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Die 7 Samurai-Köche

Deutschland wird japanischer

Von Ludwig Fienhold

Eine spannende Idee: Sieben deutsche und japanische Spitzenköche entwerfen ein Menü mit sieben Gängen zu sieben verschiedenen Sake von erstklassigen Produzenten. Die Auftaktveranstaltung bei Mario Lohninger im Restaurant Micro in Frankfurt zeigte, welches Potential in der Verbindung aus kreativer Küche und dem japanischen Kultgetränk liegt.

Sushi-Chef Kawano, Mario Lohninger, Yoshiko Ueno-Müller, Jörg Müller, Toshio Kobatake

Wie die alten Samurai, so sollen auch die Köche Tugenden und Ehre verteidigen, wenngleich nicht mit dem Schwert, sondern mit dem Küchenmesser. Keineswegs irgendwelche Köche wurden dafür ausgesucht, sondern besonders Tugendhafte: Sven Elverfeld (3 Michelin-Sterne, 19 Punkte im Gault Millau), Aqua im Ritz-Carlton, Wolfsburg; Volker Drkosch (1 Stern), Victorian, Düsseldorf; Kevin Fehling (2 Sterne), La Belle Epoque, Lübeck/Travemünde; Yoshizumi Nagaya (1 Stern), Nagaya, Düsseldorf; Tim Raue (1 Stern), Restaurant Tim Raue, Berlin; Toshio Kobatake (16 Punkte im Gault Millau), Restaurant Toshi, Düsseldorf; Mario Lohninger (Gault Millau Koch des Jahres, 1 Stern), Restaurants Silk & Cocoon, Frankfurt. Nach Lohninger werden nun alle Köche in ihren Restaurants spezielle Menüs zum Thema Sake anbieten, im monatlichen Wechsel bis November (das Programm mit Preisen und Terminen steht auf der Internetseite www.japan-gourmet.com).

Micro

Bei Mario Lohninger war das Dinner „7 Samurai-Köche & Sake“ die am schnellsten ausverkaufte Veranstaltung aller Zeiten. Die Sake-Expertin Yoshiko Ueno-Müller, in Tokio geboren und seit 20 Jahren in Deutschland zu Hause, hat die Initiative zu dieser außergewöhnlichen kulinarischen Reihe ergriffen und unter ihr Lieblingsthema gestellt (siehe auch Sake – Poesie in Flaschen). Die zugleich zarte und robuste Art von Sake ist charakteristisch für Japan und die Menschen dort.

Sashimi von Kawano

Ein perfektes Zusammenspiel  von Speise und Getränk zeigte der Gold Label der Ninki Brauerei aus Fukushima (der Katastrophen-Region, die wohl leider auf ewig mit diesem Stigma behaftet sein wird). Der aromatische, feinfruchtige Sake war solo schon ein Hinschmecker, lief aber erst mit den Sushi-Happen zur Hochform auf und offenbarte Harmonie in Vollendung. Wenn der richtige Sake auf rohen Fisch und japanische Gewürzpflanzen stößt, erfährt beides eine Geschmacksbereicherung. Es war dies der vielleicht letzte Sake aus der Ninki-Brauerei. Für die Sushi und Sashimi war wie stets in Silk und Micro Kawano Hirofumi aus Sapporo verantwortlich (siehe Titelfoto oben), der präzise Miniaturen zubereitet. Eines der besten und stark japanisch inspirierten Gerichte von Mario Lohninger ist der Black Cod mit Miso und japanischer Consomé, der auch beim Sake-Dinner zum Einsatz kam. Der ungemein saftige, fleischige und nanosekundengenau gegarte kabeljau-ähnliche Fisch badet dabei in einem leicht geräucherten und an Lapsang Souchong Tee erinnernden Sud (der diesmal mit einer dezenten Chili-Variante wechselte). Der fast schon süffige, reintönige, an feingeschliffenen Reis anmutende Sake Urakasumi Zen passte wie maßgeschneidert dazu, wobei die Uhu-Klebstoffnase anfangs irritierte. Der Zen-Sake der Brauerei Urakasumi – mit dem dicken Mönch auf dem Etikett – stammt aus der Präfektur (Region) Miyagi, die für Thunfisch bekannt ist und ebenfalls zum betroffenen Erdbebengebiet gehört.

Wenn die Klarheit und Sanftheit von Sake von einer geschmeidigen Viskosität begleitet wird, erreicht man noch höhere Geschmacksregionen. Manche von ihnen können dabei trocken ausfallen, manche erscheinen eher wie Wein-Spätlesen. Wie Dassai 50 von der Brauerei Asahi Shuzi aus Yamaguchi. Weinig, cremig, dichte Textur. Trotz trockner Art betonte Aromen, Frucht, ein Hauch Muskat. Passte hervorragend zu Mario Lohningers lauwarmem Hamachi (Gelbschwanzmakrele) in einer famosen Aromatiksauce mit Melone und Ingwer. Lohningers Desserts wirken schon von Natur aus, wie für Sake geschaffen. Wenn Zitrusfrüchte, Wasabi und Fromage Blanc Sorbet auf einen feinblumigen eleganten Amabuki Marigold treffen, dann wird es kulinarisch leicht lyrisch. Beschwingtes Finale: Yuzu-Schaumomelette mit Sorbet von Grünem Tee mit Yuzu-Sake der Kobe Shu-Shin-Kan-Brauerei. Eigentlich ein Sake-Likör mit Yuzu-Zitrus, leicht gekühlt ein toller Sommerdrink (ähnlich italienischem Limoncello).

Die dramatischen Ereignisse in Japan lassen auch verstärkt Köche und Lieferanten über japanische Erzeugnisse nachdenken. Sake, Sojasauce, Pilze, Thunfisch – was kann unbedenklich genossen werden? Die meisten jetzt im Handel befindlichen Erzeugnisse wurden schon vor der Katastrophe geerntet und abgefüllt. Bei Premium-Sake wird zudem immer ein Datum auf der Flasche genannt. Mario Lohninger ist wie viele andere auch verunsichert, bezieht seine Fische inklusive Thuna und anderes mehr aber schon länger aus dem Mittelmeer, Kalifornien oder Kanada. Erzeugnisse aus Japan, die größtenteils am Frankfurter Flughafen ankommen, werden dort sehr genau untersucht – indes stichprobenweise und nicht jedes einzelne Stück. Vertrauen und Misstrauen halten sich letztendlich die Waage. Am Ergebnis der 7 Samurai-Köche ändert dies nichts: Diese kulinarische Reihe ist ein Ereignis von Weltrang.

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