Restaurantkritik: Nils Henkels Comeback auf Burg Schwarzenstein
Cuisine sublim
Der Rheingau ist um eine Top-Adresse reicher
Von Ludwig Fienhold
Es mag vielleicht bei einer Restaurantkritik beinahe schon despektierlich wirken, wenn man zuerst von der Butter und dem Brot und nicht dem eigentlichen Essen schwärmt. Aber die aufgeschlagene Nussbutter, die Sauerampfer-Frischkäsecreme und das Brot des fränkischen Bäckers Arnd Erbel sind derart gut, dass man vor Freude Purzelbäume schlagen möchte. Nils Henkel zeigt jedenfalls von der ersten Minute an, wie gerne er mit allem, was auf den Tisch kommt, glänzen möchte. Die seit Jahren sehr ambitionierte Burg Schwarzenstein in Geisenheim im Rheingau hat mit ihm einen kulinarischen Gewinn gezogen, der in ganz Deutschland aufhorchen lässt.
Beim Eintritt in das Restaurant empfindet man die blasse Optik als ernüchternd. Der kleine, verglaste und grau möblierte Speisesalon gewinnt aber zusehends, weil man die ruhige Gestaltung als sehr entspannend empfinden kann. Die Terrasse mit famosem Ausblick auf Weinberge und Rhein bringt wieder mehr Spannung ein. Dass ein Besuch im besten Sinn gastfreundlich verläuft, liegt an der herzlichen engagierten Restaurantleiterin Marina Saldaña und dem klug und ruhig beratenden Sommelier Michel Fourquet. Die Küche erkundet Wald und Wiese, fischt aber auch ungetrübt aus dem Meer.
Es gibt nur zwei Menüs, Fauna (145 – 180 €, 6-8 Gänge) und Flora (125 – 155 €, 6 – 8 Gänge), die man auch kombinieren kann. Wenn man die Amuse vorneweg und die Pre-Desserts sowie das Brot- und Butter-Ensemble mit einbezieht, so kommt hier ein stattliches Angebot zusammen. Ein Held, wer sich hier bremsen kann. Gute Laune machen auch die Appetithappen vorneweg: Mutiges Handkäs-Baisser; cremiger Ochsenschwanz im Überraschungs-Ei; geschmorter Aal mit Koriander-Gel, weißer Bohnencreme und Apfel.
Eine frische animierende Vorspeise: Das ausgezeichnete Kingfish-Ceviche im inspirierenden Limonen-Koriander-Sud mit Staudensellerie, Pomelo, Orangencreme und Sellerie-Eis. Unwiderstehliches Mittelmeer-Meeresfrüchte-Appeal: Wunderbar fleischige Felsenrotbarbe in grandioser Sauce Bourride mit Tintenfisch und Herzmuscheln. Good Gamba: Gebeizte knackig-frische bayerische Salzwassergarnele von den Urban Fishermann „Crusta Nova“ in einer gewaltig guten Kombination mit Brunnenkresse, Linsen-Miso, Sojagelee und Sellerie-Sorbet. Ziemlich grün: Geballte Froschschenkel, in etwas ausdrucksloser Petersilienhülle frittiert, mit Süßholzjus sowie grober und eher langweiliger konfierter Zwiebel. Auch ein Meister fällt mal aus allen Wolken: Das Schwarzwald-Lamm ging leider vollends daneben, nur lauwarm, unschöne Konsistenz, fader Geschmack. So endet nicht selten Garung à la sous vide, was aber auf Nachfrage nicht der Fall gewesen sein soll. Das vielleicht Beste aus dem Flora-Menü: Schwarzwurzel in Trüffelemulsion, mit schwarzem Trüffel, Kaffee-Mousse und Salatcreme. Clou: Die Schwarzwurzel wird mit einer „Erde“ aus Pilzen, Kaffeebohnen und Malzbier ummantelt. Vegetarisch in Hülle & Fülle: Artischockensalat, Petersilie, Kapern, Rosinen, Fingerlimes belagern einen großen Teller und wollen nicht harmonisch zusammenfinden. Charmantes Sommer-Dessert: Gewürzananas, Tamarinden-Eis, Joghurt-Mousse und Tamarillo-Gel. Beglückend: Rhabarber, konfiert und als Mousse, Butterkekscreme-Röllchen, gebackener Limone-Topfen-Knödel, Estragon-Eis.
Sommelier Michel Fourquet schüttet nicht sein Wissen aus, sondern zeigt sich als angenehm dezenter Berater, der die Gästevorlieben auslotet, bevor er eine Empfehlung gibt. Der superb gereifte trockene Riesling Oestrich Doosberg aus dem Jahr 2010 von Peter-Jacob Kühn ist solo schon beseligend, entfaltet sich aber noch besser zur Felsenrotbarbe mit Sauce Bourride und deren aparten Safrannote. Restaurantleiterin Marina Saldaña strahlt als habe sie noch nie einen Regentag erlebt, wobei auch sonst der Service aufmerksam arbeitet.
Nils Henkel hatte auf Schloss Lerbach am Ende seinen dritten Stern verloren. Ist es aber eigentlich wirklich so wichtig, ob er nun einen, zwei oder drei Sterne wert ist? Ein Besuch bei Nils Henkel auf Burg Schwarzenstein ist in jedem Fall einen Umweg und eine Reise wert. Allein für Nussbutter und Brot würden wir schon ziemlich weit fahren.
Siehe auch BISS-Artikel Nils Henkel wird Küchenchef auf Burg Schwarzenstein im Rheingau
Restaurant Schwarzenstein Nils Henkel, Geisenheim im Rheingau, Rosengasse 32, Tel. 06722 99500. Geöffnet: Mittwoch bis Freitag 18.30 – 22 Uhr, Samstag und Sonntag 12 – 14.30 Uhr sowie 18.30 – 22 Uhr (Küchenzeiten). Montag und Dienstag geschlossen.
Photocredit: Barbara Fienhold, das Bild von Nils Henkel wurde von Burg Schwarzenstein zur Verfügung gestellt