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Ein Bett im Weinberg

Quinta de Sant´Ana:

Poesie zum Trinken

 

Das historische Weingut

bietet eine traumhafte Kulisse

für Feste und Urlaub

 

Von Ludwig Fienhold

 

Die weißen Tauben flattern wie bestellt um das Hochzeitspaar. Über 100 sind dabei, um mitzufeiern, denn bei solchen Festen fallen mehr als nur ein paar Krümel für sie ab. Die lautlosen blitzsauberen Täubchen gehören zur Quinta de Sant´Ana wie Esel Stringflower, Münsterländer Chicca und Rhodesian Ridgeback Abelha sowie namenlose Hühner, Schweine und Schafe. Die Quinta ist inzwischen als Eventlocation weltbekannt und beschert der Gemeinde über 40 Hochzeiten im Jahr. Gradil, ein bis zur Leblosigkeit verschnarchtes Nest 30 Kilometer nördlich von Lissabon, fällt nur durch seine stattliche Kirche São Silvestre und das ansichtskartenschöne Weingut auf. Der Ort selbst hat gerade einmal 1000 Einwohner, die fast alle so wirken wie hundert Jahre verheiratet. Ohne das Weingut würden in Gradil nur selten Hochzeiten stattfinden. Doch Padre Paulo Serra kann sich Dank der Quinta über enormen Zuwachs freuen, auch im Klingelbeutel.

Quinta de Sant AnaKaren Creed aus Irland und Peter Charmant aus Ghana haben die Quinta de Sant ´Ana wegen ihrer „poetischen Schönheit“ ausgewählt. Sie und ihre 120 Gäste wollen es so natürlich wie möglich, mit Taubengeflatter, aufgeregten  Hühnern und herumpurzelnden Kindern. Sie möchten Gäste sein in diesem organischen Betrieb, wo alles lebt und arbeitet, und jederzeit ein Schwein auf die Schleppe treten könnte. Die Geschichte dieses alten Adelsitzes hat noch mehr zu bieten als Ferkeleien, wenn sie auch nicht ganz davon befreit ist. Immerhin basiert sie auf einer erotischen Romanze zwischen Dom Luis, König Ludwig I. von Portugal aus dem Hause Sachsen-Coburg und Gotha, und seiner Geliebten, der Sängerin und Schauspielerin Rosa Damasceno, der er Ende des 19. Jahrhunderts die Quinta de Sant ´Ana samt einem Theater dort schenkte. Heute finden dort Feiern mit bis zu 200 Gästen statt. Das Landgut thront mit der milden Würde eines greisen Patriarchen über dem von Eukalyptushainen, Korkeichen und Orangenbäumen umgebenen Dorf Gradil. Es gehört zu den Casa Nobres, jenen Adelssitzen und Herrenhäusern, die ihre Tore für zahlende Gäste öffnen und sie an ihrem privaten und geschichtsvollen Leben teilhaben lassen. Die Kapelle der Quinta, ein Kleinod aus dem Jahr 1743 mit wertvollen Kacheln und einer Statue der heiligen Ana, hat manche Gäste zur Heirat verführt. Mag sein, dass dort der Sitz der Seele des Landguts ist, doch findet sich an so vielen Stellen ein guter Geist.

Ann Frost

Ann Frost

Ann von Fürstenberg und ihr Mann James Frost haben die Quinta de Sant ´Ana von Gustav Baron von Fürstenberg übernommen. Das Erbe wäre beinahe verloren gegangen, denn der Baron wurde während der portugiesischen „Nelken“-Revolution im Jahre 1974 mit anderen Großgrundbesitzern aus dem Land vertrieben. Weil ein portugiesischer Freund den Besitz treuhänderisch weiter führte und für ihn rettete, konnte Baron von Fürstenberg aber bald wieder mit Frau und sieben Kindern einziehen. Der Flintenexperte und Sportschützenlehrer wurde in Fachzeitschriften wie „Wild & Hund“ als einer der Besten der Branche gefeiert, in einem Nachruf im Jahr 2007 hieß es standesgemäß, er sei „im Pulverdampf ergraut“. Es ist sicher kein Zufall, dass die ebenfalls sehr forsche und sprachlich zielsichere Tochter Ann heute wieder mit genau sieben Kindern, allesamt Söhne, auf der Quinta lebt, seit nun fast 30 Jahren.

Die Hausgäste und schon gar nicht die Hochzeiter ahnen etwas von den Mühen und dem harten Kampf von Ann ums wirtschaftliche Überleben in den Anfangsjahren. Sie genießen eine unbeschwerte Atmosphäre an einem Ort, bei dem an der schönsten Stelle des Lebens die Zeit stehengeblieben zu sein scheint. Die Gäste wohnen einige Meter separat vom Haupthaus der Familie. Von dem Balkon des Caseirohauses schauen sie auf den beschaulichen Hof des Landguts und die sich dahinter hochziehenden Weinberge. Man riecht vor dem Caseirohaus hocharomatische Walderdbeeren und wird dabei an der Nase herumgeführt. Der unwiderstehliche Duft stammt von blauen Erdbeertrauben, die sich durch die Pergola ziehen. Man kann sie sich pflücken und zum Frühstück essen oder als Marmelade genießen, ebenso wie den selbstgemachten Eukalyptushonig. Auf dem Landgut wird nicht nur die gute Luft geteilt, auch der Pool mit Ausblick auf die Weinberge. Das nahe Hühnergehege sieht man nicht, hört aber einen von schweigsamen Hennen umgluckten Hahn, der mitunter kräht als müsste er Tarzan synchronisieren.

QuintaAlles auf der Quinta de Sant ´Ana lebt, atmet und duftet. Auch der Wein, dessen Flaschenetikett die zwei mächtigen Palmen aus dem Garten des Landguts zieren. James Frost taut beim Thema Wein auf. Er ist auf einer Farm in der ländlich geprägten englischen Grafschaft Dorset groß geworden und träumte immer davon Weinbauer zu werden. Während seiner Armeezeit kam er ins deutsche Münster und lernte dort Ann kennen, ohne zu wissen, dass sich damit gleich zwei Liebschaften erfüllen würden. Ann studierte seinerzeit Grafik-Design, wovon noch zahlreiche Bilder in der Quinta Zeugnis geben. Heute, sagt die inzwischen 48 Jahre alte und künstlerisch talentierte Ann, sei ihr als einzig Kreatives die Pflege von Garten und Blumen geblieben.

Quinta-de-Sant-Ana-7Der Basiswein der Quinta de Sant ´Ana und ihrer 14 Hektar Rebland ist die autochtone Sorte Fernão Pires. Ein grundehrlicher Tropfen, der hier einmal nicht wie so oft in Portugal nach Kohl und welken Blumen riecht, sondern frisch und leicht zitrusfruchtig. Noch mineralischer, mit typischen Johannis- und Stachelbeeraromen ausgestattet und vom leichten Meersalz des nahen Atlantik spürbar aufgefrischt, schmeckt der Sauvignon Blanc. Völlig ungewöhnlich für die Region Mafra und auch sonst fürs Land ist der Riesling, dessen Jahrgang 2010 reife Petroltöne aufweist, wie man sie in Deutschland bei eher älteren Rieslingen erleben kann. Weinkritiker Robert Parker findet diesen Wein „einfach fantastisch“ und bewertete ihn mit 90 Punkten. Unter den Roten ist die Reserva 2006 am markantesten – eine elegante Cuvée aus Touriga Nacional und Aragonez. Von den Weinen gibt es jeweils nur wenige tausend Flaschen. Hausgäste können sich rund um die Uhr im Weinladen bedienen und notieren ihren Verbrauch auf einem Zettel. Ehrlich trinkt am längsten.

Wer auf der Quinta de Sant ´Ana wohnt, sitzt beim Wein an der Quelle. Beim Essen muss man auf bestimmte Tage in der Woche warten, an dem ein Dinner angeboten wird. Es lohnt sich. Hauskoch Marco Moura ist einer der talentiertesten jungen Köche Portugals, der eine Gabe für sehr gute verfeinerte Landhausküche hat. Dass er mit der berühmten Fado-Sängerin Ana Moura befreundet ist, die von Mick Jagger und anderen Showgrößen als musikalische Begleitung gefragt ist, sieht er nicht als Trittbrett in eine bessere Welt. Er will durch seine Küche wahrgenommen werden und keinen Promibonus bekommen. Er bringt mit seinen Gerichten die Aromen Portugals auf den Teller, aber eben eine sehr entscheidende Prise feinfühliger als oft. Das fließende Risotto mit zartem Pulpo, geräucherter Alheira-Wurst und Koriander hat ebenso Klasse wie der Kabeljau mit Kichererbsenmousse. Ein Dessert von der Güte des Karottenkuchens mit Mandeln, Orangen-Zitronen-Mousse, Vanille-Eis und warmem Schoko-Kirsch-Kuchen mit flüssigem Kern wird man nicht oft in Portugal finden.

Die Weinfamilie

Die Weinfamilie

Während die normalen Hausgäste der Quinta ein eher unscheinbares Dasein führen, sind die Hochzeitsgäste kaum zu übersehen. Clubbesitzer aus London, Unternehmer aus Lissabon oder Models aus Paris bringen Glamour in ein Dorf, in dem die Frauen beinahe schon putzend mit ihren Schlappen übers klobige Kopfsteinpflaster schlurfen und die Männer gerne so uneitel so aussehen, als kämen sie gerade vom Feld. In Gradil trinkt man in den Lokalen Wasser, Wein und Bier aus einer einzigen Art von klobigem Glas, der Wunsch nach einem anderem stößt auf Irritation. Im Café Joãozinho am alles umfassenden Kirchplatz schenkt der wie ein etwas niedlich gefälschtes Porträt von Pablo Picasso aussehende Wirt Wein aus Wasserflaschen aus – als Gast hofft man, es gut zu überstehen. QuintaIn der Bar do Adro daneben treffen sich die, die lieber im Dunklen als auf einer Terrasse sitzen. Das benachbarte Lokal Faisão beginnt wieder aufzuleben, der Mann der Wirtin wurde von seinem Reitpferd zu Tode geschleift, was zur längeren Ruhezeit führte. Im Café Delicia gibt es den einzigen frisch gepressten Orangensaft im Ort und eine Leckerei aus Schokolade und Keksen, die im alten Deutschland „Kalter Hund“ hieß. Der Dorfmetzger führt mit seinem Caçador ein kompromisslos fleischlastiges Lokal, in dem die Größe der Portionen beeindruckender als deren Zubereitung ist. Das beste Lokal von Gradil ist das Take Away mit Papiertischdecken und ständig laufendem Fernseher, in dem eine adrette Köchin mit wie festgewachsen wirkendem Hygieneplastikhäubchen ganz allein hinter der Theke wunderbare Schlichtheiten zubereitet: Fisch, Hühnchen, Hackfleischbällchen, Schweinebraten, Knoblauchreis. Nur wenige Gäste bleiben zum Essen, die meisten holen sich ihre Bestellungen ab und halten während der Wartezeit ein Schwätzchen.

Gradil sonnt sich, wolkenlos und zartblau. Über der Quinta de Sant ´Ana schweben wie Schutzheilige die weißen Tauben, ganz sanft und so leise, als wollten sie niemand aus den Träumen wecken.

Quinta de Sant ´Ana, Gradil, Mafra, Portugal, Tel. 00351 261 963 550. www.quintadesantana.com

 

Photocredit: Quinta de Sant ´Ana, Barbara Fienhold

 

 




Spicy: Ingo Hollands neuer Gewürzpalast

Extrascharfe Expansion

 

Der ehemalige Sternekoch und Gewürzexperte Ingo Holland hat inzwischen ein Imperium geschaffen und konnte jetzt seine neue große Manufaktur in Klingenberg am Main eröffnen. Das Gebäude mag vielleicht auf den ersten Blick von außen wie eine normale Halle aussehen, doch innen sind beste Materialien und viel Kunst zu sehen. Im unteren Bereich befinden sich Produktionsstätte und Versuchsküche, einen Stock höher breitet sich die lichtdurchflutete Genuss-Etage mit Showküche, riesigem Kamin, Kochschule, Tagungsbereich und sehr langer Terrasse aus.

Würzige Eventlocation

Würzige Eventlocation

Das Alte Gewürzamt wird von Ingo Holland und seinem Sohn Kilian geführt, die als kreative Gewürzmüller längst ein eingespieltes Team sind. Die Eröffnungsfeier zog sich drei Tage hin, über 150 Gäste waren dabei, darunter Juan Amador und Nils Henkel sowie Mr. Champagner, Günter Schöneis. Das Alte Gewürzamt ist kein Restaurant und wird ausschließlich als Produktionsstätte und Eventlocation betrieben und liegt auf einem Grundstück von 4000 Quadratmetern.

Koch Joji Hachimura

Koch Joji Hachimura

Ein Rausch der Aromen: Rund 300 verschiedene Gewürze sind beim Alten Gewürzamt im Angebot, die grünen Dosen scheinen in Deutschland allgegenwärtig, gehen aber auch ins Ausland.  Raz el Hanout, Curry Goa, Ducca oder Mole kennt jeder Profi- und Hobbykoch. Die BBQ Mischungen für Pork, Chicken und Beef sind Bestseller. Spannend ist auch das Crevetten Gewürzsalz. Kilian Holland streut es sich auch gerne auf ein Butterbrot. Für Pfeffer-Einsteiger wird eine kleine Probierkiste offeriert. Hollands Lieblingspfeffer ist der schwarze aromatische Kerala. Die Gold Edition richtet sich an Kenner. Diese exklusive Linie präsentiert edlen japanischen Sanshopfeffer aus der Frühlingsernte, das duftige Crevetten-Salz sowie rare Fenchelpollen. Daneben gibt es bei den Hollands aber auch noch Chutneys, Fruchtaufstriche, Pasten, Senfsorten und weitere Feinkost.

Yoko Popper

Yoko Popper

Neben der neuen Genusswerkstatt gibt es nach wie vor das gut sortierte Ladengeschäft des Alten Gewürzamts in Klingenberg im ehemaligen Teddybär-Museum. In diesem wunderbar duftigen Schmuckkästchen berät Yoko Popper sachkundig und charmant die Kunden. Die Japanerin steht als Spice Girl schon lange an der Seite von Ingo Holland und weiß mit ihrer Begeisterung jedes Gespräch zu würzen.

 

 

Altes Gewürzamt Ladengeschäft

Altes Gewürzamt Ladengeschäft

Altes Gewürzamt, Klingenberg am Main, In der Altstadt 7, Tel. 09372 13 47 57. www.ingo-holland.de

Bild oben rechts: Ingo Holland (l.), Kilian Holland (r.), Köchin Susanne Stenger in der Mitte.

Photocredit: Barbara Fienhold, Altes Gewürzamt

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 




Perlt: Apfelwein-Winzer Kraemer

Neu & Gut

Der bemerkenswerte

Winzer Kraemer

aus der Pfalz

 

Frankfurt ist Big Apple. Die Apfelwein-Welthauptstadt hat mit Pionier Jörg Stier, Öko-Obstbauer Andreas Schneider, dem engagierten Händler Jens Becker oder den wunderbaren Minikelterern Hendoc und Jörg Markloff viele bemerkenswerte Persönlichkeiten zu bieten. Aber auch in anderen Regionen außerhalb geschieht zum Thema Erstaunliches. Etwa im abseitigen Auernhofen in Franken, wo der Winzer und Obstbauer Stephan Kraemer sehr gute Apfelweine erzeugt – Apfelwein für Weintrinker.

Adam PerlweinDas Weingut Kraemer betreibt ökologischen Weinbau, die meisten Weine sind durchgegoren und schön trocken. Der Müller-Thurgau ist besonders gut und beispielhaft an Qualität für diese vernachlässigte Rebsorte. Aber auch der Silvaner zeigt die typische puristische Handschrift des Weinguts, ebenso der eher seltene Johanniter.

Eva Perlwein70 Hektar Ackerbau, vier Hektar Steillagen im fränkischen Taubertal. Doch Kraemer kann als Obstbauer auch gut Apfelwein. Adam, Eva und Sünde heißen diese. Der „Adam“ ist ein trockner, frischer, süffiger und animierender Apfelperlwein, der zur Wiese und auf die Terrasse gehört. Bei der „Eva“ wurde Holler zugesetzt, was den Tropfen etwas charmanter, aber keineswegs süß macht. Auch bei der „Sünde“, einer Cuveé aus Apfel, Holler und Rose geht es elegant fruchtig und mitnichten zuckrig zu. Die Preise sind so niedrig wie der Alkohol. Dennoch wartet nach einer Weinprobe ein sicheres Ruhekissen: Die Familie Kraemer vermietet auch Zimmer auf dem Hof.

 

Ökologischer Land- und Weinbau Kraemer

www.kraemer-oeko-logisch.de

Tel. 09848 – 96845

Apfelsecco 6 – 7 €.

 




Villa Merton: Das war mal richtig Sommer!

Gastronom André Großfeld & Top Magazin Frankfurt feiern

 

Una festa sui prati. Alle waren da, außer Adriano Celentano. Welch ein strahlendes Sommerfest im Grünen: Eine schönere Kulisse als die Villa Merton hätte man sich für das 15jährige Bestehen des Top Magazins Frankfurt kaum wünschen können. Kein Gedränge, jeder fand auf der großen Terrasse Platz, es gab zudem ausreichend lauschige Plätzchen für den Rückzug. Der Abend bestand nur aus Höhepunkte, ein optisches Highlight: Sabine Bechtel, Schauspielerin, Modell, Tänzerin, Bond-Girl und Playboy-Cover-Girl.

Das Team der Villa Merton sauste unermüdlich und speiste die Gesellschaft mit kleinen Leckereien: Miso-Lachs mit Ingwerschaum, Cordon Bleu vom Spargel, geschmorte Kalbsbrust mit Kapern-Linsen-Creme, Pulled Lamb und einiges mehr. Dazu gab´s Wein, Sekt und das Braufactum Progusta, aber nicht aus der Flasche, sondern als supersüffiges Bier vom Fass. Magazin-Verleger Michael Ruiss und Gastronom André Großfeld (l. im Bild mit seiner Frau) konnten über 300 Gäste begrüßen – Prominente aus Kultur, Wirtschaft, Politik, Film, Sport und Hotellerie/Gastronomie. Networking bei bestem Wetter. Niemand verließ frühzeitig die Party.

 

 

 

Photocredit: Barbara Fienhold

 

Una festa sui prati

Von Adriano Celentano

 

Una festa sui prati

Una bella compagnia

Panini, vino un sacco di risate

E luminosi sguardi di ragazze innamorate

Ma che bella giornata

Siamo tutti buoni amici

Ma chi lo sa perché domani questo può finire

Vorrei sapere perché domani ci dobbiamo odiare…

  

Eine Party auf der Wiese,

Eine schöne Gesellschaft,

Brötchen, Wein, viel Gelächter

Und strahlende Blicke verliebter Mädchen.

Was für ein schöner Tag.

Wir sind alle gute Freunde.

Aber, wer weiß, vielleicht ist morgen damit Schluss.

Ich wüsste gern, ob wir uns morgen hassen müssen…

 

 




Best of Siebeck

Statt eines Nachrufs einige besondere

Rezensionen des verstorbenen

Gastronomiekritikers

Wolfram Siebeck (87)

 

 

 

Molekularküche

Das Prinzip dieser Molekularküche finde ich im Grunde idiotisch. Es ist wie die Erfindung des Esperanto. Das war eine Kunstsprache, die keine Wurzeln hat, keine Herkunft, keine Tradition, nichts. Die wurde einfach so aus dem Blauen heraus erfunden, weil da irgendjemand kreativ war und glaubte, dass sich alle Menschen in dieser gemeinsamen Sprache unterhalten würden, was natürlich Quatsch war. Wir müssen nur aufpassen, dass diese Molekularküche nicht die Oberhand gewinnt, nicht zu einem Dogma wird. Obwohl, die Chance hat sie ja gar nicht, weil sie viel zu unbeliebt ist – genau wie die zehn Gebote. Kein Mensch hält sich an die zehn Gebote.

Es sind Physiker, die sich diesen Gimmick ausgedacht haben und einige Köche, allen voran Ferrand Adrià, davon überzeugen konnten, dass darin die Zukunft der Kochkunst liege. Ungefähr zur Zeit der ersten Mondlandung glaubten alle, dass unsere künftige Ernährung aus Pillen und Pasten bestehen würde. Das ist gerade mal 40 Jahre her. Ob in weiteren 40 Jahren an den Küchenherden verkrachte Chemiestudenten mit Injektionsspritzen stehen und den Schweinebraten impfen werden, damit die Moleküle was zu lachen haben, ist wieder eine Frage ohne Antwort. Da aber der Nobelpreis ungeduldig mit den Hufen scharrt, wird schon jemand herausfinden, wie man Schokoladenpudding mit Hilfe der Neutronenbeschleunigung an die Wand nagelt und gleichzeitig die Gletscherschmelze in den Alpen nach Lavendel duften lässt. Das nenne ich Fortschritt. Andere nennen es Nanotechnik und versprechen sich davon kostenlose Werbung in überregionalen Tageszeitungen.

http://www.zeit.de/2005/22/Siebeck_2fKolumne_Voodoo/seite-2

Siebeck

Heston Blumenthal

The Fat Duck

In der „Fetten Ente“ (3 Michelin-Sterne) wird gekocht, dass man sich in Doktor Frankensteins Labor versetzt fühlt. Dass das Garen bei 60 Grad Celsius dabei eine Grundregel ist und Blumenthal das Anbraten bei großer Hitze als schädlich erkannt hat, überrascht nicht. Darauf sind auch schon andere gekommen. Aber Speiseeis bei 80 Grad zu servieren und eine Limonentee-Mousse in flüssigem Stickstoff bei minus 196 Grad unter den Augen der Gäste entstehen zu lassen, solche Zauberkunststücke sind bei Heston Blumenthal das Normale. Zu seinen Spezialitäten zählt alles, was nicht naturbelassen werden muss, um Gastro-Snobs zu gefallen. Wer da nicht wenigstens ein paar Semester Chemie studiert hat und außerdem Einsteins Relativitätstheorie auswendig zitieren kann, der wird das Lokal wahrscheinlich in einer Zwangsjacke verlassen.

Danach wurden zwei riesige Teller aufgetragen, in deren Mitte ein nur nussgroßes Klößchen in violetter Sauce lag, angeblich Speiseeis von Senf. Spätestens bei diesem Furz von Nichtigkeit wurde das Leitmotiv dieser Küche deutlich. Es war die alte Nouvelle Cuisine. In einem speziell angefertigten Porzellan-Ei gab es nochmals Gelee und Creme sowie ein Foie-gras-Parfait. Nach diesen Appetithappen ging es weiter: drei Schnecken auf Porridge, der petersiliengrün war und Jabugo-Schinken enthalten sollte, was aber nicht zu schmecken war. Geschmack hatten dann die beiden kleinen Würfel Foie gras in Begleitung eines Mandelgels. Die folgende Sardine war so groß wie ein Fingernagel und verschwand unerkannt in der Versenkung. Ihr folgte ein Stück Lachs in einem Überzug aus Lakritze, und das war nicht nur originell, sondern so delikat, dass ich mir davon ein größeres Stück gewünscht hätte. Das Gleiche dachte ich bei einem Stückchen fabelhaft gewürzter Taubenbrust. Danach begann die Serie der süßen Sachen, welche ebenfalls unter ihrer Winzigkeit litten. Sie wurden ebenso bedeutungsschwer wie albern serviert. Unter anderem sollte man an einem winzigen Flakon riechen, nur riechen, um wahrscheinlich die Engel im Himmel singen zu hören. Das funktionierte aber ebenso wenig wie das Tütchen mit Müsli, dessen Inhalt man mit milchähnlicher Flüssigkeit übergießen musste. Was meine Tischdame knurrend kommentierte: „Wollen die mich hier verarschen?“

http://www.zeit.de/2005/24/Siebeck_2fKolumne_London_1/seite-3

 

3-SternekochClaus-Peter Lumpp (l.) und Wolfram Siebeck

3-Sternekoch Claus-Peter Lump vom Bareiss (l.) und Wolfram Siebeck

Paul Bocuse

Da wird auch schon das unvermeidliche Brot vor uns abgestellt, und der Unterschied zur deutschen Spitzenküche könnte drastischer nicht sein: Anstelle von mehreren Brötchensorten plus Grau- und Schwarzbrot enthält der Lyonnaiser Brotkorb nur ein rustikales Brötchen, welches den leichtsinnigen Esser zwingt, anschließend in die HNO-Abteilung eines Spitals zu eilen, um die in Fetzen herabhängende Gaumentapete reparieren zu lassen. Die gleiche Schockbehandlung kenne ich aus anderen Drei-Sterne-Restaurants in Frankreich. Wahrscheinlich handelt es sich um eine interprofessionelle Abmachung nach dem Motto: Die Leute sollen sich nicht am Brot satt essen, sondern an Jakobsmuscheln. Immerhin gönnt uns der Meister zwei Appetitmacher. Als Erstes eine fade Kürbissuppe, wie sie in dieser Minute in tausend Restaurants serviert wird. Dazu gab es ein wunderbares, altmodisches Gebäck, ein Brandteig-Brötchen, wie es kein Patissier mehr herstellt in unserer Vollkorn-Epoche. Diesem Gruß aus der Küche folgte ein Klassiker der Haute Cuisine: gebratene Foie gras auf einer Polenta-Unterlage. Sie ist nicht größer als eine Minifrikadelle, perfekt gebraten und wegen ihrer köstlichen Apfelsirupsauce unwiderstehlich.

La Soupe VGE. Das sind die Initialen des damaligen Staatspräsidenten Valéry Giscard d’Estaing, der als französisches Staatsoberhaupt in die Geschichte eingehen wird, weil er einen Koch in die Ehrenlegion aufnahm. Die Suppe enthält winzig kleine Gemüsepartikel, ebenso kleine Stücke von der Rinderzunge und einer Foie gras sowie dünn geschnittene schwarze Trüffelscheiben. In einer feuerfesten Form, aufgegossen mit einer konzentrierten Rinderbrühe und mit einem Deckel aus rohem Blätterteig verschlossen, wird die 1-Person-Suppenschüssel 18 Minuten bei 220 °C im Ofen erhitzt. Der Gast schlägt den knusprig braunen Deckel ein und hofft auf die ausströmende Duftwolke. Als Nächstes verbrennt er sich das Maul, muss aber feststellen, dass sie wirklich großartig schmeckt, die berühmte Suppe VGE.

Als Bocuse an unseren Tisch kam, unterhielten wir uns über die Malaisen des Alters. Man merkte ihm an, dass das Leben ihn mehr mitgenommen hat als mich (wir sind fast gleichaltrig). Er wirkte tatsächlich nicht sehr fit, und sein Machismo war einer fast rührenden Freundlichkeit gewichen, welche von dem gekräuselten Grauhaar unterstrichen wurde, das seine einstmals straff gekämmten dunklen Strähnen ersetzt hat. Seine Köche ließen ihm wenig Zeit zum Plaudern; die Kellner brachten den Zwischengang. Dabei triumphierte wiederum die Klassik. Barbara, meine Gefährtin, wurde mit einem Krebsgratin konfrontiert, wie es in Lyon schon vor dem letzten Krieg serviert wurde: ohne Panzer in einer dicken Sahnesauce, die nach der Stadt Nantua benannt ist.

Siebecks Maskottchen

Siebecks Maskottchen

Mein Fischgang war nicht weniger nostalgisch. Da lag ein großer Hechtkloß, ebenfalls in der rosafarbenen Sahnesauce Nantua: Regionaler ging’s nicht; vor einem halben Jahrhundert verkörperten im Burgund Krebsschwänze in einer aus den Schalen der Krebse gezogenen rosa Sahnesauce das Schlemmen auf großbürgerlichem Niveau, wie heute in Berlin die elenden an der Haut gebratenen Zanderfilets. Hechtklöße waren auf Ostfrankreich beschränkt. Meiner war faustgroß und comme il fault. Das heißt, er besaß den richtigen Grad von Lockerheit, sodass er nicht zerfiel, wenn man ihn anschnitt, und hatte den spezifischen eleganten Eigengeschmack, den kein anderer Fisch zustande bringt.

Wo es dreisternemäßig zugehen soll, darf jedoch nicht passieren, was jetzt geschah: Mein Kalbsbries lag in einer hellrosa Krebssauce vom Stamme Nantua. Also wieder Sahne, und wieder unendlich viele kleine Krebsschwänze. Vor dieser Wiederholung hätte mich der Oberkellner, der die Bestellung aufnahm, warnen müssen. Mir taten die Krebse leid, die ich an diesem sonnigen Herbsttag an der Saône vernichtete, mir tat mein Magen leid, der mit den Sahnemengen fertigwerden musste, und mir tat sogar Bocuse leid, dessen Personal nicht auf dem Niveau agierte, das seinem Ruf entsprochen hätte.Barbara hatte Glück. Sie hatte eine Taube bestellt. Es war ein ziemlich großer Vogel, er war einfach am Spieß gebraten und absolut köstlich.

http://www.zeit.de/2013/26/sternekoch-siebeck-paul-bocuse-restaurant/seite-2

 

Alle Auszüge stammen aus der „Zeit“. Photocredit: Barbara Siebeck