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Ekstase-Stoff

Die Ergebnisse der größten

Apfelweinmesse der Welt

Von Ludwig Fienhold

Gastronomen, Sommeliers und Weinhändler sind immer auf der Suche nach neuem Stoff. Und weil inzwischen auch Apfelwein zur seriösen Welt des Weins gehört und auch wegen seiner Regionalität im Trend liegt, ist das Fachpublikum sehr stark bei der Frankfurter Apfelweinmesse vertreten, die jetzt zum dritten Mal in den historischen Hallen des Rathauses Römer stattfand und über 1000 Besucher lockte – Spezialisten und normale Besucher.

45 kleine Apfelwein-Winzer und größere Keltereien aus Deutschland, Frankreich, Spanien, Japan, Finnland und Kanada ließen über 200 Spezialitäten verkosten – Apfelwein, Apfelschaumwein, Apfel-Sherry, Eisapfelwein, Apfelbalsamessig. Bei den Weinen gab es die aktuellen Jahrgänge zu probieren, die Qualitäten waren so schwankend wie mancher Besucher nach der Messe. Was kann man über diesen Tag hinaus an Entdeckungen und Werten mitnehmen? Apfelwein wird immer besser, weltweit, aber vor allem in Hessen. Wie bei allem Guten gibt es Trittbrettfahrer und billige Kopien. Wir mussten manchen Blubberlutsch trinken, wurden aber auch durch Ekstase-Stoff aufgewühlt. Hier nennen wir aber aus Platzgründen nur die interessantesten Erzeugnisse aus Äpfeln mit Biss:

Entdeckung des Jahres: Domaine Bordatto aus dem französisch-baskischen Jaxu. Pascale und Bixintxo Aphaule gründeten ihr vier Hektar großes Gut mit Streuobswiesen vor neun Jahren und füllen in ihrer biologisch geführten Kelterei aus 15 verschiedenen Apfelsorten drei Cuvées ab: Txalapara, Basajaun (der Teufel), Basandere (wilde Frau). Die Zungenbrechernamen kann man nach dem dritten Glas besser aussprechen. Das Trio verdankt seinen charaktervollen Geschmack einem Ausbau in alten Eichenfässern, in denen zuvor Weißwein reifte. Die runden und ausgeprägten Schaumweine schmecken leicht rauchig, erdig und nach reifen Äpfeln. Gute Struktur, kräftiger Körper, erfrischende schön eingebettete Perlage, die nicht wie bei vielen Produkten dieser Spezies oben aufgesetzt wirkt. Solcher Schaumwein verdient das Prädikat Ekstase-Stoff. Dass die Apfelweinwinzer auch noch besonders sympathisch sind, macht eine Freundschaft mit den baskischen Spitzenerzeugnissen noch leichter.

Überraschung der Messe: Der immer wieder mit Ideen aufflammende Edelobstbrenner Arno Dirker aus dem unterfränkischen Mömbris bei Aschaffenburg war nicht nur mit Hochprozentigem vertreten, sondern auch mit neuen Apfelwein-Kreationen. Der harmonische Rheinische Bohnapfel fällt gut aus, noch mehr fällt der eigenwillige Rote Rosenapfel als Gegenstück zum Eiswein auf. Beide gehaltvollen, trockenen, gut balancierten und elegant fruchtigen Apfelweine gibt es auch als Schaumwein.

Der Gehaltvollste: Die Apfelweine von Armin Treusch aus dem Odenwald werden auch Traubenweintrinker überzeugen. Sie sind sehr extraktreich, obstig und trocken. Der ungeschwefelte Rheinische Bohnapfel sur lie aus der Lage Reichelsheimer Ratzelbrunnen zeigt sich als profilstarke herbe und aromatische Persönlichkeit. Dieser Wein wird bis zur Flaschenabfüllung auf der Hefe gelagert (sur lie), wodurch Duft, Frische und Finesse eine größere Betonung erfahren. Sehr viel Stoff bieten zudem der Reichelsheimer Weinapfel und die Goldparmäne.

Die Süffigsten: Wunderbar schwungvoll flitzen die geradlinigen glasklaren und aromendichten Apfelweine von Robert Theobald (Frankfurt-Sachsenhausen), Peter Merkel (Annelsbach im Odenwald) und Andreas Schneider (Frankfurt Nieder-Erlenbach) über die Zunge: Theobalds Hausschoppen; Merkels Hausschoppen  und die Goldrenette; Schneiders Mönchberg. Das rockt.

Das beste Outfit: Der Odenwälder Dieter Walz, ein Mann wie eine Eiche, war der am originellsten angezogene Zunftvertreter. Die Apfelkette und der Riesenhut wären schon Hingucker gewesen, doch das von einer alten Bäuerin handbestickte Leinenhemd bewies besten ländlichen Schick. Aber auch die Produkte des Altmeisters können sich sehen und schmecken lassen. Die untadeligen Obstbrände ebenso wie der Apfelschaumwein und Apfelperlwein. Die Perlen von Dieter Walz sind trocken und gut. Man kann sich pur damit auf den Frühling einstimmen oder sie mit einem Schuss Likör aus Wermut- und Bitterkraut wie einen Aperol genießen, den Walz ebenfalls mit Sorgfalt fertigt.  Der Pionier begann vor zwanzig Jahren mit seinen Apfelspezialitäten, die ausschließlich aus der Region kommen.

Die tapfersten Aussteller: Die beiden Vertreter der japanischen Mashino Winery, Aiko Yazawa und Kijoshi Miyazawa, hielten sich angesichts der dramatischen Ereignisse in ihrem Land wacker. Sie stellten zwei Apfelweine aus den Sorten Fuji und Jonathan vor. Sehr alkoholreiche Erzeugnisse, die beinahe wie eine Kreuzung aus Apfelwein und Sake wirken. Mit zehn Volumenprozent Alkohol liegen sie fast doppelt so hoch wie herkömmlicher Apfelwein.

Weitere Highlights: Als Aperitif gab es zur Eröffnung des Festivals den Boskoop mit Birne von Andreas Schneider, der so trocken und feinfruchtig ausfiel, wie es für den Einstieg perfekt war. Eric Bordelets Apfel- und Birnenschaumweine gehören jedes Mal zum Feinsinnigsten unter den Erzeugnissen. Man wünscht sich von dem Franzosen mehr als nur seine zwei Sorten. Eine Besonderheit ist auch der herzhaft frisch-fruchtige Apfelwein mit Quitte, den der Frankfurter Jürgen Schuch fast wie einen Eiswein erntet und herstellt. Jörg Stier aus Maintal-Bischofsheim war mit seinen Büchern und einem echten Speierling vertreten, der aus dem Gerippten noch eine Spur besser schmeckte als aus dem Weinglas (oft ist es auch umgekehrt). Zudem überzeugte sein feinperliger Emma-Schoppen  mit zarter Frucht und schöner Würze. Die Kelterei Heil aus Laubus-Eschbach bewies, dass sie nicht nur einen ordentlichen Schoppen aus Äpfeln, sondern jetzt auch noch einen aus Birnen herstellen kann.

Die Frankfurter Familienbetrieb Nöll war erneut mit untadeligen Apfelweinen und Apfelschaumweinen präsent. Die Produkte von Weidmann & Groh aus Friedberg offenbaren durchweg Statur, die Apfelweine und Apfelschaumweine von Herberth aus Kronberg sind gute unkomplizierte Durstlöscher. Spitzenprodukt ist der angenehm trockne und herbe Apfel-Klassiker benannte Apfelschaumwein, der in traditioneller Flaschengärung hergestellt wird. Mit dem flüssigen Dosen-Obst von Bembel With Care sollten die Hotels mal ihre immergleichen und langweiligen Minibars auffüllen, denn die Designer-Crew weiß ihren Stoff amüsant zu verpacken.

Die nächste Apfelweinmesse, die wieder von Andreas Schneider (Obsthof am Steinberg in Nieder-Erlenbach) und Michael Stöckl (Landsteiner Mühle in Weilrod im Taunus) veranstaltet wird, kann man schon jetzt in den Kalender als Termin eintragen: Sonntag, 18. März 2012, Rathaus Römer Frankfurt.

Die Adressen der hier genannten Keltereien finden sich auf der Webseite der Frankfurter Apfelweinmesse: www.apfelwein-im-roemer.de

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