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Restaurant-Kritik: Das neue Gustav ganz im Glück

Küchenchef Jochim Busch startet famos

 

Neues Top-Restaurant

in Frankfurt

 

Von Ludwig Fienhold

 

Machen wir es kurz: Dies ist die erfreulichste Neueröffnung der letzten Jahre in Frankfurt. Selten hat aus dem Stand eine Küche derart überzeugt wie die vom Restaurant Gustav. Jochim Busch arbeitet so feinsinnig, dass jeder Bissen zu einem emotionalen Erlebnis wird. Das kunstvolle Interieur berührt durch natürliche Schönheit und beschwingtes Design. Eine individuelle Weinauswahl und ein gastfreundlicher Service stimmen obendrein vergnüglich ein. Ziemlich viel Gutes schon wenige Tage nach dem Start.

Küchenchef Jochim Busch

Küchenchef Jochim Busch

Frankfurt wird kulinarisch immer stärker, mit Jochim Busch gibt es ein weiteres Talent, das man bereits jetzt zur Spitze zählen darf. Busch war Souschef bei Andreas Krolik im Tigerpalast, mit dem er zuvor aus dem Brenners Park-Hotel von Baden-Baden an den Main wechselte. Seine Stärken sind schnell zu erkennen: Gefühlsbetonte Ausdruckskraft gepaart mit großem Kombinationsgeschick. Jedem Teller entspringt wohlformulierte Leidenschaft. Handgeschnittenes, ungemein saftiges Beef Tatar verschmilzt mit pochiertem Ei, aromatischen Pilzen und duftigen Wildkräutern. Hundertmal gegessen, aber nur selten so gut. Saftstrotzendes Schmorhuhn mit separierter krosser Haut, Wurzelgemüse, Salzzitrone, Salbei und den schlotzigen Kugelnudeln Fregola Sarda in satter Jus hört sich auch wieder weniger spektakulär an, schmeckt aber in seiner aus perfekt abgestimmten Details zusammengeführten Unität hinreißend.

Apfel-Gurken-Dessert

Apfel-Gurken-Dessert

Die Küche verwendet gerne regionale Erzeugnisse mit spürbar gutem Eigengeschmack, meist von ausgesuchten Bio-Betrieben wie dem Dottenfelder Hof. Deshalb kann man auch als eingefleischter Nichtvegetarier seine wahre Freude an der betont grünen Küche im Gustav haben. Lokal koloriert und doch weltmännisch im Auftritt, gerät die stilsichere Föderation aus Handkäs, Schmand von Apfelessig und Roten Zwiebeln, geröstetem Brotscheibchen und Frankfurter Kräutern zu einem Käsegericht erster Güte.

Der Nachtisch ist oft ein zu vernachlässigendes Schlusslicht. Nicht aber bei unseren Dessert-Druiden, Christian Hümbs (Haerlin, Hamburg) oder Benjamin Kunert (Villa Rothschild, Königstein). Und nun zeigt auch Jochim Busch, wie famos Desserts sein können, sofern sie eben nicht einfach auf einfältige Süße setzen, sondern sublime Eigenständigkeit zeigen. Ein Meisterwerk an Raffinesse ist das Apfel-Sorbet auf Buttermilchspiegel mit Gurke und einem frisch aufgegossenen Sud aus Pimpernelle und anderen Kräutern der Grünen Soße. Bitte, lieber Gustav, in Flaschen abfüllen und im noch zu eröffnenden Merchandise-Shop verkaufen. Die Gerichte sind von animierender Leichtigkeit, selbst nach mehreren Gängen bleibt ein beschwingtes Lebensgefühl erhalten. Die zwei Mittagsmenüs sind wunderbar kurzweilig und doch komplex, abends geht es noch etwas aufwendiger und kreativer zu. Gemessen an der enormen Leistung, alles zu gemeinnützigen Preisen.

GustavRestaurantleiter Stefan Katzki, zuvor in der Frankfurter Villa Merton, kann sich auf eine gute Weinselektion von 180 Positionen stützen, wie man sie nicht oft in der Stadt findet, wobei gerade die Nischenprodukte interessant sind. Da kommt dann ein erfrischend schlanker Chardonnay von der jungen Domaine des Marnes Blanches aus dem Jura an den Tisch oder ein cremig-eleganter Chenin Blanc L´Echalier von der Domaine Bertin-Delatte von der Loire. Die als Sommelière eingeplante Dolores Martinez Lopez (zuvor Juan Amador, Villa Rothschild, Allgaier) will jetzt doch lieber als selbständige Weinberaterin arbeiten, wobei für sie Milica Trajkovska Scheiber zur Stelle ist, die mit ihrem Mann Matthias das Restaurant Weinsinn in der Nähe betreibt und nun das neue Lokal Gustav führt. Sie ist auch für die Innenausstattung verantwortlich, die gemeinsam mit Künstlern und Designern entstanden ist. Neben dem heiter gestimmten Ambiente fallen haptische Highlights auf – die edelknitternden Leinenservietten und die schönen Holztische, für die jegliche Bedeckungen eine Beleidigung wären. Die Stühle sind so bequem, dass man gerne länger bleibt.

 

GustavGustav, Frankfurt, Reuterweg 57, Tel. (069) 74745252. Geöffnet Dienstag bis Freitag 12 bis 14.00 Uhr sowie ab 18.30 Uhr. Samstag ab 18.30 Uhr. www.restaurant-gustav.de

Die Mittagskarte wechselt  1 x in der Woche jeden Dienstag, 2 Gänge 29 €, 3 Gänge 34 €. Abends findet alle 3 – 4 Wochen ein Wechsel statt, die Preise liegen zwischen 57 und 77 €, 3/4/5 Gänge.

 

 

 

 

BILDER GALERIE

 

Photocredit: Barbara Fienhold 

 




On The Road Again: Street Food

Ein Trend rennt um die Welt

 

Von Ludwig Fienhold

 

Street Food ist auf der Überholspur, kann aber auch in der Sackgasse enden, wenn dieser Begriff weiter falsch interpretiert und bloß ausgeschlachtet wird. Plötzlich will jeder auf die Straße, doch Imbiss und Fast Food gehören in eine ganz andere Kategorie. Was aber ist Street Food und was haben wir davon?

Thomas Funke von Soul Food

Thomas Funke von Soul Food

 

Edel-Burger

Edel-Burger

Unter die große Kochmütze mit den Namen Street Food scheint alles zu passen, von der Currywurst bis zum Döner. Das schadet der an sich guten Grundidee, denn Street Food definiert sich nicht allein durch ein „von der Hand in den Mund“. Die Wiege der Straßenstände und Garküchen steht in Bangkok und Hongkong. Dort findet man die eigentliche Volksküche. Frischer, besser und preiswerter kann man kaum sonst wo essen. Es handelt sich meist um kleine Familienbetriebe, die sich nie ein eigenes richtiges Restaurant leisten könnten. Und sie geben jenen Platz, denen wiederum einen Restaurantbesuch unerschwinglich ist. Zudem sind in Hongkong und Bangkok, wo das Essen von allergrößter Bedeutung ist,  die Restaurants alle derart gut belegt, dass man nicht so einfach einen Tisch bekommt. An den Garküchen unter freiem Himmel ist jedoch immer ein Hocker frei.

Wie alle Wiegen der Kultur, werden auch die des Street Foods nicht selten verschaukelt. Manche machen sich einfach nur einen Spaß daraus, viele wollen sich an einen Trend hängen, leider mit nur mageren Ideen. Street Food ist handwerklich & frisch, regional & international, schlicht & kreativ, schnell zubereitet & unkompliziert aus der Hand zu essen. Und nie langweilig. So zumindest das Idealbild. Der Brooklyn Food Market in New York bietet über 100 Ständen Platz für aberwitzige Kapriolen und Ethno-Essen. Im Grunde schon mehr ein kulinarisches Happening und Treffpunkt für Szene-Köche. Beim Real Food Market am Southbank Centre Square in London geht es etwas anspruchsvoller zu, stehen interessante und hochwertige Erzeugnisse im Mittelpunkt. Zentrum der deutschen Street Food Märkte sind Berlin und überraschenderweise Nürnberg.

Wein-Pause

Wein-Pause

Der Street Food in der Markthalle Neun in Berlin-Kreuzberg ist wie die ganze Stadt wunderbar bunt und erstaunlich um Qualität bemüht. In Nürnberg treffen sich regelmäßig Food Trucks, junge Straßenköche und Straßenkünstler zu einem Festival. Der neue Street Food Markt am 7. Mai soll Auftakt zu einer weiteren Veranstaltungsreihe sein, die indes ziemlich nach Party aussieht. Markt oder reine Vermarktung?

In Frankfurt hat sich noch kein Street Food entwickelt, wenngleich der Markt im Hof in Sachsenhausen schon deutlich in diese Richtung geht. Außer auf Food Guerillas trifft man dort auf individuelle Kaffeeröster, Craft Beer und handwerkliche Apfelweine. Wahrscheinlich dürfte es in Frankfurt aber wegen der bürokratischen Hürden sehr schwierig werden, Street Food zum Leben zu erwecken. Ähnliches hat Wien erfahren müssen. Immerhin flackern hie und da einige Ideen dazu auf, wie jetzt im Frischeparadies in Frankfurt-Griesheim.

Thomas Macyszyn                                                                Restaurant Navette

Thomas Macyszyn Restaurant Navette

Dass Street Food mehr sein kann und will als ein Grillwürstchen am Rande des Bürgersteigs sieht man an manchen exemplarischen Beispielen. Das Frankfurter Frischeparadies rief ein Street Food Festival aus – und über 500 Besucher von Hotellerie, Gastronomie und Fachhandel kamen. Vor allem Thomas Funke von Soul Food nahm das Konzept der Straße klug auf und zeigte, das Schnelligkeit auch mit Qualität einhergehen kann. Es bedarf schließlich auch bei Street Food soliden handwerklichen Könnens. Funke servierte zwei famose Burger, den einen mit saftigem Duroc-Schwein und krosser Kruste, den anderen mit leicht asiatisch gewürzten Garnelen. Das Burger-Brötchen war auch nicht von Pappe, ganz im Gegenteil: Es stammte vom Ausnahmebäcker Arnd Erbel aus Dachsberg, der für seine Spitzenerzeugnisse auch von Topköchen geschätzt wird. Die dezent süße Mole-Würzmischung aus Kakao, Nelke und Zimt passte jedenfalls hervorragend zum Duroc-Schwein und den Garnelen. Gute individuelle Produkte sind die Basis von Street Food, Massenware gehört nicht dazu.

Ein Koch muss wissen, wo es langgeht

Ein Koch muss wissen, wo es langgeht

Gleiches gilt für die passenden Getränke. Selbstgemachte Limonaden, handverlesener Kaffee oder Craft Beer gehen gut. Und natürlich ausgesuchte und gerne auch preiswerte Weine, abseits des Mainstreams. So wie sie Kai Schattner beim Street Food Festival im Frischeparadies ausschenkte. Allen voran der pfiffig-pfeffrige Grüne Veltliner der Zwillingsbrüder Sax aus dem österreichischen Kamptal.

Die Straßenschlacht um Street Food hat gerade erst begonnen.

 

 

 

 

 

Bilder von Barbara Fienhold im Frischeparadies

 

 




3-Sterne-Koch Kevin Fehling zieht nach Hamburg

Konzept mit Chef´s Table

und wenig Gästen

 

3-Sterne-Koch Kevin Fehling verlässt nach zehn Jahren das Belle Epoque in Travemünde, um im Juni sein eigenes Restaurant in Hamburg zu eröffnen. Gerade noch mischte er beim Rheingau Gourmet-Festival mit, bei dem auch die Gerüchteküche angeheizt wurde. Jetzt ist es offiziell, dass er sich in der von Flüssen und Kanalläufen durchzogenen Hamburger Hafencity selbständig macht, gemeinsam mit seinem Restaurantleiter David Eitel. In dem neuen Lokal soll es nur einen großen Tisch und Platz für 18 Gäste geben, den Chef´s Table mit  Blick auf die Küche. Ein solches Konzept gibt es auch im Hamburger 2-Sterne-Restaurant Haerlin mitten in der Küche, allerdings neben dem normalen Gästebereich. Kevin Fehling, der für extravagante Kompositionen à la Kassler mit Auster und gefrorenem Senf bekannt ist, wurde vom Michelin mit drei Sternen bedacht, während ihn der Gourmet Guide Gault & Millau (17 Punkte) deutlich kritischer sieht und ihm oft Effekthascherei vorwirft. Das Restaurant Belle Epoque im Columbia Hotel Casino Travemünde will auch weiterhin eine hochwertige Küche anbieten. Kevin Fehling wiederum tritt in Hamburg ganz neu und damit ohne jegliche Sterne-Auszeichnung an und muss sich das Vertrauen der Restaurantführer und anderer Gäste erneut erwerben.

Bild oben: Kevin Fehling (M.), Sebastian Lühr vom Kronenschlösschen Eltville (r.), Richard Ekkebus , Mandarin Oriental Hongkong (l.) beim Rheingau Gourmet-Festival




Durst nach flüssigen Antiquitäten

Das Verlangen nach dem besonderen Geschmack

 

Vom Rheingau Gourmet & Wein Festival bleibt ein guter Nachhall

 

Von Ludwig Fienhold

 

Learning by drinking. Nirgendwo trifft das besser zu, als bei Weinverkostungen, wie man sie beim Rheingau Gourmet & Wein Festival erleben konnte, das die Region mit flüssigen Antiquitäten und ungewöhnlichen Tafelfreuden zum kulinarischen Zentrum der Welt machte.

Seminarhafte Oberlehrerattitüde erlebte man nicht, Sommeliers wie Kai Schattner und Florian Richter geben ihr Wissen ganz nonchalant im Plauderton weiter, und bei August F. Winkler, dem Grandseigneur unter den Wein-Experten, wird ohnehin der Schalk aus den Flaschen gelassen. Essen & Trinken sollten einen hohen Spaßfaktor haben, wobei gerade beim Gourmet Festival ganz entspannt sehr viel Wissenswertes dabei vermittelt wird.

Wissensdurst

Wissensdurst

Manche Journalisten, die der Pilsstübchen-Mentalität wohl nie entwachsen, verkünden Halbwahrheiten und sagen, solche Weinverkostungen wären horrend im Preis. Sie sind es nicht, bei genauer Betrachtung noch viel weniger. Weinproben können als Verbraucherberatung dienen und bei Kaufentscheidungen helfen. Investitionen erweisen sich nicht selten als lohnenswert. Der Raritäten-Event mit Roederer Cristal, Château Lafleur und Montrachet-Weinen gehörte mit 890 Euro zu den eher kostspieligen Veranstaltungen, bescherte am Ende aber neben hohem Genuss- auch großen Erkenntniswert.

Roederer Cristal zählt zu den besten und teuersten Champagner, eine Flasche des aktuellen Jahrgangs 2006 kostet etwa 170 Euro. Gleich elf verschiedene Jahrgänge gab es zu probieren bis zum Jahr 1961. Wer sich diese Flaschen kaufen will, muss also mindestens 2000 Euro ausgeben, wobei einige ältere Champagner (wie der 99er) über 300 Euro kosten oder gar nicht mehr zu haben sind. So aber konnte jeder unter den elf seinen Lieblingschampagner ausfindig machen, von dem es sich vielleicht lohnt etwas mehr anzuschaffen. Aber auch Freunde von gereiften Champagner konnten sehen, dass der Jahrgang 1994 nur nach überreifem Obst, Sherry und verwehtem Herbst schmeckte und somit auch nicht mehr gekauft oder getrunken werden muss.

Champagner-Riegel

Champagner-Riegel

Roederer Cristal als Lehrstunde. Der Knackigste unter den großen Champagner zeigte sich in seiner ganzen Bandbreite, von energisch vital bis sinnlich gealtert. Das Jahr 2006 beschert einen noch jungen ungestümen Champagner, der Reife benötig, in jedem Fall aber noch Luft nach dem Öffnen. Nach einer halben Stunde gerierte er sich schon etwas sanfter. Und ganz am Schluss floss er aus der Magnum so schön, dass man ewig Durst haben wollte. 2004 war von ganz anderer Stilistik, viel fleischiger und leicht wollüstig mit dezent speckiger Note. 2002, 1999 und 1995 waren in Würde gereift – elegant, geschmeidig, nobel. Der Roederer Cristal aus dem Jahr 1961 offenbarte sich als der Schatten seiner selbst, duftete merkwürdig nach abgestandenem Kaffee und schmeckte nach schalem Rumtopf. Die aufregendste Aromatik entströmte der Flasche aus dem Jahrgang 1993: Kokos, Rum, Rosinen, Mirabelle. In der normalen Flasche hatte die Perlage schon an Lebhaftigkeit eingebüßt, in der Magnum, die es an diesem Tag nicht gab, wäre der Champagner noch temperamentvoller gewesen. Die Magnum 1993 gehört jedenfalls zum Champagner-Olymp – aber nicht in den Keller, sondern gleich auf den Tisch.

Alte Herren

Alte Herren

Von Roederer Cristal werden im Jahr 450 000 Flaschen produziert, jedoch nicht in jedem Jahr. Die Bedingungen dafür müssen optimal sein, verspricht er an Säure einzubüßen oder zu viel an Alkohol zu gewinnen, verzichtet man lieber. Im Handel sind meist nur die aktuellen Jahrgänge zu bekommen, andere ältere Flaschen höchstens noch auf Auktionen oder bei auf Raritäten spezialisierten Händlern. Die beim Rheingau Gourmet & Wein Festival probierten Champagner stammten größtenteils aus dem eigenen Weinkeller des Kronenschlösschens. HB Ulrich, Besitzer des Hotels in Eltville-Hattenheim und Gründer des inzwischen seit 19 Jahren stattfindenden Festivals, hat sich als Sammler großer Weine einen enormen Fundus einrichten können, von dem er immer noch zehrt.

Sommelier Florian Richter

Sommelier Florian Richter

Die Weine von Lafleur enttäuschten, nicht eine einzige bemerkenswerte Flasche (2001, 1999, 1998, 1995, 1986). Kaum mehr als feuchter Waldboden und unsauberer Pilzgeruch plumpsten aus den Gläsern. Aber auch das dient ja der Wahrheitsfindung, denn danach wusste man: Nicht kaufen oder, sofern noch im Keller, gleich wegtrinken. Gleiches galt auch noch für den d´Yquem 1971. Fünf verschiedene Montrachets und drei Edelsüßweine ergänzen das Programm, das mit einem kleinen Menü von Kronenschlösschen-Küchenchef Sebastian Lühr delikat begleitet wurde. Bei solchen Raritäten-Degustationen nähert man sich schlückchenweise den größeren Einsichten. Am Ende hatte jeder eine Nippvisite durch 22 verschiedene Weine und Champagner unternommen. Wissensdurst in seiner schönsten Form.

 

 

 

 Bilder Galerie

 

Photocredit: Barbara Fienhold

 

 

 

 

 

 

 




Hotelwelt: Sex & Drugs & Rock ´n’ Roll oder nur Blood & Sweat & Tears?

Experte Carsten K. Rath

schreibt an die Hoteliers und

Gastronomen der Zukunft

 

Es gibt viele Gründe, warum Menschen glauben, sie können in ihrem Leben ein Restaurant eröffnen oder gar ein Hotel führen. Mindestens genauso viele Gründe gibt es, warum Menschen denken, das sei einfach. Das ist ein bisschen wie mit den 80 Millionen deutschen Bundestrainern, die die Nationalmannschaft besser aufstellen können als Jogi Löw: Fast jeder hat schon einmal Fußball gespielt und meint deshalb, er könne diesen Job beurteilen. Genauso hat jeder schon in Restaurants gegessen oder war zu Gast in einem Hotel und glaubt, Bescheid zu wissen. Hoteliers sind über dieses Phänomen ein bisschen amüsiert und auch ein bisschen genervt, es heißt dann: »Jeder, der schon mal erfolgreich einen Cappuccino getrunken hat, fühlt sich zum Hotelier berufen.«

Was wir da so tun, mag aussehen wie Sex & Drugs & Rock ’n’ Roll. So sah es auch für mich aus, bevor ich in die Hotellerie einstieg. Und das soll es auch – für die Gäste. Doch in Wahrheit ist es eher Blood & Sweat & Tears.
Wir erleben alle immer wieder ordentlichen, manchmal sehr guten und häufig weniger guten Service. Aus unserer Perspektive als Kunde sind wir dann davon überzeugt, ein Gefühl dafür entwickelt zu haben, was gut ist oder was wir als gut empfinden. Und daraus basteln wir uns dann einen Maßstab. Reicht das, um erfolgreich ein Service-Unternehmen zu führen? Die meisten glauben – ja.

Grand Budapest HotelDoch ganz so einfach ist es nicht. Auch wenn ich einen Cappuccino machen kann, bin ich deswegen noch lange kein Gastronom. Exzellenter Service erwächst nicht aus einer Fertigkeit, sondern aus der Empathie für den Gast. Es gibt sie nicht auf Knopfdruck aus dem Kaffee-Vollautomaten. Wir Hoteliers sehen uns heute sehr erfahrenen und stets bestens informierten Reisenden gegenüber. Gästen, die viele Erfahrungen rund um den Globus machen. Unsere Gäste kennen die Herzlichkeit der Balinesen ebenso wie die State of the Art Service Centres mit den schnellsten Internetzugängen in New York, die Business Suiten in Frankfurt genauso wie die Übersetzungsdienste in koreanischen Taxis. Sie kennen die Seifen-Concierges von Ritz-Carlton, die abends vom Bauchladen aus den Gästen zum Turn-down-Service eine große Auswahl der feinsten Waschutensilien reichen. Bei Hochzeiten auf den Malediven haben sie Romantik pur erlebt und in Familienhotels oder Resorts wie den Robinson-Clubs Sport, Wellness und Action auf Weltklasse-Niveau genossen. Sie haben Kobe-Steaks in Japan gegessen und kennen sich mit organischem Gemüse aus dem Hochland von Bhutan aus.

Diese Menschen, denen man nichts vormachen kann, sind unsere Gäste. Ihre gesammelten Service-Erlebnisse haben sich auf ihrer Festplatte eingebrannt. Bei jedem neuen Hotelaufenthalt werden sie abgerufen und mit der aktuellen Service-Erfahrung abgeglichen. Top oder Flop? Für uns bedeutet das, frei nach Sepp Herberger: Nach dem Besuch ist vor dem Besuch. Wir Gastronomen sind immer nur so gut wie das letzte Essen, das wir serviert haben.

Bell BoyWorauf lässt man sich also ein, wenn man heute Grand Hotelier oder auch Top-Gastronom werden möchte? Was zeichnet den Gastgeber des 21. Jahrhunderts aus, der sich diesen Herausforderungen stellen darf? Hoteliers müssen, im Unterschied zu vielen anderen Berufen, bei ihren Kunden in die Tiefe und in die Breite denken und fühlen. Als Hotelier braucht man Leidenschaft und Ausdauer. Hier ist kein schnelles Geld zu machen. Ähnlich sieht es in der Gastronomie aus. Im Gastgewerbe – dem zweitältesten Gewerbe der Welt – kann man nur noch mit nachhaltiger Rundumbetreuung Gäste, nein: Freunde fürs Leben gewinnen. Hinter einem Tresen hervorzulächeln, so wie in der Werbung, reicht längst nicht mehr.

Die Aufgabe eines Hoteliers besteht darin, alles zu tun, damit der Gast sich wirklich wohlfühlt. Alles. Das klingt so einfach – und ist es doch nicht. Den hybriden Kunden kann nur noch überzeugen, wer sich aufrichtig für ihn interessiert und sich physisch, emotional, kulinarisch, manchmal sogar psychologisch und immer persönlich um ihn kümmert – vom Moment seiner Ankunft bis zur Abreise. In anderen Branchen gibt es Öffnungszeiten, in manchen sogar Betriebsferien – nicht bei uns. Wir Hoteliers sind 24 Stunden, 365 Tage, ein Leben lang für unsere Gäste da. Gastgeber haben keine Öffnungszeiten. Was auch immer im letzten Moment verändert oder langfristig optimiert werden muss, geschieht bei uns im laufenden Betrieb – wir schließen nie.

LobbyHotels sollten maßgeblich zur Steigerung unserer Lebensqualität beitragen, denn viele unserer Kunden verbringen erhebliche Teile ihres Lebens in Restaurants und Hotels. Und manchmal, zum Glück nur ganz selten, reisen sie sogar »kalt« ab, wie wir das in der Hotellerie nennen. Tatsächlich hatte eine alte Dame, die bei uns im Hotel Grand Roche in Paarl praktisch lebte, verfügt, ihre Asche möge von uns über dem Tafelberg verstreut werden. Sie starb nicht im Hotel, aber ihre letzte Anreise tätigte sie in einer Urne, versehen mit einer Kopie jenes Testaments, in dem sie uns bat, ihr diesen letzten Wunsch zu erfüllen. Und wir streuten ihre Asche über dem Tafelberg aus.

Unsere Gäste erwarten zu Recht, dass wir uns liebevoll um sie kümmern, während sie oft weit weg von ihren Familien sind. Sie verlassen sich darauf, dass wir ihnen fern von zu Hause ein Zuhause bieten. Sie wollen aber auch inspiriert und überrascht werden. Sie erwarten außergewöhnliche Erlebnisse, Harmonie und maximalen Komfort. Am liebsten – das ist für beide Seiten der Idealfall – möchten sie mit der Hotelmarke eine Beziehung eingehen. Kurz: Sie wollen ein Hotel, das ihr Leben lebenswert macht. Deshalb gibt es für Hoteliers vor allem dieses eine Gesetz, das alles andere begründet und bedingt. Ich habe dies von meinem geschätzten Kollegen und Freund, dem Grand Hotelier Frank Marrenbach, CEO der Oetker Hotel Collection, gelernt: M4 = Man muss Menschen mögen.

Hotelgäste erwarten für die Zeit ihres Aufenthalts das perfekte Leben. We make it happen! Leicht ist das nicht. Doch wenn es gelingt, dann ist Hotelier die schönste Aufgabe der Welt.

 

Der Hotelier Carsten K. Rath hat ein flottes Buch geschrieben: Sex bitte nur in der Suite. Als Insider erzählt er von Menschen im Hotel, von Prominenten und anderen Paradiesvögeln. Dabei bekommt der Leser einen interessanten Blick hinter die Kulissen der Fünf-Sterne-Welt. Der hier an dieser Stelle veröffentlichte Auszug ist vielleicht weniger brisant und investigativ als die anderen, zeigt aber die Ansprüche und Nöte eines Hoteliers und Gastronomen in unserer Zeit. Carsten K. Rath hat gerade sein Hotel Kameha Grand in Zürich eröffnet. Außerdem betreibt er die Kameha Suite in Frankfurt.

 

 

Rath Buch Cover

Carsten K. Rath

Sex bitte nur in der Suite

Aus dem Leben eines Grand-Hoteliers

Klappenbroschur, 288 Seiten, 
19,99 €.

Herder Verlag. Auch als Audio-CD, 17,99  €.

 

 

 

 

 

Bilder aus dem großartigen Film The Grand Budapest Hotel

 

 




Das beste Hotel der Welt?

Besuch im Rosewood

in London

 

Von Sabine Hübner & Carsten K. Rath

 

Der Tripadvisor „Virtuoso“ bewertet das Hotel Rosewood in London als  „Bestes Hotel der Welt“. Als Hotelier ist man bei solchen Zuschreibungen erst einmal vorsichtig. Bislang trug die Bezeichnung „Bestes Hotel der Welt“ zum Beispiel das Mandarin Oriental in Bangkok. Überhaupt ging dieser Preis meistens nach Asien, zumindest wenn er von amerikanischen Reisemagazinen vergeben wird. Und nun diese Mischung: Eine Hotelgesellschaft im Besitz einer Hongkong-Chinesin, ein Hotel in London und ein Hoteldirektor aus Deutschland. Wir waren jedenfalls sehr gespannt. Hier weiterlesen




Die leisen Stars des Gourmet Festivals

Enrique Olvera zeigt

das neue kulinarische Mexiko

 

Sebastian Lühr serviert das Beste vom Rheingau

 

Das Rheingau Gourmet Festival ist kein flüchtiges Ereignis, es hinterlässt Spuren. Manch ein Gast plant danach sogar seine nächste Reise. Vielleicht nach Hongkong zu Richard Ekkebus ins Mandarin Oriental oder nach Amsterdam ins Hotel Okura zu Onno Kokmeijer, der zu den besten holländischen Küchenchefs zählt. Wir haben Mexico City im Visier, weil dort Enrique Olvera zeigt, dass wir unser von Tacos und Tortillas geprägtes Bild seiner Landesküche dringend neu aufzunehmen haben. Die wichtigsten Erkenntnisse, und dies ist einer der Grundgedanken dieses internationalen Festivals, findet man beim Blick über den Tellerrand.

Die Küche Mexikos besteht nicht selten aus Sattmacherpampe, was jedoch vielen Volksküchen zu eigen ist. Mitunter offenbart sich die Kunst einer Erneuerung darin, sie von Schwere und Süße zu befreien. Enrique Olvera steht für eine bislang wenig gekannte, moderne, leichte und raffinierte mexikanische Küche. Heimatliche Ingredienzien sind für ihn dabei substanziell. Statt Äpfeln verwendet er beispielsweise lieber Schwarze Sapote zur Foie Gras, eine Frucht, die im Geschmack einer Mischung aus Schokolade und Pflaumenmus gleicht. Für Olvera zählen ursprünglicher Geschmack und die Harmonie der Komponenten. Das merkt man bei solch einfachen und eben nicht schlichten Gerichten, wie „Crudo al Pastor“ – Ceviche von der Gelbschwanzmakrele mit einem hauchdünnen Scheibchen von Ananaspüree sowie Koriander und Chili. Desserts haben selten die Statur zum großen Ereignis. Bei Enrique Olvera und seinen für die Ausführung verantwortlichen Küchenchefs Daniela Soto Espejel und Abisai Aquino wird jedoch aus einer vermeintlichen Kleinigkeit etwas Großes. Sein wölkchenhaftes Schaumgebäck mit zartem süß-salzigem Mais-Mousse und Vanille hat die Leichtigkeit feiner Poesie und bringt spielerisch Kindheitserinnerungen und Spitzenküche zusammen (Bild oben rechts).

Sebastian Lühr (r.) mit mexikanischem Souschef

Abisai Sanchez Aquino aus Mexiko (l.) und Sebstian Lühr

Es gab viele hochdekorierte Küchenstars bei diesem Festival, doch der Küchenchef der Herzen war der allgegenwärtige Sebastian Lühr vom Kronenschlösschen, der inzwischen mit den Großen mithalten kann. Was er und sein Team an Logistik und Qualität leisteten, ist ein in dieser Dimension selten zu erlebendes Bravourstück. Bei über 100 Essen während einer Sitzung, ein solch hohes Niveau zu halten, können nicht viele. So viel Hüte, wie man davor abnehmen möchte, kann man gar nicht erst aufsetzen. Der perfekte Lammrücken mit gerösteten Chorizoscheiben, Schwarzem Knoblauch, Bohnencreme und hinreißender Jus ist nur ein Beispiel von vielen Gerichten, mit denen Sebastian Lühr und sein Team das Gourmet-Festival zum Erlebnis machten.

Ceviche vom Hamachi

Ceviche vom Hamachi

Beim Rheingau Gourmet & Wein-Festival gab es viele herausragende Weine und Champagner. Mouton Rothschild, Margaux, Haut-Brion, Romanée-Conti, Roederer Cristal. Ins Gedächtnis gebrannt hat sich jedoch besonders der leiseste und bedächtigste unter ihnen – der ungemein frische, duftige und leicht nach Wiesenkräutern schmeckende Riesling Nierstein Brudersberg 2013 von Heyl zu Herrnsheim aus Rheinhessen.

Auch bei diesem 19. Rheingau Gourmet & Wein-Festival war HB Ulrich bei jeder Veranstaltung unermüdlich dabei. Der Veranstalter und Hausherr des Kronenschlösschens plant und tüftelt das ganze Jahr an seinem kulinarischen Programm. Das 20. Festival dürfte ebenfalls wieder ein Großereignis werden. Mit dabei soll auch Helena Rizzo aus Brasilien sein, eines der aufsehenerregenden Talente des Landes und so gut aussehend, dass man zu ihr auch zum Karottenessen käme.

Ludwig Fienhold

 

 

 

BILDER GALERIE

Photocredit: Barbara Fienhold