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Gastro News Frankfurt: Neues Lokal am Opernplatz

Frohsein ist dicht

Kennedys Steakhaus

Neues Lokal am Opernplatz

 

Traurig: Das Frohsein hat geschlossen. Das schick eingerichtete Lokal galt für viele als der schönste Rastplatz mitten in Frankfurts Innenstadt. Der Innenhof des Palais Thurn- und Taxis war so repräsentativ, das man glauben konnte, dies sei der feudale Eingangsbereich für das gleich dahinterliegende Hotel Jumeirah. Umso mehr wundert man sich bis heute, warum das Hotel dieses schöne Ensemble nicht gleich von Anfang an mietete, zumal es keine eigene attraktive Terrasse hat. Im Gegensatz zu den Frohsein-Pächtern plagt das Jumeirah auch keine Geldsorgen. Die Pächter, die bereits mit dem „Frohsinn“ Insolvenz anmelden mussten und sich deshalb leicht umfirmierten, haben es auch im zweiten Anlauf nicht mehr geschafft. Die Miete ist auch verschwenderisch hoch und nicht bleicht zu erwirtschaften. Wenn auch das Essen nicht richtig begeistern konnte, als Event Location war das Frohsein eine gute Adresse. Zudem waren Kaffee und Kuchen von sehr guter Qualität. Aber über 400 Plätze wollen bespielt sein, da braucht man ein starkes Team, vor allem im Service. Nach dreieinhalb Jahren ist es Aus mit Frohsein. Die Familie Malandrakis betreibt mit Soul Kitchen und Urban Kitchen noch weitere Lokale.

 

Stelios

Stelios

Die Schlacht ums beste Fleisch geht weiter. Mit dem Kennedys eröffnet an der Kennedy Allee noch ein Steakhaus. Gleich neben dem Parthenon, wo zuvor der Italiener Gennaro´s zu Hause war. Für den griechischen Hausbesitzer Stelios Kokkinoplitis war es ein Heimspiel, denn er suchte für sein Parthenon einen guten Nachbarn und wurde es kurzerhand selbst. Führen wird das Lokal Georgios Zacharopoulos, der Sohn von Stelios Lebensgefährtin. Es wird argentinische Steaks und US Beef geben. Nach dem Soft Opening eröffnet das Kennedys nun offiziell am 11. Juli.

 

Opernplatz Opernplatz: An Frankfurts schönster Sonnenbank geht es heiß her, das Filetstück ist nicht nur bei Gästen begehrt, sondern auch bei Gastronomen. Nach dem Neuzugang Papa Enj, wird nun die Brasserie in neue Hände kommen. Ciriaco Amoroso, der das Settimo Cielo und die Osteria Amoroso führt, will den Opernplatz mit italienischer Küche beleben.

 

 

 

 




Lufthansa: Schafft endlich die Bordküche ab!

Ein offener Brief

gegen fieses Essen

 

Der Kranich ist ein komischer Vogel. Versteht aber gar keinen Spaß. Wenn man ihm sagt, dass er aussieht wie ein Pleitegeier, wird er nur seine Krallen ausfahren. Macht aber nichts, denn wir wollen dem gerupften Vogel ja helfen. Mit gutem Rat, der lediglich ein offenes Ohr und kein Geld erfordert. Weit mehr noch als die Lufthansa-Aktie, befindet sich die Bordküche im Tiefflug.

Liebe Lufthansa, schaffe einfach die Bordküche ab, jedenfalls das bisherige Schema der Armenspeisung. Das Essen in der Economy schmeckt tatsächlich nach Holz. Die Alufolien gehen ja vielleicht nur deshalb so schwer auf, damit die Passagiere das Essen nicht auspacken sollen. Die Business Class ist nicht besser und bietet ebenfalls viel heiße Luft. Die First mag zwar mit dem einen oder anderen bekannten Koch als Ideengeber aufwarten, doch würde der grabesbleich ante mortem rotieren, wenn er erleben könnte, was aus seinen Gerichten an Bord wird. Mögen die dauernden LH-Streiks auch zu Unsicherheiten führen, die Bordküche ist jedenfalls zuverlässig flau.

Bordküche 1954Also lieber Kranich, lass die Flügel nicht hängen, wir sagen jetzt, was zu Höhenflügen verhilft. Die Antwort auf heiße Pappe in Alu heißt Pausenbrot. Stulle. Superstulle natürlich. Gut belegte Bauernbrote mit Schinken, Tiroler Speck oder koscherer Pastrami. Jeder Imbiss ist besser und origineller als die LH-Bordküche. Imbiss liebt die ganze Welt. Pulled Pork in der Economy, Beef vom Angus in der Business und Wagyu in der First. Veggie für die anderen. So einfach ist das.

Es wäre auch sehr schön, liebe Lufthansa-Manager, wenn ihr nicht nur Kleingeldtropfen und gesponserte Weine an Bord holen würdet. Kein nachdenkender Winzer sollte ein Präsentsein bei euch als Werbung empfinden und sich billig verkaufen wollen, weil einfach im Umfeld das kulinarische Bewusstsein fehlt, dem man sich anschließen sollte. Über den Wolken schmecken nur wenige Weine, aber noch weniger die, welche ihr durch die Gänge schubst. Liebe Lufthansa, Du könntest Dir auch einen Namen machen, indem Du gute junge Winzer förderst, die es derzeit mehr denn je in allen deutschen Anbaugebieten gibt. Als deutsche Airline musst Du dich auch nicht mit Allerweltsweinen anbiedern und darfst ruhig Nationalflagge zeigen. Die meisten guten Restaurants in Deutschland machen dies längst so.

Unsere Ideen minimieren die fixen Kosten und fördern das Image. Das ist viel Geld wert. Und dafür verlangen wir nur ein Upgrade vom Rumpf in den Kopf. Also lieber Kranich, die Vorschläge unserer Fluggastabteilung „Friedenstaube“ sollen bei Dir Wind unter den Flügeln machen. Und jetzt mach endlich die Flatter und ändere Deine Bordküche. Übrigens: Für eure geplante neue Billig-Airline empfehlen wir den Namen Chicken Wings. Dann weiß auch wenigstens jeder, was ihn an Bord zu essen erwartet.

Ludwig Fienhold

 




Perlt: Apfelwein-Winzer Kraemer

Neu & Gut

Der bemerkenswerte

Winzer Kraemer

aus der Pfalz

 

Frankfurt ist Big Apple. Die Apfelwein-Welthauptstadt hat mit Pionier Jörg Stier, Öko-Obstbauer Andreas Schneider, dem engagierten Händler Jens Becker oder den wunderbaren Minikelterern Hendoc und Jörg Markloff viele bemerkenswerte Persönlichkeiten zu bieten. Aber auch in anderen Regionen außerhalb geschieht zum Thema Erstaunliches. Etwa im abseitigen Auernhofen in Franken, wo der Winzer und Obstbauer Stephan Kraemer sehr gute Apfelweine erzeugt – Apfelwein für Weintrinker.

Adam PerlweinDas Weingut Kraemer betreibt ökologischen Weinbau, die meisten Weine sind durchgegoren und schön trocken. Der Müller-Thurgau ist besonders gut und beispielhaft an Qualität für diese vernachlässigte Rebsorte. Aber auch der Silvaner zeigt die typische puristische Handschrift des Weinguts, ebenso der eher seltene Johanniter.

Eva Perlwein70 Hektar Ackerbau, vier Hektar Steillagen im fränkischen Taubertal. Doch Kraemer kann als Obstbauer auch gut Apfelwein. Adam, Eva und Sünde heißen diese. Der „Adam“ ist ein trockner, frischer, süffiger und animierender Apfelperlwein, der zur Wiese und auf die Terrasse gehört. Bei der „Eva“ wurde Holler zugesetzt, was den Tropfen etwas charmanter, aber keineswegs süß macht. Auch bei der „Sünde“, einer Cuveé aus Apfel, Holler und Rose geht es elegant fruchtig und mitnichten zuckrig zu. Die Preise sind so niedrig wie der Alkohol. Dennoch wartet nach einer Weinprobe ein sicheres Ruhekissen: Die Familie Kraemer vermietet auch Zimmer auf dem Hof.

 

Ökologischer Land- und Weinbau Kraemer

www.kraemer-oeko-logisch.de

Tel. 09848 – 96845

Apfelsecco 6 – 7 €.

 




Villa Merton: Das war mal richtig Sommer!

Gastronom André Großfeld & Top Magazin Frankfurt feiern

 

Una festa sui prati. Alle waren da, außer Adriano Celentano. Welch ein strahlendes Sommerfest im Grünen: Eine schönere Kulisse als die Villa Merton hätte man sich für das 15jährige Bestehen des Top Magazins Frankfurt kaum wünschen können. Kein Gedränge, jeder fand auf der großen Terrasse Platz, es gab zudem ausreichend lauschige Plätzchen für den Rückzug. Der Abend bestand nur aus Höhepunkte, ein optisches Highlight: Sabine Bechtel, Schauspielerin, Modell, Tänzerin, Bond-Girl und Playboy-Cover-Girl.

Das Team der Villa Merton sauste unermüdlich und speiste die Gesellschaft mit kleinen Leckereien: Miso-Lachs mit Ingwerschaum, Cordon Bleu vom Spargel, geschmorte Kalbsbrust mit Kapern-Linsen-Creme, Pulled Lamb und einiges mehr. Dazu gab´s Wein, Sekt und das Braufactum Progusta, aber nicht aus der Flasche, sondern als supersüffiges Bier vom Fass. Magazin-Verleger Michael Ruiss und Gastronom André Großfeld (l. im Bild mit seiner Frau) konnten über 300 Gäste begrüßen – Prominente aus Kultur, Wirtschaft, Politik, Film, Sport und Hotellerie/Gastronomie. Networking bei bestem Wetter. Niemand verließ frühzeitig die Party.

 

 

 

Photocredit: Barbara Fienhold

 

Una festa sui prati

Von Adriano Celentano

 

Una festa sui prati

Una bella compagnia

Panini, vino un sacco di risate

E luminosi sguardi di ragazze innamorate

Ma che bella giornata

Siamo tutti buoni amici

Ma chi lo sa perché domani questo può finire

Vorrei sapere perché domani ci dobbiamo odiare…

  

Eine Party auf der Wiese,

Eine schöne Gesellschaft,

Brötchen, Wein, viel Gelächter

Und strahlende Blicke verliebter Mädchen.

Was für ein schöner Tag.

Wir sind alle gute Freunde.

Aber, wer weiß, vielleicht ist morgen damit Schluss.

Ich wüsste gern, ob wir uns morgen hassen müssen…

 

 




Generation Riesling: Newcomer & Entdeckungen

Die etwas frischere Weinverkostung

 

Deutsche Weine

unter Palmen

 

 

Bei Christian Hirsch heißen die Premiumweine „Großes Geweih“ und spießen damit die Klassifizierung „Großes Gewächs“ auf. Das Weingut Hörner hat auch null Bock auf klassische Einteilungen und nennt sich lieber nach Hornvieh, wobei der „Horny Rosé“ ein schönes Wortspiel ist. Die Flaschenetiketten vom Gut Emil Bauer waren schon immer frecher als andere: „No Sex, Drugs & Rock´n Roll just Riesling.“ Unter dem Verbund „Generation Riesling“ haben sich junge forsche Winzer mit neuen Ideen zusammengefunden und wollen gegen eingefahrene Hierarchien und eingestaubte Muster mit Heiterkeit aufmucken. Die Verkostung fand im prächtigen Gesellschaftshaus des Frankfurter Palmengartens statt.

Großes Geweih, Christian Hirsch

Großes Geweih, Christian Hirsch

Der Slogan von Christian Hirsch lautet kurz und deutlich „Hirsch ist Wild“, mit dem er 13 verschiedene Weine präsentiert. Seinen Trollinger „Großes Geweih“ empfindet er persönlich als „rebellisch“. Jedenfalls gerät bei ihm dieser Rote ausdrucksvoll und liegt weit über dem gewohnten Rebensaft dieser Spezies. Dies gilt auch für den Lemberger, den der schwäbische Nachwuchswinzer mit Statur versehen hat. Sein Cabernet Sauvignon ist nur in sofern international, dass er international mithalten kann. Bestseller ist die Cuvée „Rot & Wild“, eine saftig-samtige, würzige und sehr ausbalancierte Verschmelzung aus Lemberger, Merlot und Cabernet, die aus dem Glas heiter zwitschert und gute Laune macht. Über die 7,50 € dafür darf man sich ebenfalls freuen. Kein flacher Terrassen-Tropfen, sondern ein konzentrierter, zupackender, frischer Sommerwein ist der Rosé Saignée, der das Zeug zum Platzhirsch hat. Winzer wie Christian Hirsch sind die Entdeckungen, die solche Weinverkostungen wertvoll und spannend machen.

Saal im Palmengarten

Saal im Palmengarten

Bei der „Generation Riesling“ sind nicht nur Rieslinge zu finden. Es fehlen auch viele der etablierten Weingüter. Aber man trifft gerade dort bei den Verkostungen einige interessante Newcomer. Etwa Weinreich aus Rheinhessen, der mit seinem Riesling-Gutswein eine hochsolide Basis zeigt. Lisa Bunn aus Nierstein erzeugt mit ihren Weinen vom Roten Hang recht spezielle Rieslinge. Der Niersteiner offenbart frische Apfelnoten und schöne Kräuterwürze, während der Dienheimer Riesling aparte Noten von Fenchel und einen Hauch Minze aufweist. Das Weingut Sinß von der Nahe gehört schon zu den bekannten Entdeckungen und kann mit dem einfachen Riesling ebenso überzeugen, wie mit dem Riesling Römerberg. Wenn nur alle ihre Erzeugnisse so fröhlich, kompetent und ehrlich kommentieren könnten, wie Susanne Winterling, wäre die Weinwelt noch besser. Die Sekte aus dem pfälzischen Niederkirchen sind genauso frisch und heiter wie sie. Das gilt auch für Martin Bauer vom Weingut Emil Bauer. Bei ihm darf man nicht nur originelle Etiketten erwarten, sondern auch knackige Weine zu netten Preisen.

Bei den Veranstaltungen der „Generation Riesling“ geht es legerer als sonst zu, es wird nach der Verkostung noch ein DJ eingesetzt und Platz zum Tanzen gelassen. Besonders gut aber: Alle Weine standen den ganzen Abend über gutgekühlt zum Nachverkosten oder einfach nur munter trinken parat. Die „Generation Riesling“ wurde vom Deutschen Weininstitut ins Leben gerufen und zählt heute über 500 Mitglieder. Die Winzer sind nicht älter als 35 Jahre alt und touren mit ihren Verkostungen durch ganz Deutschland. Man möchte das mitunter zu formell und verstaubt präsentierte Thema Wein fröhlicher und anregender präsentieren.

Ludwig Fienhold

 

Photocredit: Barbara Fienhold

 




Best of Siebeck

Statt eines Nachrufs einige besondere

Rezensionen des verstorbenen

Gastronomiekritikers

Wolfram Siebeck (87)

 

 

 

Molekularküche

Das Prinzip dieser Molekularküche finde ich im Grunde idiotisch. Es ist wie die Erfindung des Esperanto. Das war eine Kunstsprache, die keine Wurzeln hat, keine Herkunft, keine Tradition, nichts. Die wurde einfach so aus dem Blauen heraus erfunden, weil da irgendjemand kreativ war und glaubte, dass sich alle Menschen in dieser gemeinsamen Sprache unterhalten würden, was natürlich Quatsch war. Wir müssen nur aufpassen, dass diese Molekularküche nicht die Oberhand gewinnt, nicht zu einem Dogma wird. Obwohl, die Chance hat sie ja gar nicht, weil sie viel zu unbeliebt ist – genau wie die zehn Gebote. Kein Mensch hält sich an die zehn Gebote.

Es sind Physiker, die sich diesen Gimmick ausgedacht haben und einige Köche, allen voran Ferrand Adrià, davon überzeugen konnten, dass darin die Zukunft der Kochkunst liege. Ungefähr zur Zeit der ersten Mondlandung glaubten alle, dass unsere künftige Ernährung aus Pillen und Pasten bestehen würde. Das ist gerade mal 40 Jahre her. Ob in weiteren 40 Jahren an den Küchenherden verkrachte Chemiestudenten mit Injektionsspritzen stehen und den Schweinebraten impfen werden, damit die Moleküle was zu lachen haben, ist wieder eine Frage ohne Antwort. Da aber der Nobelpreis ungeduldig mit den Hufen scharrt, wird schon jemand herausfinden, wie man Schokoladenpudding mit Hilfe der Neutronenbeschleunigung an die Wand nagelt und gleichzeitig die Gletscherschmelze in den Alpen nach Lavendel duften lässt. Das nenne ich Fortschritt. Andere nennen es Nanotechnik und versprechen sich davon kostenlose Werbung in überregionalen Tageszeitungen.

http://www.zeit.de/2005/22/Siebeck_2fKolumne_Voodoo/seite-2

Siebeck

Heston Blumenthal

The Fat Duck

In der „Fetten Ente“ (3 Michelin-Sterne) wird gekocht, dass man sich in Doktor Frankensteins Labor versetzt fühlt. Dass das Garen bei 60 Grad Celsius dabei eine Grundregel ist und Blumenthal das Anbraten bei großer Hitze als schädlich erkannt hat, überrascht nicht. Darauf sind auch schon andere gekommen. Aber Speiseeis bei 80 Grad zu servieren und eine Limonentee-Mousse in flüssigem Stickstoff bei minus 196 Grad unter den Augen der Gäste entstehen zu lassen, solche Zauberkunststücke sind bei Heston Blumenthal das Normale. Zu seinen Spezialitäten zählt alles, was nicht naturbelassen werden muss, um Gastro-Snobs zu gefallen. Wer da nicht wenigstens ein paar Semester Chemie studiert hat und außerdem Einsteins Relativitätstheorie auswendig zitieren kann, der wird das Lokal wahrscheinlich in einer Zwangsjacke verlassen.

Danach wurden zwei riesige Teller aufgetragen, in deren Mitte ein nur nussgroßes Klößchen in violetter Sauce lag, angeblich Speiseeis von Senf. Spätestens bei diesem Furz von Nichtigkeit wurde das Leitmotiv dieser Küche deutlich. Es war die alte Nouvelle Cuisine. In einem speziell angefertigten Porzellan-Ei gab es nochmals Gelee und Creme sowie ein Foie-gras-Parfait. Nach diesen Appetithappen ging es weiter: drei Schnecken auf Porridge, der petersiliengrün war und Jabugo-Schinken enthalten sollte, was aber nicht zu schmecken war. Geschmack hatten dann die beiden kleinen Würfel Foie gras in Begleitung eines Mandelgels. Die folgende Sardine war so groß wie ein Fingernagel und verschwand unerkannt in der Versenkung. Ihr folgte ein Stück Lachs in einem Überzug aus Lakritze, und das war nicht nur originell, sondern so delikat, dass ich mir davon ein größeres Stück gewünscht hätte. Das Gleiche dachte ich bei einem Stückchen fabelhaft gewürzter Taubenbrust. Danach begann die Serie der süßen Sachen, welche ebenfalls unter ihrer Winzigkeit litten. Sie wurden ebenso bedeutungsschwer wie albern serviert. Unter anderem sollte man an einem winzigen Flakon riechen, nur riechen, um wahrscheinlich die Engel im Himmel singen zu hören. Das funktionierte aber ebenso wenig wie das Tütchen mit Müsli, dessen Inhalt man mit milchähnlicher Flüssigkeit übergießen musste. Was meine Tischdame knurrend kommentierte: „Wollen die mich hier verarschen?“

http://www.zeit.de/2005/24/Siebeck_2fKolumne_London_1/seite-3

 

3-SternekochClaus-Peter Lumpp (l.) und Wolfram Siebeck

3-Sternekoch Claus-Peter Lump vom Bareiss (l.) und Wolfram Siebeck

Paul Bocuse

Da wird auch schon das unvermeidliche Brot vor uns abgestellt, und der Unterschied zur deutschen Spitzenküche könnte drastischer nicht sein: Anstelle von mehreren Brötchensorten plus Grau- und Schwarzbrot enthält der Lyonnaiser Brotkorb nur ein rustikales Brötchen, welches den leichtsinnigen Esser zwingt, anschließend in die HNO-Abteilung eines Spitals zu eilen, um die in Fetzen herabhängende Gaumentapete reparieren zu lassen. Die gleiche Schockbehandlung kenne ich aus anderen Drei-Sterne-Restaurants in Frankreich. Wahrscheinlich handelt es sich um eine interprofessionelle Abmachung nach dem Motto: Die Leute sollen sich nicht am Brot satt essen, sondern an Jakobsmuscheln. Immerhin gönnt uns der Meister zwei Appetitmacher. Als Erstes eine fade Kürbissuppe, wie sie in dieser Minute in tausend Restaurants serviert wird. Dazu gab es ein wunderbares, altmodisches Gebäck, ein Brandteig-Brötchen, wie es kein Patissier mehr herstellt in unserer Vollkorn-Epoche. Diesem Gruß aus der Küche folgte ein Klassiker der Haute Cuisine: gebratene Foie gras auf einer Polenta-Unterlage. Sie ist nicht größer als eine Minifrikadelle, perfekt gebraten und wegen ihrer köstlichen Apfelsirupsauce unwiderstehlich.

La Soupe VGE. Das sind die Initialen des damaligen Staatspräsidenten Valéry Giscard d’Estaing, der als französisches Staatsoberhaupt in die Geschichte eingehen wird, weil er einen Koch in die Ehrenlegion aufnahm. Die Suppe enthält winzig kleine Gemüsepartikel, ebenso kleine Stücke von der Rinderzunge und einer Foie gras sowie dünn geschnittene schwarze Trüffelscheiben. In einer feuerfesten Form, aufgegossen mit einer konzentrierten Rinderbrühe und mit einem Deckel aus rohem Blätterteig verschlossen, wird die 1-Person-Suppenschüssel 18 Minuten bei 220 °C im Ofen erhitzt. Der Gast schlägt den knusprig braunen Deckel ein und hofft auf die ausströmende Duftwolke. Als Nächstes verbrennt er sich das Maul, muss aber feststellen, dass sie wirklich großartig schmeckt, die berühmte Suppe VGE.

Als Bocuse an unseren Tisch kam, unterhielten wir uns über die Malaisen des Alters. Man merkte ihm an, dass das Leben ihn mehr mitgenommen hat als mich (wir sind fast gleichaltrig). Er wirkte tatsächlich nicht sehr fit, und sein Machismo war einer fast rührenden Freundlichkeit gewichen, welche von dem gekräuselten Grauhaar unterstrichen wurde, das seine einstmals straff gekämmten dunklen Strähnen ersetzt hat. Seine Köche ließen ihm wenig Zeit zum Plaudern; die Kellner brachten den Zwischengang. Dabei triumphierte wiederum die Klassik. Barbara, meine Gefährtin, wurde mit einem Krebsgratin konfrontiert, wie es in Lyon schon vor dem letzten Krieg serviert wurde: ohne Panzer in einer dicken Sahnesauce, die nach der Stadt Nantua benannt ist.

Siebecks Maskottchen

Siebecks Maskottchen

Mein Fischgang war nicht weniger nostalgisch. Da lag ein großer Hechtkloß, ebenfalls in der rosafarbenen Sahnesauce Nantua: Regionaler ging’s nicht; vor einem halben Jahrhundert verkörperten im Burgund Krebsschwänze in einer aus den Schalen der Krebse gezogenen rosa Sahnesauce das Schlemmen auf großbürgerlichem Niveau, wie heute in Berlin die elenden an der Haut gebratenen Zanderfilets. Hechtklöße waren auf Ostfrankreich beschränkt. Meiner war faustgroß und comme il fault. Das heißt, er besaß den richtigen Grad von Lockerheit, sodass er nicht zerfiel, wenn man ihn anschnitt, und hatte den spezifischen eleganten Eigengeschmack, den kein anderer Fisch zustande bringt.

Wo es dreisternemäßig zugehen soll, darf jedoch nicht passieren, was jetzt geschah: Mein Kalbsbries lag in einer hellrosa Krebssauce vom Stamme Nantua. Also wieder Sahne, und wieder unendlich viele kleine Krebsschwänze. Vor dieser Wiederholung hätte mich der Oberkellner, der die Bestellung aufnahm, warnen müssen. Mir taten die Krebse leid, die ich an diesem sonnigen Herbsttag an der Saône vernichtete, mir tat mein Magen leid, der mit den Sahnemengen fertigwerden musste, und mir tat sogar Bocuse leid, dessen Personal nicht auf dem Niveau agierte, das seinem Ruf entsprochen hätte.Barbara hatte Glück. Sie hatte eine Taube bestellt. Es war ein ziemlich großer Vogel, er war einfach am Spieß gebraten und absolut köstlich.

http://www.zeit.de/2013/26/sternekoch-siebeck-paul-bocuse-restaurant/seite-2

 

Alle Auszüge stammen aus der „Zeit“. Photocredit: Barbara Siebeck

 

 

 

 




The World´s 50 Best Restaurants: Kohle statt Küche

Die Fifa der Köche

 

Nordkorea als Veranstaltungsort?

 

Ex-Chef Petrini lässt nichts Gutes erahnen

 

Dass es quer durch die Medien immer noch Journalisten gibt, welche die 50 Best Listen völlig unkritisch und unterbelichtet bringen, zeigt auch etwas vom Stand der Presse in diesem Land. Wir interessieren uns mehr für die Hintergründe und die Hintermänner dieser so offensichtlich fragwürdigen Hitparade des freien Unsinns.

Chairman der „50 Best“ zu sein, das verspricht kein Geld. Der Posten ist ehrenamtlich – und dennoch begehrt. Die Erwählten werden hofiert, beachtet, erhalten Einladungen, geben Interviews. Kurz vor der Premiere der umstrittenen Klassifizierung hat der ehemalige Chairman France Andrea Petrini das Wort ergriffen und sich zu den 50 Best und seinem Nachfolger Nicolas Chatenier geäußert: „Das ist ein undurchsichtiger Typ (quelqu’un d’occulte), der ein Restaurant hat, Pressesprecher (für Köche) ist, die Kommunikation der Grandes Tables du Monde verwaltet.Wenn das kein Interessenkonflikt für seine Mission ist, heiße ich Genevieve! Wissen Sie, es gibt alle fünf Jahre einen Wechsel des Chairman. Es war ganz normal, dass ich die 50 Best verlassen habe, zu denen ich 12 Jahre gehörte. William Drew, der Chefredakteur des Restaurant Magazine, rief mich an und sagte mir: Sie wissen, es ist kompliziert, mit Imageproblemen in Frankreich, mit Relais & Châteaux Köchen und 3-Sterne-Leuten, wenn Sie nichts dagegen haben.“

Andrea Petrini

Andrea Petrini

Chatenier persönlich hat den Eigentümer der Gruppe (William Reed Business Media, Verleger von Restaurant Magazine) kontaktiert und sich selbst als Spin Doctor präsentiert, als richtigen Mann der Lage, um ihn mit den Profis in Frankreich zu versöhnen. Im April 2015 organisierte er eine Fete in kleinem Kreis zwischen den Köchen und der Führung der 50 Best. Dabei waren Adeline Grattard, Jean Sulpice, ein Vertreter von Yannick Alléno, Jean-François Piège, Mauro Colagreco. Im Mai kam dann die Pressekonferenz in Paris. Zur ersten wurde ich nicht eingeladen. Bei der zweiten war ich wohl der einzige Journalist in Frankreich, der nicht von der Durchführung der Veranstaltung unterrichtet war. Ich wurde gefragt, ob ich nicht abstimmen möchte, ich sagte „Nein danke“, aus offensichtlichen Gründen. Jenseits von Chatenier ist bei den 50 Best unglücklich, dass wirtschaftliche Fragen alles in den Schatten stellen. „Wenn Nordkorea mehr auf den Tisch legt als Thailand, dann findet das Ganze in Nordkorea statt.“ (zitiert nach Ezéchiel Zérah auf atabula.com). Glaubt man dem ehemaligen Chairman Petrini, geht es bei den 50 Best also um Kohle und nicht um die Küche.

Jörg Zipprick

 

Unbestechlich oder lupenreine Klüngelei?

 

Stellen wir uns mal vor, ein Sportreporter wäre Berater von Bayern München, ein Automobiltester stünde bei VW unter Vertrag und ein Filmkritiker würde seine eigenen Drehbücher vermarkten, die später von ihm Top-Noten erhalten. Was würde man vom Urteil dieser Autoren halten? Nicht so viel? Dann lesen Sie besser nicht die Liste der sogenannten 50 weltbesten Restaurants von William Reed Business Media, in der Köche, PR-Agenten und Berater über andere Köche abstimmen.

Zur Erinnerung:“Die 50 weltbesten Restaurants“ stützen sich auf ein System von Chairmen, die Wähler ernennen, welche anschließend für Restaurants stimmen. In der Vergangenheit berichteten wir über diverse Exzesse des Systems – eine Kritik die damals auch von führenden Köchen und der New York Times geteilt wurde.

Solcher Kritik pflegt William Reed Business Media inzwischen mit dem Mantra zu begegnen, die 50 Best seien durch die Wirtschaftsprüfer des weltweit verzweigten Unternehmens Deloitte zertifiziert. Die französische Presse zitierte die Führungsriege der Briten gar mit den Worten „Deloitte verifiziert, dass die Stimmberechtigten keine finanziellen Interessen an den Betrieben haben.“ Das klingt nach einer sinnvollen Maßnahme.

Boris Yu

Boris Yu

Wir wollten es aber genauer wissen und starteten im vergangen Jahr ein kleines Experiment: Deloitte London bekam eine freundliche Mail mit der Frage, ob sie tatsächlich die Stimmberechtigten der 50 Best nach Interessenkonflikten überprüfen. Dann ging es zur Sache: „Einer dieser Chairmen ist Herr Boris Yu aus Hongkong. Yu ist der Besitzer von „Bo Innovation“, einem Top-Restaurant in der „50 Best“. Ist dies ein Fall von „finanziellen Interessen“, wie von Deloitte definiert? Wenn nicht, wie definieren sie „finanzielle Interessen“?

Die spanische „Chairwoman“ Roser Torras ist der Inhaberin einer PR-Agentur, die für führende spanische Köche wie Andoni Luis Aduriz oder Martin Berasategui und viele mehr arbeitet. [die aktuelle Kundeniste ist unter www.grupgsr.com einsehbar]. Der französische Chairman Andrea Petrini veranstaltet Events mit 50 Best-Köchen. Während seiner nächsten Veranstaltung werden 37 dieser Köche für ihn gratis arbeiten. Ist das ein Fall von „finanziellen Interessen“, wie von Deloitte definiert? Wir wiesen Deloitte in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Gratisarbeit der Köche, legt man ihren normalen Tagessatz zu Grunde, einem Wert von etwa einer Million britischen Pfund entspricht.

Nicolas Chatenier arbeitet zumindest gelegentlich mit Charles Reed, Group Managing Director von „William Reed Business Media“, Inhaber der „Welt 50 Best Restaurants“. Chatenier arbeitet auch als Agent für mehrere Köche, die von den 50 Best gut eingestuft werden und besitzt eine Agentur, die Köche vermarktet. Ist dies ein Fall von „finanziellen Interessen“?

Mehrere sogenannte „Partnerländer“ wie Südkorea, Peru oder Singapur sind sehr gut in dieser Liste vertreten. Hat Deloitte Unternehmen diese Fälle bezüglich Interessenkonflikten überprüft? Deloitte-Mitarbeiter Ben Jun-Tai antwortete ein paar Tage später: „Vielen Dank für Ihre Fragen, aber ich befürchte, dass wir nicht in der Lage sind, Kunden-Angelegenheiten zu kommentieren…“ Die Wirtschaftsprüfer wollten weder bestätigen noch dementieren, dass sie tatsächlich nach Interessenkonflikten gesucht hatten.

Nicolas Chatenier

Nicolas Chatenier

Abschließend lehnten wir uns entspannt ein Jahr zurück und schauten mal, was hinter den Kulissen passiert: Boris Yu wurde in die Asien-Jury versetzt, Roser Torras gab nach nur einem Jahr ihre Aufgaben an die Journalistin Cristina Jolonch weiter. Andrea Petrini gehört nicht mehr zu den Chairmen.

Das klingt beim ersten Lesen nach einem gehörigen Aufräumen. Doch Yus Restaurant liegt in Asien, wo er abstimmt. Cristina Jolonch arbeitet eng mit Torras zusammen, unter anderem in der Plattform „7canibales“. Und der neue Franzose Nicolas Chatenier? Auf der Website der 50 Best heißt es „der Autor und Consultant Nicolas Chatenier ist seit 10 Jahren in die Welt der französischen Küche eingetaucht. Im Jahr 2012 veröffentlichte er „Mémoires de Chef“, eine detaillierte und lebendige Beschreibung der Nouvelle Cuisine-Bewegung im Frankreich der 1970er Jahre. Er schreibt regelmäßig über Essen und Restaurants in Monde, Vanity Fair und GQ.“

Roser Torras

Roser Torras

Tatsächlich hat er dort einige Beiträge veröffentlicht. Sein Geld verdient Nicolas Chatenier jedoch mit dem Management von Köchen. Der ehemalige Vorstand von „A. Decat“, einem Hersteller von Medaillen und Abzeichen, der nach einem Liquidationsverfahren aus dem Handelsregister gelöscht wurde, startete mit dem Fernsehkoch Cyril Lignac und arbeitete später für Drei-Sterne-Köchin Anne-Sophie Pic aus Valence sowie ihren Mann David Sinapian. Diesen beiden soll er einen prominenten Patz bei der Vereinigung Grand Tables du Monde verdanken. Zu seinen Kunden gehört auch der Ein-Sterne Koch Alexandre Gauthier aus Nordfrankreich, der von diversen Publikationen in England und Deutschland extrem hoch gehandelt wird. Mit Starkoch Yannick Alleno jettete er nach Asien, auch zu Alain Ducasse soll er gute Beziehungen unterhalten. Anders als seine Kollegen kommuniziert Chatenier keine Liste seiner Kunden, posiert manchmal als Berater, dann wieder als Spin Doctor und schließlich als Journalist. Allein das bezeichnet man in der Medienbranche gemeinhin als Interessenkonflikt.

Insider fragen sich jetzt, wie die Köche Pascal Barbot und Inaki Aizpitarte, zwei enge Freunde des Chairman Petrini, die stets an seinen Events mitwirkten, in diesem Jahr im Vergleich zu Chateniers Kundenkreis abschneiden. Wir werden jedenfalls auch in diesem Jahr die Wirtschaftsprüfer von Deloitte fragen, wie man dort solche Fälle einschätzt. Die Küchen-Serie „The Untouchables“ läuft weiter.

Jörg Zipprick

 

Artikel der New York Times zum Thema

http://query.nytimes.com/gst/fullpage.html?res=9803EFD71438F930A25757C0A9679D8B63&pagewanted=all

 




Das neue Restaurant 1718 mit Alfred Friedrich

Weindorf Deidesheim hat

eine weitere Topadresse

 

Hotel-Hideaway Ketschauer Hof wird immer besser

 

Der Ketschauer Hof im pfälzischen Deidesheim gehört zu den besten Adressen der Republik. Das dazugehörige Sternerestaurant L.A. Jordan von Küchenchef Daniel Schimkowitsch allein ist schon ein herausragendes kulinarischen Ziel, jetzt wurde gleich gegenüber das Restaurant 1718 eröffnet, in dem der einst sternegekrönte Alfred Friedrich Regie führt. Er sorgt dort für eine prägnante Küche der intelligenten Herzhaftigkeit. Das Interieur ist extravagant und setzt sich drastisch von der hier üblichen Weinstubenseligkeit ab. Rustikale Gasthäuser gibt es schon genug in der Region, das amüsante Ambiente soll auch ein jüngeres Publikum ansprechen. Auf der Innenhofterrasse lässt es sich dieser Tage besonders angenehm schwelgen.

Küchenchef Alfred Friedrich

Küchenchef Alfred Friedrich

Zum modernen Design im alten Gemäuer passt die Küche durchaus gut. Sie ist im Grunde zwar zeitlos, schafft aber doch mit einer gewissen Leichtigkeit entstaubte Klassiker in Bestform auf den Tisch zu bringen. Für sein wunderbares Wiener Schnitzel ist Alfred Friedrich bekannt, weshalb es hier keinesfalls fehlen darf. Ein solches Wiener sucht man in dieser Klasse nicht nur in Deidesheim vergebens.

Ungarisches Gulasch von Ochsenbacken mit Topfenknöpfle oder Backhuhn vom Maishähnchen mit Kartoffel-Gurkensalat sollte man sich auch nicht entgehen lassen. Wer sagt, dass solche Gerichte einfach wären, hat keine Ahnung, wie schwer es gerade ist, diese vermeintlich schlichten Genüsse auf Topniveau zu vermitteln. Ein Wiener Schnitzel kann ebenso anspruchsvoll sein wie Languste, Hummer oder Gänseleber. Luxusküche kann langweilen, Bodenständiges spannend sein. Gut gemacht muss es einfach sein und schmecken soll es, das eine wie das andere. So wie das eher der Haute Cuisine zuzuschreibende Schwarzfederhuhn vom französischen Spitzenzüchter Mieral. Alfred Friedrich serviert es im neuen 1718 als saftig-fleischige Keule und zarte Brust mit leicht krosser Haut. Dazu gibt´s aromatische und leicht beschwipste Morcheln und cremige steirische Polenta. Bei den Desserts geht es auf höchster Ebene weiter, der Apfelstrudel im großen breiten Glas mit Vanille Panna Cotta und Apfelconfit nebst Zimtblüten-Eis und karamellisierten Strudelblättern ist einfach erste Sahne. Das alles hat Sterne-Qualität, zielt aber schon durch lockere Atmosphäre und sympathische Preise gewollt nicht darauf, weil solche Auszeichnungen eine Belastung sein können, die hier gar nicht erwünscht sind.

1718 Ketschauer Hof - 3Der Ketschauer Hof ist nicht allein ein hübsches Hotel, denn dahinter steht das große Niederberger-Unternehmen, zu dem unter anderem gleich mehrere sehr gute Weingüter gehören: Reichsrat von Buhl. Bassermann-Jordan und Von Winning sowie Dr. Deinhard. Von diesen gibt es reichlich Gutes im Keller des neuen 1718, der Weißburgunder von Bassermann-Jordan etwa ist ein sympathischer Jedermannsfreund, ohne flach zu sein. Ein beschwingt fröhlicher   Jungmädchenservice sorgt ebenfalls für gute Laune und lädt zu längerem Umtrunk ein.

1718 Ketschauer Hof - 2Das Restaurant 1718 nennt sich nach dem Gründungsjahr des heutigen Weingutes Bassermann-Jordan, dessen mystischer alter Weinkeller genau darunter liegt. Just, wo nun das 1718 zu Hause ist, soll die einstige Bibliothek gestanden haben, weshalb die plastische Wandtapete daran auf schöne Weise erinnert. Das Restaurant 1718 ist erstaunlich anders, was dem traditionellen Deidesheim gut tut. Hat Alfred Friedrich nun hier seine neue Heimat gefunden? Friedrich war einst neben Hans Haas die große Zugnummer vom verblichenen Frankfurter Brückenkeller, dies war dem Michelin zwei Sterne und dem Gault Millau 18 Punkte wert. Danach machte sich der Österreicher mit dem Humperdinck im Westend in Frankfurt selbstständig und zog später ins Restaurant Marcobronn aufs Schloss Reinhartshausen in den Rheingau. Zuletzt war Friedrich Küchenchef im Frankfurter Restaurant Lafleur, das er nicht gerade in Freundschaft mit der betreibenden Tigerpalast-Gastronomie verließ. Derzeit kocht der große Altmeister so entspannt wie selten zuvor.

Ludwig Fienhold

 

1718 Ketschauer Hof - TitelKetschauer Hof, Restaurant 1718, Tel. 06326 70000.

Dienstag bis Sonntag von 12 – 14.30 Uhr und 18 – 22 Uhr, sowie kleine Karte und Kuchen zwischen 14.30 – 18.00 Uhr. Montag Ruhetag.

Photocredit: Barbara Fienhold

 




Mit Alpenlachs zum Gourmetgipfel

10. Genussjubiläum in der Villa Rothschild

 

Claus-Peter Lumpp scheint mit dem Schwarzwald verwurzelt. Jedenfalls verlässt der 3-Sterne-Koch nur höchst selten das Hotel Bareiss, weshalb sein Gastspiel in der Villa Rothschild beim 10. Gourmetgipfel schon durchaus etwas von einem Starauftritt hatte, den er aber artgerecht in aller Stille und Bescheidenheit absolvierte.

Alpenlachs

Alpenlachs

Küchenpartys gibt es viele, aber nur wenige auf einem so hohen Niveau. Die Villa Rothschild genießt immerhin auch einen kulinarischen Ruf der Extraklasse. 10 Köche, 11 Winzer, Champagner- und Sektstände und vieles mehr, schufen ein Schlaraffia. Über 500 Gäste flanierten von Happen zu Happen, von Glas zu Glas. Die große Küche, alle Salons, die Terrasse und der Park wurden zu Genussstationen. Überraschung: 3-Sterne-Koch Claus-Peter Lumpp war ebenfalls dabei. Sein geschmortes Perlhuhn mit Rosmarinsauce, Zitronen-Urgetreide und Burrata gehörte zu den Highlights des Events.

Christoph Rainer

Christoph Rainer

Jeder der Köche lieferte Topgerichte. Christoph Rainer, Ex-Chef der Villa Rothschild und jetzt Küchenchef im Tigerpalast, zeigte mit seinem Ceviche vom Schwarzen Lachs mit Algenrahm, Meeresfenchel-Eis und Gurken-Limettensud wie harmonisch und ausgezeichnet ein extrem verfeinertes, kreativ umgesetztes „Peru“-Gericht sein kann. Daniel Schimkowitsch vom Ketschauer Hof in Deidesheim schickte mit seinem Signature Dish, dem „verkohlten Rind“, ein Gericht von großer Intensität. Das lange geschmorte, wunderbar mürbe Rind mit Sommertrüffel und Teriyaki-Sauce war von samtiger Konsistenz und ausdrucksvollem Geschmack. Paul Stradner von Brenner´s Park-Hotel glänzte mit lauwarm gegarten österreichischem Alpenlachs in Safranveloute, Christian Eckhardt von der Villa Rothschild beeindruckte durch gebratenen zarten Kaisergranat mit Fenchel, Dill und Wermut. Fingerfood, Schwarzwälder Schinken und frisches Brot von Pains & Tradition sowie eine große Dessert-Parade machten das überreiche Angebot komplett. Bei den Weinen gefielen besonders gut der Pinot Blanc „Eichelberg“ und der Pinot Gris, beide von Heitlinger aus dem Kraichgau. Benjamin Birk und seine famose Servicebrigade hatten einen Marathonlauf und logistische Höchstleistungen zu bewältigen.

 

Photocredit: Barbara Fienhold




Restaurantkritik: Die Leiter in Frankfurt

Der pikante Charme der Reife

 

Das Restaurant Die Leiter ist ein kulinarisches Fossil. Alt zu sein, ist noch keine Leistung, aber Beständigkeit schon. Seit 33 Jahren gehört das Lokal zu den besonderen Frankfurter Adressen und zu den ganz wenigen guten in der Innenstadt. Die Küche ist eine schlüssige österreichisch-italienisch-deutsche Freundschaft, die der ruhige Riese Alexander Gschaider aus der Steiermark grundsolide pflegt.

Küchenchef Alexander Gschaider (l.), Restaurant-Leiter Fernando

Küchenchef Alexander Gschaider (l.), Restaurant-Leiter Fernando

Kein anderes Innenstadtlokal bewegt sich so lange auf gutem Niveau wie Die Leiter in der Kaiserhofstraße an der Freßgass. Hochzeit hatte das Lokal, als man in der Stadt Dinner & Dance noch auf anspruchsvolle Weise miteinander verband und gleich nach dem Restaurantbesuch ins gegenüberliegende Le Jardin von Tatjana Gemming ging. Damals war die Leiter nicht nur ein Ess-Lokal, sie war weit mehr ein gesellschaftlicher Treffpunkt mit hohem Flirtfaktor. Während an den Tischen noch die Nudeln zwischen den Lippen entschlüpften, versuchten sich an der Theke bereits die Nimmersatten im amourösen Aufgabeln. Das Lokal war rappelvoll, mitunter auch einige Gäste, was aber nie störte. Diese ungezwungene gute Laune, die einmalige Mischung aus Restaurant und Bar, gab es nie zuvor und auch nie wieder danach. Gegenüber der Leiter, in der Kaiserhofstraße 11, wohnte übrigens der Frankfurter Schriftsteller jüdisch-russischer Herkunft Valentin Senger, den man endlich wiederentdeckt hat.

Pasta mit Meeresfrüchten

Pikante Pasta mit Meeresfrüchten

Drei Namen sind untrennbar mit dem Lokal Die Leiter verbunden: Hausherr Chester Sauri, der unter anderem noch den Evergreen Fattoria in Mörfelden-Waldorf betreibt, Restaurantleiter Fernando Mezzadra und Küchenchef Alexander Gschaider. Selbstredend gelingen dem Österreicher Heimatgerichte wie Wiener Schnitzel, Backhendl und Tafelspitz besonders gut, aber auch die Lammkoteletts sind ein Must-have. Standards italienischer Art machen ebenfalls Spaß, etwa die saftigen Papardelle mit würziger Salsiccia-Wurst oder die temperamentvollen Spaghettini mit Calamaretti, Garnelen, Steinpilzen, Knoblauch und Chili sowie das Pimento-Risotto mit Erbsen und Sesam-Wachtel. Es geht aber auch noch etwas kreativer. Da gibt es dann in der Pfanne hellbraun gedünsteten Zander auf cremigem Sauerkraut mit Speck und Kartoffelpüree oder die in Zimt und Nelken marinierten Kalbsbäckchen. Hervorragend auch die Spanferkelbäckchen mit gerührter Polenta, jungen Bohnen und krossem Speck. Es lohnt sich jedenfalls zu den Tagesempfehlungen zu greifen. Neben den Hausklassikern werden täglich sieben neue Positionen offeriert, das Drei-Gang-Menü kostet sozialverträgliche 32 €.

Team-Geister

Team-Geister

Küchenchef Alexander Gschaider steht seit 22 Jahren in der Leiter am Pass. Er hat im famosen Bareiss in Baiersbronn gelernt, stand in den seligen Unterberger Stub´n in Kitzbühel am Herd, wo Eckart Witzigmann Stammgast war, und kochte mit Alois Köpf im verblichenen Restaurant de France in Wiesbaden. Gschaiders Souschef Erwin Mayer steht seit 17 Jahren an seiner Seite.

Auch der Service ist eine gastronomische Antiquität. Fernando, der aus der italienischen Provinz Pavia stammt, schwirrt von Anfang an durchs Lokal.Die älteren Gäste kennen ihn sogar noch aus seiner Zeit beim Frankfurter Hof. Das Leiter-Team besteht vor allem aus altgedienten Mitarbeitern, wie Katharina oder Alberto und anderen ewig bekannten Gesichtern. Am Ambiente hat sich scheinbar wenig geändert, noch immer herrscht das Bild des sehr schlank geschnittenen Bistros vor. Doch es gibt inzwischen einige Veränderungen, der Gastraum wird dezent aufgemöbelt, das Licht hat sich bereits deutlich verbessert. Rechtzeitig zur Terrassensaison soll auch der Außenbereich schöner dastehen. Die Atmosphäre in Der Leiter hat etwas Unbeschwertes und erinnert auf angenehme Weise an gute alte Zeiten, ohne verstaubt zu wirken.

Immer nah am Gast arbeiten

Immer nah am Gast arbeiten

Die Leiter hat einen gutgefüllten Weinkeller, es lohnt sich, Fernando nach seinen letzten Entdeckungen zu fragen. Ganz neu im Repertoire sind Avantgarde-Champagnerwinzer, derzeit im offenen Ausschank ist ein Blanc de Noirs von Clement Perseval, der zum Mittagsmenü angeboten wird.  Außerdem interessant: Die Weine des französischen Drei-Sterne-Kochs Michel Guérard sind sonst nirgendwo in Deutschland zu bekommen, man sollte sie einmal probieren, vor allem den köstlich duftigen und enorm saftigen Sauvignon Blanc Baron de Bachen. Manchmal muss es auch ein Prosecco sein, der von Dal Din ist ein guter beschwingter Vertreter seiner Spezies.

Die Themen-Wochen und Events der Leiter gehören in den Kalender, die Österreich-Tage waren besonders gut gebucht. Die beiden Steirer Alexander Gschaider und Erwin Mayer zeigten sich in Bestform. Sehr gut etwa die Selchfleischtascherl mit brauner Butter, das Fiakergulasch vom Ochsenwadl mit Breznknöderl sowie Arme Ritter mit Blutwurstfüllung nebst gebackenem Haferflockenleberknödel. Einige Gerichte der Österreich-Tage werden auch immer wieder Einzug auf die Speisekarte finden. Von uns aus könnte es die Österreich-Tage das ganze Jahr über geben.

Ludwig Fienhold

 

Die LeiterDie Leiter, Frankfurt, Kaiserhofstr. 11, Tel. (069) 29 21 21.

Österreich Woche, 14.-23. April, ab 18 Uhr.

www.dieleiter.de

 

 

 

 

 

Photocredit: Die Leiter, Barbara Fienhold