1

Gegen Erkältung In Kamillentee pochierte Bachforelle

Ein heiterer Koch vertreibt trübe Gedanken

 

Nein, nicht schon wieder ein Kochbuch, sondern ein kulinarischer Schmöker in Bio-Qualität. So nennt den Band der frech fabulierende Feinschmecker Tobias Sudhoff, den man getrost ein Multitalent nennen darf. Der 36 Jahre alte Westfale arbeitet als Musiker, Kabarettist, Komponist, Autor, Moderator und Koch. Sudhoff ist es gewohnt, locker zu bleiben und im lässigen Plauderton Wissenswertes zu vermitteln. Auch beim Schreiben versucht er erst keine gespreizte Diktion, sondern spricht ganz einfach mit dem Leser.

Er ist ein Küchenkumpel, kein prolliger wie Tim Mälzer oder Jamie Oliver. Er ist ein kluger Küchenkumpel. Kein Besserwisser, aber jemand, der weiß, wo der Barthel seinen Most holt. Beim Lesen des Buchs wird man schnell ins Geschehen hineingezogen, sammelt mit Sudhoff Pilze, sucht nach dem besten Gemüse, kauft beim Metzger ein und steht mit ihm am Herd in der Küche bei einem Glas Wein, als würde man ihn schon länger kennen. Genau das hat auch Tim Raue angesprochen. „Es gibt Tage, an denen ich mich freuen würde, mit den Jungs, die dieses Buch realisiert haben, am Herd zu stehen und zu kochen – ohne den Druck der absoluten Perfektion zu spüren, geprägt zu sein von Emotionen, Spaß“, schreibt der Berliner Sternekoch im Vorwort. 

Tobias Sudhoff

Tobias Sudhoff hat Spaß an seiner Arbeit und genau dieser springt einen an und macht Lust vieles nachzukochen. Etwa Mufflon im Heumantel an mediterranem Gemüse und Pumpernickel oder Bambi im Gewürzteig mit zweierlei Schoko-Trüffelsaucen. Thymiansandwich mit Erbsenmousse und Geflügelpâté will auch probiert sein und Makrelenterrine mit Marzipan sowieso. Wenn Sudhoff über die Inflationsware Sushi reflektiert, dann auch wieder anders: Steirisches Sushi – mein Fisch jodelt!

Ein Lob auch den sehr natürlichen Live-Fotografien von Maryatta Wegerif, die nicht wichtigtuerisch foodstylistisch arbeitete, sondern dem Autoren und seinen Produkten gefühlvoll auf die Pelle rückte.

Das Buch trägt den Haupttitel „Das unverschämt geile Kochbuch“, weil man vielleicht befürchtete, mit einem bedächtigeren Titel weniger Aufmerksamkeit zu erzielen. Es ist auch nicht einfach aus dem Meer der Bücher dieser Spezies ins Visier der Perlentaucher zu geraten.

 

 

Betriebsanleitung für in Kamillentee pochierte Bachforelle

 

Sehr schnell zubereitet, sehr lecker und optisch sehr effektvoll: Die heimische Forelle versteht sich bestens mit allen möglichen Kräutern, die am Bachrand wachsen. Und mit diesem Gericht holt man sich gerade im Winter endlich wieder den Frühling auf den Tisch …

Man braucht:

Forelle, Kamillentee, Bouquet garni, Karotten, Fenchel, Porree etc. als Suppengemüse

Sauce: Sahne, Fischfond, Salz, Lavendelblüten, Lavendelhonig, Vanille, Muskat, Piment

Fisch pochieren: Reichlich Kamillenteebeutel – und gerne nach Gusto noch andere Kräutertees – in kochendes Wasser geben. Die Brühe sollte so stark schmecken, dass man den Tee so gerade nicht mehr trinken mag … Kräftig salzen, Suppengemüse und Bouquet garni mit dazugeben und drei Minuten kochen lassen. Dann stelle ich die Flamme so ein, dass die Wassertemperatur zwischen 60 und 65 Grad Celsius reguliert bleibt – am besten mit einem Küchenthermometer kontrollieren. – An dieser Stelle gebe ich mit gerümpfter Nase zu, dass ein Induktionsherd ganz schick sein kann …

In dieses pochierwarme Kamillenwasser wird nun die ganze Forelle gelegt. Den Fisch lasse ich je nach Größe darin 10 bis 20 Minuten pochieren und bereite währenddessen die Lavendelsauce vor: Sahne, Fischfond, etwas Butter und reichlich Lavendel (bevorzugt die Blüten!) sehr stark reduzieren – es sollte eine cremeartige Konsistenz bekommen – und mit Salz, Lavendelhonig, etwas Vanille und vielleicht einem Hauch Muskat und Piment abschmecken, weiter seiern lassen und immer wieder etwas Sahne nachfüllen.

Den Fisch filetiere ich, sobald sein Fleisch sich von den Gräten lösen lässt – Fingerprobe: Lässt sich die Rückenflosse mühelos herausziehen? Die Filets gebe ich auf den vorgewärmten Teller. Ein Tipp für den weniger Geübten beim Filetieren: Je heißer die Teller, desto länger hat man Zeit bis zum Servieren, hihi … Lavendelcreme auf den Fisch nappieren und den Teller mit allerlei Blüten aus dem Garten verzieren.

Ach ja, und welche Blüten sind essbar? Ehrlich gesagt, orientiere ich mich dabei daran, ob eine Pflanze als giftig gilt: Darum lass ich die Finger von Fingerhut, Akelei, Goldregen, Christrose, Eisenhut, Maiglöckchen, Oleander, Schierling und dergleichen. Ansonsten kommt so ziemlich alles Blühende bei mir auf den Teller – als passionierter Orchideensammler liegt da auch schon mal eine Phalaenopsis oder Dendrobium dazwischen … Wer auf den blumigen Geschmack der Blüten besonderen Wert legt: Die Blütenblätter am besten frühmorgens ernten und gleich ins Null-Grad-Fach, morgens schmecken sie nämlich am intensivsten.

Tobias Sudhoff, Schürzensänger

 

Das unverschämt geile Kochbuch, Kettler Verlag, ISBN 978-3-86206-124-2, EUR 29,90. www.das-unverschaemt-geile-kochbuch.de