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Tapas La Trinca löst die schwarze Café-Bar ab

Braucht die Schweizer Straße Spanisches?

Von Ludwig Fienhold

Die schwarze Café-Bar, einst als Künstlerlokal mit existentialistischer Aura gedacht und später nur noch ideenlos geführt, war vor 25 Jahren ein interessanter Treffpunkt und Ort gepflegter Melancholie. Die Besucher der nahen Museen mochten das Rollkragen-Niveau und die leicht anspruchsvolle Affektiertheit der Kellner, die damit eine mäßige Küche zu kaschieren sich getrauten. Das dunkle enge Neo-Klaustrophobie-Lokal machte schmale Lippen, die kleinsten Toiletten der Stadt erforderten große Geschmeidigkeit. Die letzten Jahre war es ruhig um den einst beliebten Klassiker geworden, am Ende stand das schwarze Design nur noch für traurig-traurig. Das klarlinige Interieur und die schönen Stuckdecken, dieses elegante Understatement der gelassenen Farben und Formen, war 1986 hochmodern – und ist es auf wunderbar zeitlose Art immer noch. Verantwortlich dafür ist der Architekt der gehaltvollen Strenge, Max Dudler, der auch die Neue Deutsche Börse in Frankfurt entworfen hat. In das künstlerisch wertvolle Ambiente der Café-Bar wird jetzt eine Tapas-Bar einziehen. Leider erweisen sich dabei die neuen Betreiber als Kulturschänder und wollen das Lokal anders gestalten – sehr zum Ärger des Architekten Max Dudler, der vor Wut schäumt. Außerdem verspricht das neue Lokal auch kein kulinarisch ansprechender oder gar anspruchsvoller Ort zu werden. Man sollte zwar mit Vorababschusskritiken ebenso zurückhaltend sein, wie mit Vorschusslorbeeren. Doch gibt es gute Gründe, die an der neuen Tapas-Bar namens La Trinca zweifeln lassen, obwohl sie auf den schönen Namen „Rausch“ hört.

Es existiert bereits von den gleichen Betreibern eine solche Bar mit diesem Namen in der Frankfurter Kleinmarkthalle. Gleich neben dem Gemüsestand der Familie Friese am Haupteingang ist ein unverhältnismäßig großer Stand aufgebaut worden, der schon eher einem Lokal gleicht. Mit Sitzplätzen und einem großen Thekenbereich. Die Auslage mit den verschiedenen Tapas erscheint, als wären diese für eine Prüfung im Dschungelcamp ausgedacht worden. Was denkt sich eigentlich jemand, wenn er solch appetitzügelnde, fahle, ältliche und teilweise eingetrocknete Happen anbietet? Glaubt er, in Frankfurt lebten nur bekiffte und selbst das noch ganz lustig findende Althippies, alles in sich hineinfressende Hartzler und Banker, denen Geld, aber nicht ordentliches Essen wichtig ist? Die Gerichte sehen nicht nur elend aus, sie schmecken auch so. Es gibt Öliges, Fettiges, Trocknes, Ungewürztes, Liebloses, Lebloses. Allein die Pampe aus Kartoffeln, Mais, Thunfisch, Eiern, Zwiebeln und weiß der Teufel noch was, ist ein Fall für die Genfer Menschenrechtskommission. Die Chorizo besteht aus viel Fett und wenig Aroma, bei den Albondigas-Hackfleischballen erinnert man sich wieder, wie schlecht selbst immer noch Convenience-Gerichte ausfallen können. Dass in der Kleinmarkthalle nicht richtig gekocht, sondern nur aufgewärmt werden kann, darf keine Entschuldigung für schlechte Leistungen sein. Wir bemängeln hier auch keine falschen Garzeiten, sondern die fehlende Produktqualität. Die Weine haben größtenteils Tankstellenniveau. Es ist ja bei uns fast schon zum Rechtfertigungsgrund geworden, bei angeblich kleinen Preisen nichts erwarten zu dürfen. Doch vier Euro für ein Tappa-Tellerchen sind keineswegs wenig, sondern genau genommen vier Euro zuviel. Vielleicht besinnen sich ja die Gastronomen und werden auf der Schweizer Straße besser sein wollen. Wer aber solche Angebote wie in der Kleinmarkthalle macht, der muss sich nicht wundern, wenn man ihm mit allergrößtem Misstrauen begegnet.  Warum zudem schon wieder Tapas, das war vor zehn Jahren schon nicht mehr originell? Die Tapas-Invasion brachte meist zweifelhafte Ergebnisse. Immerhin: Das Destinos in Bornheim hat sich passabel gehalten. Und die Casa Pintor im Nordend ist eine der ganz wenigen  authentischen Tapas-Lokale, in denen es inzwischen sogar gute Weine gibt.

Max Dudlers klassische Café-Bar

Die Schweizer Straße in Frankfurt Sachsenhausen steht für eine selten gewordene Lebensqualität. Lokale und Geschäfte reihen sich in einer kaum sonst zu erlebenden unterhaltsamen Mischung aneinander. Schicke Boutiquen, knackige Apfelweinwirtschaften, Meyers Feinkost, Dulces schöne Süßwerke, Lohningers allerbeste Österreichküche. Und selbst für einen Woolworth ist noch Platz. Es macht bislang noch nicht viel aus, dass sich in die Perlen auch Läden einreihen, die den Glanz etwas matt werden lassen. Noch stimmt das Verhältnis, doch es gibt immer mehr Vermieter, die den schnellen Profit vorziehen und durch hohe Mietpreise eine Fehlentwicklung einleiten, an deren Ende Kettenbetriebe und andere gesichtslose Geschäfte stehen könnten, die Geld aber keine Kultur besitzen. Solche Vermieter sind aber letztlich geschäftsdumm und kurzsichtig: Wenn die Qualität der Schweizer Straße Schaden nimmt, leben auch Mieter in einer weit weniger hochwertigen Umgebung und ziehen weg oder erst gar nicht hin, was sich ebenso für die Geschäfte negativ auswirkt und diese unbelebt lässt.