1

Restaurantkritik: Nils Henkels Comeback auf Burg Schwarzenstein

Cuisine sublim

Der Rheingau ist um eine Top-Adresse reicher

 

Von Ludwig Fienhold

 

Es mag vielleicht bei einer Restaurantkritik beinahe schon despektierlich wirken, wenn man zuerst von der Butter und dem Brot und nicht dem eigentlichen Essen schwärmt. Aber die aufgeschlagene Nussbutter, die Sauerampfer-Frischkäsecreme und das Brot des fränkischen Bäckers Arnd Erbel sind derart gut, dass man vor Freude Purzelbäume schlagen möchte. Nils Henkel zeigt jedenfalls von der ersten Minute an, wie gerne er mit allem, was auf den Tisch kommt, glänzen möchte. Die seit Jahren sehr ambitionierte Burg Schwarzenstein in Geisenheim im Rheingau hat mit ihm einen kulinarischen Gewinn gezogen, der in ganz Deutschland aufhorchen lässt.

Felsenrotbarbe

Felsenrotbarbe

Beim Eintritt in das Restaurant empfindet man die blasse Optik als ernüchternd. Der kleine, verglaste und grau möblierte Speisesalon gewinnt aber zusehends, weil man die ruhige Gestaltung als sehr entspannend empfinden kann. Die Terrasse mit famosem Ausblick auf Weinberge und Rhein bringt wieder mehr Spannung ein. Dass ein Besuch im besten Sinn gastfreundlich verläuft, liegt an der herzlichen engagierten Restaurantleiterin Marina Saldaña und dem klug und ruhig beratenden Sommelier Michel Fourquet. Die Küche erkundet Wald und Wiese, fischt aber auch ungetrübt aus dem Meer.

Kingfish

Kingfish

Es gibt nur zwei Menüs, Fauna (145 – 180 €, 6-8 Gänge) und Flora (125 – 155 €, 6 – 8 Gänge), die man auch kombinieren kann. Wenn man die Amuse vorneweg und die Pre-Desserts sowie das Brot- und Butter-Ensemble mit einbezieht, so kommt hier ein stattliches Angebot zusammen. Ein Held, wer sich hier bremsen kann. Gute Laune machen auch die Appetithappen vorneweg: Mutiges Handkäs-Baisser; cremiger Ochsenschwanz im Überraschungs-Ei; geschmorter Aal mit Koriander-Gel, weißer Bohnencreme und Apfel.

Schwarzwurzel

Schwarzwurzel

Eine frische animierende Vorspeise: Das ausgezeichnete Kingfish-Ceviche im inspirierenden Limonen-Koriander-Sud mit Staudensellerie, Pomelo, Orangencreme und Sellerie-Eis. Unwiderstehliches Mittelmeer-Meeresfrüchte-Appeal: Wunderbar fleischige Felsenrotbarbe in grandioser Sauce Bourride mit Tintenfisch und Herzmuscheln. Good Gamba: Gebeizte knackig-frische bayerische Salzwassergarnele von den Urban Fishermann „Crusta Nova“ in einer gewaltig guten Kombination mit Brunnenkresse, Linsen-Miso, Sojagelee und Sellerie-Sorbet.  Ziemlich grün: Geballte Froschschenkel, in etwas ausdrucksloser Petersilienhülle frittiert, mit Süßholzjus sowie grober und eher langweiliger konfierter Zwiebel. Auch ein Meister fällt mal aus allen Wolken: Das Schwarzwald-Lamm ging leider vollends daneben, nur lauwarm, unschöne Konsistenz, fader Geschmack. So endet nicht selten Garung à la sous vide, was aber auf Nachfrage nicht der Fall gewesen sein soll. Das vielleicht Beste aus  dem Flora-Menü: Schwarzwurzel in Trüffelemulsion, mit schwarzem Trüffel, Kaffee-Mousse und Salatcreme. Clou: Die Schwarzwurzel wird mit einer „Erde“ aus Pilzen, Kaffeebohnen und Malzbier ummantelt. Vegetarisch in Hülle & Fülle: Artischockensalat, Petersilie, Kapern, Rosinen, Fingerlimes belagern einen großen Teller und wollen nicht harmonisch zusammenfinden. Charmantes Sommer-Dessert: Gewürzananas, Tamarinden-Eis, Joghurt-Mousse und Tamarillo-Gel. Beglückend: Rhabarber, konfiert und als Mousse, Butterkekscreme-Röllchen, gebackener Limone-Topfen-Knödel, Estragon-Eis.

Froschschenkel

Froschschenkel

Sommelier Michel Fourquet schüttet nicht sein Wissen aus, sondern zeigt sich als angenehm dezenter Berater, der die Gästevorlieben auslotet, bevor er eine Empfehlung gibt. Der superb gereifte trockene Riesling Oestrich Doosberg aus dem Jahr 2010 von Peter-Jacob Kühn ist solo schon beseligend, entfaltet sich aber noch besser zur Felsenrotbarbe mit Sauce Bourride und deren aparten Safrannote. Restaurantleiterin Marina Saldaña strahlt als habe sie noch nie einen Regentag erlebt, wobei auch sonst der Service aufmerksam arbeitet.

Nils Henkel hatte auf Schloss Lerbach am Ende seinen dritten Stern verloren. Ist es aber eigentlich wirklich so wichtig, ob er nun einen, zwei oder drei Sterne wert ist? Ein Besuch bei Nils Henkel auf Burg Schwarzenstein ist in jedem Fall einen Umweg und eine Reise wert. Allein für Nussbutter und Brot würden wir schon ziemlich weit fahren.

Siehe auch BISS-Artikel Nils Henkel wird Küchenchef auf Burg Schwarzenstein im Rheingau

 

Nils Henkel auf Burg Schwarzenstein-Titel(0)Restaurant Schwarzenstein Nils Henkel, Geisenheim im Rheingau, Rosengasse 32, Tel. 06722 99500. Geöffnet: Mittwoch bis Freitag 18.30 – 22 Uhr, Samstag und Sonntag 12 – 14.30 Uhr sowie 18.30 – 22 Uhr (Küchenzeiten). Montag und Dienstag geschlossen.

www.burg-schwarzenstein.de

 

 

 

 

 

 

Photocredit: Barbara Fienhold, das Bild von Nils Henkel wurde von Burg Schwarzenstein zur Verfügung gestellt




Gourmet-Ziel Vila Vita Parc

Das blaue Wunder

an der Algarve

 

Im Restaurant Ocean setzt man alles auf eine Farbe. Das Azurblau des Interieurs wird eins mit dem Atlantik. Riesige Fensterfronten vermitteln luftiges Terrassenfeeling. Über den Gästen schweben Lichter-Aureolen, als wollten sie Heiligenscheine sein. Aber es ist das Blau, das nicht weichen will. Das Blau als Farbe der Harmonie, Entspannung und Sehnsucht.

Küchenchef Hans Neuner und sein Team arbeiten modern, aber nicht so extravagant, um Konservative zu erschrecken. Man findet Trüffel, Caviar und Gänsestopfleber, doch werden diese durch Petersilienwurzel, Grünkohl und Süßkartoffeln geerdet. Fisch dominiert nicht allein wegen des Restaurantnamens die Karte, Meeresfrüchte aller Art sind auch das Beste, was man in Portugal bekommen kann und deshalb anderen Produkten vorzuziehen. Hans Neuner greift gerne zu lokalen Erzeugnissen. Dass er Rote Meerbarbe mit dem klassischen portugiesischen und fleischigen Bohneneintopf Feijoada nicht derb belässt und sehr verfeinert interpretiert, versteht sich für ein 2-Sterme-Koch von selbst. Hans Neuners Gerichte sind leicht und ausdrucksvoll zugleich. Ein Highlight ist der supersaftige Rücken vom Schwarzen Iberico-Schwein mit grünem Apfel, Steckrübenstengel, Senf und Bierjus. „Meine Küche ist wie der Wiener Walzer: Gewandt, elegant, klassisch und zeitlos“, meint der Koch aus Tirol. Als seinen Mentor begreift er Karlheinz Hauser, in dessen Hamburger Restaurant Seven Seas Hans Neuner von 2004 bis 2007 Chef de Cuisine und Executice Chef de Cusine war. Davor arbeitete Neuner unter anderem im Restaurant Tristan auf Mallorca und dem Lorenz Adlon in Berlin. Seit zehn Jahren ist er nun Küchenchef im Restaurant Ocean und gehört zu den fünf besten Köchen Portugals, die ebenfalls mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichnet wurden, darunter der Österreicher Dieter Koschina von der Vila Joya.

Adega mit Schwanenteich

Adega mit Schwanenteich

Die Fensterplätze im Restaurant Ocean sind besonders begehrt, doch das Meeres-Panoroma breitet sich von allen Tischen aus. Das Hotel macht keine Werbung damit, doch wer davon weiß, bucht am liebsten den Chefs Table in der Küche, einen 300 Jahre alten Eichentisch, an dem sechs Gäste Platz finden. Von dieser Pole Position kann man jeden Handgriff der Köche ganz nah mitverfolgen. Der Service im Ocean pflegt angenehm den sogenannten französischen Service, ist also präsent und doch so diskret, dass nie Gespräche am Tisch gestört werden. Diese Unaufdringlichkeit ist selten geworden, selbst in Frankreich. Die Weinkarte trumpft mit großen Namen und prominenten Etiketten auf, weiß aber auch das Weinland Portugal in den Vordergrund zu stellen. Ein Schmuckstück der Extraklasse ist der wunderbare Weinkeller, der mit alten Backsteinen aus Griechenland, Spanien und Portugal 17 Meter tief in die Erde gebaut wurde. Über 14.000 Flaschen lagern dort wohl temperiert. Weinproben und exklusive Dinner werden dort zu einem romantischen Bacchanal.

Stille Bucht unterhalb des Hotels

Stille Bucht unterhalb des Hotels

Die kulinarische Exposition kommt nicht von ungefähr, auch General Manager Kurt Gillig ist ein Genussmensch. Der gelernte Koch war zuvor Food & Beverage Manager im Hotel und leitet seit fast fünf Jahren nun verantwortlich das Vila Vita Parc Resort. Muss man erwähnen, dass auch er Österreicher ist? Das Vila Vita Parc Resort bietet 10 Lokale und 8 Pools, eingebettet in einem zauberhaften tropischen Park. Man will Familien ebenso ansprechen wie Rendezvous-Pärchen, was mitunter nicht so leicht vereinbar ist. Es gibt ruhige Plätzchen, zudem existieren ein großer Pool und ein Frühstücksrestaurant, zu denen nur Erwachsene Zutritt haben. Das Hotel haut nicht auf die Luxuspauke, alles wurde in lässiger Eleganz und mit intensiven fröhlichen Farben gestaltet. Das Areal ist so weitläufig, dass es auch bei ausgebuchtem Haus nie überfüllt wirkt. Unterhalb des Hotels bieten gleich zwei von Felsen umrahmte Buchten romantische Ecken. Unter den adretten Outlets ragen das Ocean mit Haute Cuisine und das Adega mit portugiesischer Küche heraus. Auf der Adega-Terrasse speist man besonders entspannt an einem kleinen idyllischen Schwanen-Teich. Die Küche bietet sehr guten Fisch, knackfrische Gambas und saftig-zarten Oktopus. Aber auch die Desserts sind prima. Cremiger Kokos-Schmand, delikat konfierte Ananas und süffiges Rum-Eis ergeben die allerbeste Piña Colada in fester Form.

Ludwig Fienhold

 

Photocredit: Ludwig Fienhold




Edelperle: Der neue Champagner Salon 2006

Trinken ist auch eine

Frage der Haltung

 

 

Champagner ist nicht nur Geschmacksache. Champagner ist wie so viele Luxusprodukte mit einem bestimmten Image verbunden. Dom Perignon ist der Champagner, der in Moskau und Dubai auch von jenen bevorzugt wird, die eigentlich kein großes Interesse an diesem Getränk selbst haben, sondern an der Außenwirkung – mit dieser auffälligen und überall leicht identifizierbaren Flasche sehen alle, dass man sich einen kostspieligen Champagner leisten kann. Krug hat es nicht ganz so leicht, denn er ist trotz höchster Qualität etwas weniger bekannt, wird dafür aber von den „Krugisten“ in der Gastroszene besonders geschätzt, die ihre Gäste damit hochnuckeln. Die größte Rarität unter den Weltklasse-Champagner ist aber Salon. Dieser Champagner scheut Beachpartys, will nicht bei der Formel 1 sinnlos verspritzt werden und mag es auch nicht, wenn man ihn so nebenbei wegschlabbert. Salon ist die schönste Art, Gelassenheit in Flaschen zu genießen. Hier ist Champagner nicht allein eine Geschmacksache, sondern auch eine Frage der Haltung. Der Salon ist kein Wichtigtuer-Champagner, er ist Perle für Feintrinker. Jetzt wurde der neue Jahrgang 2006 vorgestellt, in Deutschland hatte er im Restaurant Ente im Nassauer Hof in Wiesbaden Premiere.

Sommeliere Marcella Pickelein vom Restaurant Ente

Sommeliere Marcella Pickelein vom Restaurant Ente

Im Gegensatz zu vielen anderen Champagnern, die stets ein möglichst einheitliches Geschmacksbild erhalten wollen, spürt man bei Salon die Jahrgänge. Es gibt zwar eine Signatur, aber mit deutlichen Abweichungen. Der Salon 2006 ist anders als seine Vorgänger, wobei seine jugendliche Frische bereits mit seriöser Milde grundiert wird. Vor allem ist auch der neue Salon wieder sehr filigran und delikat, aber spürbar weiniger, zitrusfrischer, kräftiger und kantiger als der hochsensible poetische 2002 oder der feinsinnig-florale 2004. Für Mathieu Pouchan von Salon gilt der 2006 dennoch als ein „romantischer Jahrgang“. Thomas Schreiner, Deutschlandchef von Salon und Delamotte (Laurent-Perrier Gruppe) meint, dass der 2006 die besten Voraussetzungen erfüllt, um eine Champagner-Legende zu werden.

Der Salon besteht zu 100 Prozent aus Chardonnay-Trauben, die ausschließlich aus Grand Cru-Lagen von Mesnil-sur-Oger stammen. Elf Jahre lag er auf der Hefe und reifte in stillen und kühlen Kellern.  Nach dem Öffnen sollte man dem Champagner wenigstens zwanzig Minuten Zeit geben, damit er atmen und sich entwickeln kann. Wie bei manch anderen großen Champagnern, ist es von Vorteil, wenn man ihn aus einem Weißwein- beziehungsweise Riesling-Glas trinkt. Von Eugène-Aimé Salon erstmals im Jahre 1911 produziert, ist der Salon bis heute ein gesuchter Jahrgangschampagner, der ohne Assemblage auskommt. Salon ist mit seiner geringen Produktion von gut 50.000 Flaschen eine Rarität, wovon jetzt nur knapp 1000 nach Deutschland kommen. Die Qualität fordert ihren Preis: 380 €.

Bouteille Salon 2006Im 20. Jahrhundert wurden von Salon nur 37 Jahrgänge produziert, der erste von 1928 ist extrem begehrt. Selbst Milliardäre wie Bill Gates und Warren Buffet bemühten sich vergeblich um eine Flasche des Premieren-Jahres. Sie hätten diese nur um den Kauf der gesamten Champagnerkellerei erstehen können. Eine schöne Pointe der Geschichte wurde am Ende des Zweiten Weltkriegs gesetzt: Im Weinkeller von Hitlers Felsenfestung auf dem Obersalzberg in Berchtesgaden lagerten Hunderte Flaschen Salon von just jenem grandiosen Jahrgang 1928.  Der Soldat und Weinexperte Bernard de Nonancourt aus Reims durfte als erster den Weinkeller inspizieren – fünf Jahre nach Kriegsende gründete er die Champagner-Gruppe Laurent-Perrier mit Salon, Delamotte und Castellane.

Der Delamotte Blanc de Blancs wird von einer schönen Frische getragen und eignet sich bestens als Aperitif, wobei sich der Jahrgangschampagner 2007 noch feiner und dichter verwoben präsentiert. Beide bieten eine sehr gute Qualität zu einem angenehmen Preis. Delamotte ist jedoch ein eigenständiger Champagner und nicht etwa der kleine Bruder von Salon. An Salon werden andere und weit höhere Maßstäbe gesetzt. Es gab auch schon Jahre (2009 – 2012), wo gar kein Salon erzeugt wurde, da die Qualität dafür gefehlt hätte. Und 2008 wurde Salon nur in Magnumflaschen gefüllt, weil er groß in der Qualität, aber klein in der Quantität ausfiel.

Ludwig Fienhold




Fine Wines & Food Fair

Große Köche & Winzer

an der Algarve

im Vila Vita Parc Resort

 

Inzwischen gibt es viele Gourmet-Festivals, aber bei der Fine Wines & Food Fair an der Algarve wird ein unglaubliches Füllhorn an Delikatessen mitsamt großartigen Weinen ausgeschüttet. Dazu noch am Meer in einer luftigen Atmosphäre unter blauem Himmel. 40 Topköche und viele Spitzenwinzer waren dabei, darunter Altmeister Eckart Witzigmann. Allein das Finale mit großer Küchenparty bestritten 20 Köche und viele Winzer, die über 350 Gäste bewirteten. Wer dieses Angebot ausschöpfen konnte, wird immer noch im Bett liegen.

Vila Vita Parc - 19Mag man auch schon viele Küchenpartys erlebt haben, darunter einige überflüssige, so wird diese mehr Spuren hinterlassen als viele andere. Die Qualität der Speisen und Weine war enorm. Dass der fabelhafte Dirk van der Niepoort dabei war, hätte allein schon Freude bereitet. Da er aber auch seinen grandiosen Turris dabei hatte, wurde ein Ereignis daraus. Diese reintönende, tiefgründige Cuvée ist ein monumentales Dokument portugiesischer Weinkultur, die leider bei uns nicht genügend wahrgenommen wird. Dirks Frau überraschte überdies mit eigenen tollen Tees, eine absolute Rarität in Portugal.

Hans Neuner (Mitte) heißt die Gäste willkommen

Hans Neuner (Mitte) heißt die Gäste willkommen

Es wurde wahrlich nicht gekleckert. Jede Küchenstation, jede Weinabteilung war ein Reich für sich, wobei generös verfahren wurde. Reza Korouji von Imperial Caviar aus Berlin speiste die Gäste mit erstklassigen Qualitäten aus XXL-Caviar-Dosen. Das beste Tellergericht des Abends servierte Jacob Jan Boerma vom 3-Sterne-Restaurant De Leest im holländischen Vaassen mit seinem Carabinero mit duftigem Gartengrün. Der Reigen zog sich von der Küche bis zur Terrasse – ein Sommertraum für Gourmets.

Viele Topküche wie Klaus Erfort, Silvio Nickol, Karlheinz Hauser oder Michel van der Kroft waren bei diesem famosen Festival dabei, aber auch der größte Konkurrent an der Algarve, Dieter Koschina von der Vila Joya. Flüssiges auf hohem Niveau schenkten prominente Winzer persönlich aus, z.B. Alvaro Palacios aus dem Priorat, Wilhelm Weil aus dem Rheingau und Bernhard Ott aus der Österreich-Region Wagram, die mal weit schöner Donauland hieß.

Köche fotografieren das Essen ihrer Kollegen

Köche fotografieren das Essen ihrer Kollegen

Einen Abend lang ging es recht spanisch zu. Eine Armada an spanischen Sterneköchen trat an und zeigte mehr unfreiwillig als konzeptionell, in welche Richtungen sie gerne die spanische Hochküche sehen würde: Im Gestern und Vorgestern – nur von morgen keine Spur. Die einen tischten kulinarische Gags auf, als würden sie noch vom abservierten Ferran Adrià gelenkt werden, die anderen verweigerten jegliche Modernität und versuchten mit Steinzeitprosa zu überzeugen. 3-Sterne-Koch Paolo Casagrande liebt es bunt und dekorativ, scherte sich aber weniger um den Geschmack. Tapioka mit Rote Bete Crisp und Caviar erfreute vor allem das Auge. Fina Puigdevall, katalanische 2-Sterne-Köchin vom Les Cols in Olot/Girona lenkte zurück zur Natur. Ihre intensive geräucherte Buchweizensuppe war würdevoll archaisch, was eine bäuerliche Dorfküche adeln würde, aber bei einer hochdekorierten Köchin überrascht. Nur schleimig dagegen ihr Gericht „Vom Hühnerstall zum Teller“ mit glibbrigem Ei und getrocknetem Mais – da lachen ja die Hühner. Die spanische Küche offenbarte an diesem Abend auch grundsätzliche Defizite. Jedenfalls waren viele Gerichte zu cremig, zu intensiv in den Aromen, zu gestrig und so gar nicht spannend oder gar aufregend.

Die nächste Fine Wines & Food Fair findet zwar erst in zwei Jahren statt, doch das Vila Vita Parc Resort bietet das ganze Jahr über herausragende kulinarische Leistungen.

Ludwig Fienhold

 

Foto oben rechts: Paolo Casagrandes bunte Ess-Welt

Photocredit: Ludwig Fienhold

 




Guter Zug: Restaurant Weinsinn zieht ins Bahnhofsviertel

Erstmals strahlt ein Stern

im Rotlichtrevier

 

Die Weichen sind gestellt, das Bahnhofsviertel bekommt hochkarätigen Zuwachs: Das Frankfurter Restaurant Weinsinn zieht vom Westend in die Weserstraße und will dort ab Oktober die ersten Gäste empfangen. Das Weinsinn wird noch bis 23. September in der Fürstenberger Straße bleiben. Das stattliche neue Domizil in der Weserstraße gehört Claus Wisser, der nicht nur Unternehmer, sondern auch Genießer und Weinfreund ist.

Weinsinn alt

Weinsinn alt

Küchenchef André Rickert wird seine Crew behalten, auch an der Servicemannschaft soll sich nichts ändern. Milica Trajkovsko Scheiber und ihr Mann Matthias betreiben außer dem Weinsinn auch das Restaurant Gusav im Reuterweg – beide Lokale sind mit einem Stern im Michelin und 16 Punkten im Gault & Millau ausgezeichnet.

Hinter dem Weinsinn liegen acht sehr erfolgreiche Jahre. Das kleine Lokal konnte kaum dem Gästeandrang standhalten, weshalb der Umzug in größere Räume schon länger forciert wurde. Auch André Rickert freut sich über eine größere Küche. Das neue Weinsinn befindet sich am Anfang der Weserstraße, nahe dem Theater und dem Nizza-Garten am Mainufer.

Weinsinn neu

Weinsinn neu

„Wir wollen weiter für anspruchsvolle Küche in entspannter Atmosphäre stehen“, meint Geschäftsführer Matthias Scheiber. „Aber natürlich wollen wir uns auch weiterentwickeln.“ Das Objekt in der Weserstraße 4 wird erstmals gastronomisch genutzt. Das Restaurant Weinsinn will zudem den ersten Stock des Hauses nutzen. Zudem soll es im Innenhof eine Terrasse geben.

Rotlichtviertel und Sternegastronomie müssen sich nicht ausschließen. „In Frankfurt geht eigentlich alles zusammen“, meint Matthias Scheiber. Aber unser neuer Standort ist deutlich näher an der City als am Bahnhof. Hier sind die roten Lichter eher Ampeln.“

LF

 

Photocredit: Barbara Fienhold




Seven Swans: Das erste vegetarische Sterne-Restaurant?

Haben grüne kulinarische Konzepte eine Zukunft in Deutschland?

 

Mein lieber Schwan: Das kreative und feinsinnige Restaurant Seven Swans lässt absichtlich Federn und speckt vollkommen auf vegetarisch ab. Selbst Meister der fleischlosen Küche wie Andreas Krolik vom Lafleur und Jochim Busch vom Gustav in Frankfurt bieten immer noch genügend Gerichte mit Fleisch, Geflügel und Fisch an. Ebenso Nils Henkel auf Burg Schwarzenstein, der neben einem vegetarischen Menu auch eines aus der Fauna offeriert. Die Ansage des Seven Swans ist eindeutig, als Gast weiß man nun, was zu erwarten ist. Ob sich dieser kompromisslose Weg auch wirtschaftlich auszahlt? Dieser Weg wird kein leichter sein. Nicht übersehen kann man, dass trotz einer gewissen Trendigkeit zu Vegetarischem solche Konzepte problematisch sind, weil sie viele Genießer gar nicht oder nur selten  einbeziehen können. Gemüse-Spitzenkoch Michael Hoffmann vom Margaux in Berlin scheiterte trotz ausgezeichneter Leistungen , da half auch der Michelin-Stern nichts. Die Veganer haben in der Gastronomie längst abgewirtschaftet. Ein reines vegetarisches Restaurant auf dem Niveau wie das Seven Swans existiert bislang nicht bei uns, wobei sich zeigen muss, ob auch das neue Konzept dem Michelin wieder einen Stern wert ist. In Europa gibt es nach unserer Erkenntnis lediglich zwei reine vegetarische Sterne-Restaurants: Das Tian von Paul Ivic in Wien und das Joia des Schweizers Pietro Leemann in Mailand.

SevenSwans

Küchenchef Jan Hoffmann

Keine Frage, Küchenchef Jan Hoffmann und sein Team haben ein gutes Gespür für Florales und vermögen auch einer Karotte etwas abzugewinnen. Natürlich bedient sich die Küche dabei bevorzugt der eigenen Braumannswiesen bei Bad Homburg, wo auf fünf Hektar allerlei grünt und blüht. Aber reicht das aus, um auch das Restaurant wirtschaftlich zu ernähren? Die Weinauswahl und der Weinverkauf werden künftig ebenfalls nicht einfacher. Muss man mit Rhabarberschorle aufrüsten? Ganz im Gegenteil, die Weinauswahl im Seven Swans ist noch besser geworden. Es stehen einige Weine bereit, die sehr gut zur neuen grünen Küche des Restaurants passen. Etwa der wunderbare frische Jura-Chardonnay „Marcus Terentius Varro“ von der Domaine Buronfosse. Eine absolute Überraschung ist  der feinperlende Cremant von Rietsch aus dem Elsass, wo dieser Extra Brut gemachte Schaumwein unter den alkoholischen Zuckerbomben der Region wie ein schlanker Exot erscheint. Dieser und andere gute Tropfen wurden bei der Relaunch-Feier des auch optisch neu gestalteten Seven Swans mit Elan eingesetzt.

seven swans Adieu Wollschwein, bye-bye Taunussaibling,  ciao Wildente. Hallo Bärlauch, Portulak und Fenchel. Obwohl auf teure Fleisch- und Fischprodukte verzichtet wird, verändert sich die Preisstruktur nicht wesentlich, schiebt man nur einen Gang mehr ein. Zuvor gab es vier Gänge für 77 € und fünf Gänge für 89 €, jetzt kosten fünf Gänge 79 € und sechs Gänge 89 €. Die Kombinationen klingen keineswegs langweilig, beispielsweise Kohlrabi mit Rhabarber, Trester und Estragon. Die Menüs werden jeweils zum Quartal wechseln, wobei auf oft einkehrende Gäste immer wieder neue Gerichte warten. Die Preise wird man vielleicht eher verstehen, wenn man sieht, mit wie viel Aufwand und pinzettengesteuerter Akribie jedes Tellerchen angerichtet wird. Wie hervorragend eine Kartoffel schmecken kann, zeigte bereits die Sorte mit dem passenden Namen Ackersegen, die in der Erde befeuert und mit Asche und Butter behandelt wurde. Küche und Service vom Seven Swans brennen jedenfalls darauf den Gästen das neue Konzept vorzustellen.

SevenSwans Der Schritt zum komplett vegetarischen Restaurant mag nicht so ganz einleuchtend sein, denn auch zuvor wurden die Menüs bereits vegetarisch dominiert. Freunde frischen Grüns hätten leicht ein Gericht oder vielleicht auch zwei Gänge weglassen können und sich damit wohlfühlen dürfen. Jetzt ist die Aussage gewiss deutlicher und politisch korrekt, wobei Hausherr Steen Rothenberger seit 25 Jahren Vegetarier ist. Er ist zwar kein dogmatischer Vegetarier, möchte aber diese Lebensform auch als Genussform etabliert sehen. Küchenchef Jan Hoffmann selbst ist kein Vegetarier, will sich jedoch in den nächsten Wochen vegetarisch ernähren, um ein noch besseres Gespür für diese Küche zu bekommen.

Das schmalste Haus der Stadt scheint jetzt noch schlanker zu werden.  Unter den hoch ausgezeichneten Restaurants in Deutschland ist es mit diesem Konzept eine seltene Pflanze. Nun, Jan Hoffmann hat Talent und darf auch mal etwas riskieren.

Ludwig Fienhold

 

seven swans Seven Swans, Frankfurt, Mainkai 4, Tel. (069) 21 99 6226. Geöffnet Dienstag – Samstag ab 18.30 Uhr.

 www.sevenswans.de.

 




Breeze by Lebua geschlossen

Das Kellerlokal ist unten angekommen

 

Die Idee, ein weltbekanntes Rooftop-Restaurant in Bangkok ausgerechnet im Keller des Frankfurter Hofs duplizieren zu wollen, war von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Dieses Gefälle von ganz oben nach ganz unten brachte nun nach gerade einmal zwei Jahren den totalen Absturz: Das Breeze by Lebua hat geschlossen.

Das Breeze by Lebua in Bangkok ist wegen seiner spektakulären Aussicht und der aufregenden Illumination berühmt, nicht wegen seiner Küche. Im Frankfurter Ableger brauchte man eher eine Grubenlampe, um sich durch den dunklen Restaurantstollen zu kämpfen. Das schwarze Loch war obendrein mit Stolperfallen gepflastert, nicht wenige Gäste landeten in den flachen Wasserbecken.

Breeze Lebua Ein Lokal ohne Terrasse hat im Sommer in Frankfurt keine Chance, weshalb dann die kulinarischen Leistungen und der Service doppelt so gut sein müssen. Nicht selten erlebten wir in dieser Höhle einen entsprechend grottenschlechten Service, der affektiert oder plump kumpelhaft und selten professionell ausfiel. Einzig die Bar erwies sich noch als Hort der Gastfreundschaft. Anfangs war die Küche sogar gut, die Peking-Ente schmeckte großartig. Leider nahm der Küchenchef nach einem Jahr offenbar ausgerechnet dafür das Rezept mit. Sein Nachfolger erschreckte mit lauten  penetranten Aromen sowie dicken klebrigen und süßlichen Saucen, die jedes Gericht erstickten. Für solche bizarren Leistungen waren die Preise viel zu hoch, auch die Weine wurden übermütig kalkuliert. Mitunter saß man recht allein im Restaurant, offensichtlich fanden sich immer weniger Gäste ein, schließlich wurde mangels Erfolg jetzt ganz geschlossen. Sommelière Denise Horlbeck schaffte schon vorzeitig den Absprung und heuerte auf dem Weingut Markus Molitor an der Mosel an. Aufschlussreich am Rande vermerkt: Der CEO der Lebua Hotels, Deepak Ohri, ist derzeit in Frankfurt, wohnt aber nicht im Frankfurter Hof.

Ludwig Fienhold




Harald Wohlfahrt: Kein Nachruf

Wohin steuert die

Top-Gastronomie?

 

Im Gespräch mit

Harald Wohlfahrt

 

Harald Wohlfahrt ist gesund, Harald Wohlfahrt kocht weiter. Er zieht sich auch nicht ganz aus der Schwarwaldstube der Traube Tonbach zurück. Was sollen also jetzt diese ganzen eiligen Elogen, die wie Nachrufe klingen? Torsten Michel ist seit über zwölf Jahren Küchenchef in dem 3-Sterne-Restaurant, der weltbekannten Schwarzwaldstube. Der langsame Abschied von Harald Wohlfahrt steht seit Jahren fest, jetzt übergibt er im Juni nun eben ganz offiziell an seine langjährige rechte Hand. Dennoch liegen 40 bemerkenswerte Jahre in der Traube Tonbach hinter ihm – kein Küchenchef hat mehr ein Restaurant geformt und geprägt. Darin liegt vielleicht das einzige Problem, denn wie könnte jetzt Torsten Michel noch deutlicher seine eigene Handschrift einbringen, ohne Bewährtes aufzugeben?

Amuse

Amuse

Harald Wohlfahrt wird sich jetzt mehr um das Palazzo-Ess-Theater kümmern, das in verschiedenen Städten mit jeweiligen prominenten Köchen gastiert und ab Herbst auch wieder in Stuttgart zu sehen sein wird, wo er kochlöffelführend ist. So ganz raus aus der Traube Tonbach ist er ebenfalls noch nicht, dazu sind er und sein Patron Heiner Finkbeiner auch viel zu sehr vereint. Das Wort „Aufhören“ will auch nicht so recht zu ihm passen, zu einem disziplinierten Hardworker, der selbst noch mit Gipsbein am Herd stand. Von Rente also noch lange keine Spur. Es wäre aber vielleicht besser gewesen, das 40. Jubiläum von Harald Wohlfahrt zum Anlass einer großen Feier zu nehmen und bei dieser Gelegenheit en passant eine Übergabe zu inszenieren.

In unserem letzten Gespräch mit Harald Wohlfahrt war oft zu hören, wie stark Torsten Michel bereits seit Jahren die Geschicke des 3-Sterne-Restaurants Schwarzwaldstube mitbestimmte, weshalb er einem endgültigen Wechsel zuversichtlich gegenüberstehen konnte. 3 Sterne im Michelin und 19,5 Punkte im Gault & Millau sowie Höchstbewertungen in allen anderen Restaurantführern sind indes eine große Verpflichtung. Selbst wenn der Großmeister nicht mit am Herd stand und die Mannschaft ihren Aufgaben überließ, so schwebte sein Geist doch wie eine Aureole über dem Geschehen.

Tunfischbauch

Tunfischbauch

Harald Wohlfahrt ist sich sicher, kritische Gäste zu haben. „Wir stehen jeden Tag auf dem Prüfstand.“ Das Publikum versinkt nicht vor Ehrfurcht. „Ich lasse mich nicht feiern und bekomme ein ehrliches Feedback.“ Wenn es mal Kritik gab, so erinnert sich der Meister an die einigen Male, dann hatte das weniger mit der Küche und mehr mit dem Tempo zu tun.

Die Traube Tonbach und die Schwarzwaldstube werden sich nur behutsam verändern, grundsätzlich aber glaubt Harald Wohlfahrt an eine Wende vom Formellen zum Legeren. Mittags geht es auch in der Schwarzwaldstube ein wenig munterer zu, abends herrscht eher Candle Light Stimmung. Immerhin werden 40% des Gesamtumsatzes sogar mittags gemacht. Das vermögen nur wenige Toprestaurants, wie etwa das Tantris in München, denn sonst haben ja gerade von den hochdekorierten Restaurants immer mehr mittags geschlossen. So oder so: Grundsätzlich gibt es weltweit einen Trend zu großer Küche in lässiger Atmosphäre.

Saloppe Atmosphäre schätzt auch Harald Wohlfahrt, wobei für ihn in der Schwarzwaldstube nur eine gehobene Tischkultur vorstellbar ist. Beeindruckt haben ihn dennoch die Leistungen des Restaurants L´Astrance in Paris, das ebenfalls mit drei Sternen im Michelin ausgezeichnet ist. Dort trifft man auf ein Bistro-Dekor mit einfachem Mobiliar und schlichtem Besteck. „Es ist gut, wenn nur die Küche bewertet wird und nicht das Ambiente“, meint Wohlfahrt.

Ludwig Fienhold

 

Traube Tonbach:SchwarzwaldstubeDer scheidende Herausgeber und ehemalige Chefredakteur des Gault & Millau Deutschland, Manfred Kohnke, hat wie kein anderer Harald Wohlfahrt begleitet und seit 1985 bewertet. Sein kulinarisches Statement: Der Kochkünstler Harald Wohlfahrt ließ als Koch sich und seinen Mitarbeitern nicht die leiseste Unsicherheit, die kleinste Schwäche, das geringste Abweichen von seiner Idealvorstellung durchgehen und er grübelte als Künstler unablässig darüber, bei aller kulinarischer Opulenz noch puristischer zu werden, um prägnantere Aromen zu erreichen und größere geschmackliche Wirkung zu entfalten. So schuf er Gerichte (und mit denen Menüs), die so komplex und substanziell waren, wie sie nur die Weltklasse bietet. Hyperkreativität war ihm fremd, Modisches integrierte er nur, wenn es Geschmackserlebnisse bereicherte, ohne plakativ zu wirken. Dass er über 20 Jahre lang in allen großen Guides die Höchstbewertung bekam, resultiert auch daraus, dass Wohlfahrt als einziger deutscher Spitzenkoch einen kongenialen Sparringspartner und potenten Finanzier hatte, denn der erfolgreiche Hotelier Heiner Finkbeiner war mal Chef de Partie bei einem gewissen Eckart Witzigmann.

 

Foto oben rechts: Harald Wohlfahrt (l.) und Torsten Michel

Photocredit: Barbara Fienhold