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Giocanti: Unser Wein des Monats

Sterne zum Trinken

Wollust aus dem Roussillion

 

Ein Chanson in Flaschen gefüllt: Der Wein von Giocanti klingt aus jedem Glas mit heiterer Melancholie, gleitet sinnlich über die Zunge, um dann mit langem orphischen Nachhall im Schlund unterzutauchen. Schwarzer Trüffel ist dabei sein leidenschaftlicher Begleiter, wobei der üppige Duft durch mineralische Noten und kühlen Schiefer so frisch und saftig aufbereitet wird, dass man mit jedem Glas Lust auf das nächste bekommt.

Die Grande Cuvée Vieilles Vignes entsteht aus der Verbindung von Carignan, Syrah, Cabernet Sauvignon und Grenache und basiert auf Reben, die zwischen 100 und 120 Jahre alt und wurzelecht sind. So etwas Großartiges kommt aus dem kleinen 1000-Einwohner-Dorf  Latour-de-France im südfranzösischen Roussillion. In diesem mehr schlaftrunkenen als süffeligen Örtchen am Fuße der Pyrenäen wachsen seit Menschengedenken nichts anderes als Wein und Oliven. Aber noch immer nicht organisiert und auf Perfektion getrimmt. Auch die Rebzeilen von Giocanti stehen nach wie vor etwas undiszipliniert im Weinberg.

Pierre Paul Giocanti

Pierre Paul Giocanti

Hinter diesem in der Wirkung großen und im Auftritt so bescheidenen Meisterwerk steht der wurzelechte, auffällig sympathische und ohne jegliche Wichtigtuerei wie sein Wein auskommende Pierre Paul Giocanti. Zum Glück wollte er vor gut zehn Jahren nicht länger Physiklehrer sein und widmete sich zunächst im Nebenerwerb der Weinerzeugung. Dies war indes kein Zufall, denn er half schon als Kind im Weinberg. 2004 war Giocantis erster Jahrgang, mit dem inzwischen hervorragend entwickelten 2007 schaffte er endgültig auf sich aufmerksam zu machen. Der Jahrgang 2009 ist ebenfalls perfekt geraten und wird mit seiner leicht rauherzigen Schale und dem wollüstigen Charakter vor allem Kenner ansprechen, 2010 fällt geschmeidiger aus und zeigt sich besonders für Einsteiger als geeignet. Auch der hundertprozentige Carignan von Giocanti ist ergreifend gut, vor allem der aus dem Jahr 2010 mit seinem wildbeerigen, trüffeligen und aphrodisischen Odeur. Alle Giocanti-Weine haben Ecken und Kanten, offenbaren dichte Frucht und sind von eleganter Vitalität. So konzentriert und aromatisch sie aber ausfallen, erscheinen sie nie fett und überzüchtet, was auch dem Terroir zu verdanken ist, da die Schieferböden eine kühle Stilistik einbringen. Zu Giocanti-Rotweinen passt Ochsenschwanz in Trüffeljus perfekt, aber auch ein Grillsteak.

Ausgebaut wird der Wein moderat und unaufdringlich im kleinen 240 Liter-Barrique mit 40 Prozent neuem Holz. Weitere Qualitätsmerkmale: Konsequent biologische Arbeit, Handlese, keine Filtration, unter Schwerkraft abgefüllt, niedriger Ertrag zwischen 15 und 18 Hektoliter pro Hektar. Pierre Paul Giocanti, dessen Vorfahren aus Korsika stammen, begann sehr bescheiden auf drei Hektar. Er werkelte in seinem kleinen Haus in der Garage, ein paar Fässer und ein Kunststofftank waren die ersten Begleiter. Heute bewirtschaftet Giocanti 10 Hektar, aber die klimatisierte Garage dient der überschaubaren Menge immer noch als Lagerplatz für die Fässer. Es ist keine Legende, sondern bitter-lustige Wahrheit, dass die ersten Abfüllungen in Literflaschen und Bag-in-Boxen aus Wellpappe auf dem Wochenmarkt zu finden waren. Dort aber wurden einige Fachtrinker auf die gute Qualität aufmerksam, darunter auch Eric Wilt, einst Sommelier und inzwischen Weinhändler. Er erkannte schon damals, was wir heute empfinden: Ein Leben ohne diesen Wein ist ein Irrtum.

Ludwig Fienhold

 

Vertrieben wird Giocanti exklusiv von Eric Wilt, der unter anderem zuvor als Sommelier bei Erno´s Bistro in Frankfurt arbeitete und jetzt im Elsass Weinhandel betreibt: Vins Diffusion, Eric Wilt, Tel. 0033 (0) 3 88 87 78 33. Fax 0033 (0) 3 88 87 78 34. Mobil 0178 35 55 154. E-Mail eric.wilt@cegetel.net

Die Flaschen von Giocanti kosten im Handel zwischen 19 und 28 €, in Restaurants 50 bis 60 €, glasweise zirka 8,50 €. Den Wein gibt es nicht an jeder Ecke und schon gar nicht in vielen Restaurants, beispielsweise in Frankfurt aber in der Emma Metzler, dem Allgaier´s, Erno´s Bistro und dem Egenolff.

 

 

 

 

 

 

 




Der neue Trend: Hybrid Food

Christian Senff will

Zwitter-Snacks auch in

Deutschland beliebt machen

 

Am Anfang war der Cronut, eine Mischung aus Croissant und Donut. Den New Yorker Bäcker Dominique Ansel machte dieser Zwitter über Nacht reich und berühmt. Dann kam der Cragel, außen Bagel, innen Croissant. Auch Scott Rossillo profitiert prächtig von seiner Idee. Inzwischen gibt es aber nicht nur süßes Hybrid Food, sondern auch salzige Gerichte. Zentrum der neuen Kreativbewegung ist der Brooklyn Food Market „Smorgasburg“.  Samstags in Williamsburg am East River State Park, sonntags an der  Brooklyn Bridge Park Pier 5, jeweils zwischen 11 und 18 Uhr. Über 100 Köche und Händler bieten ihre kulinarischen Kapriolen an, darunter viele originelle Typen mit schrägen Ideen. Die meisten sind keine Profis und haben vor allem sichtbar Spaß. Das Gewirr aus Zelten und Ständen gilt als Woodstock der Foodies.

Ramen Burger

Ramen Burger

Besonders erfolgreich ist der Ramen Burger von Keizo Shimamoto, der nur auf den ersten Blick herkömmlich aussieht, dessen Deckel aber aus gebratenen knusprigen Nudeln bestehen (japanisch Ramen). Der junge Keizo will mit seinem Spezial-Burger, den er mit Sojasauce serviert, auch in Los Angeles und Honolulu den Markt erobern. Gekreuzt werden jetzt auch Hamburger & Pizza und Cheeesburger & Pizza, die Sushirritos hingegen gibt es schon seit vier Jahren in San Francisco. Wie bei allen Trends, wird auch dieser wieder sehr viel Überflüssiges anschwemmen, aber es ist stellenweise ganz amüsant, was sich kreative Köpfe so ausdenken. Ob man so etwas wie Spaghetti Tacos und Bronuts aus Bacon und Doughnut braucht? Bevor man es verdammt, sollte man es zumindest mal probiert haben. Die jungen wilden Hybrid-Köche nehmen sich nicht allzu ernst und wollen sich und andere einfach mit neuen und ungewöhnlichen Kombinationen erfreuen.  Die Zwitter-Snacks sind nur ein Teil der neuen Bewegung, das New Yorker Kulturengemisch bringt auch Ethno Food hervor, bei dem traditionelle Gerichte neu interpretiert oder eben gekreuzt werden. Die Happy-Go-Lucky-Köche werden noch munter weiter mischen, wobei man hoffen kann, dass zumindest jedes zehnte Gemengsel ein Treffer ist.  In Deutschland ist der Zwitter-Trend noch nicht angekommen. Aber es wird vielleicht nicht lange dauern, bis ein Gericht Conchita Wurst heißt.

Bullita

Bullita

Christian Senff würde gerne einen Food Market wie in New York in Frankfurt aufziehen. Er hat ihn sich angeschaut und war von den Ideen überrascht bis begeistert. Beim Fernsehdreh für die Sendung Galileo präsentierte er auf dem Markt in der Schillerstraße seine Ideen: Croliner, eine Melange aus Berliner und Croissant. Und Bullita, eine Bulette im Pita-Teig. Die üblichen Märkte sind Senff zu konventionell. „Wie beim Markt in Brooklyn sollten sich auch bei uns junge Talente präsentieren können.“ Christian Senff sucht noch Partner mit denen er einen Food Markt in Frankfurt aufziehen möchte. Straßenmärkte sind ja derzeit jede Menge in der Stadt zu finden, doch geht es dort zwar lustig, aber nicht gerade phantasievoll zu. Mehr als nur Grillwürstchen wäre jedenfalls ganz nett.

Christian Senff, der manch eigenes produziert und selbstredend auch Senf herstellt, hat 14 Jahre in vielen Spitzenrestaurants gearbeitet. Der junge Küchen Hans Dampf war unter anderem im Schwarzen Hahn in Deidesheim, der Villa Hammerschmiede in Karlsruhe und dem La Vision in Köln. Bei Kolja Kleeberg war er als Chef Tournant im Vau in Berlin tätig, danach zog es ihn zu Christian Bau ins Victors nach Perl-Nennig. Im kulinarisch sehr ambitionierten Bel Etage im Hotel Villa Vita Rosenpark Marburg arbeitete Senff neben Bernd Siener als Souschef. Inzwischen ist er wieder freier Koch und explodiert vor Ideen.

Food Market Williamsburg

Food Market Williamsburg

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 




Endlich gute spanische Weine

Restaurant Asador el Toro

Küchenparty Deluxe

 

 

Es gibt in Deutschland kaum bemerkenswerte spanische Lokale. Was immer noch überrascht, weil ja gerade Spanien der Deutschen liebstes Reiseziel ist. Und nicht nur das der Ballermänner, sondern auch anspruchsvoller Gäste. In der Rhein-Main-Region findet man einige ordentliche Tapas-Bars, aber nicht eine einzige Adresse mit sehr guten spanischen Weinen. Im Asador el Toro möchte man aber allein schon wegen der ausgezeichneten Weine Einkehr halten. Jetzt macht das Lokal mit einer Küchenparty Deluxe zum dreijährigen Bestehen besonders Lust auf einen Besuch.

Asador el Toro Budenheim sieht so aus, wie es heißt. In dieser hingewürfelten Ortschaft existiert jedoch ein Lichtblick: Asador el Toro. Das Lokal war mal ein Grieche, war auch etliche Male irgendetwas, das niemand außerhalb von einem Kilometer interessiert hat. Seit drei Jahren ist dort der Weinhändler und Gastronom Klaus Staaden Herr im Haus. Er hat aus der einstigen Kneipe etwas Ungewöhnliches gemacht, das Lokal und seine große Terrasse siedeln sich zwar absichtlich eher im Understatement-Bereich an, doch die Weinkarte ist herrlich unbescheiden. So viele gute spanische Tropfen wird man lange in einem Lokal in Deutschland suchen müssen. Über 250 Namen sind gelistet, viel Klassik darunter, aber auch Avantgarde und schöne Entdeckungen. Und kaum etwas für Etikettentrinker. Bereits mit dem Cava Sumarroca erlebt man zum Einstieg ein enormes und preiswertes Vergnügen. Pazo de Señorans aus dem Weißweinparadies Rías Baixas wiederum belegt wie frisch, mineralisch und mittelmeerduftig ein Albariño sein kann. Was aus der autochtonen Rebsorte Verdejo werden kann, zeigt exemplarisch das Weingut José Pariente aus Rueda. So präzise in der Frucht, so feingliedrig schwenkend zwischen Zitrus, Pfirsich und Kräutern, und so belebend im Trinkfluss gibt es nur wenige Weine dieser Spezies. Je wärmer es wird, desto besser schmeckt dieser Wein. Dies gilt auch für den Sauvignon Blanc von José Pariente, der den Sommer perfekt einfängt und neben exotischen Früchten frisch gemähtes Gras ins Glas bringt.  Benjamin Romeo gehört zur Avantgarde der spanischen Winzer und vitalisiert die sehr traditionelle Region Rioja. Seine Rotweine machen durchweg Spaß, weil sie sehr überzeugend auf dem Boden der Klassik die Finessen der Moderne einbringen. Von seinem Weinen lässt sich nur schwärmen, im Restaurant Asador el Toro gibt es verschiedene Offerten, von leicht bezahlbar bis gerne bezahlbar, aber allesamt fair kalkuliert. Auf der Liste der Muss-ich-haben-Flaschen ganz oben stehen auch die Erzeugnisse der Bodegas Mauro San Roman, köstliche, sinnliche und wildbeerige Weine aus der Region Toro.

Klaus Staaden

Klaus Staaden

Man kann das Lokal Asador El Toro als allerfeinste Trinkhalle nutzen. Oder nur den ausgezeichneten Iberico-Schinken nebst Chorizo genießen, zu denen der Sauvignon Blanc von José Pariente wunderbar passt. Aber es gibt noch anderes. Gegrillten Pulpo und Wachtelbrust beispielsweise (beides gut) und vor allem das Fleisch mit dem Zungenbrecher-Namen Txogitxu (sprich: Tschojitschu) aus dem baskischen San Sebastian. Dieses wird von einigen fachlichen Fleischbeschauern aus Presse und Handwerk als herausragend gefeiert, wobei der Titel „Bestes Fleisch der Welt“ als marktschreierisch übertrieben gelten muss, wie alle anderen Superlative auch. Das Fleisch aus der gleichnamigen Metzgerei stammt im Grunde von alten Kühen, die bis zu 18 Jahre alt sind. Im rohen Zustand sieht das Fleisch etwas grau und fett aus und ist den meisten Deutschen wohl kein Augenschmaus. Aber es vermittelt viel vom Urzustand des Fleisches und verheißt back to the roots. Im Asador El Toro gibt es große Kottelets vom Holzkohlegrill, Chuletons/Txuletons genannt, für zwei und mehr Personen. Aber auch Filet, Entrecote und Roastbeef. Das Entrecote überzeugt uns nicht, man muss einfach den vollen Geschmack und das große Kottelet wählen, 600 – 1200 Gramm für 2 Personen. Oder das Chuleton Lomo alta, dry aged, die mindestens drei Wochen am Knochen gereifte Hohe Rippe (800 Gramm für Zwei, 28 € pro Person).

Asador el Toro - 16Das Asador El Toro macht nicht viel von sich reden, Betreiber Klaus Staaden ist alles andere als ein Kommunikationskünstler. Eine gute Gelegenheit ihn, sein Restaurant und seine Weine kennenzulernen bietet die kommende Küchenparty Deluxe am 20. Juli, für die ab sofort Karten gekauft werden können (169 € für Essen und alle Getränke).  Mit dabei sind Gerd Eis, der ehemalige Küchenchef der Ente in Wiesbaden, und Top-Sommelier Kai Schattner, der ebenfalls in der Ente arbeitete und jetzt selbständig als Berater und Händler tätig ist. Außerdem Sherry Master Jan Buhrmann und Stefan Dorst von der Bodega Venta d’Aubert. Neben dem Txogitxu-Fleisch gibt es Schinken und Wurstwaren von 5J (Cinco Jota) sowie Produkte vom Frankfurter Frischeparadies. Es kommt viel Gutes auf den Grill, darunter ein 8-Kilo-Steinbutt aus dem Wildfang. Zu trinken gibt es natürlich spanische Weine, auch Raritäten und Großflaschen sollen flüssig eingesetzt werden.

Reservierungen und Informationen unter: Tel 06139 2931814. Asador el Toro, Budenheim, Mainzer Landstr. 140, Geöffnet: Mo-So ab 18:00 Uhr. Da man die Weine guten Gewissens probieren will, sollte man auf das eigene Auto verzichten. Es wird vom Veranstalter in jedem Fall ein Shuttle-Service nach Budenheim und retour eingesetzt, vermutlich vom Frischeparadies aus.

 

LF

Bild oben rechts: Wachtel auf Schiefer

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 




Hirschkäfer sind keine Delikatesse mehr

Im Großstadtdschungel

 

 

Was macht ein Hirschkäfer in der Stadt? Vor allem Arbeit. Eigentlich hatte der Hirschkäfer am Frankfurter Römerberg vor dem Eingang Hausnummer 8 nichts zu suchen, denn sein Biotop sind Laubwälder und nicht Betonpfeiler. Deshalb blickte er sich auch traurig um, als er weder Blätter noch morsche Baumstümpfe ausfindig machen konnte. Stattdessen nur schreiendfarbige Wimpel und Touristennippes vom Andenkenlädchen, selbst das Goetheporträt in der benachbarten Galerie brachte ihm keine Inspiration. Jedenfalls machte der Hirschkäfer einen hilflosen Eindruck und bewegte sich nur sehr vorsichtig zentimeterweise in alle Richtungen. Ohne fremde Hilfe, so war schnell klar, würde der Hirschkäfer seinem Schicksal ausgesetzt sein. Wen aber anrufen? Naheliegend war im Grunde das Amt für Umweltschutz, Landwirtschaft und Forsten. Die Dame an der Zentrale wunderte sich nur und meinte abweisend: „ Wir sind doch nicht dafür da, um Käfer einzusammeln.“ Sie wusste offenbar nicht, dass ein Hirschkäfer kein gewöhnliches Krabbeltier oder gar Ungeziefer ist. Also musste ihr klar gemacht werden, dass der Hirschkäfer ein eher seltenes Exemplar ist, zu den gefährdeten Käfern gehört, unter Naturschutz steht, 2012 schließlich zum „Insekt des Jahres“ gekürt und sogar von der Deutschen Bundespost auf einer Briefmarke verewigt wurde. Zudem wird im Internet von Naturschützern darauf hingewiesen, dass man auf die Standorte von Hirschkäfern aufmerksam machen sollte, vor allem, wenn sie in ungewohnter Umgebung gesichtet werden.

Schließlich zog die Mitarbeiterin ihren Stachel ein und gab an einen Mitarbeiter weiter, der „damit vielleicht etwas anfangen kann“. Dieser zeigte sich zunächst auch verständig, verwies aber gleich auf die Feuerwehr und deren Abteilung „Tierrettung“. Wenn ein Bürger aber bei der Feuerwehr anruft und um die Rettung eines Hirschkäfers bittet, wird diese wohl eher glauben, dass ihm alle Sicherungen durchgebrannt sind, was mit keiner Löschaktion behoben werden kann. Katzen holt die Feuerwehr schon von den Bäumen, auch Hunde werden aus Kanalschächten befreit, doch Hirschkäfer müssen sich diskriminiert sehen. Und außerdem: Womöglich muss der Anrufer auch noch den Einsatz der Feuerwehr bezahlen, denn das „Umsetzen von Insekten“ ist gebührenpflichtig und schlägt mit 143,16 € zu Buche. Die Arbeitsstunde eines Feuerwehrmanns kostet je nach Dienstgrad zwischen 38,86 und 65,45 €. Wenngleich er gefährlich über einer großen Pfütze saß, hätten zum Glück keine Taucher zur Rettung des Hirschkäfers gerufen werden müssen, deren Einsatz noch teurer ist. Vielleicht wäre die Hirschkäfer-Aktion aber auch als Fehlalarm eingestuft worden, was mit über  812,95 € in Rechnung gestellt werden würde.

HirschkäferDer Mitarbeiter vom Amt für Umweltschutz, Landwirtschaft und Forsten versuchte beruhigend auf den Anrufer einzugehen. So, wie man das bei Menschen macht, von denen eine gewisse Gefahr ausgeht, sollte man sie nicht für ernst nehmen oder gar offenkundig als verrückt erklären. Also versprach er, sich höchst selbst mit der Feuerwehr in Verbindung zu setzen und ließ den Anrufer in dem Glauben, dass nun endlich dem Hirschkäfer geholfen werden könne. Trotz genauer Beschreibung des Hirschkäfer-Standorts und der Hinterlegung der Telefonnummern für Rückfragen geschah die darauffolgenden Stunden nichts. Bei Fledermäusen, Eidechsen und Kröten wäre  das vielleicht anders verlaufen, aber Hirschkäfer haben keine Lobby. Unser stattliches männliches Exemplar war knapp acht Zentimeter lang. Im Grunde können Hirschkäfer ein wenig fliegen, vor allem zwischen Ende Mai und Juli, doch dieser schwere Brocken wollte oder konnte nicht abheben und schien sich nur darüber zu wundern, wie er in diese missliebige Situation geraten war. Ein Fensterputzer aus Portugal beobachtete interessiert das Geschehen und meinte, dass man in seiner Heimat aus den „Geweihen“ der männlichen Hirschkäfer Amulette machen würde. Zudem hätten früher die Larven in manchen Ländern als Delikatesse gegolten. Spätestens jetzt musste schnell gehandelt werden, blieb kaum etwas anderes übrig, als die Sache beziehungsweise den Hirschkäfer selbst in die Hand zu nehmen. Vorsichtig wurde das Tier von der Wand in ein luftiges Kästchen verfrachtet und zu einem besonders schönen Platz für Kleinlebewesen und Frankfurter gebracht: Dem Nizza-Garten, der reich an saftigen Blättern und leicht morschen Baumstämmen ist. Durch diese „Auswilderung“ ist der Garten nun um eine Gattung reicher. Möge der Hirschkäfer unter Palmen, Zitronenbäumen und Zedern glücklich werden und vielleicht doch noch Kraft finden für einen Flug zu einem Weibchen, das irgendwo auf ihn wartet.

„Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheuren Ungeziefer verwandelt“.

Franz Kafka „Die Verwandlung“




Bester Barkeeper Deutschlands: Maxim Kilian

Bartender vom Frankfurter Parlour gewinnt

und darf ins Finale zum Weltmeister einziehen

 

Maxim Kilian aus Frankfurt konnte sich erfolgreich gegen die besten Bartender aus Deutschland behaupten und die Jury von sich überzeugen. Er darf sich von nun an World Class Bartender 2014 nennen. Vom 27. bis 31. Juli reist Maxim Kilian zum Diageo Reserve World Class Global Final nach London und wird dort mit Kollegen aus über 40 Ländern um den Titel des Weltmeisters kämpfen. BISS gratuliert: Für uns ist das Parlour die beste Bar in Frankfurt und eine der besten in Deutschland.

Gegen 19 Bartender aus Deutschland und Österreich konnten sich Maxim Kilian, The Palour (Frankfurt am Main) für Deutschland und Reinhard Pohorec, Spirits Journey (Wien) für Österreich nach zwei anstrengenden Tagen erfolgreich durchsetzen. In drei Runden bewerteten Experten aus der Gastronomie und Barszene die Teilnehmer und urteilten über Kreativität, Geschick und Gastgeberqualitäten: Darunter Nelson Müller (Sternekoch) und Bartender-Ikone Charles Schumann, sowie der internationale Starbartender Alex Kratena (London), dessen Bar zwei Jahre in Folge zur Besten der Welt gekürt wurde. Begeistert von dem Ideenreichtum und dem fachlichen Geschick der Teilnehmer waren sie für zwei Tage das Zünglein an der Waage.

Exzellentes Produktwissen, köstliche Drinks sowie Perfektion in Technik und Performance – das sind die unverzichtbaren Grundvoraussetzungen für einen World Class Bartender. Maxim lieferte der Jury zufolge eine überragende Vorstellung bei allen drei Herausforderungen ab.

Die Platzierungen im Überblick

Deutschland

1. Platz: Maxim Kilian, The Palour (Frankfurt am Main)

2. Platz: André Pintz, Steigenberger Hotel (Leipzig)

3. Platz: Tim Anders, Limonadier (Berlin)

Österreich

1. Platz: Reinhard Pohorec, Spirits Journey (Wien)

2. Platz: Philipp M. Ernst, Bar 67 (Ischgl)

3. Platz: Siegrid Ehm, Hammond Bar (Wien)

Die Jury

Nelson Müller, Sternekoch in Essen

Charles Schumann, Bartender-Ikone aus München

Klaus St. Rainer, Goldene Bar (München)

Markus Blattner, Old Crow (Zürich)

Alex Kratena, Artesian Bar des Langham Hotel (London)

Dr. Philip Cassier, Journalist und Thedor-Wolff-Preisträger

 

 

 




Übel-Täter:
50 Best
Restaurants der Welt

Nebulöses Urteil ist mit Vorsicht zu genießen

 

Cuisine malade oder

Wenn Essen krank macht

 

Die vom britischen „Restaurant Magazine“ publizierte und durch San Pellegrino gesponserte Liste „50 Best“ kommt immer mehr ins Gerede. Für viele ist das Zustandekommen der Hitliste mit den angeblich besten Köchen der Welt zu undurchsichtig, auch jetzt wieder nach der gerade veröffentlichten neuen Liste. Der in Frankreich lebende deutsche Journalist Jörg Zipprick wurde jetzt dazu vom „Figaro“ in Paris interviewt und erklärte, dass selbst die Wahlen in der ehemaligen DDR transparenter waren. Bemerkenswert, dass unter den ersten 10 „Best“ kein einziges deutsches Restaurant zu finden ist, aber gleich zwei , die ihre Gäste mit Essen abspeisten, von dem ihnen übel wurde: René Redzepis Noma in Kopenhagen und Heston Blumenthal in London, wobei Blumenthal gleich zweimal zu Brechdurchfall verhalf.  Nach einem Besuch im Noma wurden Ende des letzten Jahres 63 Gäste krank, bei Blumenthal waren es gleich 400.  Die Lokale wurden kurz geschlossen, man entschuldigte sich bei den Gästen. Und sonst passierte nichts. Wie würde es wohl einer Pizzeria ergehen, bei denen so viele Gäste durch Essen und bedenkliche hygienische Mängel malträtiert worden wären?

Wie aus internen Kreisen von „50 Best“ zu hören ist, soll es hinter den Kulissen gewaltig knirschen. Offenbar ist man dabei einige Jury-Mitglieder abzusetzen. Ob es hilft, wenn nur einige Köpfe ausgewechselt werden? Wir bleiben weiter sehr skeptisch und veröffentlichen erneut zwei ältere BISS-Artikel zum Thema, die immer noch ihre Gültigkeit haben.

LF

 

Besoffene Köche, gierige Kritiker

 

Die Gastro-Oligarchie der

50 Best Restaurant-Ranglisten

 

Von Jörg Zipprick

Die Liste der 50 Best Restaurants  ist uns nicht wichtig genug, um sie hier zu diskutieren. Wichtig sind uns jedoch die Netzwerke dahinter. Über solche Bestenlisten lässt sich trefflich debattieren: Ist das Atelier von Joel Robuchon wirklich das beste Lokal Frankreichs? Gibt es wirklich nur zwei Köche aus Deutschland die „ranglistentauglich“ sind? Gibt es so etwas wie einen besten Koch der Welt und kann es nur einen geben? Doch wenn man beginnt, diese Fragen ernsthaft zu erörtern, dann verdrängt das Naheliegende schnell das Wesentliche:

Restaurant Aqua in Wolfsburg

Die „S.Pellegrino World’s 50 Best Restaurants“ werden, zumindest in Deutschland und Frankreich, als Abstimmung unter Kennern, Köchen und Restaurant-Experten vermarktet. Im britischen Original heißt es übrigens nicht Kenner, sondern „international restaurant industry experts.“. Aber Kenner klingen gut, jedenfalls besser als „internationale Experten der Bewirtungsindustrie“. Abstimmung klingt auch gut. Das Wort klingt nach Demokratie und Transparenz. Doch gerade die sucht man hier vergebens. Zwar werden die Experten mit Pauken und Trompeten in einer ausgesuchten Londoner Location verlesen, niemand jedoch erklärt wie viele Stimmen oder wie viel Prozent der Stimmen auf ein Lokal entfielen. Wer regelmäßig Bewertungsportale wie z.B. Tripadvisor nutzt, weiß, dass es einen großen Unterschied macht, ob ein Betrieb von sieben Personen mit Bestnoten bewertet wurde (der Wirt und seine Familie?) oder ob 1200 begeisterte Esser hier ein Urteil abgaben.

Rene Redzepi

Die „S.Pellegrino World’s 50 Best Restaurants“ verzichten auf solche Angaben ebenso wie auf eine notarielle Kontrolle der Abstimmung oder auf den Nachweis, dass ihre Stimmberechtigten in den Lokalen tatsächlich gegessen haben. Im Grunde ist die nach Kräften in sämtlichen Medien ausgeschlachtete Veranstaltung denkbar einfach organisiert. Eine Mail kommt an, man klickt drauf und gibt sieben Namen von Restaurants ein. Die Reihenfolge stellt eine Wertung dar. Eigentlich sollen Stimmberechtigte in den letzten 18 Monaten die Restaurants, die sie bewerten, auch besucht haben. Kontrolliert wird das wie gesagt nicht. Und, ja, im Prinzip sollen Köche nicht für das eigene Restaurant stimmen. Einige Mitarbeiter der Veranstalter machen keinen Hehl daraus, dass sie die „50 Best“ gern zu einem Anti-Michelin mit weltweitem Einfluss aufblasen möchten. Die kommenden „50 Best Asia“ sind ein erster Schritt in diese Richtung.

 

Wenn Köche andere Köche bewerten

Wer das System der „S.Pellegrino World’s 50 Best Restaurants“  verstehen will, muss sich mit dem besonderen Demokratieverständnis dem Veranstalter, des britischen Restaurant Magazine befassen. Abstimmen darf nämlich nicht jeder Genießer, der einfach ein Restaurant besucht hat (warum eigentlich nicht?). Die Stimmberechtigten werden durch „Chairmen der Akademie“ ernannt.  So sind die „50 Best“ keine demokratische, sondern eine oligarchische Veranstaltung.  Es gibt grundehrliche Food-Journalisten und Kochbuchautoren unter den Chairmen: Die Inderin Rashmi Udhay Singh etwa macht keinen Hehl daraus, das sie nicht vor jeder Stimmabgabe den gesamten Subkontinent bereisen kann.

Es gibt jedoch auch Menschen, die ihre unentgeltliche Tätigkeit als „Chairman der Akademie“ oder Stimmberechtigter zum Ausbau ihrer Geschäftstätigkeit nutzen.  Da sind zunächst einmal die Köche selbst. Sie lernen pro Jahr eine vergleichsweise geringe Anzahl von Restaurants kennen. Der Grund ist einfach: Die meisten sind durch das eigene Lokal mehr als ausgelastet. Zumindest in Frankreich lehnten es nicht wenige Spitzenköche ab, über ihre Berufskollegen zu richten. Andere haben damit kein Problem. Zur Jury gehörten u.a.:  Inaki Aizpitarte, Joan Roca, Alex Atala, Andoni Luis Aduriz, Danny Meyer, Juan Mari Arzak, Massiliamo Alajmo, Massimo Bottura, Mauro Colagreco, Pascal Barbot und Alexandre Gauthier.

Dazu kommt ihr jeweiliges Netzwerk: Besonders beliebt sind Frau, Ex-Frau, Familie oder Freundin als Juror. So ist Amanda Puck niemand anderes als die Schwiegertochter des bekannten Kochs Wolfgang Puck. Frédérique Ernestine Grasser-Hermé wiederum ist die Ex-Frau von Patissier Pierré Hermé, der selbst als Juror fungiert. Jedes Netzwerk kann so eine beachtliche Anzahl Stimmen vereinen.

 

Chairmen und ihre besten Freunde

Daniel Boulud, Inaki Aizpitarte, Mauro Colagreco (v.l.n.r.)

Wer möchte als Koch nicht gern mit seinem Lokal auf einer Liste firmieren, die weltweit vermarktet wird? Der Weg dazu führt wie gesagt über die „Chairmen“. Rafael Anson verwaltet die spanische Delegation.  Nur ältere Leser könnten ihn noch als Direktor des „Instituts der öffentlichen Meinung“ („Instituto de Opinión Pública“) unter Franco kennen. Der  Präsident der „Academia Española de Gastronomía“ leitet den „Ferran Adrià Lehrstuhl für kulinarische Kultur“, setzte zusammen mit Koch Adrià seine Unterschrift unter das Buch „Tapas im 21. Jahrhundert.“ Seine Frau und seine Tochter Alejandra Marina betreiben laut spanischem Handelsregister u.a. PR-Agenturen. Der Handelsregisterauszug von Alejandra Marina erwähnt, dass diese Agentur ihr Aufgabenfeld in der Betreuung „spanischer Gastronomie und Köche, besonders junge Köche“ sieht.

Zu den spanischen Stimmberechtigten zählen befreundete Journalisten sowie die PR-Frau Roser Torras, die sich mit ihrer „Grup GSR“ ebenfalls auf Kommunikationsmaßnahmen für Köche spezialisiert hat. Wer sich beispielsweise über die gute Platzierung des „Astrid y Gaston“ in Lima, Peru, wundert (fliegen dort wirklich so viele Juroren ein?), sollte nicht aus den Augen verlieren, dass dieses Lokal über eine gut frequentierte Filiale in Madrid verfügt.

 

„Kanaken“ und besoffene Köche

Andrea Petrini

Der Italiener Andrea Petrini leitet die französische Jury seit Francois Simon, Restaurantkritiker von Le Figaro, enttäuscht bei den „50 Best“ ausstieg. (Damit keine Missverständnisse aufkommen: Andrea Petrini ist weder verwandt noch verschwägert mit „Slow Food“-Gründer Carlo Petrini). Zu den besten Freunden von Andrea Petrini zählen viele bekannte Köche. Bilder seines 50. Geburtstags zeigen ihn in Gegenwart von  Rene Redzepi und Fluvio Pierangelini sowie diversen Stimmberechtigten der „50 Best“. Man kennt sich, man trifft sich und wenn jemand Geburtstag hat, dann gibt es manchmal auch Geschenke. Zudem veranstaltet er Koch-Events wie „Cook it raw“  und moderiert das Food-Festival „Paris des chefs“. Deren Gäste heißen Rene Redzepi, Inaki Aizpitarte, Alex Atala, Alexandre Gauthier etc.

Seine Favoriten feierte er schon mal vorab am 12. April im Magazin „Le nouvel observateur“, teils mit kuriosen Worten. Der verdiente Koch Mauro Colagreco musste sich attestieren lassen, er sei „100% métèque“. Eine halbwegs passende deutsche Übersetzung liefert nur das Unwort „Kanake“, möglicherweise war die Bemerkung scherzhaft gemeint. Nicht einmal 14 Tage später folgte die obligatorische Liturgie auf den Bistrokoch Inaki Aizpitarte, der auch von anderen Köchen (und „50 Best-Stimmberechtigten“) mit Lob überhäuft wird. Der New Yorker Dave Chang sagt da: „ Inaki raucht. Inaki trinkt…. Ich habe ihn sturzbesoffen in einem Aufzug gesehen, unbeirrt, während sich die Türen immer wieder schlossen.“ Das klingt weniger nach subjektiver Bewertung von Restaurants, sondern fast ein wenig nach Kumpelei und Kungelei.

 

Es geht ums Geld

Heston Blumenthal

Bereits im vorletzten Jahr erläuterte die New York Times das System der „50 Best“, zu dem die Existenz bezahlter Stimmenbroker,  mit Steuergeldern geförderte Extratouren Stimmberechtigter durch Schweden sowie Petrinis Lobbying in Sachen Gastronomie gehört. (http://www.nytimes.com/2011/04/13/dining/13Best.html?pagewanted=2&_r=2).

Französischen Köchen sind die Vorlieben ihres Chairman nicht entgangen. Besonders das Collège Culinaire de France (Robuchon, Ducasse, Haeberlin, Dutournier u.a.) erörterte 2011 eine Vielzahl von Reaktionen auf die kuriosen « 50 Best“-Listen, konnte sich aber nicht einmal darauf einigen, Produkte des Sponsors Nestlé aus den eigenen Lokalen zu verbannen. Vielleicht wird die Ernennung des „Atelier“ zum besten französischen Lokal diese Wogen etwas glätten, schließlich ist Robuchon dank vieler treuer Schüler einer der einflussreichsten Köche des Gremiums. Wie gut also, dass seine Ehrung gerade jetzt erfolgt.

„Andrea sagt Ihnen nicht für wen sie stimmen sollen“ erklärte der britische Juror Ali Kurshat Altinsoy der New York Times. „Er macht es nur möglich, dass sie für ihn stimmen.“ Wer ist nun wieder Ali Kurshat Altinsoy und womit verdient er sein Geld?  Nun, laut Petrini lebt der Ex-Banker jetzt auf einem Boot in Kopenhagen, wo er mit Rene Redzepi ein „Mad Food Festival“ vorbereitete. Jeder kennt sich, jeder mag sich,  und ohnehin gibt es in Dänemark wieder ganz andere Netzwerke, die sich um einen gewissen Claus Meyer sammeln. Meyer, 48, beschäftigt 400 Mitarbeiter bei Meyerfood, den 45 Meyer Kantinen, dem Früchtehandel Lilleö, dem Catering Meyers Koekken, einem Deli, der Meyer Bäckerei und einer kleinen Essigfabrik. Weniger bekannt ist, dass er auch das Noma in Kopenhagen gründete, das Manifest der nordischen Küche verfasste und seit 14 Jahren politische Kontakte in diversen Ausschüssen zur Verbesserung der Lebensmittelqualität pflegt.

Joel Robuchon

Der Name seines Restaurants „Noma“ steht für die Kurzform seines  Programms »Ny nordisk mad« (nordisches Essen). Der  nordische Ministerrat, dem Dänemark, Finnland, Island, Norwegen und Schweden sowie die Färöer Inseln, Grönland und Åland angehören, förderte es zunächst mit drei Millionen Euro Steuergeld. Im Jahr 2010 wurde das Programm bis 2014 verlängert, weitere zwei Millionen Euro wurden für diesen Zeitraum bewilligt.  Die finanziellen Mittel, 50-Best Stimmberechtigte auf Steuerzahlers Kosten von Restaurant zu Restaurant zu befördern, sind also vorhanden.  Am Ende geht es bei der Wahl der „50 Best“ eben nicht um die Gastronomie, sondern um Geld und Connections.  Für die „San Pellegrino 50 Best“ arbeiten Chairmen und Stimmberechtigte weiter gern kostenlos. Verdienen kann man schließlich anderswo. Etwa durch die „Beratung“ von Spitzenköchen.

(Erstveröffentlichung: BISS Mai 2013)

 

 

 

 

Wieder Juryaustritt bei den 50 Best – Restaurants wurden nicht getestet

 

Die Hitliste wird immer mehr zur Mogelpackung

 

 Von Jörg Zipprick

Eine französische Kochbuchautorin rechnet mit den „50 Best“ der Firma Nestlé ab. Und erklärt gleichzeitig, dass etliche Restaurants nie getestet wurden.

Frédérick-Ernestine Grasser-Hermé ist in Paris eine lokale Größe der kulinarischen Szene. Die erfolgreiche Kochbuchautorin berät Lebensmittelhersteller oder konzipiert diverse Veranstaltungen und Ausstellungen rund um das Thema Genuss. Zwei Jahre lang war sie auch Mitglied der Jury der „50 Best Restaurants“. Jetzt jedoch rechnet sie mit der Veranstaltung in einem offenen Brief an zwei Blogs ab:

„Als Mitglied der französischen Jury der 50 Best Restaurants… bin ich  verdammt wütend (original: food’rage). Zwei Jahre habe ich gebraucht, um meine moralische Malaise zu realisieren. Meine Damen und Herren, ich gebe meine Küchenschürze in schwarzem Vinyl wegen der unpassenden Klassifizierung zurück. Kein weiteres Waterloo im Jahr 2013.

Andrea Petrini (Chairman der frz. Jury, die Redaktion), du bist der einzige auf der Welt, der seine Weltreise in 80 Tagen absolviert! Du zumindest bist ehrlich und machst deinen Job : Du isst und stimmst bewusst nach einem Kauvorgang ab. Aber wir, und alle anderen, sagen wir es offen? Wie viele von uns reisen?

Madame Grasser-Hermé

Madame Grasser-Hermé

Meine Entscheidung ist getroffen, ich habe die Nase voll, ich stimme mit den Dissidenten  wie  Rubin, Gaudry und anderen ehemaligen Mitglieder der französischen Jury überein und schlage mich auf ihre Seite.

Für Restaurants, deren Karte ich nicht wirklich im letzten Jahr getestet habe, stimme ich nicht mehr. Ende!“

Quellen: http://www.afoodtale.com/fr/article/comingout

http://www.toutnestquelitresetratures.com/article-the-world-s-50-best-restaurants-le-coming-out-de-fegh-117804876.html

Die prominenten Restaurantkritiker Emmanuel Rubin (Le Figaro), Francois Simon (Le Figaro) und Francois-Régis Gaudry (L’Express) hatten der „50 Best Jury“ in den vergangenen Jahren bereits den Rücken gekehrt und über intensives Lobbying sowie organisatorische Missstände wie z.B. die Abwesenheit jeder notariellen Kontrolle bzgl. der Stimmabgabe geklagt. 

(Erstveröffentlichung: BISS Mai 2013)

 




Adieu Weidemann! Traditionslokal schließt

Das Frankfurter Traditionslokal Weidemann

sucht einen neuen Pächter

 

Wieder eine bemerkenswerte Adresse weniger in Frankfurt: Das traditionelle Restaurant Weidemann wird es in seiner jetzigen Form nicht mehr geben. Ángel Cuéllar Vega, der das stadtbekannte Lokal 32 Jahre lang führte, muss aus „Gründen des Alters und der Gesundheit“ aufhören. Das schöne Haus und sein prächtiger Garten bieten jedoch Gelegenheit für einen neuen Pächter, aus dem idyllischen Ort etwas Neues zu machen.

Das Haus aus dem Jahr 1845 selbst hat Charakter und Seele, wie es nur alte und etwas windschiefe Gebäude haben können. Der Kastaniengarten gehört zu den schönsten Plätzen in Frankfurt. Die Lage im alten verwinkelten Niederrad mag etwas Abseitiges haben, doch allein die Anfahrt durch den barocken Torbogen des Frauenhofs führt in eine andere Welt. Die kleinen Straßen bringen Autofahrer in Verwirrung, hat man aber erst einmal das Weidemann gefunden, bekommt man gleich einen Parkplatz auf dem Hof – zumindest, wenn man zu den ersten gehört. Manch einer hat die Lage der Toiletten „überm Hof“ als problematisch empfunden, obwohl das eben bei alten Gaststätten üblich sein konnte. Wenn man bedenkt, welche verdraxelten Wege sonst über Treppen und andere Umwege dorthin führen, muss dies aber als durchaus noch bequem zu empfinden sein.

Weidemann In seiner besten Zeit hatte der polyglotte Ángel Vega (spanisch, italienisch, katalanisch, französisch, englisch) zwar auch internationale Gäste, doch vor allem die Frankfurter und einige besonders bekannte unter ihnen füllten die gastliche Stube. Manchmal wurde sie zum Vereinslokal, denn die Spieler der Eintracht Frankfurt gönnten sich auch gerne etwas Gutes. Charly Körbel gehörte jedenfalls zu den Stammgästen und zog entsprechend Klientel nach sich. Renate von Metzler war ebenso gern gesehen wie der verstorbene Bierkönig Bruno Schubert. Das Lokal Weidemann, benannt nach dem Hausbesitzer, brummte jedenfalls eine ganz lange Zeit ordentlich, die letzten Jahre war es ruhiger geworden.

Weidemann Ángel Cuéllar Vega war zwar der gastronomische Kopf, hatte aber immer Küchenchefs im Einsatz. Die ersten vier Jahre seinen Partner Bernard le Merdy, der bei einem Autounfall starb. Ganze zwölf Jahre kochte Thierry Müller, der sich dann später mit dem Avocado selbständig machte (das heute unter anderer Führung Ojo de Agua heißt). Es folgte Thomas Quecke, der „Sterne“-Potential hatte, dies aber vor allem in der Villa Leonhardi am Palmengarten zeigte. Zwei Jahre stand auch Carmelo Deiana am Herd, der später in Oberursel ein Restaurant führte und danach für kurze Zeit bei Carmelo Greco arbeitete. Die letzten zehn Jahre führte Mahmoud Lemmkadmi die Küche im Weidemann, ein treuer Mitarbeiter, der von Anfang an dabei war. In all den Jahren gab es im Restaurant einige besonders beliebte Klassiker, etwa Seewolf in der Salzkruste oder gebratene Gänsestopfleber mit karamellisierten Äpfeln. Die Weinkarte bot viele erstklassige Weine aus Spanien und Italien, aber auch ausreichend Flaschen aus Frankreich und Deutschland.

Weidemann - 2Wie Ángel Cuéllar Vega im Gespräch mit dem BISS-Magazin sagte, hofft er auf einen engagierten jüngeren Gastronomen, der sein Nachfolger werden und das Weidemann am Leben erhalten könnte. Das Lokal wurde vor nicht allzu langer Zeit renoviert, im Restaurant finden 36 Gäste Platz, im Nebenraum (Raucher) 26, im Wintergarten auch noch einmal 26. Im zauberhaften Garten können 60 Gäste sitzen. Neben Pächter Vega sind noch vier Mitarbeiter im Weidemann, die sich nach neuen Stellen umsehen müssen. Inzwischen hat das Lokal geschlossen. Ángel Vega unterstützt jetzt seine Frau Aurora, die in Sachsenhausen die Trattoria Casa Mia führt.

Ludwig Fienhold

Weidemann Weidemann, Frankfurt, Kelsterbacher Straße 66, Mo-Sa von 18 bis 23 Uhr. Tel. (069) 675996. Oder 0176 72404030.  

 

 

 

Ángel Cuéllar Vega