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Gault & Millau 2018: Christian Bau ist Koch des Jahres

Tigerpalast und

Villa Rothschild

nicht mehr mit an der Spitze

 

Christian Bau (Bild rechts) wurde vom Gourmet Guide Gault & Millau für seine kosmopolitischen Gerichte von Weltrang zum „Koch des Jahres“ gekürt. Mit 18 Punkten ist auch Nils Henkel von der Burg Schwarzenstein im Rheingau wieder in der Elite angekommen. Aus diesem erlauchten Kreis verstoßen wurden die Villa Rothschild in Königstein und der Frankfurter Tigerpalast. Während der Michelin die Streichung der Sterne von beiden mit Zeitnot erklärte, demonstriert der Gault & Millau Aktualität und vergibt an die Villa Rothschild 15 und an den Tigerpalast nur noch 14 Punkte. Die Gewinner werden heute am Abend in der BMW-Welt in München ausgezeichnet. Dabei werden erstmals die Preisträger des Restaurantguides gemeinsam mit denen des Weingutes prämiert. 

Der neue Gault & Millau fordert mehr öffentliche Unterstützung für die deutsche Küche. Außerdem übt er Kritik an zu viel Technologie am Herd. Eine besondere Würdigung erfahren junge Talente. „Die deutsche Küche ist heute so facettenreich und kreativ wie nie zuvor“, lobt die französische Gourmet Guide  Gault & Millau in seiner jetzt erscheinenden Deutschlandausgabe 2018. „Nur leider: Das ist in der Welt immer noch viel zu wenig bekannt. Während nacheinander die spanische, nordische und südamerikanische Küche, unterstützt durch gezielte Marketingaktivitäten der jeweiligen Regierungen, global gefeiert werden, bleibt das deutsche Küchenwunder eine nationale Angelegenheit.“

Die Restauranttester fordern auch „mehr Anerkennung im eigenen Land für den unschätzbaren Wert einer guten Ausbildung. Die Kochlehre in den deutschsprachigen Ländern ist die beste weltweit – anderswo gilt das Prinzip „learning by doing“. Bei uns lernen junge Menschen noch, wie man eine Sauce ansetzt oder einen Fisch perfekt glasig brät. Schade nur, dass dieses Wissen in den Betrieben oft nicht weitergefördert wird, weil der neueste Trend gerade vorschreibt, dass ein Fisch im Vakuum gegart oder – wie aktuell landauf, landab üblich – geflämmt wird. Wenn in vielen und gerade in jungen deutschen Küchen immer weniger gekocht und immer mehr mit Technologie hantiert wird, dann ist das ein riskantes Spiel, weil überlieferte Fertigkeiten dabei verloren gehen. Wie schön, dass es auf der anderen Seite derzeit wieder mehr junge Köche gibt, die herrlich süffige Béarnaise auftischen, statt nur noch mit der Spritztüte Püreetupfer auf den Teller zu platzieren.“

 

Die neusten kulinarischen Trends

Boris Rommel, Schlosshotel Friedrichsruhe

Boris Rommel, Schlosshotel Friedrichsruhe

Als wichtigste kulinarische Trends beobachten die Tester:

• Ike Jime, die traditionelle japanische Kunst, einen Fisch so zu töten, dass er ein besseres Geschmackserlebnis bietet – und nicht leidet.

• Eine neue Generation von kreativen Asia-Restaurants in Deutschland, die gehobenen kulinarischen Anspruch mit fernöstlicher Aromatik und entspannt-stylishem Ambiente verbinden.

• Die „Ceviche-Invasion“: Als Nachfolger der New Nordic Cuisine sind weltweit die Küchen Südamerikas auf dem Vormarsch – vor allem Peru und Mexiko schmeckt man auch bei uns immer öfter.

• Ein wachsendes Gästebedürfnis nach alkoholfreien Essensbegleitern, für das immer mehr Köche kreative Alternativen zum Wein entwickeln.

 

Der „Koch des Jahres“ bietet kosmopolitische Gerichte von Weltrang

Für seine „kosmopolitischen Gerichte von Weltrang, in denen er klassisch französische Kochkunst, japanische Inspiration und ein fanatisches Verhältnis zum guten Produkt verbindet“, kürt der Guide den 46-jährigen Christian Bau vom Restaurant Victor’s Fine Dining by Christian Bau im saarländischen Perl zum „Koch des Jahres“. „Langoustine grillt er über der Holzkohle von japanischer Steineiche und glasiert sie mit einem Hauch süßer Miso, zum Reh mit japanischer Aubergine, winzigen gerösteten Zwiebeln und knuspriger Innereien-Praline gibt er eine geradezu kühn erscheinende Sauerbratensauce und die Gänseleberterrine überzieht er mit Gelee von Arabica-Kaffee, legt obenauf eine vergoldete geröstete Haselnuss und anbei etwas Sauerkirsche sowie geeiste Perlen aus Gänseleber.“ Für solche Gerichte erhält der gebürtige Badener, der seine Freizeit am liebsten mit Frau und Töchtern verbringt und gern mit ihnen reist, erstmals 19,5 von 20 möglichen Punkten. Sie stehen in dem Guide, der nach dem französischen Schulnotensystem urteilt, für „weltbeste Restaurants”.

 

Deutschlands beste Köche

An der Spitze der kulinarischen Hitparade des Gault & Millau stehen mit je 19,5 Punkten:

• Klaus Erfort vom GästeHaus in Saarbrücken: „Dass dem meistkopierten deutschen Koch die Experimentierfreude nicht verlorengeht, zeigt der kross gebratene Schweineschwanz: Zwölf Stunden vakuumiert er die seltene Delikatesse in Pökellauge, dann wird sie gepresst, auf der Haut kross gebraten und mit einem kleinen Auberginensalat serviert, dazu gibt es Pfeffer-Gel mit feiner Zitrussäure und Chili-Jus.“

• Joachim Wissler vom Vendôme in Bergisch Gladbach bei Köln: „Er führt mit nie erlahmender Kreativität schon seit einem Jahrzehnt die deutsche Avantgarde an und erhebt beispielsweise Kalbshirn-Piccata zum kongenialen Partner eines blauen Hummers mit jungen Erbsen und kleinen Pfifferlingen à la nage und einem Masala-Tandoori samt Hummertatar in einem Sepiaknusperblatt.“

• Christian Jürgens vom Restaurant Überfahrt in Rottach-Egern: „Für seine ‚Tarte Saint Tropez‘ schichtet er kunstvoll ein Türmchen aus knusperndem Blätterteig, aromensatter Tomate und einer 1a-Rotbarbe. Sie ist auf der Haut gebraten, wobei die Schuppen mit siedend heißem Öl übergossen wurden, sodass ein reizvoller Knuspereffekt entsteht. Die Tomate wurde in Tomatenbutter und aus Ofentomaten bereitetem Püree getränkt und durch kalten Holzkohlerauch aromatisiert.“

• Christian Bau vom Victor’s Fine Dining by Christian Bau im saarländischen Perl: „Er verbindet in seinen kosmopolitischen Gerichten von Weltrang klassisch französische Kochkunst, japanische Inspiration und ein fanatisches Verhältnis zum guten Produkt.“

• Sven Elverfeld vom Aqua in Wolfsburg: „Er entwickelte in seiner Küche, die auf wunderbar unaufgeregte Art weltoffen und bodenständig zugleich ist, aus Traditionsgerichten eine Essenz zeitgemäßer deutscher Kulinarik, die er mit Inspirationen aus aller Welt spickt. Ein Geistesblitz zum Fisch ist das ‚gebeizte Soja-Ei‘: Der Dotter wird in einer Mixtur verschiedener Sojasaucen stundenlang nur knapp über Zimmertemperatur bis zur vollendeten Cremigkeit gegart.“

• Torsten Michel von der Schwarzwaldstube in Baiersbronn: „Schon seit April 2016 Küchenchef und bietet auch nach Harald Wohlfahrts Abgang die gewohnte ganz Große Küche. Im ‚Mosaik von kleinen Schalentieren‘ sind die Schätze aus dem Meer (wie Belon- und Gillardeau-Austern, Stab-, Kamm- und Entenmuscheln) roh belassen, Muschelgelee und Austernwasser unterstreichen die Meeresaromatik, Limonenmarinade sorgt für feines Säurespiel und als Clou sind Kaviarnocken wie ein schwarzer Seestern angerichtet.“

• Clemens Rambichler vom „Waldhotel Sonnora“ in Dreis bei Wittlich in der Südeifel: „Er stand sieben Jahre an der Seite des im Juli 2017 verstorbenen Helmut Thieltges, der ihn als kongenialen Souschef lobte. Nun setzt er dessen Philosophie, Küchenstil und Einsatz allerbester Produkte fort. Die Poularde mit Gänselebertalern unter einer dünn gehobelten Sellerieschicht, einem Trüffelragout und sämiger Gänselebersauce bleibt seligmachend.“

 

Ihnen folgen mit je 19 Punkten

• Thomas Bühner vom „La Vie“ in Osnabrück, der „den mit allerbestem Wagyu-Roastbeef umhüllten Kabeljau nur sanft in einem am Tisch angegossenen Sud mit Soja, Kombu-Alge, selbst getrocknetem Kabeljau nebst Rogen sowie Safran, Zitronengras, Kaffirlimette und Ingwer gart“.

• Claus-Peter Lumpp vom „Bareiss“ in Baiersbronn, bei dem „jedes Gericht so opulent ausfällt wie die Gänseleber, die als Terrine, Crème brûlée, Schaum sowie gebraten mit Gänselebermacaron und altem Balsamico dargeboten wird“.

• Tim Raue vom Restaurant „Tim Raue“ in Berlin, „der als subtiler Süß-Sauer-Scharf-Spezialist mit genauer Balance zwischen Wucht und Frische, leichthändigem Spiel der Konsistenzen, asiatischem Gewürzhauch und dosierter Schärfe im Detail brilliert“.

• Christoph Rüffer vom „Haerlin“ in Hamburg, den „nach angeräuchertem Meerforellentatar im Curry-Kefirsud mit Sauerkraut-Sauerrahmcreme, Sauerklee und Sauerampfer, beide mariniert, sowie knusprigen Körnern von rosa Pfeffer und Quinoa niemand mehr fragt, warum das Menü hier Gaumenparty heißt“.

• Peter Maria Schnurr vom „Falco“ in Leipzig, bei dem „die Langoustine nur sekundenkurz in der glühend heißen Pfanne verweilt, dann in eine hauchdünn geschnittene, gepökelte Kalbszunge gehüllt und mit Mandarinenmarmelade, ätherischem Shiso und einer superben Wasabi-Creme serviert wird“;

• Hans Stefan Steinheuer von „Steinheuers Restaurant zur alten Post“ in Bad Neuenahr, der „ein geräuchertes Eigelb unter einer blättrigen Champignonbeschichtung in einem Nest aus Makkaroni, die kunstvoll mit würziger Poulardenfarce gefüllt sind, sanft in einem warmen Geflügelfond mit leichtem Rauchteearoma und würzigen Speckwürfelchen zerfließen lässt“.

Auf 18 Punkte steigern sich Kevin Fehling vom „The Table“ in Hamburg, Dirk Hoberg vom „Ophelia“ in Konstanz, der für seine „spezielle Begabung, einfache Gerichte auf das Niveau der Spitzenküche zu erheben“, als „Aufsteiger des Jahres“ gekürt wurde, und Diethard Urbansky vom „Dallmayr“ in München. Die gleiche Note erkocht sich auch Nils Henkel vom „Schwarzenstein“ in Geisenheim, der nach Schließung des „Schloss Lerbach“ in Bergisch Gladbach Ende 2014, wo er 19 Punkte hatte, in die Spitzenküche zurückkehrte.

Auf 17 Punkte verbessern sich Lars Keiling vom „Keilings“ in Bad Bentheiman der holländischen Grenze, Christian Lohse vom „Fischers Fritz“ in Berlin (der Ende 2017 geht), Christian Sturm-Willms vom „Yunico“ in Bonn, Pierre Nippkow von der „Ostseelounge“ in Dierhagen/Darß, Daniel Raub von der „Genießer Stube“ in Friedland bei Göttingen, Christian Richter vom „Perior“ in Leer/Ostfriesland, Philipp Stein vom „Favorite“ in Mainz, Peter Hagen vom „Ammolite“ in Rust bei Freiburg und Boris Rommel vom „Le Cerf“ in Öhringen bei Heilbronn. Die gleiche Note erreichen auf Anhieb auch die erstmals als Küchenchef agierenden René Klages vom „17fuffzig“ in Burg/Spreewald und Maurice Kriegs vom „Schuhbecks Fine Dining“ in München.

 

Christian Sturm Willems vom Yunico in Bonn

Christian Sturm Willems vom Yunico in Bonn

Weitere Auszeichnungen des Gault & Millau 2018

• Gastgeber des Jahres: Christiane Grainer vom Restaurant „Christian“ in Kirchdorf/Oberbayern), die „als charmante und herzliche Gastgeberin in einer bayerischen Edelversion des guten alten Gasthauses (auch mit ihrer Weinkenntnis) beeindruckt“.

Aufsteiger des Jahres: Dirk Hoberg vom „Ophelia“ in Konstanz.

Entdeckung des Jahres: René Klages 17fuffzig In Burg/Spreewald.

• Sommelier des Jahres: Christian Wilhelm vom „Falco“ in Leipzig, der „schier allwissend eine aromenstarke Küche begleitet und engagierter Botschafter der aufstrebenden Winzer im deutschen Osten ist“.

• Pâtissier des Jahres: Matthias Spurk vom „Gästehaus Klaus Erfort“ in Saarbrücken, der „traditionelle Dessertwünsche ohne jede modische Effekthascherei in zeitgemäßer Leichtigkeit erfüllt“.

• Gastronom des Jahres: Boris Radczun und Stephan Landwehr (u. a. „Pauly-Saal“, „Grill Royal“, „Kin Dee“) in Berlin, die „mit großem Gespür für den Wandel der Gästewünsche und neue gastronomische Formen in der modernen Urbanität die kulinarische Szene Berlins bereichern“,

Bester Deutscher Koch im Ausland: die Berliner Zwillinge Thomas und Mathias Sühring vom „Sühring“ in Bangkok, die „mit zeitgemäßer deutscher Küche Thailands Foodies begeistern“,

• Hotelier des Jahres: die Gebrüder Carl, Michael und Stephan Geisel (u. a. „Beyond“, „Königshof“, „Excelsior“, „Anna“) in München, die als „Vollblutgastronomen und geborene Gastgeber ihre Stadt voller unternehmerischem Mut und Gestaltungsfreude um wegweisende Hotelprojekte bereichern“,

Kochschule des Jahres: Hans Haas von der Hans Haas-Kochschule (und dem Tantris) in München, weil er „Begeisterung für beste Produkte vermittelt und Leidenschaft für genussvolle Küche entfacht“.

 

Die „Jungen Talente“ des Gault & Millau

Anton de Bruyn von der Emma Metzler in Frankfurt

Anton de Bruyn von der Emma Metzler in Frankfurt

Ausdrücklich würdigt der Guide junge Köche, die in dieser Testsaison erstmals Küchenchef wurden und aufgrund ihres Talents und Engagements das kulinarische Deutschland bereichern können:

Clemens Rambichler, 27, vom „Waldhotel Sonnora“ in Dreis bei Wittlich/Südeifel (19,5 Punkte),

Maurice Kriegs, 26, von „Schuhbecks Fine Dining“ in München (17 Punkte), Tobias Gräf, 26, vom „Moro“ in Neustadt/Weinstraße und Felix Weber, 27, von der „Hofstube“ in Schmallenberg/ Sauerland (beide 16 Punkte), Dylan Watson-Brawn, 25, vom „Ernst“ in Berlin und Anton de Bruyn, 28, vom „Emma Metzler“ in Frankfurt/Main (beide 15 Punkte).

 

Insgesamt beschreibt und bewertet der Gault & Millau in seiner neuen Ausgabe 900 Adressen, darunter 104 neu aufgenommene. 749 Gourmetlokalen und Landgasthöfen, Bistros und Hotelrestaurants verleihen die 31 Tester die begehrten Kochmützen. Der Guide erscheint im Münchner ZS Verlag(736 Seiten, 39.99 €).

 

Mit einem Klick alles auf einen Blick:

Gault & Millau 2018 Bestenliste

 

 




Gault & Millau 2018: Die besten Köche in Hessen

Roastbeef mit

Popcorn-Polenta

 

Fulminanter Neustart von Nils Henkel im Rheingau. Gewinner ist auch Christoph Kubenz vom Biancalani in Frankfurt. Als „Junges Talent“ erfolgreich in Frankfurt gestartet: Anton de Bruyn von der Emma Metzler.

Einen glanzvollen Neustart mit „seiner nach wie vor aufregende Akzente setzenden Kochkunst“ feiert Nils Henkel im Restaurant Schwarzenstein in Geisenheim im Rheingau. Er kochte zuvor bis zu dessen Schließung Ende 2014 auf Schloss Lerbach in Bergisch Gladbach bei Köln. Seit Februar 2017 „bietet er mit seinen Menüs ‚Flora‘ und ‚Fauna‘ rein vegetarisch oder mit Fisch und Fleisch einen kulinarischen Fanfarenstoß, der im ganzen Rhein-Main­Gebiet und weit darüber hinaus sein geräuschvolles Echo findet. In der ‚Flora‘ zündet er ein grünes Feuerwerk bei der Liaison von Waldpilzen und Wurzeln mit grüner Karottenjus und rassigem Kreuzkümmel, in der ‚Fauna‘ verblüfft zu kurz angebratenem Waller ein Kartoffel­Meerrettich­Schaum im Mantel von saurem Apfel.“

Für solche Gerichte bekommt er in der jetzt erscheinenden Deutschlandausgabe 2018 des französischen Restaurantführers Gault & Millau, der nach dem französischen Schulnotensystem urteilt, 18 von 20 möglichen Punkten. Sie stehen für „höchste Kreativität und bestmögliche Zubereitung”. Eine höhere Note haben nur 13 Köche in Deutschland.

16 Punkte erkocht sich Christoph Kubenz als neuer Küchenchef des nach fast vierjährigem Umbau wiedereröffneten „Biancalani“ in Frankfurt dank „einer Küche von gelassener Grandezza, in der erstklassige Gamberi rossi mit leicht geräuchertem Fenchel in famosem Garnelenfond demonstrieren, wie man mit wenigen hervorragenden Komponenten zu einem optimalen Genusserlebnis kommen kann“.

Auf 15 Punkte steigert sich Alex Nixdorf vom „Stanley Diamond“ (Bild oben rechts) in Frankfurt durch „zeitgemäß interpretierte Klassiker wie Lachs mit filigranem Blumenkohlgeröstl, Kartoffelmousseline und Zitrus­-Kapern-­Sud“. Die gleiche Note erreichen in neuen Küchenchefpositionen in Frankfurt auch

• der als „Junges Talent“ gewürdigte Anton de Bruyn, 28, der das Museumsrestaurant „Emma Metzler“ nach dessen Facelift übernahm und „in seiner jungen, zeitgemäßen Hochküche das Freilandhuhn mit Reineclauden, Pesto und Pastinaken bietet“;

Alfred Friedrich, 60, der „zum Urgestein der Frankfurter Spitzengastronomie zählt und nun das Traditionslokal „Zur Golden Kron“ mit österreichischen Klassikern und verfeinerter Landhausküche zum Edelgasthaus erhebt“;

Hai Minh Hoang, der in der „Frankfurter Botschaft“ das „Handkäsetatar mit gebackenem, grün­tapeziertem Kräuterei ebenso delikat schickt wie gedämpften Steinbutt in zarter Yuzu­ Sauce“.

Alexander Hohlwein

Alexander Hohlwein vom 360 Grad in Limburg

Die besten Köche in Hessen 

Platz 1 der kulinarischen Hitparade des Gault & Millau in Hessen teilt sich Newcomer Nils Henkel mit Andreas Krolik vom Frankfurter „Lafleur“. Über dessen Küche schwärmen die Tester: „Er intoniert in seinen virtuosen Aromenkonzerten voller Harmonien keine Paukenschläge, sondern ein fein abgestimmtes Spiel der Süße und Schärfe. Zum hauchdünn geschnittenen, roh marinierten Kaisergranat, der mit Kaviar, Gurke, Haselnuss und Zitrone eine perfekte Begleitung hat, gibt er noch ein tomatisiertes Krustentier­Eis, das wie ein neues Meerestier verblüfft.“

Auf Platz 2 stehen weiterhin mit 17 Punkten, die sie für inspirierte Gerichte bekommen:

Patrick Bittner vom „Restaurant Français“ in Frankfurt („Gänseleber mit einem Parfait von der Herzkirsche, Haferknusper und leichtem Kaffeearoma“),

Carmelo Greco vom „Carmelo Greco“ in Frankfurt („Potpourri von Meeresfrüchten mit

Austernkresse und luftigem Sud aus reduziertem Rosé­Spumante und einem leichten Schuss Essig“),

Michael Kammermeier von der „Ente“ in Wiesbaden („beim Zander sorgt Gulaschsaft für den Aha-Effekt, zum Roastbeef, das mit Honig und Piment d’espelette glasiert ist, überrascht Popcorn-Polenta“),

Mario Lohninger vom „Lohninger“ in Frankfurt („schlicht großartig der bretonische Seeteufel mit Eierschwammerlgulasch in feiner Schalotten­Thymian­Jus“),

Patrick Spies vom „L’Etable“ in Bad Hersfeld („zur dicken Seezunge mit sesamgewürzter Selleriecreme schwimmt in der klassischen hellen Fischsauce ein mit geraspelten Macadamianüssen bestreutes Eigelb, das beim Anstich sanft in der Sauce zerfließt“).

Die Tester beschreiben und bewerten dieses Jahr insgesamt 68 Restaurants in Hessen. 63 Küchenchefs zeichnen sie mit einer oder mehreren Kochmützen aus. Darunter sind auch die neueröffneten oder wiederaufgenommenen Lokale „Fabbri-Ca“ in Frankfurt (14 Punkte), „Das kleine Restaurant“ in Marburg und „Backschaft“ in Offenbach (je 13 Punkte). Im Vergleich zur Vorjahresausgabe serviert der Gault & Millau in Hessen 10 langweilig gewordene Restaurants ab und nimmt 8 neu auf, 4 werden höher, 9 niedriger bewertet. Der Guide erscheint im Münchner ZS Verlag (736 Seiten, 39.99 €).

Christoph Kubenz vom Biancalani in Frankfurt

Christoph Kubenz vom Biancalani in Frankfurt

 

Die besten Restaurants des Gault & Millau 2018

in Hessen

 

 

 

 

 

18 Punkte

Lafleur in Frankfurt

** Schwarzenstein in Geisenheim

 

17 Punkte

Carmelo Greco, Français und Lohninger in Frankfurt

L’Etable in Bad Hersfeld

Ente in Wiesbaden

 

16 Punkte

Philipp Soldan in Frankenberg (Eder)

**Biancalani, Erno’s Bistro, Gustav und Weinsinn in Frankfurt

360° in Limburg

Schaumahl in Offenbach

 

15 Punkte

Drei Birken in Birkenau

Adler Wirtschaft und ***Kronenschlösschen in Eltville

Emma Metzler, *Frankfurter Botschaft, Heimat, **Stanley Diamond, Villa Merton und *Zur Golden Kron in Frankfurt

Schützenhof in Glashütten/Taunus

Krone in Höchst/Odenwald

Sänger’s in Bad Homburg

*** Villa Rothschild in Königstein

Kraftwerk in Oberursel

Gutshof Itterbach in Willingen

*Newcomer **Aufsteiger  ***Absteiger

 

Mit einem Klick: Gault & Millau 2018 Bestenliste

 

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Restaurantkritik: Nils Henkels Comeback auf Burg Schwarzenstein

Cuisine sublim

Der Rheingau ist um eine Top-Adresse reicher

 

Von Ludwig Fienhold

 

Es mag vielleicht bei einer Restaurantkritik beinahe schon despektierlich wirken, wenn man zuerst von der Butter und dem Brot und nicht dem eigentlichen Essen schwärmt. Aber die aufgeschlagene Nussbutter, die Sauerampfer-Frischkäsecreme und das Brot des fränkischen Bäckers Arnd Erbel sind derart gut, dass man vor Freude Purzelbäume schlagen möchte. Nils Henkel zeigt jedenfalls von der ersten Minute an, wie gerne er mit allem, was auf den Tisch kommt, glänzen möchte. Die seit Jahren sehr ambitionierte Burg Schwarzenstein in Geisenheim im Rheingau hat mit ihm einen kulinarischen Gewinn gezogen, der in ganz Deutschland aufhorchen lässt.

Felsenrotbarbe

Felsenrotbarbe

Beim Eintritt in das Restaurant empfindet man die blasse Optik als ernüchternd. Der kleine, verglaste und grau möblierte Speisesalon gewinnt aber zusehends, weil man die ruhige Gestaltung als sehr entspannend empfinden kann. Die Terrasse mit famosem Ausblick auf Weinberge und Rhein bringt wieder mehr Spannung ein. Dass ein Besuch im besten Sinn gastfreundlich verläuft, liegt an der herzlichen engagierten Restaurantleiterin Marina Saldaña und dem klug und ruhig beratenden Sommelier Michel Fourquet. Die Küche erkundet Wald und Wiese, fischt aber auch ungetrübt aus dem Meer.

Kingfish

Kingfish

Es gibt nur zwei Menüs, Fauna (145 – 180 €, 6-8 Gänge) und Flora (125 – 155 €, 6 – 8 Gänge), die man auch kombinieren kann. Wenn man die Amuse vorneweg und die Pre-Desserts sowie das Brot- und Butter-Ensemble mit einbezieht, so kommt hier ein stattliches Angebot zusammen. Ein Held, wer sich hier bremsen kann. Gute Laune machen auch die Appetithappen vorneweg: Mutiges Handkäs-Baisser; cremiger Ochsenschwanz im Überraschungs-Ei; geschmorter Aal mit Koriander-Gel, weißer Bohnencreme und Apfel.

Schwarzwurzel

Schwarzwurzel

Eine frische animierende Vorspeise: Das ausgezeichnete Kingfish-Ceviche im inspirierenden Limonen-Koriander-Sud mit Staudensellerie, Pomelo, Orangencreme und Sellerie-Eis. Unwiderstehliches Mittelmeer-Meeresfrüchte-Appeal: Wunderbar fleischige Felsenrotbarbe in grandioser Sauce Bourride mit Tintenfisch und Herzmuscheln. Good Gamba: Gebeizte knackig-frische bayerische Salzwassergarnele von den Urban Fishermann „Crusta Nova“ in einer gewaltig guten Kombination mit Brunnenkresse, Linsen-Miso, Sojagelee und Sellerie-Sorbet.  Ziemlich grün: Geballte Froschschenkel, in etwas ausdrucksloser Petersilienhülle frittiert, mit Süßholzjus sowie grober und eher langweiliger konfierter Zwiebel. Auch ein Meister fällt mal aus allen Wolken: Das Schwarzwald-Lamm ging leider vollends daneben, nur lauwarm, unschöne Konsistenz, fader Geschmack. So endet nicht selten Garung à la sous vide, was aber auf Nachfrage nicht der Fall gewesen sein soll. Das vielleicht Beste aus  dem Flora-Menü: Schwarzwurzel in Trüffelemulsion, mit schwarzem Trüffel, Kaffee-Mousse und Salatcreme. Clou: Die Schwarzwurzel wird mit einer „Erde“ aus Pilzen, Kaffeebohnen und Malzbier ummantelt. Vegetarisch in Hülle & Fülle: Artischockensalat, Petersilie, Kapern, Rosinen, Fingerlimes belagern einen großen Teller und wollen nicht harmonisch zusammenfinden. Charmantes Sommer-Dessert: Gewürzananas, Tamarinden-Eis, Joghurt-Mousse und Tamarillo-Gel. Beglückend: Rhabarber, konfiert und als Mousse, Butterkekscreme-Röllchen, gebackener Limone-Topfen-Knödel, Estragon-Eis.

Froschschenkel

Froschschenkel

Sommelier Michel Fourquet schüttet nicht sein Wissen aus, sondern zeigt sich als angenehm dezenter Berater, der die Gästevorlieben auslotet, bevor er eine Empfehlung gibt. Der superb gereifte trockene Riesling Oestrich Doosberg aus dem Jahr 2010 von Peter-Jacob Kühn ist solo schon beseligend, entfaltet sich aber noch besser zur Felsenrotbarbe mit Sauce Bourride und deren aparten Safrannote. Restaurantleiterin Marina Saldaña strahlt als habe sie noch nie einen Regentag erlebt, wobei auch sonst der Service aufmerksam arbeitet.

Nils Henkel hatte auf Schloss Lerbach am Ende seinen dritten Stern verloren. Ist es aber eigentlich wirklich so wichtig, ob er nun einen, zwei oder drei Sterne wert ist? Ein Besuch bei Nils Henkel auf Burg Schwarzenstein ist in jedem Fall einen Umweg und eine Reise wert. Allein für Nussbutter und Brot würden wir schon ziemlich weit fahren.

Siehe auch BISS-Artikel Nils Henkel wird Küchenchef auf Burg Schwarzenstein im Rheingau

 

Nils Henkel auf Burg Schwarzenstein-Titel(0)Restaurant Schwarzenstein Nils Henkel, Geisenheim im Rheingau, Rosengasse 32, Tel. 06722 99500. Geöffnet: Mittwoch bis Freitag 18.30 – 22 Uhr, Samstag und Sonntag 12 – 14.30 Uhr sowie 18.30 – 22 Uhr (Küchenzeiten). Montag und Dienstag geschlossen.

www.burg-schwarzenstein.de

 

 

 

 

 

 

Photocredit: Barbara Fienhold, das Bild von Nils Henkel wurde von Burg Schwarzenstein zur Verfügung gestellt




Der Tag, an dem die Politik verschwand

Comeback von Joschka Fischer als Gastrokritiker

Ich erinnere mich noch gut an das Jahr 2021, so als wenn es erst gestern gewesen wäre. Die politische Landschaft war ausgetrocknet. Längst hatten sich die einst Mächtigen in den Ruhestand verabschiedet oder die Fronten gewechselt, selbst jene, von denen auch im Alter noch etwas zu erwarten gewesen wäre. Gerhard Schröder hatte sich sogar aus den Geschäften in Russland zurückgezogen und tollte tagaus tagein mit seinen Zuchtferkeln Schnitzel und Stimmvieh durch die Lüneburger Heide. Sigmar Gabriel, der nach seinem Ausscheiden aus dem politischen Leben für kurze Zeit das Großunternehmen Mercedes/Haribo leitete und an der Produktion von benzinfreien Gummiautos scheiterte, betrieb eine Dönerbude in seiner Heimatstadt Goslar, um zumindest noch kulinarisch für die deutsch-türkische Versöhnung einzutreten. Auch andere waren älter und satter geworden. Gregor Gysi, dessen politisches Feuer schneller ausgebrannt war als viele dachten, lebte als Tabakplantagenbesitzer auf Kuba. Ausgerechnet der brettsteife Thomas de Maizière fand schließlich seine Berufung als Tanzlehrer für Senioren in der Rhön. Und FDP-Chef Christian Lindner übersiedelte nach Jamaika, um in Kingston das Bob- Marley-Museum zu leiten.

Angelika Merkel hatte von der Politik ebenfalls die Nase voll und betrieb einen Hundefrisiersalon in der Uckermark. Joschka Fischer kehrte nach der Politik auch dem Redenschreiben den Rücken und verdiente sich seine Lachsbrötchen als Restaurantkritiker für ein Frankfurter Journal, das bekanntlich jeden nimmt, der eine Gabel halten kann. Der bemerkenswerteste Abschied gelang Horst Seehofer, der sogar seine bayerische Heimat verlies, um in Las Vegas als Handpuppe von David Copperfield zu arbeiten.

So kam es denn, dass bei den Bundestagswahlen im Jahre 2021 die Bürger immer blasser wurden, weil sie sich nur noch von farblosen Gesichtern umgeben sahen. Als bei Sonnenschein die Wahllokale öffneten, waren die meisten Menschen noch in ihren Betten. Auch später zogen sie es vor, ins Grüne zu fahren, durch die Straßen zu flanieren oder in den Cafés zu sitzen. Noch am selben Abend stand fest, dass die Wahlbeteiligung bei nicht einmal fünf Prozent lag und ein Großteil der Stimmen ungültig war. Die Politik war ratlos, was die Menschen im Land aber nicht weiter als Neuigkeit bewerteten. Nach wochenlangem Gezeter, bei dem die Parteien um jede Stimme stritten und zeitweise sogar daran dachten, das Wahlrecht auf dreizehn Jahre zu senken, wurden schließlich Neuwahlen ausgerufen. Es mag keine Überraschung sein, aber auch die brachten kein anderes Ergebnis. Es gab noch mehrere Wahlen, so lange, bis die Beteiligung nahezu die Nullgrenze erreicht hatte. Weder durch Appelle noch Versprechungen war das Volk in die eine oder andere Richtung zu bewegen. Die Zeit verging, doch nichts änderte sich. Es gab keine anderen Krankheiten als zuvor, niemand lebte länger oder kürzer. Die Menschen aßen und tranken, manchen ging es gut und manchen ging es schlecht. Es wurde gelacht und geweint – nur nicht mehr über die Politik. Die einstigen Volksvertreter gingen angeln, schrieben Bücher oder besuchten Freunde in der Ferne. Und das Volk blickte wie immer voll der Hoffnung in eine ungewisse Zukunft. Ja, so war das im Jahre 2021. Ich erinnere mich noch gut daran, als wäre es erst gestern gewesen.

Ludwig Fienhold

 




Schweizer Stuben reloaded: Riesling-Gala erinnert an das deutsche Küchenwunder

Großes Fest im Kloster Eberbach im Rheingau

 

Eine großartige Idee, die seligen und leider fast vergessenen Schweizer Stuben mit einer Gala wieder für einen Abend aufleben zu lassen. Die erste alte Garde der damaligen Köche war vertreten: Jörg und Dieter Müller, Hans Stefan Steinheuer und Johann Lafer sowie Egbert Engelhardt und Burkhard Schork, der im Restaurant seine Ausbildung machte. Egbert Engelhardt, der zwei Jahre in den Schweizer Stuben in Wertheim am Herd stand, band sich für ein letztes Gastspiel noch einmal die Schürze um. Engelhardt, der im Rheingau durch sein Graues Haus in guter Erinnerung bleibt, war mit seiner Consortium Gastronomie viele Jahre für die kulinarische Seite der Riesling-Gala verantwortlich und übergab Anfang des Jahres die Geschäftsführung an Cem Yoldas vom Nassauer Hof in Wiesbaden, der bei der Riesling-Gala im Kloster Eberbach als guter Geist und Gastgeber allgegenwärtig war.

Wilhelm Weil begrüßt die Gäste

Wilhelm Weil begrüßt die Gäste

657 Gäste kamen zur großen Riesling-Gala ins Dormatorium des Klosters Eberbach. Im einstigen monumentalen Schlafsaal ging es  quicklebendig zu. Die festliche Stimmung war dem Ereignis angemessen, denn diese Gala ist auch ein gesellschaftliches Ereignis, zu dem einige von weit her anreisen. Man erinnerte nicht nur mit manchem Gericht an Adalbert Schmitt und seine Schweizer Stuben, die Bühne gehörte auch den Erinnerungen an diesen außergewöhnlichen Fabrikanten und Gastronom. Den Köchen blieb er vor allem als „Motivator“ und „Visionär“ sowie „strenger, aber auch freundschaftlicher Hausherr“ in Erinnerung, wie Jörg und Dieter Müller meinten. Bilder vom jungen Charmeur Adalbert Schmitt machten die Runde, aber auch solche vom famosen und jung verstorbenen Sommelier Pedro Sandvoss. Jörg Müller servierte getrüffeltes Gänseleberparfait im Baumkuchenmantel mit Apfelsalat und Riesling-Gelee. Unglaublich, dass man seinerzeit in den siebziger Jahren in den Schweizer Stuben damit Furore machen konnte. Damals gab es aber neben Witzigmanns Aubergine und dem Tantris in München, der Schwarzwaldstube in Baiersbronn sowie der Ente in Wiesbaden auch nur eine Handvoll Spitzenadressen in Deutschland. Die Schweizer Stuben haben so oder so das deutsche Küchenwunder möglich gemacht und die gesamte Gastronomie des Landes bewegt und nach vorne gebracht.

Dirk Würtz & sein dickes Bottle-Baby

Dirk Würtz & sein dickes Bottle-Baby

Die leicht nostalgische Riesling-Gala war vor allem ein Ereignis für Weinfreunde. So viel herausragende Tropfen an einem Abend kann man nur selten erleben. An jedem Tisch waren andere Winzer mit ihren Erzeugnissen vertreten, meist Große Gewächse und andere Spezialitäten, auch aus der Doppelmagnum oder der übergroßen Salmanasar-Bottle mit 9 Litern. An unserer Tafel wurde das sechs Gänge-Menü von wunderbaren Weinen von Wilhelm Weil (Rheingau) und Ernst Loosen (Mosel) serviert. Die größte Flasche des Abends tischte Dirk Würtz vom Rheingauer Weingut Balthasar Ress auf. Ganz passend eine Balthasar mit einem Fassungsvermögen von 12 Litern (Rüdesheimer Riesling, Jahrgang 2013). Man konnte auch an anderen Stationen probieren und viel Gutes vom Schlossgut  Diel (Nahe) und den Rheingauer Weingütern Leitz und Spreitzer entdecken. Der Event wurde zum Fass ohne Boden.  Die Service-Brigade der Consortium Gastronomie Wiesbaden vollbrachte schwungvoll eine logistische Meisterleistung. Die erste Riesling-Gala fand vor fast 30 Jahren statt, zweimal fand sie nicht statt. Zum 30. Jubiläum im übernächsten Jahr darf man ein Highlight erwarten.

LF

Riesling GalaIm Tickets-Preis von 230 € enthalten: Aperitif, Gala-Menü mit begleitenden Weinen, Dessert, Kaffee und Weinbar mit weiteren Herzhaftigkeiten. Zeit: 11 – 18 Uhr Gala, danach open end. Insgesamt über 30 Weingüter vertreten. Weitere Infos: Verband deutscher Prädikatsweingüter (VdP) Rheingau, Kiedrich, Tel. 06123 / 67 68 12 . www.vdp-rheingau.de

 

Photocredit: Barbara Fienhold

 

 

 

 

 

Historischer Nachschlag aus dem Archiv

Das Ende einer Legende

 

Abschied von Adalbert Schmitt

und den Schweizer Stuben

 

Unvergessen, wie er mit dem Blick des Künstlers unterm Strohhut rastlos übers Gelände streifte, als sei er auf der Suche nach einem Motiv. Die Schweizer Stuben waren seine Inspiration, die ihn zu einer kulinarischen Palette greifen ließ, mit der er immer wieder neue Farben hintuschte – vor allem aber das Lavendellila Südfrankreichs und die Erdtöne Italiens. Jetzt ist die Leinwand weiß und trägt einen Trauerrand. Adalbert Schmidt wurde zu Grabe getragen, die Legende Schweizer Stuben ebenso.

Den 70. Geburtstag hatte er noch in seinem Hotel in Wertheim am Main gefeiert, in der ihm eigenen Mischung aus Lebensfreude, Schnodderigkeit und Ironie. Zu diesem Zeitpunkt hatte Schmitt gar gehofft, dass die Outlet-Factory-Stores des neu entstehenden „Wertheim Village“ zusätzliche Gäste bescheren würden, doch die Insolvenz war nicht mehr aufzuhalten. Adalbert Schmitt, dessen Privathaus nur wenige Schritte von den Schweizer Stuben entfernt stand, glitten nach einem Jahre währenden Krisengalopp die Zügel vollends aus der Hand. Dass ein solch vitaler Mann mit 73 Jahren durch einen Schlaganfall aus dem Leben scheidet, hängt mit dem Verlust seines Lebenswerkes zusammen, denn die Schweizer Stuben waren weit mehr als eine herkömmliche Hotelanlage: Hier fand vor 33 Jahren die Geburtsstunde eines deutschen Küchenwunders statt. In dieser Talentschmiede wurden viele spätere Sterneköche geformt und gefördert: Dieter und Jörg Müller, Fritz Schilling, Hans Stefan Steinheuer, Stefan Marquard, Ingo Holland, Harald Rüssel und Johann Lafer. Als Spiritus rector sorgte Adalbert Schmitt für jene Prise Geschmacksgenialität, aus der Gutes zu Großem zu werden vermag. Mit untrüglicher Sensorik und kompromissloser Strenge war er der Coach seiner Köche und entwickelte sich dabei selbst zu einer der schillerndsten und maßgebendsten Figuren der deutschen Gastronomie. Er schimpfte auch nach 30 Jahren im politisch baden-württembergischen und lokalkoloriert fränkischen Wertheim noch in bester hessischer Mundart, denn er wuchs in der Bornheimer Heiligkreuzgemeinde im unweiten Frankfurt auf, wo der auch in ihm sitzende Schalk schon immer zu Hause war. Alles, was Schmitt einst als Kunststofffabrikant an einem Millionenvermögen verdient hatte, steckte er in seine Schweizer Stuben, zumal sie ganz im Gegensatz zum Plastik genau die Lebendigkeit versprachen, die er wirklich suchte.

Durch gleich drei Restaurants, die sich zwischen feudalen Chalets auf grüner Wiese in Wertheim-Bettingen am Main verteilten, erwuchs aus den Schweizer Stuben ein Feinschmeckerdorf. Hier erblühte im Hauptrestaurant die Aromenküche Südfrankreichs, ließ die Taverna La Vigna Italien kaum vermissen, zeigte der Landgasthof Schober wie gut fränkische Dorfküche sein kann. Auch das Frühstück geriet stets besser als in den meisten Hotels und wurde à la carte serviert. Das Relais- & Châteaux-Haus hatte insgesamt 33 Wohneinheiten (22 DZ, 3 Suiten, 8 Appartements), wobei die im Landhaus schon eher bungalowartig ausfielen. Schwimmbad, Tennisplätze und Beautyfarm verschafften Urlaubsgefühle, welche durch die Lage in heiler Natur verstärkt wurde. In den siebziger und achtziger Jahren reisten die Gäste zu einem solchen Hort der Glückseligkeit selbst von weit an, Anfang der neunziger hatten sie irgendwo auf der Welt längst auch andere schöne Plätze erkundet. Den Schweizer Stuben haftete trotz aller kulinarischen Anstrengungen und Erfolge plötzlich das negative Bild des Verstaubten an.

Nach dem (vorläufigen) Ende der Schweizer Stuben vor drei Jahren – die besten Köche befanden sich bereits in anderen Hotels – übernahmen zwei neue, gastronomisch unkundige Betreiber aus Leipzig das Unternehmen. Helmut Materna und Siegmar Sasek (GbR) führten die Anlage ohne Konzept und Fortune und mussten Ende letzten Jahres ebenfalls in die Insolvenz gehen. Mit einem Schlag standen die verbliebenen Mitarbeiter des Hotels ohne Arbeitgeber da, wobei sich die vorausschauenden der einst 80 Angestellten ohnedies schon längst abgesetzt hatten. Inzwischen haben die Gläubigerbanken den Besitz an eine gewisse East Western Real Estate Company verkauft, dem Vernehmen nach für einen Schnäppchenpreis von 1,3 Millionen Euro. Langfristig will das Unternehmen aus dem ehemaligen Resort Miet- und Eigentumswohnungen machen, wobei im hinteren Bereich, wo einst das italienische Lokal war, ein nobles Altenwohnheim entstehen soll. Bis dieses, von der Stadt Wertheim abzusegnende Vorhaben umgesetzt werden kann, herrscht eine eher gespenstische Situation. Derzeit sind die schönen Zimmer bereits ab 55 Euro zu haben. Im einstigen Gourmetrestaurant werden Billig-Schnitzel in allen Varianten serviert, auf dem gleichen feinen Porzellan wie in den großen Zeiten des Hotels. Wer heute über das wie ausgestorben wirkende Gelände in Wertheim streift, den ergreift ein Gefühl der Beklemmung. Aber auch der Dankbarkeit, dass es so etwas wie die Schweizer Stuben überhaupt gegeben hat.

Ludwig Fienhold

 

Nachtrag

Zur Beerdigung von Adalbert Schmitt kamen 350 Menschen, darunter fast alle Spitzenküche aus seiner einstigen Brigade, wie die Brüder Dieter und Jörg Müller. Der Chefredakteur des Restaurantführers Gault Millau Manfred Kohnke nannte Schmitt in einer bewegenden Grabrede einen leidenschaftlichen, phantasievollen und hochsensiblen Schöngeist, der mit dazu beigetragen habe, dass Deutschland nicht nur als Land der Dichter und Denker, sondern auch der Genießer bekannt wurde. Adalbert Schmitts Frau Petra leitet nach wie vor das Vier-Sterne-Seehotel Niedernberg bei Aschaffenburg, Sohn Andreas ist Wirtschaftsdirektor bei Privathotelier Althoff und für die gastronomischen Belange aller Häuser verantwortlich, Sohn Roman führt das Upstalboom Strandhotel auf Wangerooge

Dieser einzige größere Nachruf in Deutschland erschien am 30. Juli 2005 in der Frankfurter Neue Presse

 

 

 




Der neue Michelin 2018: Gewinner & Verlierer auf einen Blick

Neuer Glanz am Sternenhimmel: Das Restaurant Atelier von Jan Hartwig im Bayerischen Hof in München erhält erstmals drei Sterne im neuen Guide 2018. Die größte Überraschung ist das mit zwei Sternen ausgezeichnete Keilings im niedersächsischen Bad Bentheim. Die Schwarzwaldstube in der Traube Tonbach in Baiersbronn ist abermals mit einem dritten Stern gekürt worden, womit sich der Nachfolger von Harald Wohlfahrt, Torsten Michel,  für heute Abend beruhigt zurücklehnen kann. Nils Henkel von der Burg Schwarzenstein im Rheingau erhielt zwei Sterne, während der Frankfurter Tigerpalast seine beiden Sterne verlor. Im Rhein-Main-Gebiet standen neben Nils Henkel vor allem hier Restaurants im Blickpunkt des Interesses. Wird das umstrittene Atelier Wilma in Frankfurt wieder ausgezeichnet?  Darf das Seven Swans nach seiner Totalumstellung auf Vegetarisch seinen Stern behalten? Konnte das neue Frankfurter Biancalani mit seiner kreativen italienischen Küche ausreichend überzeugen? War das Kronenschlösschen in Hattenheim im Rheingau in der Lage, den verloren gegangenen Stern wieder zu bekommen? Atelier Wilma und Seven Swans haben ihren Stern behalten, Biancalani und Kronenschlösschen gehen leer aus.

Insgesamt gibt es in Deutschland elf 3-Sterne-Restaurants, eins mehr als im Vorjahr. Der Michelin kommt am 17. November in den Buchhandel.

Bild oben: Die neuen 2-Sterne-Köche: v.l. Marco Müller, Rutz; Tristan Brandt, Opus V; Tohru Nakamura, Geisels Werneckhof.

Alle Sterne auf einen Blick mit einem Klick:

Sterne 2018

Michelin 2018 Gewinnertypen

 

 

 

 

 

 

 

Glückliche Gewinner (v.l.) Nils Henkel, Christian Scharrer, Jan Hartwig, Boris Rommel und Lars Keiling




Restaurantkritik: Seven Swans

Kraut & Rüben sind noch keine vegetarische Küche

 

Von Ludwig Fienhold

 

Grüner Problemfall

So wird das nichts mit dem Vegetariat

 

Das Seven Swans hat sich an der Wurzel gepackt und serviert nur noch Grünes, vorwiegend von den eigenen Wiesen im Taunus. Man will ohne Fisch und Fleisch auskommen, hat aber die alte Küchenmannschaft beibehalten, die mit dem bisherigen Konzept sehr gut aufgestellt war. Dieser radikale Schnitt mag aus der Sicht eines Vegetariers ein Fortschritt sein, aus dem Blickwinkel des Genießers wurde damit aber die eigentliche Substanz aufs Spiel gesetzt.

Dass man vor dem Essen seine Hände in unschuldiges Wasser mit Kräutern tauchen und reinwaschen kann, passt zu einem vegetarischen Restaurant, ist aber auch ein Ritual, das wie alle Rituale Nervpotential hat. Man kann es allerdings ebenso als netten Einstieg begreifen. Das eigentliche Entree mit gutem Vinschgauer Brot, gesalzener Butter mit Tannenwipfelsprossen und Rapsöl mit Knoblauchrauke ist uns dennoch lieber. Im Seven Swans gibt es nur noch zwei Menüs (5 Gänge 79 €, 6 Gänge  89 €), denen man mit keiner Kombination entkommen kann – alles nur noch im grünen Bereich. Für einen, der nach einem Wurstzipfel sucht, gibt es keinen Lichtblick. Der Jagdhund am Nebentisch saß unterm Tisch und würdigte dem Geschehen nicht einmal einen müden Blick.

Jan Hoffmann mit sterbendem Schwan

Jan Hoffmann mit sterbendem Schwan

Die Preise sind ganz gewiss für die ein Problem, die keine hochwertigen und teuren Fleisch/Fisch-Produkte mehr auf dem Teller sehen, sondern nur noch Gemüse, Wurzeln und Kräuter, die von den eigenen Wiesen im Taunus stammen. Können der Einsatz des Gärtners dort und der Mehraufwand in der Küche diese Preise rechtfertigen?

Das wäre alles gar kein so großes Thema, wenn das Ergebnis stimmen würde. Wir hatten angesichts der Speisekarte kein geschmackliches Erdbeben erwartet, aber doch wenigstens so etwas wie eine Regung. Es rührte sich aber leider auf keinem Teller etwas. Kein Blatt lebte, alles wirkt müde, energielos, monoton. Beim Grünkohl mit Holunder, Blumenkohl und Graupen war von einem Holunderduft nichts wahrzunehmen, die ganze Masse erschien eher wie eine einsame Grütze, die sich nicht nach der Gesellschaft des Gastes sehnte und lieber weiter allein bleiben wollte. Wir haben sie und uns dennoch gequält, weil wir dachten, dass irgendwann in der Tiefe des Tellers vielleicht doch noch so etwas wie Geschmack auftauchen könnte. Man kann mit Zucchini, Johannisbeeren, Senfsaat und Wildkräutern spielen, nur muss dann auch eine schlüssige Kombination mit einer Aussage daraus entstehen. Buschbohnen, Äpfel, Schalotten, Linsen und Altefelder Uralt Käse sind für sich genommen ehrenwerte Gesellen. Man kann sie aber auch gegen ihren Willen so zusammenbringen, dass ihre Verbindung völlig sinnlos erscheint. Seltsam leer auch die Mixtur aus Zuckerwurzel, Pfirsich, Vogelmiere und Haferwurz. Wir hofften insgeheim, dass spätestens jetzt Hape Kerkeling aus der Küche springen würde, der seinerzeit mit seinem legendären „Hurz“-Gesangsgedicht den Ernst des Bildungsbürgertums parodierte. Doch das Essen im Seven Swans war bitterer Ernst.

Grünkohl-Gericht

Grünkohl-Gericht

Kraut und Rüben ergeben noch lange keine vegetarische Küche. Wie man Vegetarisches mit Finesse, Aromatik und Spannung präsentieren kann, zeigen in Frankfurt beispielsweise die Restaurants Lafleur und Gustav. Küchenchef Jan Hoffmann und sein Team vom Seven Swans haben vor der Konvertierung zum Vegetarischen bewiesen, dass sie gut sind und tolle Gerichte über den Pass schicken können. Doch jetzt scheint alles anders. Hier kocht jemand mit großer Mühe und doch verzweifelt vor allem gegen sein eigentliches Talent an.

Im Seven Swans wurde schon immer mit Hang fürs Grün gearbeitet. Als das Restaurant mit Kimberly Unser als Küchenchefin eröffnete, hatte es mit seiner kunterbunten Wald & Wiesen-Küche einen innenwohnender Zauber, den es danach nie wieder erreichte.

Seven SwansDas Seven Swans gehört zu den schönsten und amüsantesten Design-Adressen der Stadt. Der Service ist besser denn je. Der neue Restaurantleiter Christoph Schulz zeigt die Leidenschaft, die der Küche derzeit fehlt. Seinem beherzten und fundierten Engagement ist es zu verdanken, dass der Abend im Seven Swans etwas Freudiges und Lebendiges vermittelte. Ähnliches gilt für die Weine. Anfangs gab es eine recht kümmerliche Karte, die trotz mancher zufälliger Treffer oft ins Leere zielte. Inzwischen ist daraus immerhin eine eigenständige gute Auswahl geworden, die biologische Weine präferiert. Es gibt ausreichende Empfehlungen – etwa den wunderbaren frischen Jura-Chardonnay „Marcus Terentius Varro“ von der Domaine Buronfosse. Eine absolute Überraschung ist  der feinperlende Cremant von Rietsch aus dem Elsass, wo dieser Extra Brut gemachte Schaumwein unter den alkoholischen Zuckerbomben der Region wie ein schlanker Exot erscheint.

 

Seven SwansSeven Swans, Frankfurt, Mainkai 4, Tel. (069) 21 99 6226. Geöffnet Dienstag – Samstag ab 18.30 Uhr. Menü: 79 und 89 €.

 www.sevenswans.de.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 




Restaurantkritik Biancalani: Neue kreative italienische Küche

Wo sich Unschuld

und Lust vereinen

 

Von Ludwig Fienhold

 

Welch ein fulminanter Start. Schon kurz nach der Eröffnung zählt das Biancalani zu den spannendsten italienischen Restaurants in Deutschland. Wohlige Wohnküchen-Atmosphäre, individuelle kreative Küche und handverlesene Weine schaffen eine außergewöhnlich gute Spitzenposition.

Die Toskana ist keine bloße Landschaft, sie ist der Sehnsuchtsort unserer Seele. Im Biancalani zergeht die Sehnsucht auf der Zunge. Schwebende Teller fügen sich zu einem Corso al Gusto, bei dem man zwischen 10 Gerichten wählen und beliebig kombinieren kann (à 15 €, ab dem 5. Teller nur 10 €). Zwei würden im Grunde genügen, doch man verlangt unweigerlich nach mehr, weil alles animierend, beschwingt und schwerelos ausfällt. Christoph Kubenz und sein Co Tomas Schön stehen nicht für eine italienische Casalinga, die gibt es ja auch schon in sehr guter Art gleich nebenan in der Casa di Tomilaia. Im Biancalani wird man von einer kreativen Küche und feinsinnigen Kombinationen überrascht, unterhalten und sogar glücklich gemacht. Es gibt auch sonst einige Adressen, die bekannt für ihre herausragenden Saucen sind, doch niemand in Frankfurt kümmert sich in einer solch hingebungsvollen Vielfalt dem Thema. Im Biancalani sind es eher selten muskulöse Reduktionen, sondern mehr luftige und doch ausdrucksvolle Fonds, die jeweils im Mini-Milchkännchen à part serviert werden.

BiancalaniMan wird sie schlecken, man wird sie löffeln und man möchte sie sich am liebsten in eigene Flaschen abfüllen lassen. Diese Essenzen der Küche sind das ganz besondere Charakteristikum des Biancalani. Die erstklassigen Roten Riesengarnelen baden in einem herrlich süffigen und mit Thymian und Knoblauch abgeschmeckten Garnelenfond und werden von geräuchertem Fenchel, Fenchelcreme und frittiertem Dill aromatisch eskortiert. Beim saftigen marinierten Tunfischtatar mit Gel von grünen Tomaten, Basilikum-Kartoffelchips und nach süßen Anis schmeckender Atsina-Kresse setzt eine duftige Basilikumcreme die Pointe. Mit wenigen Komponenten gelingen der Küche von Harmonie und Stilsicherheit getragene klarlinige Arrangements. Die Peperonata ist normalerweise ein einfaches Schmorgericht, wird aber im Biancalani anders und deutlich raffinierter aufgebaut: Paprikaterrine, grüne Paprikamarmelade, Kapern-Essig-Gurken-Tapenade, gebackene Kapern, süßer Paprikakartoffelchip, Kartoffelwürfel und Kartoffelfond. Überhaupt kann man sich hier auch den gut vertretenen vegetarischen Gerichten anvertrauen, weil sie sehr überlegt und sinnlich angelegt sind und mit dem oft zu bekommenden faden Grün nichts gemein haben. Die Küche setzt gerne Gegensätzliches ein, wenn es Sinn macht: crunchy & cremig, süß & sauer, fest & flüssig, warm & kühl. Auf dem Teller ergibt das eine schöne Dramaturgie, die der Zunge Spielraum und Spannung gibt.

Famoser Raviolo

Famoser Raviolo

Man freut sich natürlich bei einem Italiener immer über Pasta. Wer ein Maulvoll davon haben möchte, ist in der Casa di Tomilaia vielleicht besser aufgehoben. Wer aber die kleinen Delikatessen des italienischen Lebens schätzt, wird sie im Biancalani mehr genießen. Der schlotzige Raviolo mit Kalbshaxenragout, Rosinen, Sardellencreme und Spinatfond ist unwiderstehlich gut – und: niemand wird daran gehindert, einen zweiten Teller davon zu bestellen. Gerade, weil der Küche solche Pasta-Gerichte besonders gut gelingen, sollten sie auch etwas häufiger eingesetzt werden. Flank Steaks findet man inzwischen nicht nur bei Grillfreunden und immer mehr in der Topgastronomie. Die rosa gebratenen Streifen im Biancalani sind ausgezeichnet, doch Star ist noch mehr als das Fleisch die dichte energiegeladene Tonkabohnenjus. Desserts gibt es stets reizvolle, das schmelzige Maisbutter-Eis mit weißem Schokoladenbisquit und Melone ist allerschönster Kindergeburtstag für Erwachsene. Es ist die neue kreative Seite der italienischen Küche, die man als Gast im Biancalani erleben kann. Das hat Seltenheitswert in der Stadt und in ganz Deutschland. In seiner ungewöhnlichen Mischung aus Unschuld und Lust, erinnert das Biancalani an die selige Taverna la Vigna in den unvergessenen Schweizer Stuben in Wertheim. Damals galt dort gebratenes Täubchen mit Marsala-Feigensauce und gebackener Polenta als herausragend – und war es auch. Doch das Biancalani ist die intelligente Weiterentwicklung der klassischen italienischen Küche, ohne in eine existentialistische Avantgarde-Attitüde abzudriften.

Küchenchef Kubenz

Küchenchef Kubenz

Auf die gleiche hohe Ebene wie die Küche stellt sich auch die außergewöhnliche Weinkarte. Sie ist nicht das Erzeugnis von Weinhändlern, sondern von eigenen Überzeugungen. Man findet eine Auswahl von allerbestem Lambrusco aus der Emilia, die hoffentlich zum Umdenken über diese bei uns sozial vernachlässigte Sorte Anlass gibt. Man darf sich überraschen lassen von sonst kaum zu entdeckendem und packendem Sagrantino aus Umbrien, der die kühlen Tage mollig warm werden lässt. Und man stößt selbstredend auf eine Selektion der eigenen Weingüter, die zum Biancalani gehören. Bei Deutschland zeigt man mit Riesling, wo der Bartl seinen Most holt. Und das nicht nur mit Spitzenweingütern, sondern gerade durch Newcomer und Insidertipps. Frankreich ist mit handverlesenen Flaschen dabei, man probiere nur einmal den Ekstase-Wein Fleurie von Julien Sunier. Ein Champagner von Weltklasse-Format ist der „Robert Fleury“ von Jean-Pierre Fleury, der bereits seit Anfang der 80er Jahre biodynamisch arbeitet, als dies noch kein Trend war und in der Champagne als revolutionär galt. Die gastfreundlichen Preise im Biancalani regen zum Umtrunk ein, zudem darf man sich vieler offener Weine bedienen – die es im angenehmen 0,15l Glas gibt. Für alle Weine gibt es mit dem großen „Gabriel“-Glas einen ausgezeichneten Allrounder, aus dem auch viele Champagner besser schmecken.

BiancalaniRestaurantleiter Max Schnell und Sommelier Dave Müller wollen mit ihrem saloppen Auftritt auch jüngere Gäste erreichen und sorgen für einen munteren und  aufmerksamen Service. Dave Müller kann glücklich sein, zu seinem Antritt einen solch guten Weinkeller angetroffen zu haben, ergänzt diesen aber auch mit eigenen Ideen. Ganz oben auf der Sympathieskala steht bei uns unter den Servicemitarbeitern der junge Semi, der enorm engagiert ist und auch bei hektischem Ablauf nie zu lächeln vergisst. Es wird etwas dauern, bis man so etwas wie seinen Lieblingsplatz ausfindig machen kann, da es dafür viele Kandidaten gibt. Der kleine exklusive Chefs Table mitten in der Küche ist etwas für besondere Abende, aber auch von vielen anderen Plätzen kann man mit den offen hantierenden Köchen auf Tuchfühlung gehen. Das Gefühl, in einer Wohnküche zu sitzen, vermittelt auf schöne Weise der Vierertisch am Pass. Dekor und Atmosphäre sind von einer amüsanten Schwerelosigkeit, die  entspanntes Genießen leicht macht.

 

Siehe auch BISS-Artikel „Italien Reloaded“ zur Eröffnung des Restaurants

 

Biancalani-Titel - 1Biancalani, Frankfurt, Walther-von-Cronberg-Platz 9

Öffnungszeiten: Di-Sa 18-24 Uhr (Küche bis 22.30 Uhr)

Reservierungen: Tel. 069 – 68977615

www.biancalani.de

 

Photocredit: Barbara Fienhold

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 




Cheese please: Die Käse vom Rheingau-Affineur

Meisterhafte Käse & edelsüße Weine beim Gourmet-Festival

 

Aus dem Rheingau kommt nicht nur fabelhafter Wein, sondern auch großartiger Käse. Die „Rheingau-Affineure“, ein feines und handwerklich hochsolide arbeitendes Familienunternehmen, macht mit ihren Erzeugnissen Furore. Beim kommenden Gourmet & Wein-Festival im Kronenschlösschen in Hattenheim wird diesem Thema eigens ein moderiertes Mittagessen gewidmet. Das Festival beginnt zwar erst im nächsten Jahr, doch die Tickets sind stets schnell bereits im Vorverkauf vergriffen, der jetzt begonnen hat.

Affineur Reiner Wechs

Affineur Reiner Wechs

Rheingau KäseDer Affineur hat in Frankreich als Beruf eine lange Tradition. Dieser „Käse-Verfeinerer“ spürt die besten Käse auf und pflegt die Rohkäse in seinen eigenen Reifekellern, bis sie im idealen Klima das typische Aroma und den perfekten Reifegrad haben. Jeder Affineur hat seinen persönlichen Stil, was „seinen“ Käse so einzigartig macht. Die Rheingau-Affineure Reiner Wechs und Anke Heymach (Vater und Tochter) produzieren heimische Käse-Spezialitäten in höchster Qualität, wobei sie Kleinkäserein in der Region anleiten und unterstützen. Die Käse sind nach Meinung des Gourmet-Festival-Veranstalters H.B. Ullrich den großen französischen Käsen nicht nur ebenbürtig, sondern inzwischen sogar überlegen.

Beim kommenden Gourmet & Wein-Festival soll es eine Auswahl der besten Sorten geben: Rheingauer Runde (Munstertyp, samtweich, würzig-zart); Rheingauer Spätburgunder-Tresterkäse (Rarität, im Gewölbekeller gereift und eingelegt im Spätburgundertrester); Zisterzienser-Käse (kräftiger Bergkäse,würzig und markant); Äppelwoi-Käse; Bierkäse (aus dem Vorarlberg, mit Rheinhessen Braubier verfeinert); Honig-Nuss-Käse; Blauschimmel-Lakritze. Die Milch stammt immer von heimischen Ziegen und Schafen, die Käse reifen in Gewölbekellern.

Der Rheingau AffineurZum Abschluss gibt es heimische Camembert und Brie im Blätterteig gebacken mit glasierten Portwein-Äpfeln. Dazu werden rare Ports von Ramos Pinto (Collector Reserva 2011 Late Bottled Vintage und 1994 Quinta da Ervamoira Single Quinta Vintage Port) serviert. Das Käse-Menü begleiten mit ihren Weinen außerdem die Winzer Bernd Schönleber (Weingut F.B. Schönleber, Rheingau) mit Alte Reben, Oestricher Klosterberg Riesling trocken und Oestricher Doosberg Riesling Auslese edelsüß sowie Michael Gross aus dem Familienweingut Gross/Südsteiermark mit seinen Spezialitäten Gewürztraminer und Sauvignon Blanc. Moderiert wird der Lunch von Kulturhistoriker und Journalist Erwin Seitz.

Käse-Lunch, Mittwoch 7. März 2018, Kronenschlösschen Hattenheim. Preis für Käse und sämtliche Weine: 85 € pro Person.

Kronenschlösschen, Eltville-Hattenheim, Rheinallee, Tel. 06723 640. Buchungen über: info@kronenschloesschen.de

www.kronenschloesschen.de

 

 

 

 

 

 

 




Gastro News: 3 Schließungen und eine Wasserleiche

Keine brasilianische

Küche mehr

Das einzige brasilianische Lokal Frankfurts hat geschlossen und wird einer tibetanischen Küche Platz machen. Das Do Brasil war ein besonders sympathischer Exot in der Frankfurter Gastronomie.  Überregional bekannt wurde die Adresse im Westend durch die TV-Serie „Mein Lokal, Dein Lokal“, bei der Antonio De Sá Rocha und sein Koch Jimmy die Herzen der Zuschauer eroberten. Das Lokal hatte aber nicht nur eine nette Atmosphäre zu bieten, vor allem die Küche war sehr gut. Das brasilianische Nationalgericht Feijoada, sämiger schwarzer Bohnen-Eintopf mit verschiedenen Fleischsorten und geräucherter Wurst, gelang besonders gut. Bei Camarão Alho e Óle, gebratenen Scampis in feinem Knoblauchöl, kam Urlaubsstimmung auf, wobei der Sud bis zum letzten Tropfen zum Auftunken animierte. Unvergessen auch Salpicão de Frango, brasilianischer Hähnchensalat, und Picanha a Brasileira, wunderbar gewürztes und gegrilltes saftiges Rindfleisch mit Maniokbröseln.

 

Kein Glückskeks

Das Restaurant Yung in der Hügelstraße in Frankfurt-Eschersheim muss wegen einer anstehenden Mieterhöhung aufgeben. Es war eines der ersten und besten China-Lokale der Stadt. Nach fast 30 Jahren schließt das Familienunternehmen nun zum Jahresende. Betreiber Chikei Yung ließ offen, ob er an anderer Stelle weitermachen wird.

 

Wasserleiche

Vor über einem Jahr ging ein scheußliches und riesengroßes Hausboot an der Sachsenhäuser Mainseite am Eisernen Steg vor Anker.Der weiße Ponton gleicht eigentlich mehr einer leeren Baustelle und verursacht den Augen Schmerzen. Der Eiserne Steg, eines der wichtigsten Wahrzeichen Frankfurts, wurde dadurch optisch degradiert.  Ein Baudenkmal, das obendrein unter Denkmalschutz steht, hätte mehr Respekt und ein anderes Umfeld verdient. Unter dem Namen Freigut will Gastronom Thomas Klüber im Frühjahr 2018 jedenfalls Gästen mit einer bewirteten Schwimminsel einen Platz an der Sonne bieten. Einen besseren Platz für eine Sonnenuntergangsstimmung mit Skylineblick gibt es nicht. Ein gutes Stück weiter in Richtung Untermainbrücke würde das Freigut weniger stören. Wäre das Ungetüm kleiner dimensioniert und so nett anzusehen, wie das andere am Eisernen Steg liegende schwimmende Lokal, hätte man mehr Freude daran.

 

Onsen-Ei-Brüter fliegt davon

Christian Lohse verlässt nach zehn Jahren im Dezember das Fischers Fritz im Hotel Regent in Berlin. Der Michelin ehrte ihn mit zwei Sternen, beim Gault & Millau erhielt er mindere 16 Punkte und einen mürrischen Text. Die Preise changierten zwischen heftig bis überheblich, vor allem bei den Weinen. Lohses Onsen-Ei war zwar in aller Munde, aber er hinterlässt vor allem eine solide Küche mit Spitzenprodukten. Der Service und das Ambiente bleiben nur in blasser Erinnerung. Lohse wird noch mehr als bisher ins Fernsehfach wechseln, dort schätzt man solche nassforschen Typen. Das Restaurant wird eine Pause machen und die Zeit für einen Umbau sowie eine Neuorientierung nutzen.