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Tradition im Pavillon: Die Traube Tonbach tischt wieder auf

Nach dem Feuer

erstehen aus der Asche

die Gourmetrestaurants

wieder auf

 

Als junge Gäste fühlten wir uns bei den ersten Besuchen vom Murgtalbarock der Schwarzwaldstube erdrückt. Das änderte sich mit den Jahren, weil man das kunstvolle Handwerk dahinter entdeckte und durch die inflationäre Zunahme der gesichtslosen Bistros und kalten Retortenlokale eine solche maßgeschneiderte gastliche Stätte zu schätzen lernte. Dass diese kulinarische Historie Geschichte von gestern ist, stimmt wehmütig. Und dass ausgerechnet Deutschlands bekanntestes Drei-Sterne-Restaurant jetzt als Pavillon auf einem Parkdeck wieder eröffnet wurde, hat etwas Absurdes. Aber es war die einzige schnelle Möglichkeit, das Restaurant auf diese Weise wieder für alle Genussbereiten öffnen zu können.

Die „neue“ Schwarzwaldstube

Man könnte nun spitz sagen, die Schwarzwaldstube wurde gründlich von der Schwere des mächtigen Holzes befreit. Aber nicht von einer Last. Aus einem Pavillon auf einem Parkdeck lässt sich kein Tempel machen. Doch gerade eine solche Schlichtheit will gestaltet sein, von den Fotos hier im Bericht darf sich jeder selbst ein Bild machen. Die Aussicht aufs Tonbachtal kann sich, nun ja, blicken lassen. Das wahre Abenteuer in der Schwarzwaldstube fand ja ohnehin immer auf dem Teller statt, und so soll es auch wieder sein. Abgesehen davon ist dies kein Dauerzustand und nur die Interimslösung. Der Wiederaufbau des Stammhauses ist längst in Planung und soll Ende 2021 abgeschlossen werden.

Die Schwarzwaldstube bietet nun für 32 Gäste Platz, ein Double Seating wurde anfangs überlegt und wieder verworfen, das Restaurant ist abends von Mittwoch bis Sonntag ab 19 Uhr geöffnet. Es werden drei Menus angeboten: Kleines Degustationsmenü (5 Gänge, 195 ), großes Degustationsmenü (7 Gänge, 245 €), vegetarisches Menü (6 Gänge, 165 €). Eines der Signature-Gerichte steht wieder auf der Karte: Steinbutt in der Salzteigkruste (Bild oben). Die Inhaberfamilie Finkbeiner legte ein enormes Tempo beim Wiederaufbau vor. Natürlich wollte man so schnell wie möglich wieder Gäste bewirten – doch damit auch das Team wieder beschäftigen und bei der Stange halten. Gerade in solchen Krisenzeiten wird schnell gewechselt, Topleute wie in der Traube Tonbach sind auf dem Weltmarkt in der Branche stark gesucht.  In der Schwarzwaldstube sind nach wie vor 20 Mitarbeiter beschäftigt, zwölf davon in der Küche.

Torsten Michel (l.) und Florian Stolte

Anfang Januar ging in einer Nacht das historische Stammhaus der Traube Tonbach mit samt Deutschlands dienstältestem Drei-Sterne-Restaurant „Schwarzwaldstube“, dem Ein-Sterne-Restaurant „Köhlerstube“ und der traditionellen „Bauernstube“ in Flammen auf. Jetzt  feiern zwei der Restaurants ihre Wiedereröffnung: Der neu gebaute und „temporaire“ genannte Pavillonbau bietet den beiden Brigaden von Torsten Michel und Florian Stolte ein Zuhause auf Zeit –und Platz für insgesamt 70 Gäste. „Unsere Restaurants haben endlich wieder ein Zuhause“, freut sich Heiner Finkbeiner über die Wiedereröffnung von Schwarzwaldstube und Köhlerstube. „Durch das Feuer haben wir mit unserem Stammhaus nicht nur einen Ort verloren, an den viele persönliche Erinnerungen unserer Familiengeschichte verknüpft waren. Unsere Gourmetrestaurants und die historische Bauernstube waren auch liebgewonnene Genussorte.“

Aus dem Anspruch, Gourmetgäste nicht so lange auf das nächste Dinner in der Köhlerstube oder Schwarzwaldstube warten zu lassen, wuchs die Idee der Übergangslösung auf dem Flachdach der Hotelgarage. „Was wenig glamourös klingt, bot einige Vorteile“, meint Juniorchef Sebastian Finkbeiner. „Neben der Nähe zum Hotel war eine Aufstockung des Gebäudes statisch machbar und erste Versorgungsleitungen bereits vorhanden. Als i-Tüpfelchen gibt es einen Panoramablick aufs Tonbachtal.“

In nur acht Wochen entstanden durch den Einsatz von rund 20 beteiligten Handwerksbetrieben zwei Geschosse, die auf 600 Quadratmetern Platz für zwei Gasträume, die Küchen sowie Kühl-, Lager- und Personalräume bieten. „Rund 30 Fenster sorgen für viel Lichteinfall und geben der Konstruktion etwas Luftiges“, meint Renate Finkbeiner, die im Familienunternehmen maßgeblich für die fortlaufenden Modernisierungen verantwortlich ist. Das Interieur ist bewusst zurückhaltend: „Ton in Ton mit einem graublauen Boden laden bequeme Vitra Sitzmöbel zum Verweilen an den großzügig verteilten Tischen. Minimale Designelemente wie filigrane, schwebende Leuchten sowie eine mit schwarzwaldtypischen Schindeln verkleidete Servicestation, die zugleich beide Restaurants räumlich trennt, unterstreichen das ruhige Ambiente“, so Renate Finkbeiner über die optischen Zutaten.

Familie Finkbeiner, die Köpfe der Traube Tonbach

Hinter den Kulissen sind die beiden Profiküchen das neue Reich für die Teams um die Küchenchefs Florian Stolte und Torsten Michel. Michel verdeutlicht, dass alles, was zu einem Restaurant gehöre, nach dem Brand neu beschafft werden musste: „Küchengeräte, Töpfe, Pfannen, Kochgeschirr und das gesamte Porzellan. Aber auch die ganze Tischkultur vom Silberbesteck zu Gläsern über Tischwäsche und Stoffservietten bis zum Messerbänkchen.“ Endlos viele Ausstattungsstücke, die ausgesucht, kalkuliert, bestellt und ausprobiert werden mussten. Auch der zerstörte Weinkeller mit über 7000 Trouvaillen musste an anderer Stelle wieder aufgestockt werden, wobei einige Flaschen unwiederbringlich verloren sind.

Beide Restaurants werden zwar zunächst nur am Abend geöffnet sein, doch durch ein gutes Platzangebot könne man die geplante Kapazität von 38 Sitzplätzen für die Köhlerstube und 32 Sitzplätzen für die Schwarzwaldstube halten, glauben die Finkbeiners. „Die Schwarzwaldstube von einst ist Vergangenheit, aber an unserer Küche hat sich nichts geändert“, bekräftigt Küchenchef Torsten Michel. „Mein Team ist extrem motiviert, die Gäste dürfen sich wieder auf eine große Karte mit vielen Klassikern sowie drei Menüs freuen.“ Aber auch die neue Pop-up-Gastronomie der Traube Tonbach wird Ende 2021 wieder Geschichte sein.

Ludwig Fienhold

 

Weitere Informationen unter www.traube-tonbach.de

Photocredit: Traube Tonbach