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Gourmet-Frikadelle in den Weinbergen

Und andere Überraschungen im Rheingau

Von Ludwig Fienhold

Ausflugswetter – ab in den Rheingau! Dort erlebt man mitten in den Weinbergen Urlaubsgefühle. Im Gutsauschank Baiken thront der Gast zwischen den Lagen Baiken, Gehrn und Wülfen der Hessischen Staatsweingüter. Die Atmosphäre, die nette Betreuung und die Rieslinge würden schon für ein paar schöne Stunden ausreichen, aber die Küche zeigt ebenfalls Klasse. Es gibt geschmorte Lammstelze, Taunusforelle im Ganzen gebraten mit Mandel-Zitronen-Butter oder Filet vom Jungschwein. Der Frikadelle gebührt indes der Lorbeerkranz. Regionales Fleisch und frische Kräuter werden handwerklich perfekt zu einem Spitzenprodukt, einer Gourmet-Bulette, wie es keine zweite gibt. Dieser saftige, fleischige und ökologisch korrekte Wonneproppen wird im Baiken mit gutem Brunnenkresse-Risotto serviert. Küchenchef Miguel Sattler kocht mit Verve und verwendet Erzeugnisse aus der heimischen Landwirtschaft. Das Fleisch für das saftige Rumpsteak wird wie früher am Knochen abgehangen und nicht wie heute aus Kostengründen üblich unter Vakuum gereift. Die traditionelle Methode macht es zarter und bringt mehr Geschmack.

Frikadelle 11. Generation

Gut sind auch die Kleinigkeiten im Gutsauschank, der marinierte Rhöner Tafelspitz mit Strauchtomaten, Frühlingszwiebeln, Kürbiskernen auf geröstetem Sauerteigbrot oder das Sortiment vom Eltviller Käseladen mit Traubenkompott. Probieren sollte man außerdem das Sauerampfer-Eis mit marinierten Erdbeeren und Vanilleschmand. Dass sich die Qualität für einen Gutsausschank auf einem solchen Niveau bewegt, liegt an Küchenchef Sattler und an dem Betreiber Egbert Engelhardt, dem kreativen Kopf der „11ten Generation“, die in Wiesbaden die Region mit feinem Catering, originellen Ideen und guten Erzeugnissen versorgt. Inzwischen gibt es sogar eine eigene Weinlinie, der im großen Eichenfass gelagerte Riesling Rauenthaler Baiken vom Kloster Eberbach gehört zur Edition 11te Generation und zeigt Statur.

Zum Baiken

Der ehemalige Sternekoch Egbert Engelhardt führt neben dem Gutsausschank Baiken noch ein anderes Juwel: das Lokal Anleger 511 in Eltville. Unmittelbar am Fluss, Rheinkilometer 511, gelegen, wurde es in wenigen Monaten zum beliebten Ankerplatz, wobei man das Gefühl hat an der Reling eines Schiffes zu stehen. Die über 100 Jahre alte denkmalgeschützte ehemalige Rheinhalle wurde für fast eine Million Euro saniert. Das Kleinod aus Sandstein, Fachwerk und Schmuckornamenten an der schönen Eltviller Flusspromenade glänzt nun als großartige Location mit Panoramablick. Rheingauer Rieslinge und Sekte sind selbstverständlich, daneben stehen aber auch verschiedene „Longwines“ im großen Glas bereit, Drinks mit Minze und Ingwer oder Basilikum und Limone. Küchenchef Sebastian Bauer schafft mit seiner kleinen Speisekarte sehr geschmeidig die Biegung von bodenständig zu modern. Das knusprige Teriyaki-Hühnchen mit Glasnudelsalat schmeckt ausgezeichnet, doch will man auch hier die schönen Deftigkeiten der „11ten Generation“ haben: Frikadelle und Bratwurst demonstrieren, dass solche kulinarischen Gassenhauer genau so großartig sein können wie sogenannte Luxusprodukte. Die mit frisch gemahlenen Gewürzen und Gartenkräutern abgerundete Bratwurst ist ein saftig-würziger Naturbursche ohne künstliche Zusatzstoffe und Geschmacksverstärker.

Anleger 511

Inzwischen hat man im Anleger 511 wieder auf Self Service gewechselt. Die Gäste bestellen ihr Essen an der Theke, erhalten eine Nummer und bekommen es dann gebracht. Die bunte mobile Imbissbude vor der Tür gehört ebenfalls zum Lokal. Dort sollte man anbeißen – es gibt eine erstklassige Currywurst mit einer hausgemachten Sauce und wahlweise drei verschiedenen Currymischungen von Gewürz-Guru Ingo Holland.

Der Gastronom Egbert Engelhardt führte einst mit dem Grauen Haus in Oestrich-Winkel das beste und schönste Restaurant im Rheingau. Das älteste Steinhaus Deutschlands stand am Fuß der Weinberge und hatte eine einmalige Atmosphäre – außen wie innen. Nach Engelhardt gab dort der jetzige Fernsehkoch Ralf Zacherl noch ein Gastspiel, dann war Schluss. Das Graue Haus steht seit vielen Jahren leer und gammelt vor sich hin – am Eingang steht immer noch das Restaurantschild. Der jetzige Besitzer, ein Frankfurter Immobilien-Unternehmer, lässt jedenfalls eines der interessanten Objekte in Deutschland völlig unsinnig verwahrlosen. Egbert Engelhardt dagegen ist extrem unternehmungslustig. Zu den Lokalen Im Baiken und Anleger 511 ist jetzt noch ein Drittes hinzugekommen: Das Schwarze Häuschen in Eltville-Hattenheim. Es liegt nahe beim Kloster Eberbach in traumhaft schöner Lage mitten in der berühmten Steinberglage. Zum grandiosen Ausblick genießt man solide Vespergerichte und Tropfen aus der ummauerten Weinlage. Der Steinberg ist eine der wertvollsten Lagen der Welt, die 30 Hektar gehören ganz dem Riesling. Die Mauer wurde im 18. Jahrhundert zum Schutz vor Traubendieben gebaut und schirmt jetzt vor Kaltluft ab.

Schwarzes Häuschen

Gutsauschank Baiken, Eltville, Wiesweg 86, Tel. 06123 900345.Geöffnet Montag bis Freitag ab 17 Uhr, Samstag ab 15 Uhr, Sonntag ab 11.30 Uhr.

Anleger 511, Eltville, Platz von Montrichard 2, Tel. 06123 689168. Geöffnet Montag bis Sonntag 10 – 23 Uhr.

Schwarzes Häuschen, Eltville-Hattenheim, Domäne Steinberg. Geöffnet April – Oktober, Freitag ab 17 Uhr, Samstag, Sonntag und an Feiertagen ab 12 Uhr.

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