1

Mezger wird neuer Küchenchef bei Heinz Winkler

Frischer junger Wind in der Residenz Aschau

 

Steffen Mezger wird ab 20. Mai neuer Küchenchef in Heinz Winklers Residenz in Aschau. Der 35 Jahre alte Heilbronner war zuvor verantwortlich für das Restaurant Atelier im Hotel Bayerischer Hof in München (1 Stern im Michelin, 17 Punkte im Gault Millau). Warum er gerade ihn für diese herausragende Position genommen habe, beantwortete Heinz Winkler auf Anfrage des BISS-Magazins: „Die Kontinuität ist für mich von erheblicher Bedeutung, Steffen Mezger war zehn Jahre im Bayerischen Hof. Dazu kommt, dass er in jungen Jahren so erfolgreich ist und eine neue Herausforderung suchte.“

Steffen Mezger wurde 1995 drei Jahre im Panoramahotel Waldenburg bei Schwäbisch Hall zum Koch ausgebildet, eine Adresse, die in keinem Restaurantführer steht, aber mit dem Österreicher Sepp Wimmesberger immer noch einen sehr guten Küchenchef im Haus hat. Danach war Mezger Commis im erstklassigen Alten Amtshaus in Mulfingen-Ailringen (1 Stern, 16 Punkte) und später Souschef bei Lothar Eiermann im ebenfalls hoch dekorierten Wald- und Schlosshotel Friedrichsruhe. Alle drei Adressen liegen im schönen Hohenlohe und gehören zur Würth-Gruppe, deren kulinarischer Kopf Geschäftsführer Heinz Schiebenes ist, der ebenfalls mal Sternekoch war.

LF

 

 

 




Adieu Weidemann! Traditionslokal schließt

Das Frankfurter Traditionslokal Weidemann

sucht einen neuen Pächter

 

Wieder eine bemerkenswerte Adresse weniger in Frankfurt: Das traditionelle Restaurant Weidemann wird es in seiner jetzigen Form nicht mehr geben. Ángel Cuéllar Vega, der das stadtbekannte Lokal 32 Jahre lang führte, muss aus „Gründen des Alters und der Gesundheit“ aufhören. Das schöne Haus und sein prächtiger Garten bieten jedoch Gelegenheit für einen neuen Pächter, aus dem idyllischen Ort etwas Neues zu machen.

Das Haus aus dem Jahr 1845 selbst hat Charakter und Seele, wie es nur alte und etwas windschiefe Gebäude haben können. Der Kastaniengarten gehört zu den schönsten Plätzen in Frankfurt. Die Lage im alten verwinkelten Niederrad mag etwas Abseitiges haben, doch allein die Anfahrt durch den barocken Torbogen des Frauenhofs führt in eine andere Welt. Die kleinen Straßen bringen Autofahrer in Verwirrung, hat man aber erst einmal das Weidemann gefunden, bekommt man gleich einen Parkplatz auf dem Hof – zumindest, wenn man zu den ersten gehört. Manch einer hat die Lage der Toiletten „überm Hof“ als problematisch empfunden, obwohl das eben bei alten Gaststätten üblich sein konnte. Wenn man bedenkt, welche verdraxelten Wege sonst über Treppen und andere Umwege dorthin führen, muss dies aber als durchaus noch bequem zu empfinden sein.

Weidemann In seiner besten Zeit hatte der polyglotte Ángel Vega (spanisch, italienisch, katalanisch, französisch, englisch) zwar auch internationale Gäste, doch vor allem die Frankfurter und einige besonders bekannte unter ihnen füllten die gastliche Stube. Manchmal wurde sie zum Vereinslokal, denn die Spieler der Eintracht Frankfurt gönnten sich auch gerne etwas Gutes. Charly Körbel gehörte jedenfalls zu den Stammgästen und zog entsprechend Klientel nach sich. Renate von Metzler war ebenso gern gesehen wie der verstorbene Bierkönig Bruno Schubert. Das Lokal Weidemann, benannt nach dem Hausbesitzer, brummte jedenfalls eine ganz lange Zeit ordentlich, die letzten Jahre war es ruhiger geworden.

Weidemann Ángel Cuéllar Vega war zwar der gastronomische Kopf, hatte aber immer Küchenchefs im Einsatz. Die ersten vier Jahre seinen Partner Bernard le Merdy, der bei einem Autounfall starb. Ganze zwölf Jahre kochte Thierry Müller, der sich dann später mit dem Avocado selbständig machte (das heute unter anderer Führung Ojo de Agua heißt). Es folgte Thomas Quecke, der „Sterne“-Potential hatte, dies aber vor allem in der Villa Leonhardi am Palmengarten zeigte. Zwei Jahre stand auch Carmelo Deiana am Herd, der später in Oberursel ein Restaurant führte und danach für kurze Zeit bei Carmelo Greco arbeitete. Die letzten zehn Jahre führte Mahmoud Lemmkadmi die Küche im Weidemann, ein treuer Mitarbeiter, der von Anfang an dabei war. In all den Jahren gab es im Restaurant einige besonders beliebte Klassiker, etwa Seewolf in der Salzkruste oder gebratene Gänsestopfleber mit karamellisierten Äpfeln. Die Weinkarte bot viele erstklassige Weine aus Spanien und Italien, aber auch ausreichend Flaschen aus Frankreich und Deutschland.

Weidemann - 2Wie Ángel Cuéllar Vega im Gespräch mit dem BISS-Magazin sagte, hofft er auf einen engagierten jüngeren Gastronomen, der sein Nachfolger werden und das Weidemann am Leben erhalten könnte. Das Lokal wurde vor nicht allzu langer Zeit renoviert, im Restaurant finden 36 Gäste Platz, im Nebenraum (Raucher) 26, im Wintergarten auch noch einmal 26. Im zauberhaften Garten können 60 Gäste sitzen. Neben Pächter Vega sind noch vier Mitarbeiter im Weidemann, die sich nach neuen Stellen umsehen müssen. Inzwischen hat das Lokal geschlossen. Ángel Vega unterstützt jetzt seine Frau Aurora, die in Sachsenhausen die Trattoria Casa Mia führt.

Ludwig Fienhold

Weidemann Weidemann, Frankfurt, Kelsterbacher Straße 66, Mo-Sa von 18 bis 23 Uhr. Tel. (069) 675996. Oder 0176 72404030.  

 

 

 

Ángel Cuéllar Vega




Uli Hoeneß: Jetzt geht es um die Wurst

Die Nürnberger Rostbratwürste

von Hoeneß haben Biss

 

Was hat ein Gefängnis mit der jetzigen Grillsaison zu tun? Bei beiden geht es um Uli Hoeneß. Aber bitte der Reihe nach.

Das Gefängnis in Landsberg sieht aus wie ein stattliches Schloss. Adolf Hitler verbüßte 1923/24 dort 264 Tage Festungshaft und hatte Zeit seine Hetzschrift „Mein Kampf“ zu verfassen. Jetzt hat das Gefängnis mit Uli Hoeneß wieder einen prominenten Insassen. Die zwei einzigen Highlights dürften für den ehemaligen Fußballfunktionär und Metzgersohn der Fußballplatz und die Hausmetzgerei sein. Während Uli Hoeneß am Knastalltag zu knabbern hat, dürfen wir uns weiter durch seine Nürnberger Rostbratwürste beißen. Das von ihm und Werner Weiß 1985 in Nürnberg gegründete Unternehmen „HoWe“ hat inzwischen 350 Mitarbeiter und produziert bis zu vier Millionen Rostbratwürste pro Tag.

Uli Hoeneß WurstBei Aldi kosten die Nürnberger Rostbratwürstchen 2,15 €, im Käfer-Festzelt auf dem Münchner Oktoberfest ein Vielfaches. Die Packung enthält 14 Stück (300 Gramm). Vorgebrüht für Grill und Pfanne. Die Würstchen bestehen zu 95% aus Schweinefleisch, außerdem werden verwendet: Speck, jodiertes Speisesalz, Dextrose, Gewürze, Saitling, Citronensäure sowie Gewürzextrakte (Macis, Kardamom, Zitrone). Und wie schmecken nun die Hoeneß-Würste? Sie schmecken sehr gut. Das muss man einfach sagen, auch wenn man kein Fan von Bayern München und schon gar kein Freund von Uli Hoeneß ist. Die zarte und doch leicht knackige Haut hat angenehmen Biss. Die Würzung ist sehr balanciert und gefällt durch eine schöne Majorannote, vom Gesamteindruck alles sehr fleischig, wenig fettig und schon gar nicht wässrig – so ausdrucksvoll wünscht man sich Nürnberger Rostbratwürstchen. Die Grillsaison kann eröffnet werden: Ohne Uli Hoeneß, aber mit seinen Würstchen.    LF

 

 




2-Sterne-Koch Christoph Rainer verlässt Villa Rothschild

Nachfolger wird Souschef Christian Eckhardt

 

Von Ludwig Fienhold

Hessen höchstbewerteter Küchenchef Christoph Rainer (2 Michelin-Sterne, 17 Punkte im Gault Millau) verlässt Ende März nach sieben Jahren die Villa Rothschild in Königstein im Taunus. Nachfolger wird sein 32 Jahre alter Souschef Christian Eckhardt aus Freiburg, der ihm bereits über zwei Jahre zur Seite stand. In der Region werden nur noch die Villa Merton mit Matthias Schmidt und Andreas Krolik vom Tigerpalast in Frankfurt ebenso eingestuft.

Für Christoph Rainer war es kein leichter Schritt, aber nach sieben Jahren kreativer Schwerstarbeit gönnt er sich nun eine kurze Auszeit. Wenn nicht jetzt mit bald 40, wann sonst? Wo ihn sein Weg hinführen wird, weiß er noch nicht, aber er möchte in der Rhein-Main-Region bleiben. Sein Nachfolger ist kein Unbekannter und gehörte zuvor schon zum Team von Sven Elverfeld in Wolfsburg, dessen Restaurant Aqua im Hotel Ritz-Carlton mit drei Sternen und 19 Punkten bewertet wird. Außerdem arbeitete er bei Claus-Peter Lumpp im legendären Hotel Bareiss sowie Anderas Caminada auf Schloss Schauenstein in der Schweiz, ebenfalls 3 Sterne und 19 Punkte.  Die Küche in der Villa Rothschild soll zunächst auf dem bekannten Kurs bleiben, bevor der neue Küchenchef Christian Eckhardt noch stärker sein Profil einbringen wird.

Christoph Rainer

Christoph Rainer

Der aus dem hessischen Hanau stammende Christoph Rainer arbeitete bei Großmeistern der Zunft, zu seinen Stationen gehören Heinz Winklers Residenz in Aschau und Dieter Müllers Schloss Lerbach in Bergisch Gladbach. Rainers Küche war ausdrucksvoll, aromenreich, kombinationsfreudig, stilsicher und vor allem lustvoll. Einige Gerichte bleiben besonders im Gedächtnis: Wolfsbarschschnitte mit Brandadepüree, Apfel und geräuchertem Aal im Bohnensud; Wilder Steinbutt im Bouillabaisse-Sud mit Taschenkrebs-Ravioli und Koriander; Bretonische Felsenrotbarbe mit Sauce Bourride, Oktopus, Calamaretti und confiertem Pimento; in Gewürzmilch gegarter Limmousin-Lammrücken mit kühlem Tzaziki, schwarzem Knoblauch, Aubergine und gebackenem Lamm-Croustillant. Und sämtliche Gänsestopflebergerichte, die stets ein Highlight waren.

Mit dem Wechsel an der Küchenspitze vollzieht sich ein weiterer Schnitt. Erst vor einigen Wochen ging Restaurantleiterin/Sommeliere Dolores Martinez Lopez von der Villa Rothschild ins Restaurant Allgaiers nach Frankfurt. Ihr folgte Benjamin Birk als oberster Gastgeber, er war zuvor in gleicher Position in der renommierten Villa Hammerschmiede in Pfinztal bei Karlsruhe.

Christian Eckhardt

Christian Eckhardt

Die zauberhafte Villa Rothschild und seine prachtvolle Parkterrasse gehören zu den besten und schönsten Gourmetadressen in Deutschland. Betrieben wird sie von Kempinski, wie auch das Schwesterhotel Kempinski Falkenstein. Beide Häuser gehören der Dr. Broermann Hotels & Residences GmbH und sind sehr stark im Bankett- und Veranstaltungsgeschäft gefragt.

 




Restaurantkritik Sra Bua by Juan Amador

Asiatisch für Fortgeschrittene

im Hotel Kempinski Gravenbruch

 

Von Ludwig Fienhold

 

Juan Amador ist kein Chamäleon, wenn er jetzt neben einer avantgardistischen Küche und Nouvelle-Spanisch auch noch Asiatisches auskocht. Ideenreich war er immer, das Korsett eines „Molekularkochs“ musste er als viel zu einengend empfinden. Dieser fragwürdige Titel stimmte ohnehin nie so ganz, jetzt in seinem Restaurant in Mannheim noch viel weniger als zuvor in Langen. Der Hang zum Asiatischen besteht bei Amador nicht erst seit gestern und wird durch sein Engagement im Restaurant Water Library Thonglor in Bangkok untermauert.

Juan Amador ist zwar der künstlerische Leiter des neuen Sra Bua im Kempinski bei Frankfurt, doch als Küchenchef steht dort der 31 Jahre alte Dennis Maier am Herd. Außer bei seinem Mentor Amador kochte er im Da Gianni Mannheim sowie im Port Petit in Cala d´Or auf Mallorca und war zuletzt als Souschef im Restaurant Freundstück im Hotel Ketschauer Hof in Deidesheim tätig – allesamt honorige Adressen.

Amuse mit Schweinebauch

Amuse mit Schweinebauch

Im Sra Bua by Juan Amador wird stilübergreifend asiatisch gekocht, wobei Thailand und Japan besonders stark zu spüren sind. Man darf keine reintönende Küche irgendeines Landes erwarten, sondern die modern interpretierte Kulinarik verschiedener asiatischer Kulturen. Dabei stößt man auf viele bekannte Produkte der Haute Cuisine, doch Gänseleber, Trüffel und Kaisergranat werden durch asiatischen Aromen neu koordiniert. Es geht ein wenig exotisch, vor allem aber entspannt zu, weil die Gerichte nach Harmonie streben, ohne zu langweilen. Ganz im Gegenteil, durch die verschiedenen Rezeptoren entstehen spannungsreich verdichtete neue Geschmacksbilder. Exemplarisch ist der grazile Kaisergranat, um den sich ein grasgrünes Feld aus Apfelgelee, grünem Meerrettich und Wasabi-Eis ausbreitet. Das ist nicht nur optisch von großer Delikatesse, alle noch so kleinen und fein dosierten Komponenten formieren sich zu einer makellosen Einheit. Eine ähnlich lupenreine Konstellation ergibt sich auch bei der Jakobsmuschel, die erst mit geschickt eingesetzten Applikationen von Kakifrucht und zierlichem Rettich wachgekitzelt und durch einen umwerfend guten Sud auf Basis von weißen Tomatenschaum auf den Höhepunkt getrieben wird. Mit den Antipoden süß/salzig, sauer/fruchtig, cremig/knusprig spielen viele moderne Köche, doch bei diesem Gericht gelingt dies auf ganz wunderbare Weise. Bei Spitzenprodukten wie dem saftigen neuseeländischen Ora King Lachs bedarf es nur eines milden Reisessigschaums, krossen Algensalats und lauwarmer Gurkenscheibchen, um zu begeistern.

Ora King Lachs

Ora King Lachs

Es gibt durchaus das eine oder andere weniger fein ziselierte Gericht, allen voran das American Flank Steak, das gerade Grillfreunde wehmütig an den vergangenen Sommer denken lässt. Das sehr feste und saftige Fleisch wird im Sra Bua von fermentiertem, schwarzem und leicht süßlichem Knoblauch, Süßkartoffelpüree und verschiedenen Zwiebelformen passend handfest begleitet. Ein Flank Steak ist grundsätzlich bissfester als seine Verwandten und dürfte vielen Gästen Probleme bereiten, weil sie es als zu zäh zurückgehen lassen werden. Das Produkt ist jedenfalls nicht glücklich ausgewählt, zumal es weit bessere Alternativen gibt. Kein Glanzstück war auch die Poularde, die nicht mehr als solide zu bewerten ist, wobei die versprochene Trüffel-Sauce und die wenigen Trüffelscheibchen kaum Aroma spüren ließen.

Bei den lustvollen Desserts erlebt man stilsichere und detailbesessene Kombinationen. Allen voran die gebrannte Kokoscreme mit marinierter Ananas, Vanille-Sauce und Curry-Eis ist eine tropische Schönheit und steht für die ganze Küche: Sexy, stimulierend, impulsiv und an keiner Stelle langweilig.

Bei den Menüs erwartet den Gast ein spielerisches Potpourri an Vorspeisen und Naschwerk. Happen aus koreanischem Kimchi-Gemüse mit Yuzufrucht-Espuma und Rinderzunge als Vorspiel sind Lustmacher und keine Sattmacher.

Kaisergranat

Kaisergranat

Und selbst nach dem eigentlichen Dessert machen heitere Süßigkeiten à la Mandarinenschaum mit Purple-Curry nicht müde. Aufpassen muss man nur bei der gefährlich guten Paste aus Papaya, Mango und dem Thai-Chili Nam Prik, die zum Brot gereicht wird und leicht gierig machen kann.

Das Essen wird ästhetisch glanzvoll präsentiert. Zum Glück kommen dabei Schiefertafeln nur sparsam zum Einsatz, denn wenn man auf ihnen mit Messer und Gabel ins Kratzen gerät, kann dies nerven. Nicht aus der Fassung bringen lassen darf man sich auch bei manchen Weinpreisen – es sollte mehr Einstiegsmöglichkeiten zwischen 30 und 60 Euro geben, wobei auch die Glaspreise (10 – 16 € für 0,1) nicht gerade animieren. Es wird viel Gutes und Bewährtes vor allem aus Deutschland, Österreich und Frankreich geboten. Schön, dass es auch ein Sake-Sortiment gibt. Die Weine kommen korrekt temperiert an den Tisch, was leider immer noch nicht die Regel ist. Restaurantleiter und Sommelier Christian Schrader führt kompetent, engagiert und freundlich den Service. Die Uniformen mit Stehkragen und verdeckter Knopfleiste passen sich dem allgemeinen asiatischen Look an, auf dem Rücken wurde das Sra Bua-Logo, die namensgebende Thai-Lotusblüte in Gold eingestickt.

Mandarinenschaum Purple Curry

Mandarinenschaum mit Purple Curry

Vorerst finden 35 Gäste im Restaurant Platz, wenn mehr Routine ins Spiel kommt, kann bis zu 45 aufgestockt werden. Das sehr homogen gestaltete Restaurant rezitiert wie ein Mantra Figuren, Farben und Formen und wirkt ausgeglichen und wohnlich, wobei die Stühle ausgesprochen kommod sind. Die dekorativ struppigen und exotischen Bleistiftbäume aus der Florawerkstatt von Blumenkünstler Erhard Priewe beleben das Restaurant.  Da der Raum in einem schwungvollen Bogen gestaltet wurde, wirkt er nicht statisch. Das leicht meditative Dekor sollte aber keinesfalls zu einer Flüsteratmosphäre beitragen. Im Frühling wird auf der Terrasse eingedeckt – es sieht so aus, als wären wir bald soweit.

 

 

Siehe auch BISS-Artikel Juan Amadors neuer Streich – asiatische Aromen im Lotusblütenteich

US Beef Flank Steak

US Beef Flank Steak

Sra Bua by Juan Amador im Hotel Kempinski Gravenbruch bei Frankfurt, Tel. (069) 38988 660. Öffnungszeiten: Mittwoch bis Samstag 18.30 – 22.30 Uhr, Sonntag 12 – 15 Uhr.

5-Gang-Menü 119 €, mit Weinbegleitung 169 €. À la Carte: Vorspeisen 26 – 32 €, Hauptgerichte 36 – 40 €, Desserts 16 – 18 €.

Das erste Konzept wurde mit dem Sra Bua by Kiin Kiin 2010 in Bangkok gestartet. Inzwischen gibt es Sra Bua-Restaurants im Kempinski Hotel Das Tirol in Jochberg unter der Leitung von Mario Hofmann, im Kempinski Grand Hotel des Bains St. Moritz unter der Leitung von Axel Rüdlin sowie das Sra Bua by Tim Raue im Hotel Adlon Kempinski Berlin.

 

 

Photocredit: Barbara Fienhold (19) Hotel Kempinski (2)




Gin ist in: Next Generation Wacholder Schnaps

Kräuter & Botanicals sorgen für Finesse

 

Neue & originelle Sorten beleben die Barkultur

 

Bis gestern ging Gin vor allem eine Verbindung mit Tonic ein und war beim Martini unentbehrlich. Kaum jemand trank das Destillat pur. Das hat sich gründlich geändert. In den Bars ist das gängige Angebot von Whisky, Rum und Wodka längst um ein gutes Gin-Sortiment erweitert worden. Den Boom hat der deutsche Monkeys 47 ausgelöst, der zum Besten gehört, was es innerhalb dieser Spezies gibt. Doch inzwischen existieren viele interessante Spirituosen, bei denen es sich lohnt, die Nase etwas tiefer ins Glas zu stecken.

Längst ist Gin kein normaler Wacholderschnaps mehr, oft nehmen viele Ingredienzen Einfluss auf das Geschmacksbild: Ingwer, Muskat, Orangenschalen, Lorbeeren und einiges mehr. Beim spanischen Gin Mare fließen mediterrane Kräuter und Gewürze wie Rosmarin, Basilikum und Thymian ein. Der schon durch seine Präsentation in einer recycelten Champagnerflasche auffällige Old English Gin gibt sich auch in seiner Zusammenstellung extravagant. Bei der Herstellung werden elf Botanicals verwendet, neben Wacholder unter anderem auch Zimtrinde, Süßholz, Iriswurzel und Engelwurz. Nicht weniger als 74 Kräuter und Essenzen aus 19 Ländern von der Alpenregion bis Indien enthält der Black Gin von Holger Freys Gansloser Destillerie in der Schwäbischen Alb. Der feinwürzige Gin ist bei Barkeepern besonders beliebt, wobei es noch einen Black Gin Distillers Cut in limitierter Auflage gibt.

Doris & Josef Farthofer

Doris & Josef Farthofer

Das Sekt- und Weingut Winterling war bislang vor allem wegen seiner guten Schaumweine bekannt. Sohn Stefan und seine Frau Eva betreiben in Llucmayor mit Evas Destillery eine der wenigen Brennereien auf Mallorca. Duft und Aroma von Gin Eva basieren auf mehr als zwanzig verschiedenen Gewürzen, mallorquinischem Wacholder aus den Dünen von Es Trenc, einheimischen Zitrusfrüchten und Kräutern, die in einer traditionellen Kupferbrennblase mazeriert und destilliert werden. Der Gin fällt eher fruchtig aus und soll den Geist der sonnigen Mittelmeerinsel einfangen.

Neuerdings ist auch Altmeister Arno Dirker aus Mömbris mit zwei Ginsorten vertreten. Sein milder und delikat würziger Classic Blended Gin hat eine elegante Wacholdernote, wobei etwas Vanille mitschwingt und Zitrus eine leichte Frische einbringt. Dirkers Erzeugnisse haben immer eine eigene Note, oft eine eigenwillige. Das hebt sie auch von Allerweltsprodukten ab. Ganz anders als alles andere ist Dirkers Küchenkräuter-Gin, der stark nach Lakritze, aber auch deutlich nach Anis, Salbei, Estragon, Basilikum duftet und eher am Rande Wacholder spüren lässt. Dieser würzige Gin lässt sich nicht nur trinken, man kann ihn auch bestens in der Küche einsetzen.

Arno Dirker mit seinen Lieblingen

Arno Dirker mit seinen Lieblingen

So ziemlich das Gegenteil von Arno Dirkers opulentem Aromenspiel bietet der Organic-Gin von Josef Farthofer, der mit seiner Edel-Destillerie im Most-Viertel der niederösterreichischen Gemeinde Öhling bemerkenswerte Spirituosen herstellt. Sein Gin ist ein lupenreines Destillat, das geschmeidig und fast ölig über die Zunge gleitet und delikates Wacholderaroma hinterlässt, begleitet von einem Touch Grapefruit und der unterschwelligen Süße von Amalfi-Zitronen. Bei der Herstellung werden zwar zwanzig verschiedenen Kräuter und Gewürze verwendet, etwa Koriander und Pfeffer, doch fügen sie sich sehr harmonisch ins Geschmacksbild ein. Dieser milde, charakteristische und noble Gin basiert auf extrem weichem Wasser, das aus einer Privatquelle im Mühlviertel stammt. Der biologisch erzeugte Gin von Farthofer spricht vor allem Puristen an, die eine blitzsaubere Präsenz zu schätzen wissen. Der Organic-Gin eignet sich auch sehr gut zum Mixen, doch eigentlich sollte man ihn lieber pur genießen.

Der Run auf Gin ist dem Schwarzwälder Dry Gin Monkey 47 zu verdanken – und engagierten Barkeepern, die ihre Position nutzen, um aus Säufern kultivierte Trinker zu machen. Christoph Keller, ehemals Kunstbuchverleger, und sein Partner Alexander Stein, der aus einer alten Brennerfamilie stammt, gruben einen alten Schatz im Schwarzwald aus, den der Brite Montgommery Collins hinterließ, der Gin-Liebhaber war und dort ein Gasthaus namens „Zum wilden Affen“ führte. Er entwickelte eine eigene Monkey 47Rezeptur aus Kräutern, Gewürzen und Früchten sowie reinem Quellwasser aus dem Schwarzwald. Viele Jahre nach dem Tod von Collins wurde eine Kiste Gin von ihm gefunden, nach der man originalgetreu das Rezept rekonstruieren konnte. 2010 kamen die ersten 2.500 Flaschen auf den Markt. Der Affen-Gin besteht aus 47 handverlesenen Zutaten aus der Botanik, darunter Fichtensprossen, Holunderblüten, Preiselbeeren und Goldmelisse. Die braune Apothekerflasche mit dem Briefmarkenetikett würde schon optisch jede Bar zieren, doch der Inhalt verströmt reine Magie. Die Würz- und Kräuterkombination, mit leicht bitteren Fruchtnoten und Zitrusfrische, wirkt ungemein anregend und sorgt für einen langen Nachhall. Dennoch steht das feine Wacholderaroma bei diesem komplexen Gin im Vordergrund. Christoph Keller, der in seiner Edeldestille Stählemühle noch viele weitere Brände von Weltklasseformat erzeugt, hat mit dem Monkey 47 die Barszene erobert.

Es sind solche handwerklich mit Leidenschaft und Raffinesse erzeugten Elixiere, die eine Barkultur schaffen. Wenn man sieht, wie sehr die Qualität und die Vielfalt von Gin gewonnen hat, würde James Bond heute seinen Martini nicht mehr mit Wodka, sondern Gin trinken.

LF

Jeden Montag kann man in der Kameha Suite in Frankfurt ab 18.00 Uhr aus einem Sortiment von über 90 Gin-Sorten wählen und probieren. 2 Gin nach Wahl plus 1 Tonic kosten beispielsweise 8 €.  www.kamehasuite.com

Die Bar Le Lion in Hamburg gehört zu den besten in Europa und bietet 80 Sorten Gin an.  www.lelion.net

Monkey 47, www.monkey47.com

Arno Dirker, www.dirker.de

Farthofer, www.edelschnaps.at

Bild ganz oben rechts: Christoph Keller




Villa Merton 2-Sterne-Koch Schmidt geht, André Großfeld kommt

André Großfeld wird

neuer Pächter

in der Villa Merton

 

Der hochdekorierte Küchenchef Matthias Schmidt (2 Michelin-Sterne, 17 Punkte im Gault & Millau) wird nicht ganz überraschend Ende des Jahres sein Domizil in der Frankfurter Villa Merton verlassen. Die Auszeichnungen gehen damit zunächst verloren und müssen an dem neuen Standort wieder erarbeitet werden. Patron Klaus-Peter Kofler und sein Küchenchef Matthias Schmidt wollen aber weiter in Frankfurt bleiben und suchen noch nach einer geeigneten Location, die sie dann Anfang 2015 eröffnen möchten . mit dem gleichen Konzept und derselben Mannschaft.

Klaus-Peter Kofler führte 14 Jahre lang die Gastronomie in der noblen und denkmalgeschützten Villa Merton, die sich jedoch in Händen des Frankfurter Union Clubs befindet. Bestens in Erinnerung geblieben ist Hans Horberth, der dort großartig kochte, vor allem im letzten Jahr vor seinem Wechsel in den Kölner Wasserturm, wo er bis zu seinem tragischen Unfall im Restaurant La Vision zwei Michelin-Sterne und 18 Punkte im Gault & Millau erhielt.

Matthias Schmidt steht nicht auf der Leitung

Matthias Schmidt steht nicht auf der Leitung

Horberths Nachfolger in der Villa Merton, Matthias Schmidt, kochte zunächst sehr solide, aber nicht besonders auffällig, bis er für sich die moderne Regionalküche entdeckte, bei der auch Wurzeln, Blätter und Blüten aus dem Umland zu originellen und phantasievollen Kreationen führen. Spätestens dann reagierten viele Mitglieder des Union Clubs irritiert. Da ihnen Schmidts Küche zu speziell war, sah man sie nicht selten mittags Schnitzel essen – die der Spitzenkoch milde lächelnd servierte. Der Abschied wird also für beiden Seiten kein schmerzlicher sein.

Neuer Pächter im Frankfurter Union Club wird ab Januar 2015 André Großfeld, der im hessischen Friedberg sein Restaurant Großfeld – Gastraum der Sinne betreibt, das mit einem Michelin-Stern glänzen kann. Großfeld begann seine Karriere bei Alfons Schuhbeck im Kurhausstüberl in Waging am See. Es folgten Stationen wie Tantris in München bei Hans Haas und Brick im Main Plaza in Frankfurt.  Seit 2005 betreibt Großfeld sein eigenes Restaurant im ländlichen Friedberg-Dorheim, das für kreative und doch handfeste Regionalküche steht.

Villa Merton

Villa Merton

Grund für die Trennung von  Pächter Klaus-Peter Kofler ist laut dem Vorstand des Union Clubs die „unterschiedliche gastronomische Auffassung und der Wunsch zahlreicher Mitglieder“ nach Veränderung.

Ludwig Fienhold

Bild oben rechts: André Großfeld

Photocredit: Wonge Bergmann, Großfeld-Archiv

 

 

 

 




Saugut: Bei Lohninger gibt es den besten Schweinsbraten

Neu: Heuriger mit Schmankerln der Extraklasse

 

 

Im Frankfurter Restaurant von Mario Lohninger gibt es eine spannende Mischung aus der Küche seiner österreichischen Heimat und modernen Gerichten, die asiatisch, amerikanisch und französisch inspiriert sein können. Jetzt wird viermal im Jahr ein Heuriger mit Alpen-Schmankerln der Extraklasse geboten. Allein der Schweinsbraten hat Format, aber auch die vielen hausgemachten Deftigkeiten sind durchweg großartig. Dafür lohnt der Weg von überall her.

Der frisch aufgeschnittene Schweinsbraten dampft verlockend. Superbe Saftigkeit mit krachiger Kruste, dazu eine leichte Jus und schmelzige Semmelknödel. Mehr Schwein kann kein Gast haben. Dieses Gericht gibt es oft  à la carte, aber jetzt auch beim Heurigen. Dabei vielleicht nicht ganz so fein austariert, aber vom Grundsatz her ebenso herzhaft und mit schmissigem Charme. Das Bio-Schweinsbratl stammt vom Schwäbisch Hällischen Landschwein aus dem Hohenloher Land. Beste Qualität.

Lohninger BuffetUmwerfend gut auch sattfleischige Kalbssülze, schlotziger Kartoffelsalat, feine Kalbsbratwurst mit rauchigem Sauerkraut und allerbeste Blutwurst. Alles hausgemacht, nach den alten Rezepturen von Paul Lohninger, dem Vater von Mario. Eine solch würzige und mit Verve aus weißem Pfeffer, Zimt, Ingwer, Muskat, Gewürznelken und anderem mehr gewürzte Blutwurst gibt es kaum sonst wo. Manche Gerichte werden serviert, andere kann man sich vom üppigen und appetitlich präsentierten Buffet holen: Wiener Backhendl mit Erdäpfelsalat,

Bauernbrot und Grammelschmalz, Krautsalat mit und ohne Speck, erfrischenden Gurkensalat, schön angemachten Rindfleischsalat, Schinken, Laugenstangen. Kein Österreich-Essen ohne Süßspeise. Der angenehm leichte Kaiserschmarrn mit zarter Kruste und luftiger Teigfüllung sowie Apfelmus ist ohnehin im Lohninger ein Bestseller, aber auch die mit Zwetschgenmus gefüllten böhmischen Buchteln mit leckerer Vanillesaue sind klasse. Ohne Schmäh, jeder Bissen bei diesem Heurigen zeigte wie großartig die klassische Küche Österreichs sein kann – wenn Sie denn von solchen Meistern wie Mario und Paul Lohninger sowie deren Küchenchef Dirk Schommer zubereitet werden.

Buffet: Schweinsbraten & Semmelknödel

Buffet: Schweinsbraten & Semmelknödel

Mutter Erika suchte dazu die passenden Heurigen-Weine aus Wien aus, die flott über die Zunge flitzten und das Essen sehr gut begleiteten. Nicht nur sie, auch ihre rechte Hand Steffi und die gesamte Crew sausten im Dirndl durch das bis auf den letzten Platz besetzte Lokal und tischten beherzt auf. Der Heurige steht in Österreich ja für jungen süffigen Wein und auch für eine rustikale Gaststätte mit erhöhter Geselligkeit. Und genau das gab es hier auch. Die blankgescheurten Holztische wirken noch einladender als sonst, von uns aus könnte man im Restaurant ganz auf Tischdecken verzichten. Wir würden uns auch über einen monatlichen Heurigen-Mittag freuen, verstehen aber, dass die Familie Lohninger diesen als etwas Besonderes an nur wenigen Tagen im Jahr etablieren möchte. Mal sehen, ob die große Nachfrage nicht doch noch zum Umdenken anregt. Die nächsten Heurigen-Termine stehen noch nicht fest, werden aber im BISS-Magazin bekannt gegeben.

Bislang schrammelt im Hintergrund „Heurigen“-Musik vom Band. Zumindest das ließe sich noch verbessern: Paul Lohninger, der spielend selbst zur Ziehharmonika greifen könnte, sollte den nächsten Heurigen-Mittag live begleiten.

Ludwig Fienhold

 

Lohninger, Frankfurt, Schweizer Straße 1, Tel. (069) 247 557 860.

Die Termine für die nächsten Heurigen-Mittage (jeweils 12 – 15 Uhr, 39 € ohne Getränke) werden im BISS-Magazin bekannt gegeben.

 

Lohninger Heurigen Galerie

(Bilder größer 2 x klicken)

 

 

 Photocredit: Barbara Fienhold

 

 

 




Weltklasse-Pâtissier Hümbs geht ins 2-Sterne-Restaurant Haerlin

Spannende Wechsel in der Spitzengastronomie

 

Auch Sarah Henke vom Spices soll gehen

 

Von Ludwig Fienhold

Christian Hümbs, der fantasievollste Pâtissier Deutschlands, verlässt nach fünf Jahren das Restaurant La Mer im Hotel A-Rosa auf Sylt und wird im März im 2-Sterne-Restaurant Haerlin im Fairmont Hotel Vier Jahreszeiten in Hamburg anfangen. Der Wechsel hat rein private Gründe, wobei Hümbs vorher bereits im Hotel Louis C. Jacob in Blankenese arbeitete und seine Lebenspartnerin Hamburgerin ist. Das 33 Jahre alte Ausnahmetalent ist ausgebildeter Konditor und Koch. Seine erste bekannte Station war Johann Lafers Stromburg in Stromberg, danach wechselte er ins Louis C. Jacob nach Hamburg und später in das Aqua ins Ritz-Carlton Wolfsburg.  Das gerade aufwendig umgestaltete und verschönerte Restaurant Haerlin wird stilsicher von Christoph Rüffel geführt (2 Michelin-Sterne, 18 Punkte im Gault Millau), aber auch Hoteldirektor Ingo C. Peters ist ein kulinarisch kluger Kopf.

Dessert: Spaziergang durchs Grüne

Dessert: Spaziergang durchs Grüne

Küchenchef Sebastian Zier vom La Mer auf Sylt verliert seinen besten Mann, man muss sich aber keine Sorgen machen, denn Zier ist ein hochsolider Könner und kann sich weiterhin auf ein gutes Team stützen. Noch aber kann darf ja die brillant kombinierten und feinsinnig ausgeführten Dessertkreationen von Christian Hümbs erleben, der zudem eigene Nachtisch-Menüs entwirft, die keineswegs überfrachtet ausfallen und mit jedem Gang Lust auf den nächsten machen.

Fenchel mit grünem Apfel, Limette und Sesam hört sich vielleicht harmlos an, ist aber so sublim und gleichzeitig expressiv, dass man ergreifend von einem Meisterwerk der Pâtisserie sprechen kann. Bei diesem und auch anderen ungemein aufwendigen Desserts von Hümbs, kommen viele Komponenten, Festes und Flüssiges, Cremiges, Knuspriges und Eisiges zusammen, die aber nie überstrapaziert werden, vollendet harmonisch ineinander greifen und sich gegenseitig intensivieren. Der „Spaziergang durchs Grüne“ führt in eine andere Dimension: Grünes Apfelsorbet, Sesamcreme, Limettengel, Fenchelcreme, Bonbon vom grünen Apfel, Sesam-Eis, Sesamragout und karamellisierter Limettenfinancier spazieren Hand in Hand über eine duftige blühende Wiese. Man isst sich in das Universum eines Weltklasse-Pâtissiers hinein und möchte dort eigentlich nicht mehr herauskommen.

Dessert: Goldener Sommer

Dessert: Goldener Sommer

Das gilt auch für den „Goldenen Sommer, bei dem ebenfalls fein ziselierte Aromen zu großem Ausdruck finden. Bei dieser beschwingten Impression von Christian Hümbs befruchten sich wortwörtlich gegenseitig Waldbeeren, Sonneblumenkern-Eis, Sonnenblumenkern-Creme, Waldbeerenbonbon, Schokoladengâteau, güldene Schokoladenperlen, geeiste Waldbeerenmousse, geeistes Joghurtparfait, Himbeercarpaccio und Waldbeerenpapier. Großartiges für den Gaumen, das Auge und die Seele. Wer so nach Harmonie strebt und die Balance hält, muss mehr als eine glückliche Hand haben, sondern all das auch in sich selbst tragen.

Keineswegs glücklich verläuft der Wechsel an der Spitze des zweiten Restaurants im A-Rosa Sylt, dem euroasiatischen Spices. Neuer Küchenchef soll Patrick Büchel werden, der bisher Souschef bei Christian Scharrer im 2-Sterne-Restaurant Buddenbrooks im A-Rosa Travemünde war. Offiziell heißt es, dass er Sarah Henke ablösen soll, die das Zepter aus der Hand gebe.

Sarah Henke

Sarah Henke

In einem Gespräch mit dem BISS-Magazin zeigte sie sich von dieser Entscheidung jedoch überrascht: „Ich war einige Wochen auf Urlaub und habe erst jetzt durch andere davon gehört.“ Sie gab klar zu verstehen, dass sie gerne weiter als Küchenchefin im Spices arbeiten möchte. Die Entscheidung ist auch deshalb nicht zu verstehen, weil die Südkoreanerin Sarah Henke derzeit einen besonders guten Lauf hat, ein Stern im Michelin, 16 Punkte im Gault Millau, Aufsteiger des Jahres 2013 vom Gault Millau dokumentieren dies. Ihre fabelhafte Gewürzküche ist gerade auf dem Höhepunkt – und ausgerechnet jetzt soll sie gehen?

 

Bild oben rechts: Christian Hümbs

Photocredit: Barbara Fienhold (Food), A-Rosa (People)

 

 




Michelin 2014: Die Sterne verlieren ihren Glanz

Überraschungen bleiben aus

Die Redaktion trottet den Trends tapfer nach

 

Bernard Naegellen, Direktor des Michelin France von 1985 bis zum Jahr 2000, war für sein klare Meinung bekannt: „Geld von Köchen zu nehmen“ erklärte er gern in Interviews „gehört zu den Methoden kleiner Guides.“ Nicht einmal 13 Jahre später wendet der Michelin selbst die Methoden kleiner Guides an, bittet Köche für Reservierungen zur Kasse und verkauft „Sichtbarkeitspakete“ auf seiner Website. Die Tatsache, dass sich die Lebenspartnerin von Ex-Direktor Naret zur Gastronomieberaterin ernannte, die „Köche in ihrem kreativen Prozess begleitet“, fiel da kaum noch auf. Erlaubt ist jetzt, was Geld in die Kasse bringt. Egal in welche.

So verlässt sich der Michelin France 2014 dann auch nur noch auf seinen guten Namen. Neben einer einzigen Überraschung (zweiter Stern für „La Table du Connétable“ in Chantilly) sind die Testresultate beliebig und mit allen anderen Guides austauschbar: Da gibt es zunächst einmal viele, viele Sterne für junge Köche, die im letzten Jahr in so gut wie allen Blogs, Zeitschriften, Zeitungen und Führern gebührend gelobt wurden.

Der ehemalige britische Drei-Sterne Koch Marco Pierre White kommentierte die neue Politik des Überflusses im „Daily Telegraph“: „Als ich ein Junge war, glich der Gewinn eines Sterns dem eines Oskars. Heute verteilen sie Sterne wie Konfetti…. Ich glaube nicht, dass man bei Michelin versteht, was man dort tut. Der Guide ist aus den Angeln gehoben. “

Selbst die vermeintliche Sensation, ein dritter Stern für „L’Assiette Champenoise“ in Reims und Cuisinier Arnaud Lallement wollte in Frankreich kaum jemand so richtig goutieren. Francois-Régis Gaudry, der Kritiker des „L’Express“, bemängelte schwache Leistungen. Gilles Pudlowski, der langjährige Gastronomie-Experte von „Le Point“ meinte gar, laut Michelin könne man jetzt „der beste Koch Frankreichs sein ohne der beste Koch seiner Stadt zu sein“. Tatsächlich hat die „Assiette Champenoise“ mit dem glamourösen „Les Crayères“ nebst Chefkoch Philippe Mille einen sehr, sehr starken Lokalrivalen.

Längst fällige Abwertungen diverser Altstars werden in Frankreich seit Jahren geflissentlich vermieden. Wer bei drei Sternen an das Versprechen glaubt, die Küche sei „eine Reise wert“, riskiert schon seit Jahren kostspielige Enttäuschungen. Mit voller Wucht abgestraft werden hingegen ältere Köche, die es nicht bis nach ganz oben in der Gunst des Guides geschafft hatten: Diesmal traf es etwa den bewährten Bruno Cirino von der Hostellerie Jérôme, einen zuverlässigen, erstklassigen Koch, der etliche bekannte „Youngster“ ausgebildet hat.

Wer tatsächlich den Empfehlungen des Michelin folgt, stellt schnell fest, dass starke „Ein-Sterner“ so manchem Drei-Sterne-Star abseits der Kategorien Weinkarte, Interieur und Tafelsilber durchaus Konkurrenz machen können. Schnelles Vorpreschen bei einem Maximum an  jungen Köchen in Tateinheit mit schneckengleichem Zögern bezüglich Sanktionen von Altstars sorgen letztendlich dafür, dass sich die Wertungen selbst ad absurdum führen.

Doch Kunde des Michelin ist ja nicht mehr der Gast. Es ist der Koch, der brav für die Präsenz auf der Website und die Reservierungen zahlt. Finanziell wird sich die Konfetti-Politik deshalb lohnen. Sterne für alle! Und dann bitte an die Michelin-Kasse.

Jörg Zipprick