Vergängliche Schönheit: Adieu Villa Kennedy
Schwer vorstellbar:
Nie wieder Gast sein
Es wollte Frankfurts elegantestes Hotel sein, obwohl der Frankfurter Hof das schon länger von sicht behauptete. Die notwendige Noblesse brachte das Rocco Forte Hotel Villa Kennedy jedenfalls mit. Das Ensemble, in dem historische Teile und modernes Design ineinander fließen, war ein Schmuckstück. Es gruppiert sich um einen stattlichen Innenhof, der im Frühling und Sommer seinen ganzen Charme entfalte.
Durch einen Kreuzgang wurden vier neue Gebäude mit der Villa aus dem Jahr 1904 verbunden, in der einst die Bankiersfamilie Speyer lebte. Mit einer Investition von 70 Millionen Euro gelangen Neubau und Sanierung, wobei die wunderbaren wuchtigen und denkmalgeschützten Holztreppen und -decken mit der dezenten Eleganz der sonstigen Ausstattung anregend kontrastieren. In diesem Herzstück der Villa Kennedy war auch die nach Präsidentensuite auf einer eigenen Etage untergebracht und präsentierte sich auf ausladenden 326 Quadratmetern mit interessanten Details: eigenem Aufzug (bis zur Garage), kugelsicheren Fenstern, Kamin, Konzertflügel, Bulthaupt-Küche, Turm-Esszimmer. Der Preis für diese Suite, in der als erste Liza Minnelli logierte: 8000 Euro. Insgesamt hielt das Hotel 163 Zimmer bereit, darunter 28 Suiten.
Die Einrichtung des Londoner Innenarchitekten Martin Brudnizki offenbarte eher Minimalismus Deluxe. Auffällig in den Zimmern waren die Holzfußböden, riesige bodentiefe Spiegel und feine Leinenbettwäsche, Standard waren auch Flachbildschirm-Fernseher mit Video-on-demand Funktion, ein separater Ankleideraum sowie Bad mit Bidet und Fußbodenheizung. Die Suiten fielen vom Stil her ähnlich und nur eben größer aus, wobei drei von Ihnen im historischen Villengebäude lagen. Dort befanden sich auch das eindrucksvolle Entree mit Schlangenleder bezogener Rezeption und Concierge-Desk.
Ins Auge fielen die vielen handverlesenen und teilweise eigens für das Hotel geschaffenen Ölgemälde, Fotografien und Kunstobjekte. Hier beriet Adelheid von Faber-Castell, während sonstige optische Geschmacksfragen von Olga Polizzi, der Schwester von Rocco Forte gelöst wurden. Geschmackvoll fiel der 850 Quadratmeter große und auf drei Ebenen verteilte Spa-Bereich aus grünem Granit mit seinem 15 Meter langem Pool, türkischem Dampfbad, Sauna, Yogastudio, Fitnessraum sowie acht Behandlungsräumen aus. Jammerschade, wenn der Wellnessbereich einer Verbauung zum Opfer fallen würde.
Das Hotel und seine Sandsteinfassade vermitteln Gediegenheit und Wärme, innen entdeckte man viel zurückhaltendes Art déco und an den Bauhausstil gemahnende klare Linien und Formen. Klassisch muteten die Säulen und Arkadengänge an, die beinahe ein klösterliches Ambiente schufen. Der Innenhof und sein Garten hatten tatsächlich etwas Kontemplatives. Das Restaurant Gusto, schick und doch unprätentiös, setzte auf italienische Klassik. Ein Konzept, das angesichts der vielen Italiener in dieser Stadt mit gleicher Ausrichtung nicht gerade fantasievoll war. Das Restaurant vermochte die Frankfurter nie zu wirklich gewinnen. Nur bei warmen Temperaturen kamen sie, um sich bei Cappuccino und Prosecco auf derTerrasse zu entspannen.
Die damalige Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth meinte beim ersten Spatenstich, dass Frankfurt nun sein erstes Luxushotel bekomme, was die anwesenden Direktoren der anderen lokalen Luxusherbergen nicht gerade amüsiert zur Kenntnis nahmen. Direktor des ersten Rocco Forte Hotels auf deutschem Boden war seinerzeit der 38 Jahre alte und gut zwei Meter große Georg Plesser, der am längsten das Haus führte. Für Plesser war die Villa Kennedy der „Ruheraum Frankfurts“. Dass in den Hotelbroschüren die zentrale Lage gepriesen wurde, lag keineswegs an mangelnden Ortskenntnissen, man wollte die Gäste gedanklich nicht gleich ins Abseits bringen. In Laufnähe befand sich indes kaum etwas Verlockendes. Die Location war von Anfang an ein Problem. Wer aber hätte gedacht, dass dieses angesichts der kommenden noch kein allzugroßes war. Die Corona-Krise veränderte schlagartig einfach alles. Keine Messen, keine Touristen und Geschäftsreisenden. Und vor allem: Keine Aussicht auf Veränderung. Wir werden uns spätestens bei den ersten warmen Temperaturen daran erinnern, wie schön es auf der Terrasse der Villa Kennedy war. Und wie traurig es ist, dass wir dort nie wieder zu Gast sein werden.
LF