber sie müssen noch gehörig üben, um ernst genommen zu werden. Der Irish Craft Cider von Finnbarra bietet ein modernes Erscheinungsbild und will unbedingt den Biertrinkern etwas bieten, damit diese auf einen anderen Geschmack kommen. Bei einigen trocknen Sorten gelingt dies auch recht passabel, bei dem stark im Holzfass ausgebauten Apfelwein möchte man nur noch die Flucht ergreifen. Es ist nicht einfach, seine Favoriten unter den knapp 100 Ausstellern aus 17 Ländern zu finden. Man sieht bei dieser Apfelwein/Apfelschaumwein-Messe viel Modisches in Flaschen und zu wenig solides Handwerk, bei manchem Apfelwein scheinen die Raupen mit vergoren zu sein.
Es gibt aber auch erstaunliche und schöne Entdeckungen zu machen. Sasha Crommar aus der Bretagne hält sich an keine Regeln und kombiniert Ungewöhnliches wie Birne und Ingwer. Aber er schafft dies unangestrengt und vor allem auf harmonische Weise. Sasha Crommar, der keltische Wurzeln hat, ist im besten Sinne eigenwillig und ein großartiger Handwerker. Sein Cidre Kalysie wird aus mehr als einem Dutzend verschiedener uralter Birnensorten und abgepresstem Saft aus frischem Ingwer erzeugt. Ein Sommergenuss erster Klasse. Für den reinen Birnen-Cidre „Cuvee Pur“ gilt das gleiche. Umwerfend gut und trotz samtiger Fülle und Aromastärke leichtfüßig über die Zunge tanzend, begeistert der elegant perlende Cidre aus Äpfeln und Esskastanien. Ein solcher Druidentrunk entsteht nicht so nebenbei und ist das Ergebnis jahrelangen Experimentierens. Das einzigartige Trinkerlebnis kostet im Handel 11,50 € (siehe Info). Man muss nicht bis zum weihnachtlichen Gänse-Essen warten, zu dem dieser fein-würzige, leicht rauchige und schäumende Cidre ganz wunderbar passt. Eine solche flüssige Delikatesse geht immer. Das haben bereits auch viele französische Topköche bemerkt und die Cidre von Sasha Crommar auf die Karte gesetzt – der Name seiner Kelterwerkstatt „Kystin“ bedeutet bretonisch übrigens Esskastanie. Es sind solche Entdeckungen, die man sich von einer Messe wie dieser in Frankfurt wünscht.
Eine hoch willkommene Bereicherung waren ganz besonders Johannes „Jockel“ Döringer und seine durchweg guten Erzeugnisse. Der Kelterer aus Oberursel trat mit richtigen und richtig guten Schoppen hervor, die von allem Süßen befreiten.
Die beiden besten Apfelweinkelterer und Apfelschaumweinerzeuger des Landes, die Pioniere Jörg Stier aus Maintal-Bischofsheim und Andreas Schneider aus Nieder-Erlenbach, sind nicht bei der Cider World dabei. Aus einem Apfel kann eben auch schnell ein Zankapfel werden.
Ludwig Fienhold
Infos
Apfelweinagentur Johannes Döringer, Oberursel, www.apfelweinagentur.de
Sasha Crommar, www.kystin.net
Die Erzeugnisse von Sasha Crommar gibt es bei der Weinhalle in Nürnberg: www.weinhalle.de
Photocredit: Barbara Fienhold