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Paris: Geheimtipps & Newcomer

Neue, gute und sogar preiswerte Restaurants

 

Von Jörg Zipprick

 

Paris ist angeschlagen, bleibt aber selbstbewusst. Auch bei den Preisen. Doch es gibt auch manchen Geheimtipp mit sehr guter und bezahlbarer Küche. Die Stadt leidet immer noch unter den Anschlägen vom letzten Jahr. Offizielle Statistiken sprechen von einem Minus an Buchungen von 15 Prozent, namhafte Köche und Hoteliers von einem Rückgang von eher 40 Prozent. Freie Tische gibt es so gut wie überall, auch wenn ein paar besonders eitle Cuisiniers versuchen, den Mythos aufrecht zu erhalten und versichern, man müsse bei ihnen vier bis zwölf Wochen im Voraus reservieren. Liebe Köche, es wird nicht funktionieren: Lange Reservierungsfristen sind eben kein Anzeichen von Qualität, sie zeigen nur, dass teures Marketing diverser Agenturen manchmal Wirkung entfaltet.

Le Clarence

Le Clarence

Der Gästemangel führt dazu, dass erstmals seit Jahren die Preise der Mitteklasse stagnieren. In der Oberklasse geht es weiter aufwärts, das wohl teuerste Menü der Stadt gibt es derzeit bei Guy Savoy (Bild oben rechts): Rund 490 Euro pro Person für 18 Gänge. Dafür jedoch gibt es nicht nur die exzellenten Gerichte von Savoy sondern auch Blick auf die Kunstwerke des Sammlers François Pinault.

Das Ritz hat wieder eröffnet, doch so richtig will der alte Glanz nicht aufkommen. Bei einem Kurzbesuch fotografierten Besucher sich mit Selfie-Sticks in Lobby und Halle, ein Clubsandwich war mit industriellem Streichkäse beschmiert, das Klavier in der Bar hinter der Lobby hatte merklich Staub angesetzt (und niemand wollte es reinigen). Kurios auch die Reservierungspolitik: Nach einem ersten, erfolglosen Versuch, einen Tisch im Zweitlokal zu ergattern, wollten wir es genau wissen und ließen gleich drei Interessenten anrufen.  Zwei davon wollte der Service überreden im Grand Restaurant zu buchen, der den Wünschen des dritten Anrufers wurde anstandslos entsprochen. Das verstehe, wer will.

Vielversprechend und nicht zu kostspielig ist das Restaurant Tomy in der Rue Surcouf mit Menüs für zirka 45 Euro. Der junge Koch Tomy Gousset lernte im Taillevent und im Hôtel Meurice, bevor er als Angestellter im Pirouette im Hallenviertel seine Runden drehte. Momentan mangelt es bei Tomy noch ein wenig an eigener Handschrift, aber das kann sich ändern.

Guy Savoy

Guy Savoy

Le Clarence, das Restaurant der Domaine Clarence Dillon (Haut Brion in Bordeaux) zählt immer noch zu den bestgehüteten Geheimnissen von Paris. Zu Unrecht, denn Chef Christophe Pelé kocht meisterhaft und mittags kann man hier schon für 65 Euro ein Drei-Gang-Menü genießen. Ein Schnäppchen, denn das Clarence ist ein Grand Restaurant vom alten Schlag, etwas plüschig und mit mustergültigem Service, jedoch mit moderner, leichter Küche. Wenn die neuen Restaurantführer erscheinen ist es wohl vorbei mit dem Geheimnis.

Altmeister Alain Ducasse eröffnete ein Café namens Ore in Versailles. Das ist so goldig, dass es seinem Namen alle Ehre macht. Im Papillon (8, Rue Meissonnier) wirkt der ehemalige Drei-Sterne-Koch Christophe Saintonge aus dem Meurice – Mittagsmenü für 36 Euro! Und Jean-François Piège bereitet die Eröffnung seines Clover Grill vor, dessen Konzept bereits der Name verrät.

 




Gault & Millau 2017: Die besten Köche in Hessen

Der neue Gourmet Guide

kann einige Entdeckungen bieten

 

Andreas Krolik vom Restaurant Lafleur in Frankfurt wird zum „Koch des Jahres“ gekürt. „Aufsteiger des Jahres“ in Hessen ist Michael Kammermeier von der Ente im Nassauer Hof in Wiesbaden (rechts im Bild). Als „Junges Talent“ erfolgreich in Limburg mit seinem neuen Restaurant 360 Grad gestartet hat Alexander Hohlwein. Eine Kochmütze erhalten erstmals die Lokale „Chairs“ und „Stanley Diamond“ in Frankfurt sowie „Allgaier“ in Königstein.

Andreas Krolik (siehe auch Biss-Artikel „Der Koch des Jahres“) bedient sehr elastisch höchst unterschiedliche Geschmackswelten aus einer Küche: Von veganem Gewürztofu bis zum Rindertatar mit Bio-Gänseleber versucht er sehr Gegensätzliches zu integrieren. Den Testern des Gault & Millau ist diese Beweglichkeit eine Auszeichnung und 18 Punkte wert.

Rind & Gänseleber von Krolik

Rind & Gänseleber von Krolik

Auf 17 Punkte steigert sich Michael Kammermeier von der „Ente“ in Wiesbaden dank „durchdachter Höhenflüge“ seiner Küche: Kreativ die Vinaigrette von geräucherten Fischgräten zur asiatisch maskierten Bernsteinmakrele, angenehm überraschend die Kruste aus Entengrieben auf dem Steinbutt oder der Waller auf Ochsenmaulsalat mit Navetten und Zwiebel-Miso-Sud, konstatiert der Restaurantführer.

16 Punkte erreicht auf Anhieb Alexander Hohlwein, 29, im neueröffneten „360°“ in Limburg, der für „seine in alle Richtungen offene, geschmacksintensive Aromenküche, die klassisch fundiert, immer vielfältig und angenehm frei von Chichi ist“, als „Junges Talent“ gewürdigt wird. Dieselbe Note schafft auch Simon Stirnal als neuer Küchenchef des „Kronenschlösschen“ in Eltville, der „beim gebratenen Steinbutt mit lauwarmen Nordseekrabben, Brathähnchenfond, einer Bratkartoffelscheibe, Kartoffel-Lauchpüree und sautiertem Lauch edle und rustikale Gutbürgerlichkeit ebenso in den Adelsstand erhebt wie beim Juvenilferkel mit Allerlei von Apfel, Zwiebel und Lauch“.

Auf 15 Punkte und damit jene Klasse, in der nach dem Verständnis des Guides Kochen zur Kunst wird, verbessern sich Klaus Sänger vom „Sänger’s“ in Bad Homburg („solide in der klassischen französischen Küche verwurzelt, bietet er die rosa Entenbrust mit knusprig-fettem Rand, der von Blattspinat, Rhabarber und Quittensenf erfrischend konterkariert wird“) sowie Thomas Schurat und Michael Kahrs vom „Gutshof Itterbach“ in Willingen („zur marinierten Hummerschere mit Tee-Schaum und feinaromatischer Gurke binden sie Salatspitzen mittels Schnittlauchfaden wie niedliche Blumenbouquets und bauen kleine, enthäutete Paprikascheiben zu Türmchen auf“. Dieselbe Bewertung erkocht sich auch Felix Kersten vom neueröffneten „Schwarzberg“ in Birkenau/Odenwald, dessen „Tataki vom Gelbschwanzthunfisch mit sauer eingelegtem, knackig-festem Gemüse (Tsukemono) in einer Kalamansi-Ponzu-Vinaigrette guten Zeitgeist repräsentiert“.

 

Die besten Köche in Hessen      

 

Carmelo Greco

Carmelo Greco

Platz 1 der kulinarischen Hitparade des Gault & Millau in Hessen teilen sich mit jeweils 18 Punkten Andreas Krolik und Christian Eckhardt von der „Villa Rothschild“ in Königstein/Taunus, dessen „wenig spektakuläre Ankündigungen oft geschmackliche Geniestreiche sind. So wird der exzellente Taunussaibling schonend mit brauner Butter in der Kokotte gegart und angerichtet mit sanft schwebender Blumenkohlvinaigrette (inklusive Geflügelfond, Wermut und weißem Balsamico), Blumenkohl (geröstet, süßsauer eingelegt), Wildkräutern und Saiblingskaviar. Die Seezunge, in jedem Sinne von großer Güte, sollten auch die Liebhaber der klassisch puristischen Zubereitung mal in der hier gebotenen indischen Variante probieren: mit grüner Mango, Kichererbsen und Curry.“

Auf Platz 2 stehen neben Aufsteiger Kammermeier 5 Köche, die wiederum 17 Punkte bekommen:

• Patrick Bittner vom „Restaurant Français“ in Frankfurt („wie man der guten alten Gänseleber all ihre geschmackliche Größe belassen und sie doch ganz anders inszenieren kann, demonstrieren die feinsäuerlichen Noten von Meeresalgen und grünen Tomaten, der florale Charme eines Lycheesorbets und knackige Cashewkerne; das Reh mit Erbsen, Feigen und etwas geräuchertem Rehschinken gefällt vor allem im Zusammenspiel mit fruchtigem Cassis-Ingwer-Gel“),

• Carmelo Greco vom „Carmelo Greco“ in Frankfurt („bei den mit Parmesancreme gefüllten Tortelli in der Umrahmung von grünem Spargel, Portulak, einem Hauch Parmaschinken und eleganter Parmesansauce verrät schon die raffinierte Optik den Wohlgeschmack; verheißungsvoll inszeniert sind auch extravagante Kreationen wie Thunfisch-Tatar mit Gänseleber-Erdbeer-Eis, Ingwer, Yuzu und Apfelgelee“),

Dennis Aukili vom Chairs

Dennis Aukili vom Chairs

• Mario Lohninger vom „Lohninger“ in Frankfurt („gleichermaßen beglückend kommen so unterschiedliche Gerichte wie sein Wiener Schnitzel, karamellisierte Jacobsmuscheln nebst Calamari und Schneekrabbe in Koriandersud oder Reh in Gebirgswermut-Sauce“),

• Patrick Spies vom „L’Etable“ in Bad Hersfeld („der Waller, zum Würfel geformt und leicht geräuchert, ruht in feinsäuerlichem, von grünem Bohnenöl gesprenkelten Zwiebelfond mit fermentierten Schalottenstückchen, dazu sind auf einer Scheibe gedünsteter Gemüsezwiebel kleine Ravioli mit Fetafüllung drapiert; die mit knusprigen Schuppen bestreute Felsenrotbarbe liegt in würzigem Eisenkrautsud und wird mit Reiscreme und -crackern, Olivensand und Auberginenwürfelchen serviert“);

Alexander Nixdorf vom Stanley Diamond

Alexander Nixdorf vom Stanley Diamond

• Christoph Rainer vom „Tigerplast“ in Frankfurt („Gurke auf ihrer derzeit höchsten Daseinsstufe bietet der Salat mit hauchzart geschnittenen Scheibchen und Röllchen rund um ein hochgradig konzentriertes Gurkensorbet, ergänzt um Radieschenwürfel, etwas Schmand und Dill; ungestopfte Bio-Gänseleber ist perfekt kombiniert mit einem Unagi ohne alle Aal-Grobheit, Aprikosen-Miso und Ponzu-Gelee“).

Die Tester beschreiben und bewerten dieses Jahr insgesamt 69 Restaurants in Hessen. 62 Küchenchefs zeichnen sie mit einer oder mehreren Kochmützen aus. Eine Kochmütze erhalten erstmals auch die Lokale „Chairs“ und „Stanley Diamond“ in Frankfurt sowie „Allgaier“ in Königstein (jeweils 14 Punkte).

Im Vergleich zur Vorjahresausgabe serviert der Gault & Millau in Hessen 5 langweilig gewordene Restaurants ab und nimmt 9 neu auf, 4 werden höher, 8 niedriger bewertet. Der Guide erscheint im Münchner Christian Verlag (752 Seiten, 34.99 €).

 

Die 30 besten Restaurants des Gault & Millau in Hessen

 

18 Punkte

Lafleur in Frankfurt

Villa Rothschild in Königstein

 

17 Punkte

Carmelo Greco, Français, Lohninger und Tiger-Restaurant in Frankfurt

L’Etable in Bad Hersfeld

**Ente in Wiesbaden

 

16 Punkte

** Kronenschlösschen in Eltville

Philipp Soldan in Frankenberg (Eder)

Erno’s Bistro, Gustav und Weinsinn in Frankfurt

***Schwarzenstein in Geisenheim

*360° in Limburg

Schaumahl in Offenbach

 

15 Punkte

Drei Birken und *Schwarzberg in Birkenau

Bartmann’s Haus in Dillenburg

Adler Wirtschaft und Jean in Eltville

Goldman, Heimat, Seven Swans und Villa Merton in Frankfurt

Schützenhof in Glashütten/Taunus

Krone in Höchst/Odenwald

** Sänger’s in Bad Homburg

Kraftwerk in Oberursel

**Gutshof Itterbach in Willingen

 

*Newcomer **Aufsteiger  ***Absteiger

 

GM 2017-Buchcover

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 




Neu & Gut: Restaurantkritik Fabbri-Ca

Ein Lokal, das wirklich

noch gefehlt hat

 

Aus einem Beautysalon im schönen Frankfurter Westend wurde ein kleines feines Lokal. Dessen Küche wirkt besser als jedes Facelift, denn es zaubert uns ein Lächeln ins Gesicht. Es gibt im Fabbri-Ca nur eine Schiefertafel mit knapp zehn Gerichten, doch die sind ausnahmslos gut. Die ruhige und günstige Lage in der Nähe von Messe und Bockenheimer Warte ist strategisch wertvoll. Alles an diesem Lokal scheint unkompliziert, ist aber sehr durchdacht. Es gehört zu jener raren Art Gastronomie, die es viel zu wenig gibt. Ein Lokal, in dem man sich auf einen leckeren Happen und ein gutes Glas Wein trifft. Eine Adresse, wie man sie sich jedenfalls in jedem Stadtteil wünscht.

Fabbri-Ca Während manch andere mit Edelmobiliar und Trüffeln protzen, kommt dieses Mini-Ristorante bescheiden daher – und überrascht um so mehr mit ausgezeichneten Leistungen. Die Küche mag einfach erscheinen, dabei konzentriert sie sich nur auf das Wesentliche. Luigi Fabbri besinnt sich auf die Kernkompetenz der italienischen Küche. Gute Produkte, sensibel zubereitet und temperamentvoll gewürzt. Basta. Ein solch saftig-zartes, kräuterwürziges Kotelette wie hier muss man lange suchen. Bravo! Die mit Muskatkürbis gefüllten Cappellacci fallen wunderbar schlotzig aus, die Lasagne aus dem Ofen haben wir schon sehr lange nicht mehr so gut bekommen. Das Risotto marinada bringt eine Meeresbrise und schön durchgezogenes Garnelenaroma auf den Teller. Die frisch aufgeschnittene Porchetta hat Klasse, ebenso der fein geschnittene Gorgonzola mit Senffrüchten. Die kühle Creme aus gerösteten Pistazien ist umwerfend gut und sollte keinesfalls verpasst werden.

Fabbri-Ca Die Weinauswahl ist von geringer Ausdehnung, bietet jedoch einige angenehme und preiswerte Tropfen. Der Prosecco von Dal Din ist immer gut für einen Einstieg, beim Costaripa vom Gardasee freut man sich über sommerliche Düfte von Zitronenmelisse und Kräutern und der Soave Montesei von Le Battistelle ist eine in jeder Hinsicht reife Leistung – Kräuter und reife Früchte mit seidig-cremiger Frische. Unterstützt wird Luigi Fabbri von seiner Frau Genny Guadalupi und einem kleinen und besonders netten Team in der Küche und im Service.

Fabbri-Ca Das Lokal Fabbri-Ca (18 Plätze) ist individuell und herzig gestaltet, bis hin zu den hübschen Toiletten. Die Schneiderbretter aus Holz dienen nicht nur als Wanddekoration, sondern auch als Tische am Fenster, wo man sich auf ein Glas Wein niederlassen kann. Das offene Raumkonzept erweitert das im Grunde kleine Lokal enorm, Tische, Theke und Küche gehen ineinander über. Es ist auch unterhaltsam, Luigi Fabbri bei der Arbeit zuzusehen, die ihm ruhig und akribisch von der Hand geht. Er will kein Schickimicki auf dem Teller, Tupfen, Streifen und andere optische Verrenkungen sind ihm fremd. Derzeit existiert vor der Tür nur eine kleine Stehtischreihe, in der nächsten Saison wird es eine richtige Terrasse geben.

Fabbri

Luigi Fabbri

Fabbrica ist ein Wortspiel, bei dem Padrone Luigi Fabbri seinen Namen nutzt. Es steht für Werk oder Fabrik, was ironisch gemeint ist, denn das Lokal ist als handwerkliche Manufaktur genau das Gegenteil einer Fabrik. Fabbri und seine Frau haben viele Jahre die Villa Leonhardi betrieben. In dieser wurde er nicht so recht heimisch. Jetzt ist Luigi in seinem Zuhause angekommen.

Ludwig Fienhold

Fabbri-Ca, Frankfurt, Westendstr. 73, Tel. (069)677 779 44. Geöffnet Mo – Fr, 12-14.30 Uhr sowie 18 – 22 Uhr (Küche), Sa 18 – 22 Uhr, So geschlossen.  Preise: 6 – 26 €.

Photocredit: Barbara Fienhold

Die Portionen wurden fürs Foto kleiner gehalten und sind sonst größer.

 




Entdeckungen auf dem Land: Goldener Engel in Flonheim

Solche Gasthäuser sind

jeden Umweg wert

 

Folge 1

 

Flonheim ist nur bei Paläontologen und Feinschmeckern bekannt. Beides hat mit dem einstigen Haus Hinkel zu tun. Dort fand man bei Bauarbeiten eine versteinerte Seekuh, die im Frankfurter Senckenberg-Museum zu bewundern ist. Just dort war im 16. Jahrhundert aber auch die Poststation der Familie Thurn & Taxis zu Hause, aus der vor fünf Jahren der Goldene Engel wurde. Ein Kulturdenkmal, ein kulinarischen obendrein. Mitten auf dem schönen Marktplatz zwischen Kirche und Rathaus gelegen. Unweit von dem sicher bekannteren Alzey in der Weinregion Rheinhessen.

Goldener Engel

Sabine & Klaus Mayer

Der Goldene Engel sieht vielleicht aus wie ein Gasthaus, ist aber ein veritables Restaurant, was Küche und Keller anbelangt. Ein Lokal zum Wohlfühlen, mit Bruchsteinmauern, Balken, Parkett und blanken Holztischen. Die Plätze gegenüber der blickfreien Küche fangen die Atmosphäre intim ein, etwas lebhafter geht es im unteren Teil, einem ehemaligen Schweinestall zu. Bei schönem Wetter tafelt man im Innenhof. Klaus und Sabine Mayer betreiben ihr Lokal sehr engagiert, aber mit Understatement. Beide zeigen sie auf ihre Weise Freude und Feingefühl. Sabine Mayer führt beherzt den Service, ihr Mann arbeitet nahezu stumm und doch ausdrucksvoll in der Küche.

Goldener Engel,Flonheim

Ehemaliger Schweinestall

Die kulinarische Karriere von Klaus Mayer begann vielsagend, er hat in der Ente in Wiesbaden bei den Spitzenköchen Gerd Eis und Michael Kammermeier gearbeitet und war danach mit Mitte zwanzig schon Souschef beim großen Drei-Sterne-Koch Helmut Thieltges im Waldhotel Sonnora an der Mosel. Mayer könnte gewiss ganz groß auffahren, hat sich aber für die verfeinerte Rustikalität entschieden, die zur Region passt. Alles, was er über den Pass schickt, zeigt jedoch die Klasse, die er nun einmal in sich trägt: Krosser Pulpo mit cremiger Polenta; rosa gebratener Rücken vom Duroc-Schwein mit Parmesan-Risotto, Kräuterseitlingen und lauwarmem mediterranen Gemüsesalat; lauwarme Schokoladentarte mit Heidelbeersauce und Joghurt-Limonen-Eis. Dazu ein Füllhorn an allerbesten Weinen aus der Region mit über 100 Positionen. Der Goldene Engel verleiht Flügel. Solche Adressen gibt es leider nicht mehr in den Städten, schon gar nicht zu diesen harmonischen Preisen.

Ludwig Fienhold

 

Goldener Engel,Flonheim

Pulpo

Zum goldenen Engel, Flonheim, Marktplatz 3, Tel. 06734 913930.

Geöffnet: Mo + Di 17-22 Uhr, Fr + Sa + So 12-14, 17-22 Uhr (Küche). Mi und Do geschlossen. Menü 3 Gänge, 45,50 €. Hauptgänge 24,50 – 26,50 €. Keine Kreditkarten, nur EC und Barzahlung. www.zum-goldenen-engel.com

 

 

 




Restaurantkritik: Do Brasil

 

Mit Lebensfreude gewürzte Delikatessen

aus Südamerika

 

 

Brasilien ist ein Klischee mit drei großen C: Caipirinha, Carnival, Copacabana. Damit kann das Land gut leben. In Frankfurt findet Brasilien nur als Drink mit dickem Strohhalm statt. Inzwischen gibt es hier mit dem Do Brasil im Westend aber einen sympathischen Vertreter des Landes. Dieser machte bei der Sendung „Mein Lokal Dein Lokal“ eine besonders gute Figur.

Küchenchef Jimmy

Küchenchef Jimmy

Aus einer düsteren Pilsstube wurde ein kleineres heiteres Lokal mit brasilianischem Charme zusammengezimmert. Die blumige Baumwolltapete aus Omas bester Zeit lässt auch an grauen Tagen die Sonne scheinen. Antonio De Sá Rocha hat allerlei aus seiner Heimat gesammelt und verteilt es in seinem Lokal in kunterbunter Flohmarktstimmung. Doch am meisten überrascht die Küche. Sie ist nicht nur authentisch, auch rustikale Banalitäten können dies sein, sie überzeugt durch Qualität. Der sehr konzentriert und oft mit leisem Lächeln arbeitende Koch Jimmy ist ein sensibles Talent, der gut abschmeckt, hervorragend würzt und klarsichtig kombiniert. Auf den Tellern finden sich mit Lebensfreude gewürzte Delikatessen. Das handgeschnittene Thunfisch-Tatar mit feinfruchtigen und nicht süßlich-klebrigen Mangowürfeln und Bananenchips ist eine durchweg schöne und gut einstimmende Vorspeise. Das brasilianische Nationalgericht Feijoada, sämiger schwarzer Bohnen-Eintopf mit verschiedenen Fleischsorten und geräucherter Wurst, gelingt besonders gut. Bei Camarão Alho e Óle, gebratenen Scampis in feinem Knoblauchöl, kommt Urlaubsstimmung auf, wobei der Sud bis zum letzten Tropfen zum Auftunken einlädt.

Do Brasil Salpicão de Frango, brasilianischer Hähnchensalat, ist so ganz anders als erwartet. Vor allem nicht langweilig. Die knusprigen, streichholzdünnen Kartoffelstäbchen und das Hühnchen schmiegen sich zärtlich an den warmen weichen Reis. Ein tolles Gute-Laune-Gericht. Zu probieren hat man auch die verschieden gefüllten fein-knusprigen Kartoffelhüllen mit Hühnchen, Rinderhack und Käse. Sie sind alle top, doch die mit Rinderhack, Bulgur und Minze noch eine Prise besser. Ein Highlight ist Picanha a Brasileira, wunderbar gewürztes und gegrilltes saftiges Rindfleisch mit Maniokbröseln. Dieses Schwanzstück vom Rind wird in Brasilien gerne für Grillgerichte verwendet und schmeckt so ganz anders als etwa die bekannten Steakvarianten. Wir haben im Do Brasil nahezu durchweg gut gegessen. Einzige Ausnahme: Der Spieß mit Garnelen und Roastbeef, bei dem das Fleisch sehr sehr trocken war. „Passiert öfter“, hören wir von der heiteren Mitarbeiterin als Antwort. Was in diesem Lokal und seiner Küche, die eher einer Kombüse auf einem kleinen Kutter gleicht, auf den Tisch kommt, ist jedoch höchst beachtlich. Jimmy und seine portugiesische Mitarbeiterin arbeiten auf ihre Weise und mit ihren Möglichkeiten sehr engagiert.

Do Brasil Das Lokal Do Brasil hat 28 Plätze (plus kleiner Terrasse) und ist immer gut besucht. Nicht alles, was aus Brasilien kommt, ist akzeptabel. Manches, wie der Spumante kommt gar nicht. Auch das Bier, weshalb es nur portugiesisches Sagres gibt. Brasilianische Weine sind nicht unbedingt für ihre Qualität bekannt, die hier glasweise ausgeschenkten Tropfen belegen dies überdeutlich. Es gäbe weiß Bacchus genügend Alternativen in Deutschland oder Portugal. Die Caipirinha fällt sehr unterschiedlich aus, man tut gut daran, sie weniger süß zu bestellen.

Der Chef des Hauses, Antonio, hat sich von seinen Locken getrennt und trägt jetzt kurze Haare mit Bart, wie so viele andere auch. Damit hat er eigentlich sein markantes Markenzeichen verloren. Im Gegensatz zum Fernsehauftritt als Strahlemann erscheint er etwas angespannt und ernst. Dafür lacht seine resolute Mitarbeiterin umso mehr. Der wahre Spaß findet ohnehin auf dem Teller statt.

Do Brasil – dieser Zuckerhut steht Frankfurt gut.

Ludwig Fienhold

 

Do Brasil Do Brasil, Frankfurt, Arndtstr. 24, Tel. (069) 13020050.

Geöffnet: Mo – Fr. 11.30 – 15 Uhr, 18 – 22.30 Uhr. Samstag 18 – 22.30 Uhr.

Preise: Vorspeisen 6,50 – 14,90 €, Hauptgerichte 15,90 – 24,90 €.  

 

Photocredit: Barbara Fienhold




Koch des Jahres im neuen Gault & Millau 2017: Andreas Krolik in Frankfurt

Auszeichnungen auch

für junge Köche

 

Der neue Gault & Millau 2017 wurde im Restaurant Vendôme auf Schloss Bensberg in Bergisch Gladbach vorgestellt. Als Koch des Jahres wird dabei Andreas Krolik vom Lafleur in Frankfurt ausgezeichnet. Eine besondere Würdigung erfahren mehr denn je junge Talente. Der Gault & Millau begrüßt in seiner neuen Ausgabe grundsätzlich eine Reduktion auf das Wesentliche und das kompromisslose Bekenntnis zur Region als aktuelle Trends in der Spitzengastronomie. Kritik übt er dagegen am steigenden gedankenlosen Kopieren von Ideen und Rezepten.

Schloss Bensberg

Schloss Bensberg

„Die von New Yorker Köchen propagierte Reduktion auf das Wesentliche scheint sich auch in Deutschland nach und nach durchzusetzen“, meint der Gourmet Guide Gault & Millau.  Auch bei uns würden immer mehr Köche auf endlose Degustationsmenüs und streberhaftes Teller-Ikebana, auf Über-Technologisierung und Luxusprodukte verzichten. „Selbstbewusste Konzentration auf ein Hauptprodukt und zwei, drei Aromate, die es mit Spannung aufladen, heißt die neue Devise“, verkündet der Restaurantführer in seiner jetzt erscheinenden Deutschlandausgabe 2017. Mehr Gelassenheit in der Küche, mehr Genuss für den Gast – für diesen hoffnungsvollen Trend stehe auch die Tatsache, dass unter den Neueröffnungen in Deutschland anspruchsvolle Bistro-Konzepte dominierten. Und dass dieses kulinarische Downgrading von einem lässiger gekleideten und auftretenden Service begleitet werde.

Die Restauranttester begrüßen auch das zunehmende Bemühen um eine „neue deutsche Küche mit kompromisslosem Bekenntnis zur Region als Antwort auf die kalifornische Locavore-Bewegung mit ihrer ‚Farm to table‘-Produktphilosophie und auf den konsequenten Regionalismus der Neuen Nordischen Küche. Statt viel Geld in den Einkauf klassischer Luxusprodukte zu stecken, investierten die jungen deutschen Köche viel Arbeitszeit, Schweiß und Kopfzerbrechen in die Entwicklung heimischer Delikatessen.

Ausgezeichnet: Christoph Rüffer

Ausgezeichnet: Christoph Rüffer

Vehement kritisiert der Gourmet Guide, dass gleichzeitig weiterhin landauf, landab gedankenlos kopiert werde: „Wir haben nichts gegen Kohlrabi, Rettich, Steckrübe, Schwarzwurzel & Co., aber müssen diese eher bodenständigen Rübenarten überall zu kulinarischen Scheinriesen aufgeplustert werden? Müssen wir in jedem Restaurant Fermentiertes zu essen bekommen? Oder ‚gepickeltes‘ Gemüse, das Speisekarten-Unwort des Jahres mit seinem unappetitlich dermatologischen Unterton? Auch auf das 2016 offenbar unumgängliche Tannenwipfelaroma, vorzugsweise in Desserts, könnten wir in Zukunft verzichten, ebenso wie auf die über ganz Deutschland herabrieselnden Fichtensprossen.“

 

Der „Koch des Jahres“ angelt in Fjorden, hört Hard Rock und sammelt Steinpilze

Andreas Krolik

Andreas Krolik

„Für seine vielschichtigen Geschmacksharmonien, mit denen er seine Gäste in neue kulinarische Welten führt“, kürt der Guide den 42-jährigen Andreas Krolik vom Frankfurter Restaurant „Lafleur“ zum „Koch des Jahres“. „Er bietet jedem Gast das Optimum an Geschmack und profiliert sich dabei nicht nur als feinfühliger Aromenjongleur, sondern auch als einer der besten Gemüseköche Deutschlands“, urteilen die Tester. Und schwärmen: „Kroliks Küche kommt nie wuchtig oder effektheischend daher, entfaltet am Gaumen aber geradezu explosive Kraft, beispielsweise beim gedämpften und kurz mit starker Oberhitze gratinierten Carabinero mit Schinkenknusper in feinst abgeschmeckter Krustentierbisque, dazu eine minzschwangere Erbsencreme, handgerollter Blumenkohl-Couscous und ein Mundvoll Japan in Form fermentierter Yuzu mit Miso und Soya.“ Als eines der geschmacklich komplexesten Gerichte dieser Testsaison lobt der Gault & Millau Brust, Keule und geschmortes Confit vom Schwarzfederhuhn, dazu ein pochiertes, auf weißem Bohnenpüree thronendes Bio-Ei, Bohnenkrautsalat, umspielt von konzentriertem Geflügel-Dashi-Sud.

Für solche Gerichte (siehe Tofu-Teller oben rechts) erhält der in Erdeborn bei Halle an der Saale gebürtige Hobbyangler, der seine Urlaube gern an norwegischen Fjorden verlebt, in der Küche Hard Rock hört und in seiner Freizeit daheim Steinpilze sammelt, 18 von 20 möglichen Punkten. Sie stehen in dem Guide, der nach dem französischen Schulnotensystem urteilt, für „höchste Kreativität und bestmögliche Zubereitung.

Tristan Brandt

Tristan Brandt

Auf 18 Punkte steigern sich Tristan Brandt vom Opus V in Mannheim, Jan Hartwig vom Atelier in München, Marco Müller von der Rutz-Wein-Bar in Berlin und Thomas Schanz vom Schanz in Piesport an der Mosel, der „in seinen kreativen Gerichten von außergewöhnlicher Harmonie so mutige aromatische Akzente setzt“, dass ihn die Kritiker dafür als Aufsteiger des Jahres küren.

17 Punkte erreichen erstmals Benjamin Gallein vom Ole Deele in Burgwedel bei Hannover, Matthias Gleiß vom Volt in Berlin, Peter A. Strauss vom Ess Atelier Strauss in Oberstdorf, Sascha Stemberg vom Haus Stemberg anno 1864 in Velbert (Rheinland), Michael Kammermeier von der Ente in Wiesbaden, Tim Extra vomApicius in Bad Zwischenahn (bei Oldenburg) sowie Felix Schneider vom Sosein in Heroldsberg bei Nürnberg, dessen „überraschende, geschmacksstarke und provozierende Küche eine einzige Verbeugung vor der Natur seiner Heimat ist“, wofür ihn der Guide als Entdeckung des Jahres feiert.

 

Deutschlands beste Köche

 

An der Spitze der kulinarischen Hitparade des Gault & Millau stehen mit 19,5 Punkten wie im Vorjahr:

• Klaus Erfort vom „GästeHaus“ in Saarbrücken „zeigt in seinem Status, oft kopiert, aber nicht erreicht zu werden, ein derartiges Gespür für Aromenkombinationen, Konsistenzen und Betonung des Eigengeschmacks der Produkte, dass es fast schon überirdisch wirkt“.

• Christian Jürgens von der „Überfahrt“ in Rottach-Egern am Tegernsee „überrascht in seinen bei aller Geschmackstiefe auch sehr bildhaft, als Fest der Ästhetik dargebotenen Gerichten die Gäste gern mit Illusionen wie dem täuschend echt nachgebildeten Apfel, der Blutwurst, Gänseleber, Silberzwiebelchen und Apfelconfit enthält.“

• Helmut Thieltges vom „Waldhotel Sonnora“ in Dreis bei Wittlich (Südeifel) „bekommt seine Inspirationen in erster Linie durch die Qualität der von ihm verwendeten Produkte. Für ihn kommt nur das Allerbeste infrage, Einkaufspreise spielen dabei keine Rolle“.

• Joachim Wissler vom „Vendôme“ in Bergisch Gladbach bei Köln „entwirft scheinbar unbeirrt von  kulinarischen Trends und bar jeder verkrampften Stilistik oder hyperkreativen Waghalsigkeit in seinem Geschmacksuniversum mit allerhöchster Präzision seinen ganz eigenen Küchenstil“.

• Harald Wohlfahrt von der „Schwarzwaldstube“ in Baiersbronn(Schwarzwald) „hat die Größe und Erfahrung erreicht, sich als Kochkünstler zurückzunehmen und nichts anderes zu wollen, als dem großen Produkt die beste Bühne zu bereiten“.

 

Diesem Quartett folgen mit je 19 Punkten, die sie bereits im Vorjahr hatten

• Christian Bau vom „Victor’s Fine Dining by Christian Bau“ im saarländischen Perl-Nennig: „Bei seinem Menü ‚Paris –Tokio‘ weiß man, aus welcher modernen Klassik Bau kommt, und merkt auch in punkto Produktqualität sowie bei den Zubereitungsarten schnell, wohin es ihn zieht.“

• Thomas Bühner vom „La Vie“ in Osnabrück: „In seinem kompositorischen Mut verbindet er die bei 48° gegarte Seezunge mit süßer Thai-Fischsauce und fein dosiertem Mandarinen-Aroma und verwandelt das Gericht durch viele bunte Kräuter und Gemüse aus seinem großen Garten in ein Gemälde.“

• Sven Elverfeld vom „Aqua“ in Wolfsburg: „Er bietet sanft geschmortes Schweinekinn mit warm mariniertem Kaisergranat mit Krustentiermayonnaise, Koriander, Ingwer und zugleich frischem wie erdigem Saft von fermentierten Karotten als repräsentatives Gericht für sein Bestreben, die stets vorhandene große Komplexität nicht plakativ zu betonen, sondern dem Gast ein Gefühl der Harmonie zu vermitteln.“

• Claus-Peter Lumpp vom „Bareiss“ in Baiersbronn im Schwarzwald: „Seine Gerichte sind so aufwendig komponiert, dass er oft drei Teller braucht, um alles an den Gast zu bringen, was ihm zum Thema Gänsestopfleber oder Steinbutt einfällt. Vor manchen sitzt man angesichts solcher Kochkunst fast andächtig.“

• Tim Raue vom Restaurant „Tim Raue“ in Berlin: „Der international bekannteste Koch in der Hauptstadt geht derzeit mit so viel Elan und kreativer Energie ans Werk wie kein anderer in Deutschland.“

• Christoph Rüffer vom „Haerlin“ in Hamburg: „Der begnadete Tüftler imponiert auch durch das riesige Repertoire sicher eingesetzter Aromen und verbindet markante Gewürze geradezu tänzerisch leicht.“

• Peter Maria Schnurr vom „Falco“ in Leipzig: „Die Gerichte des Temperamentsbündels, das kräftige Aromen, überraschende Kombinationen und ausgefeilte Tellerarrangements liebt, sind kraftvoll und laut, bleiben aber stets im Rahmen des Harmonischen.“

• Hans Stefan Steinheuer von „Steinheuers Restaurant zur alten Post“ in Bad Neuenahr: „Der größte Weinversteher unter den deutschen Spitzenköchen überrascht mit Landmilchsauce zur kross aufgeschuppten, in heißem Öl confierten Rotbarbe mit Pulpo oder höchst aromatischem kambodschanischem Pfefferjus zum Reh.“

 

Gastronom des Jahres: Stefan Hermann in Dresden

 

Stefan Hermann

Stefan Hermann

Außer dem Koch, dem Aufsteiger und der Entdeckung des Jahres zeichnet der Guide noch weitere kulinarische und gastronomische Leistungen aus:

Gastgeber des Jahres: André Macionga vom Restaurant „Tim Raue“ in Berlin,

Sommelier des Jahres: Marco Franzelin vom „Vendôme“ in Bergisch Gladbach bei Köln,

Pâtissier des Jahres: Stefan Leitner vom „Bareiss“ in Baiersbronn (Schwarzwald),

Gastronom des Jahres: Stefan Hermann vom „Bean & Beluga“ in Dresden, der „mit besonnener Kreativität und unternehmerischem Mut in und um Dresden ein Gastro-Imperium mit sechs Outlets aufbaute – bis zum Boutiquehotel“,

Bester Deutscher Koch im Ausland: Silvio Nickol im Wiener Hotel „Palais Coburg“,

Hotelier des Jahres: Frank Nagel vom „Weissenhaus Grand Village Resort & Spa“ in Wangels (Ostsee), für den „Spitzengastronomie elementarer Baustein erfolgreicher  Hotelkonzepte“ ist.

 

 

Große Talente der modernen Küche

 

Alexander Hohlwein

Alexander Hohlwein

Ausdrücklich würdigt der Guide junge Köche zwischen Mitte 20 und Anfang 30, die in dieser Testsaison erstmals Küchenchef wurden und aufgrund ihres Talents und Engagements das kulinarische Deutschland bereichern können: Alexander Hohlwein, 29, vom „360°“ in Limburg und Felix Kaspar, 24, vom „Kaspars“ in Bonn (beide 16 Punkte) sowie Christopher Kümper, 29, vom „Schwein“ in Berlin, Laurin Kux, 26, vom Jellyfish in Hamburg, Andreas Rieger, 30, vom „Einsunternull“ in Berlin, Dennis Thies, 31, vom „WeinBasis“ in Hannover und Nicolai Wiedmer, 23, vom „Eckert“ in Grenzach-Wyhlen in Südbaden (alle 15 Punkte).

Insgesamt beschreibt und bewertet der Gault & Millau in seiner neuen Ausgabe 900 Adressen. Die 32 Tester verleihen 730 Luxuslokalen und Landgasthöfen, Bistros und Hotelrestaurants die begehrten Kochmützen. Der Guide erscheint im Münchner Christian Verlag (752 Seiten, 34.99 €).

 

 

 

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Gault&Millau Bestenliste

 

 




Sofitel Frankfurt Opera: Macht die Eröffnung Hoffnung?

Frankfurt erwartet

viel von der Gastronomie

 

Heute fand unter strengen Sicherheitsvorkehrungen die Eröffnung des Sofitels am Frankfurter Opernplatz statt, bei der auch Frankreichs Premierminister Manuel Valls für eine kurze Begrüßung Zeit fand. Auch wenn Frankreich außerhalb des Landes Flagge zeigt, ist Vorsicht geboten. Ohne vorherige Akkreditierung gab es keinen Einlass.

Vor dem Hotel kurvt ein Bagger, stehen noch immer die Toi Toi Toilettenhäuschen für die Bauarbeiter. Innen herrscht Sicherheitsstufe 1, doch alle scheinen ganz entspannt und gut gelaunt zu sein. Beim Entree ins neue Hotel fällt als erstes die gedrungene Bauweise der Lobby auf, die Decke fällt einem auf den Kopf. Frankreichs Premierminister ist auf der Buchmesse unterwegs, wo es bekanntlich immer länger als gedacht dauert. Die jungen Hotelmitarbeiterinnen, die auf Kissen die Scheren zur feierlichen Durchschneidung des Eröffnungsbandes bereithalten, stehen sich die Beine in den Bauch. Tapfer lächelnd. Mit einer Stunde Verspätung trifft der Premierminister ein und hält eine erfrischend kurze Ansprache von nicht einmal 60 Sekunden. Er ist der erste, der sich ins Goldene Buch des Hotels einträgt.

Sofitel Frankfurt

Restaurantleiter Barth, Executive Chef Heckenroth, Küchenchef Sulik (v.l.n.r.)

Das neue Sofitel hat auffällig viele hübsche und charmante junge Damen in Position gesetzt. In der Bar arbeiten besonders viele von ihnen, was dem Umsatz stark helfen dürfte. Wenn sie ihr Strahlen so beibehalten, wird ihnen Frankfurt zu Füßen liegen. Die Mitarbeiterinnen haben viele Champagnergläser auf ihren Tabletts zu balancieren, mitunter stehen sie minutenlang am Eingang der Bar, ohne dass man ihnen die Last abnimmt. Früher haben die geladenen Gäste mehr getrunken.

Die Zimmer und selbst die Suiten sind auffällig unauffällig gestaltet. Kein Pomp, nur hie und da hübsche Farben. Die Kunst hat indes kein Kunstsachverständiger ausgesucht, so etwas bekommt man auch im Baumarkt. Das interessanteste Zimmer ist die Präsidenten-Suite, nicht wegen der Möblierung, sondern wegen des Ausblicks auf die alte Oper und die Frankfurter Skyline. Man muss dort nicht wohnen, kann diese Suite auch für die eigene private Feier buchen, bestenfalls für 5000 €.

Bar

Bar

Als Zielgruppe sieht Hoteldirektor Denis de Schrevel nicht nur die Geschäftswelt, sondern auch Städtereisende. Die dürfen sogar mit Hunden anreisen, denen ein eigenes Menü mit Hackfleisch angeboten wird. Katzen, Nagetiere und Schlangen sind nicht ganz so willkommen, werden aber auch nicht abgewiesen. Ein Journalist will wissen, bis zu welcher Größe Hunde zugelassen werden, da es dabei ja zuweilen das Volumen eines Pferdes sein könnte. Direktor de Schrevel erweist Großzügigkeit und meint, dass es für Hunde keinerlei Beschränkungen gäbe. Der Journalist kommt nicht etwa von dem legendären Fachblatt „Horse & Hound“ (siehe Film Notting Hill mit Julia Roberts und Hugh Grant), sondern von der Frankfurter Rundschau. Auch Lokalreporter werden immer spezieller.

Restaurant Schöne

Restaurant Schönemann

Die Patisserie des Hotels ist zwar schon produktiv, doch der entsprechende Shop, der ganz Frankfurt locken soll, hat noch nicht geöffnet. Die Petit Fours, die es zur Eröffnung gibt, wecken indes Hoffnung und Lust auf mehr. Sogar die Macarons, eine besonders schwierige Spezies, überzeugen. Auch die Küche beweist mit vielen Happen eine sichere Hand, die Rillettes vom Ochsenbäckchen und die sämige lauwarme Frankfurter Kräutersuppe mit Bio-Stunden-Ei, Räucheraal und Röstkartoffelschaum sind richtig gut.

Sofitel ist bislang in Deutschland in Berlin, Hamburg und München vertreten und sticht dort nicht mit bemerkenswerten kulinarischen Leistungen hervor. Frankfurt wird beweisen müssen, dass es besser geht.

Ludwig Fienhold

 

Photocredit: Barbara Fienhold




Junge Champagner-Winzer und ihre Raritäten

Die Champagner-Avantgarde

lies ihre handgefertigten

Perlen ploppen

 

Die Champagner-Avantgarde ploppte in Frankfurt auf. Gastronomen, Sommeliers, Weinhändler und private Genießer kamen im Holzhausenschlösschen schluckweise den 15 Winzern und ihren über 50 Champagner auf die Spur, unter denen es viele Entdeckungen zu machen gab. Gerade noch rechtzeitig, um sich für Weihnachten und Silvester einzudecken, wo weit mehr Champagner getrunken wird als sonst im Jahr.

Champagner en Vogue

Holzhausenschlösschen

Die Champagner-Avantgarde zeigt sich mit trocknem Charme, viele der Erzeugnisse weisen einen minimalen Restzuckergehalt von zwei bis drei Gramm auf, manche gar als Dosage Zero gar keinen. Das bringt mehr das Terroir zur Geltung, wobei die Champagner frischer schmecken, nicht so schnell die Zunge ermüden und lustig weiter trinken lassen. Viele dieser Champagner sind nur in kleinsten Mengen verfügbar und schon deshalb Raritäten. Manchmal einige hundert Flaschen, mitunter wenige tausend. Mit nur 60.000 Flaschen Jahresproduktion zählt man unter den Kleinen schon zu den größeren Produzenten. Yann Vadin von Vadin Plateau gehört zu den herausragenden Winzern der jungen Avantgarde. Seine Champagner sind sehr präzise, mineralisch, Terroir-geprägt, elegant-cremig und schön druckstark im Trinkfluss. Und bei Preisen zwischen 25 und 52 € auch noch finanziell bekömmlich. Der junge Winzer pflügt mit dem Pferd durch seine Weinberge, seine Weine werden in Eichenholzfässern, Stahltanks und auch Ton-Eiern ausgebaut und weder filtriert noch geschönt.

Timothée Stroebel & Stéphane Drieux

Timothée Nowack & Stéphane Drieux

Rosé-Champagner gibt es nur wenige Herausragende, bei den jungen Winzern konnte man erstaunlich viel Gutes bei dieser Spezies ausfindig machen. Marc Hébrart steht durchweg für hochwertige Champagner, aber auch sein Rosé ist erstklassig. Gleiches gilt für Rémi Leroy, Etienne Calsac und Timothée Stroebel. Der sehr gelassen wirkende Timothée Stroebel schafft ebenso in sich ruhende Champagner von ganz besonderer Art. Von seinem Logos d’Héraclite 2005, einem hundertprozentigen Pinot Noir Champagner, existieren nur 814 Flaschen. Traube für Traube per Hand selektioniert, ganze 8 Jahre auf der Hefe gereift,
Dosage 0 g/l. Das hat seinen Preis: 75 €.

Champagner en Vogue - 2Eine schöne Überraschung bescherte Benoit Déhu mit seinem feinwürzigen, delikaten und chevaleresken roten stillen „Champagner“: La Rue des Foyers 
Coteaux Champenois Rouge. Fabelhaft. Unter den Champagner gab es keine Niete, wenn auch ein leichtes Gefälle. Grundsätzlich waren aber durchweg Champagner-Persönlichkeiten in Frankfurt zu Gast, mit denen es sich lohnte, zu parlieren. Darunter auch interessante Winzerinnen, wie Périne Baillette. Mit ihr hätte man auch Rotkäppchen-Sekt getrunken, doch zum Glück hatte sie ihre ganz eigenen und eigenwilligen Champagner mitgebracht, die preislich sehr moderat ausfallen. Unter den Champagner gab indes es viele hochpreisige Perlen für bis zu 70 €. Wer es schaffte, alle zu probieren, musste sich wegen des Eintritts nicht zu grämen. Aber auch sonst war das Geld gut investiert, nur ganz selten kann man so viele gute und eher unbekannte Champagner-Winzer persönlich kennenlernen und deren Erzeugnisse probieren.

Ludwig Fienhold

  

Die Veranstalter: Julia & Stéphane Drieux

Die Veranstalter: Julia & Stéphane Drieux

Die Champagner-Winzer von 2drieux

www.2drieux.de

Mit einem Klick direkt beim Winzer

Barrat-Masson, Benoit Déhu, Delphine Cazals, Agnes CorbonCharles Doyard, Etienne Calsac, Guillaume Sergent, Jean Paul Hébrart, Brüder Minière,  Flavien NowackPerine Baillette, Rémi Leroy, Timothée Stroebel, Thomas Perseval, Tristan Hyest und Yann Vadin.

 

 

 

 Photocredit: Barbara Fienhold




Ein Bett im Weinberg

Quinta de Sant´Ana:

Poesie zum Trinken

 

Das historische Weingut

bietet eine traumhafte Kulisse

für Feste und Urlaub

 

Von Ludwig Fienhold

 

Die weißen Tauben flattern wie bestellt um das Hochzeitspaar. Über 100 sind dabei, um mitzufeiern, denn bei solchen Festen fallen mehr als nur ein paar Krümel für sie ab. Die lautlosen blitzsauberen Täubchen gehören zur Quinta de Sant´Ana wie Esel Stringflower, Münsterländer Chicca und Rhodesian Ridgeback Abelha sowie namenlose Hühner, Schweine und Schafe. Die Quinta ist inzwischen als Eventlocation weltbekannt und beschert der Gemeinde über 40 Hochzeiten im Jahr. Gradil, ein bis zur Leblosigkeit verschnarchtes Nest 30 Kilometer nördlich von Lissabon, fällt nur durch seine stattliche Kirche São Silvestre und das ansichtskartenschöne Weingut auf. Der Ort selbst hat gerade einmal 1000 Einwohner, die fast alle so wirken wie hundert Jahre verheiratet. Ohne das Weingut würden in Gradil nur selten Hochzeiten stattfinden. Doch Padre Paulo Serra kann sich Dank der Quinta über enormen Zuwachs freuen, auch im Klingelbeutel.

Quinta de Sant AnaKaren Creed aus Irland und Peter Charmant aus Ghana haben die Quinta de Sant ´Ana wegen ihrer „poetischen Schönheit“ ausgewählt. Sie und ihre 120 Gäste wollen es so natürlich wie möglich, mit Taubengeflatter, aufgeregten  Hühnern und herumpurzelnden Kindern. Sie möchten Gäste sein in diesem organischen Betrieb, wo alles lebt und arbeitet, und jederzeit ein Schwein auf die Schleppe treten könnte. Die Geschichte dieses alten Adelsitzes hat noch mehr zu bieten als Ferkeleien, wenn sie auch nicht ganz davon befreit ist. Immerhin basiert sie auf einer erotischen Romanze zwischen Dom Luis, König Ludwig I. von Portugal aus dem Hause Sachsen-Coburg und Gotha, und seiner Geliebten, der Sängerin und Schauspielerin Rosa Damasceno, der er Ende des 19. Jahrhunderts die Quinta de Sant ´Ana samt einem Theater dort schenkte. Heute finden dort Feiern mit bis zu 200 Gästen statt. Das Landgut thront mit der milden Würde eines greisen Patriarchen über dem von Eukalyptushainen, Korkeichen und Orangenbäumen umgebenen Dorf Gradil. Es gehört zu den Casa Nobres, jenen Adelssitzen und Herrenhäusern, die ihre Tore für zahlende Gäste öffnen und sie an ihrem privaten und geschichtsvollen Leben teilhaben lassen. Die Kapelle der Quinta, ein Kleinod aus dem Jahr 1743 mit wertvollen Kacheln und einer Statue der heiligen Ana, hat manche Gäste zur Heirat verführt. Mag sein, dass dort der Sitz der Seele des Landguts ist, doch findet sich an so vielen Stellen ein guter Geist.

Ann Frost

Ann Frost

Ann von Fürstenberg und ihr Mann James Frost haben die Quinta de Sant ´Ana von Gustav Baron von Fürstenberg übernommen. Das Erbe wäre beinahe verloren gegangen, denn der Baron wurde während der portugiesischen „Nelken“-Revolution im Jahre 1974 mit anderen Großgrundbesitzern aus dem Land vertrieben. Weil ein portugiesischer Freund den Besitz treuhänderisch weiter führte und für ihn rettete, konnte Baron von Fürstenberg aber bald wieder mit Frau und sieben Kindern einziehen. Der Flintenexperte und Sportschützenlehrer wurde in Fachzeitschriften wie „Wild & Hund“ als einer der Besten der Branche gefeiert, in einem Nachruf im Jahr 2007 hieß es standesgemäß, er sei „im Pulverdampf ergraut“. Es ist sicher kein Zufall, dass die ebenfalls sehr forsche und sprachlich zielsichere Tochter Ann heute wieder mit genau sieben Kindern, allesamt Söhne, auf der Quinta lebt, seit nun fast 30 Jahren.

Die Hausgäste und schon gar nicht die Hochzeiter ahnen etwas von den Mühen und dem harten Kampf von Ann ums wirtschaftliche Überleben in den Anfangsjahren. Sie genießen eine unbeschwerte Atmosphäre an einem Ort, bei dem an der schönsten Stelle des Lebens die Zeit stehengeblieben zu sein scheint. Die Gäste wohnen einige Meter separat vom Haupthaus der Familie. Von dem Balkon des Caseirohauses schauen sie auf den beschaulichen Hof des Landguts und die sich dahinter hochziehenden Weinberge. Man riecht vor dem Caseirohaus hocharomatische Walderdbeeren und wird dabei an der Nase herumgeführt. Der unwiderstehliche Duft stammt von blauen Erdbeertrauben, die sich durch die Pergola ziehen. Man kann sie sich pflücken und zum Frühstück essen oder als Marmelade genießen, ebenso wie den selbstgemachten Eukalyptushonig. Auf dem Landgut wird nicht nur die gute Luft geteilt, auch der Pool mit Ausblick auf die Weinberge. Das nahe Hühnergehege sieht man nicht, hört aber einen von schweigsamen Hennen umgluckten Hahn, der mitunter kräht als müsste er Tarzan synchronisieren.

QuintaAlles auf der Quinta de Sant ´Ana lebt, atmet und duftet. Auch der Wein, dessen Flaschenetikett die zwei mächtigen Palmen aus dem Garten des Landguts zieren. James Frost taut beim Thema Wein auf. Er ist auf einer Farm in der ländlich geprägten englischen Grafschaft Dorset groß geworden und träumte immer davon Weinbauer zu werden. Während seiner Armeezeit kam er ins deutsche Münster und lernte dort Ann kennen, ohne zu wissen, dass sich damit gleich zwei Liebschaften erfüllen würden. Ann studierte seinerzeit Grafik-Design, wovon noch zahlreiche Bilder in der Quinta Zeugnis geben. Heute, sagt die inzwischen 48 Jahre alte und künstlerisch talentierte Ann, sei ihr als einzig Kreatives die Pflege von Garten und Blumen geblieben.

Quinta-de-Sant-Ana-7Der Basiswein der Quinta de Sant ´Ana und ihrer 14 Hektar Rebland ist die autochtone Sorte Fernão Pires. Ein grundehrlicher Tropfen, der hier einmal nicht wie so oft in Portugal nach Kohl und welken Blumen riecht, sondern frisch und leicht zitrusfruchtig. Noch mineralischer, mit typischen Johannis- und Stachelbeeraromen ausgestattet und vom leichten Meersalz des nahen Atlantik spürbar aufgefrischt, schmeckt der Sauvignon Blanc. Völlig ungewöhnlich für die Region Mafra und auch sonst fürs Land ist der Riesling, dessen Jahrgang 2010 reife Petroltöne aufweist, wie man sie in Deutschland bei eher älteren Rieslingen erleben kann. Weinkritiker Robert Parker findet diesen Wein „einfach fantastisch“ und bewertete ihn mit 90 Punkten. Unter den Roten ist die Reserva 2006 am markantesten – eine elegante Cuvée aus Touriga Nacional und Aragonez. Von den Weinen gibt es jeweils nur wenige tausend Flaschen. Hausgäste können sich rund um die Uhr im Weinladen bedienen und notieren ihren Verbrauch auf einem Zettel. Ehrlich trinkt am längsten.

Wer auf der Quinta de Sant ´Ana wohnt, sitzt beim Wein an der Quelle. Beim Essen muss man auf bestimmte Tage in der Woche warten, an dem ein Dinner angeboten wird. Es lohnt sich. Hauskoch Marco Moura ist einer der talentiertesten jungen Köche Portugals, der eine Gabe für sehr gute verfeinerte Landhausküche hat. Dass er mit der berühmten Fado-Sängerin Ana Moura befreundet ist, die von Mick Jagger und anderen Showgrößen als musikalische Begleitung gefragt ist, sieht er nicht als Trittbrett in eine bessere Welt. Er will durch seine Küche wahrgenommen werden und keinen Promibonus bekommen. Er bringt mit seinen Gerichten die Aromen Portugals auf den Teller, aber eben eine sehr entscheidende Prise feinfühliger als oft. Das fließende Risotto mit zartem Pulpo, geräucherter Alheira-Wurst und Koriander hat ebenso Klasse wie der Kabeljau mit Kichererbsenmousse. Ein Dessert von der Güte des Karottenkuchens mit Mandeln, Orangen-Zitronen-Mousse, Vanille-Eis und warmem Schoko-Kirsch-Kuchen mit flüssigem Kern wird man nicht oft in Portugal finden.

Die Weinfamilie

Die Weinfamilie

Während die normalen Hausgäste der Quinta ein eher unscheinbares Dasein führen, sind die Hochzeitsgäste kaum zu übersehen. Clubbesitzer aus London, Unternehmer aus Lissabon oder Models aus Paris bringen Glamour in ein Dorf, in dem die Frauen beinahe schon putzend mit ihren Schlappen übers klobige Kopfsteinpflaster schlurfen und die Männer gerne so uneitel so aussehen, als kämen sie gerade vom Feld. In Gradil trinkt man in den Lokalen Wasser, Wein und Bier aus einer einzigen Art von klobigem Glas, der Wunsch nach einem anderem stößt auf Irritation. Im Café Joãozinho am alles umfassenden Kirchplatz schenkt der wie ein etwas niedlich gefälschtes Porträt von Pablo Picasso aussehende Wirt Wein aus Wasserflaschen aus – als Gast hofft man, es gut zu überstehen. QuintaIn der Bar do Adro daneben treffen sich die, die lieber im Dunklen als auf einer Terrasse sitzen. Das benachbarte Lokal Faisão beginnt wieder aufzuleben, der Mann der Wirtin wurde von seinem Reitpferd zu Tode geschleift, was zur längeren Ruhezeit führte. Im Café Delicia gibt es den einzigen frisch gepressten Orangensaft im Ort und eine Leckerei aus Schokolade und Keksen, die im alten Deutschland „Kalter Hund“ hieß. Der Dorfmetzger führt mit seinem Caçador ein kompromisslos fleischlastiges Lokal, in dem die Größe der Portionen beeindruckender als deren Zubereitung ist. Das beste Lokal von Gradil ist das Take Away mit Papiertischdecken und ständig laufendem Fernseher, in dem eine adrette Köchin mit wie festgewachsen wirkendem Hygieneplastikhäubchen ganz allein hinter der Theke wunderbare Schlichtheiten zubereitet: Fisch, Hühnchen, Hackfleischbällchen, Schweinebraten, Knoblauchreis. Nur wenige Gäste bleiben zum Essen, die meisten holen sich ihre Bestellungen ab und halten während der Wartezeit ein Schwätzchen.

Gradil sonnt sich, wolkenlos und zartblau. Über der Quinta de Sant ´Ana schweben wie Schutzheilige die weißen Tauben, ganz sanft und so leise, als wollten sie niemand aus den Träumen wecken.

Quinta de Sant ´Ana, Gradil, Mafra, Portugal, Tel. 00351 261 963 550. www.quintadesantana.com

 

Photocredit: Quinta de Sant ´Ana, Barbara Fienhold

 

 




Neue Lokale zum Weggehen & Wegsehen

Gastro News Rhein-Main

 

Showmanship

Eine Bereicherung für das malade Altstadtrevier in Frankfurt-Sachsenhausen scheint das neue Pop-up-Lokal Showmanship zu werden. Es wurde jetzt in dem am heftigsten verwinkelten Haus der Stadt in der Paradiesgasse 17 eröffnet. Einst war hier ein abenteuerlich zwischen romantisch und kitschig changierendes Ensemble zu Hause: Das Lokal Marco Polo, die Taberna Royal, der Kaiserkeller sowie das von anderen Betreibern geführte Gaslight. Es war immer in jeder Hinsicht aufregend dort Gast zu sein, zumal Essen und Service oft die Grenze der Erträglichkeit überschritten, insbesondere am Schluss. Die letzten vier Jahre stand das gespenstische Haus leer und schien vollends zu verkrümeln. Steen Rothenberger und seine Geschwister, die mit ihrem sehr gelungenen Hotel Libertine Lindenberg und anderen Projekten die Altstadt von Sachsenhausen zu erneuern versuchen, haben hier wieder einmal Mut bewiesen. Gemeinsam mit James und David Ardinast (von Stanley Diamond, Maxie Eisen und Ima) möchten sie im neuen Showmanship ein weltoffenes Lokal entstehen lassen, von dem noch niemand weiß, wohin es eigentlich genau führen wird. Marco PoloDas gastronomische Experiment steht aber auf der Basis von individueller Atmosphäre, kuriosem Ambiente und ungewöhnlichen Weinen nebst kleinen Delikatessen. Bei der Eröffnung gab es leckeres Ceviche und großzügig viele Bio/Orange-Weine von Cool Climate. Manche kaum trinkbar, andere spannend, vor allem der natürliche ohne Zusätze und auf der Flasche vergorene sowie leicht perlende Wein von Fuchs & Hase aus dem Kamptal zeigte die ganze Vielschichtigkeit dieser spannenden Sorte der „Petillant Naturel“. Die Mondscheinburg macht jedenfalls Hoffnung und könnte mehr als ein Pop-up werden. Zunächst soll alles für ein Jahr laufen. Den Namen Showmanship kann man mit Selbstdarstellung oder wirkungsvollem Auftritt übersetzen, in diesem Fall aber am besten mit Budenzauber.

 

 

 

Mein Gott, Hugo!

Hugo'sDas Hugo´s hat sich bei der Münchner Küsschen-Schickeria erfolgreich nach oben geschmust, ist in Hamburg nach wenigen Monaten grandios gescheitert und will nun in Frankfurt mit einer neuen Dependance Karriere machen. Ahnungslose Stümper unter den Journalisten reden von Kult-Getränken und Kult-Pizza, ohne zu begreifen, dass „Kult“ einer anderen Qualität und Geschichte bedarf. Bei den Getränken handelt es sich um unter dem Mittelmaß liegenden Prosecco, bei der Pizza um solche, die es beim Italiener an der Ecke auch gibt. Die unter dem Signum „Hugo“ angebotenen Weine werden ohne genauere Angaben gelistet , die von uns probierten enttäuschen. Auch den Hausdrink, den Hugos, haben wir an anderer Stelle weit besser bekommen. Der Service ist stellenweise herzig, aber hoffnungslos überfordert und alles andere als geschult. Der Speisesaal auf der ungünstig liegenden 1. Etage ist kantinesk, von der Terrasse blickt man keineswegs auf die Frankfurter Skyline, sondern vor allem auf eine Wand. Das riesige Lokal – Pizza, Bar, Lounge –  könnte vielleicht Gruppen Spaß machen, die woanders keinen Platz bekommen.

 

 

Yours

Your'sVon ähnlichem Ausmaß wie das Hugo´s ist das neue Yours in der Frankfurter Fahrgasse. Bis jetzt vor allem ein gigantischer Stühlefriedhof vor der Tür. Eine schöne Terrasse sieht anders aus. Innen geht es so zu, wie man das von den Yours-Lokalen her kennt, es wird geklotzt. Eines der größten und interessantesten Objekte der Stadt, das Gebäude an der Brauchbachstraße 1, wo zuvor ein Schwulen-Club zu Hause war, hat nach drei Jahren des Umbaus nun endlich die Tür geöffnet. Der Gastro-Multi Yours, ein australisches Unternehmen mit Franchisenehmern in Frankfurt, ist bekannt für Party, Poker, Tabledance, Karaoke und riesige Bildschirme, über die bevorzugt Sportereignisse ausgestrahlt werden. Die Lokale stehen nicht für eine kulinarisch anspruchsvolle Küche, sondern vor allem für Entertainment. Auf der Speisekarte findet man Känguru, Krokodil und Emu. Das neue Yours wird von Yury Fierer betrieben, der noch weitere Lokale in Frankfurt und Wiesbaden führt.

 

wewe

Im Umfeld von What´s Beef und Klosterhof hat in der Frankfurter Weißfrauenstraße das Café wewe eröffnet. Dahinter steckt der Name Wessinger, der in Neu-Isenburg und Bad Vilbel bereits zwei bekannte Adressen führt. Süßes & Salziges steht im Angebot und wendet sich vor allem an die gerade entstandenen und noch entstehenden Großgebäude mit Büros und Wohnungen ringsum. Es gibt aber auch neben Kaffee und hausgemachter Limo verschiedene Craft Biere sowie Weine von Kuhn, Pfannebecker und Knewitz.

 

The Golden Wing

hieß ein Lokal am Flughafen in Egelsbach, das nun seine Wiederauferstehung an der Schweizer Straße 15 in Frankfurt erleben soll. Fine Dining & More verspricht Geschäftsführer Oliver Storz. Zuvor waren an gleicher Stelle eine hippige Boutique und kurze Zeit auch ein Saftladen zu Hause. Trotz prominenter Lage auf der Schweizer keine einfache Ecke, zumal das Lokal nicht eben groß ist.

 

André Großfeld sorgt für Chaos

Großfeld (r.), Küchenchef Draisbach (l.), Showmacher Jungeli

Großfeld (r.), Küchenchef Draisbach (l.), Showmacher Jungeli

André Großfeld, engagierter Patron der schönen Villa Merton im noblen Frankfurter Diplomatenviertel, ist kulinarisch auch wieder für das zwischen dem 30. November und 31. Dezember stattfindende Dinner-Varieté „Chaos“ in Darmstadt auf dem Karolinenplatz verantwortlich. Es verspricht neben Gastronomie auf Sterne-Niveau auch Artistik & Comedy. Die drei Gänge (auch vegetarisch wählbar) werden vor der Show serviert, damit die Gäste ungestört bleiben. Es gibt beispielsweise rosa gebratenen Rücken und Pflanzerl vom Rind mit Wirsinggemüse, Perlzwiebeln, Kartoffel-Soufflé und Trüffeljus. Auf der Karte stehen 20 Weine, darunter Mosel-Großmeister Markus Molitor. Das Zelt ist so gestaltet, dass es von jedem Platz eine ungehinderte Sicht auf die Bühne gibt. Mehr Informationen auf der gut gemachten Webseite: www.dacapo-variete.de

 

 

Photocredit: Barbara Fienhold